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Das schweizerische Gesundheitswesen: Analyse und Empfehlungen der OECD und der WHO

Auf schweizerische Anfrage hin haben die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich einen gemeinsamen Bericht zum schweizerischen Gesundheitswesen publiziert. OECD (2006) OECD-Berichte über Gesundheitssysteme: Schweiz, OECD, Paris. Die beiden Organisationen betonen die Qualität der schweizerischen Gesundheitsversorgung im Vergleich mit anderen OECD-Ländern, empfehlen aber, die hohen Kosten zu senken. Eine der wichtigsten Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels besteht in der Verbesserung der staatlichen Steuerung des Gesundheitssystems – und zwar im Bereich der Versorgung sowie bei Prävention und Gesundheitsförderung.

Eine Premiere


Die Überprüfung des schweizerischen Gesundheitssystems wurde von Bundesrat Couchepin anlässlich der OECD-Ministerkonferenz vom 13. Mai in Paris offiziell angekündigt; parallel zur Ministerkonferenz fand erstmals die Tagung der Gesundheitsminister statt, die dem Thema der nachhaltigen Finanzierung der Gesundheitssysteme gewidmet war. Der Bericht ist Teil einer neuen OECD-Publikationsreihe zu Gesundheitssystemen. Die ersten in deren Rahmen untersuchten Länder waren Korea (2003), Mexiko (2005) und Finnland (2005). Die Besonderheit des Berichts zur Schweiz liegt darin, dass die Untersuchung auf Anfrage der Schweiz zum ersten Mal von der OECD und der WHO gemeinsam vorgenommen wurde. Die Arbeiten der OECD, die sich mit der Wechselwirkung zwischen Wirtschaft und Gesundheit im Allgemeinen befassen, werden um die Studien der WHO ergänzt. Darin geht es hauptsächlich um die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung und um den Abbau von Ungleichheiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Der Bericht bietet damit eine Gesamtsicht des schweizerischen Systems sowohl aus dem Blickwinkel der öffentlichen Gesundheit wie auch aus wirtschaftlicher Perspektive.  Auf der Grundlage eines komparativen Analyserahmens der OECD OECD (2004), Towards High-Performing Health Systems: Policy Studies, OECD, Paris. bewertet der Bericht die institutionellen Mechanismen und die Leistungsfähigkeit des schweizerischen Gesundheitssystems im Hinblick auf dessen wichtigsten Ziele: Wirksamkeit und Qualität, Zugang zum System und Konsumentenzufriedenheit sowie Wirtschaftlichkeit und finanzielle Tragbarkeit. Der Bericht prüft die Stärken und Schwächen des schweizerischen Systems, beleuchtet die zukünftigen Herausforderungen und zeigt mögliche Reformoptionen auf.  Einen grossen Beitrag zur Erstellung des Berichts haben die verschiedenen beteiligten Behördenvertreter und Experten des Gesundheitsbereichs mit ihrem Fachwissen und dem zur Verfügung gestellten Material geleistet. Sie trafen das OECD/WHO-Redaktionsteam während eines Arbeitsbesuchs im August 2005. Auch die Kantone Zürich, St. Gallen, Neuenburg und Jura haben sich engagiert. Die Niederlande und Finnland – in vielen Punkten mit der Schweiz vergleichbare Länder – haben sich aktiv an der Analyse beteiligt und ihre externe Sicht sowie wertvolle Erfahrungen eingebracht: die Niederlande mit den kürzlich durchgeführten Reformen, Finnland mit den dort entwickelten Best Practices im Bereich der Prävention.

Viele wichtige Zielvorgaben sind erfüllt – allerdings bei zu hohen Kosten


Laut den Experten der OECD und WHO hat das schweizerische Gesundheitssystem einige Stärken. Im Vergleich mit anderen OECD-Ländern ist der Gesundheitszustand der schweizerischen Bevölkerung gut. Die gesamte Bevölkerung hat Zugang zu einer breiten Palette von Gesundheitsdienstleistungen – darunter viele spitzenmedizinische – und die Patientinnen und Patienten sind im Grossen und Ganzen mit den erhaltenen Leistungen zufrieden. Allerdings haben diese Erfolge ihren Preis: Mit einem Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt (BIP) von 11,5% liegt die Schweiz nach den USA an zweiter Stelle aller OECD-Länder (siehe Grafik 1). Die Finanzierung des Systems belastet sowohl die privaten Haushalte wie die öffentliche Hand erheblich.  Die hohen Kosten des Systems werfen die Frage auf nach dem Verhältnis von Leistungsfähigkeit und Ressourceneinsatz. Die Lebenserwartung der schweizerischen Bevölkerung liegt etwa auf einem Niveau, das man von einem Land mit so hohen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben erwarten kann. Mehrere OECD-Länder können allerdings gleiche, wenn nicht bessere Resultate bei geringeren Kosten vorweisen (siehe Grafik 2).  Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung und die Entwicklung neuer medizinischer Verfahren legen nahe, dass die Gesundheitsausgaben in der Schweiz sogar weiter steigen werden. Die finanzielle Tragbarkeit des Systems stösst somit klar an ihre Grenzen. Bedenklich ist zudem, dass in der Schweiz nur 2,2% der gesamten Gesundheitsausgaben für Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung aufgewendet werden, verglichen mit 2,7% in der OECD (siehe Grafik 3). Die Experten prüften auch die Frage der Gesamtsteuerung (Governance) des stark fragmentierten schweizerischen Gesund-heitssystems. Es besteht aus 26 halbautono-men Systemen auf Kantonsebene, die untereinander nur wenige Schnittstellen haben, was naturgemäss die Erarbeitung einer kohärenten nationalen Politik erschwert.

Zukünftige Herausforderungen und mögliche Reformoptionen


Der Bericht hält deutlich fest, dass sich die Schweiz aufgrund der sich abzeichnenden Herausforderungen nicht auf den Lorbeeren ausruhen sollte. Die Leistungsfähigkeit des Systems kann nur dauerhaft erhalten werden, wenn die Governance verbessert wird und Lösungen für die systemimmanenten Probleme gefunden werden. Die grösste Schwierigkeit besteht in der Kostendämmung bei gleichzeitiger Gewährleistung des gleichen Zugangs für die ganze Bevölkerung zu qualitativ hoch stehenden Gesundheitsleistungen. Hier schlägt der Bericht sechs Reformwege vor, die teilweise den Reformen entsprechen, die vom Departement des Innern (EDI) bereits eingeleitet wurden.

Governance des Gesundheitssystems verbessern


Der Bericht betont die Notwendigkeit einer Gesamtsicht und schlägt die Erarbeitung eines allgemeinen gesetzlichen Rahmens vor, um die Governance des Systems zu verbessern. Gegenwärtig werden das Angebot an Ge-sundheitsleistungen und der Versicherungsmarkt auf kantonaler Ebene geregelt. Diese Eigenheit des schweizerischen Systems prägt in hohem Masse den potenziellen Erfolg von Reformen. Ein Rahmengesetz zur Gesundheit, das nationale Ziele festschreiben und die Zuständigkeiten der verschiedenen Regierungsebenen bei der Bereitstellung der Leistungen und Finanzierungsfragen definieren würde, könnte die Leistungsfähigkeit längerfristig verbessern und die Fragmentierung verringern. Das Krankenversicherungsgesetz(KVG) und die weiteren bestehenden Gesetzesbestimmungen sowie allfällige neue Gesetze – beispielsweise ein Präventionsgesetz – könnten in dieses Rahmengesetz eingebettet werden.  Von aussen betrachtet mag die Organisation des schweizerischen Gesundheitssystems für ein so kleines Land doch ziemlich komplex erscheinen. Diese Komplexität ist einerseits ein Reichtum, kann sich aber für die Anpassungsfähigkeit des Systems und für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit als hinderlich erweisen. Das EDI legt grossen Wert darauf, dass die Steuerung des Systems auf einer soliden Grundlage beruht. Zu diesem Zweck wurde vor einigen Jahren der «Dialog zur Nationalen Gesundheitspolitik» geschaffen, der die Kantone und die wichtigsten Akteure an einen Tisch bringt und auch den Vorstellungen von OECD und WHO entspricht. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis ein breiter Konsens besteht, auf welche Art und Weise die Errungenschaften des schweizerischen Gesundheitssystems bei gleichzeitiger Steigerung seiner Wirksamkeit zu erhalten sind.

Reform der Finanzierungsmechanismen


Laut den Experten ist eine Überprüfung der Finanzierungsmethoden erforderlich, bietet doch das gegenwärtige System Anreize für ein hohes Angebot und teure Spitalaufenthalte. Zu fördern wären Rückerstattun-gen mittels diagnosebezogener Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG), was die Verweildauer im Spital senken und dadurch die Wirtschaftlichkeit erhöhen würde. Im Bereich der Grundversorgung gilt es, die Entwicklung hin zu einem Rückerstattungssystem mit einer prospektiven Komponente oder mit einer höheren Kopfpauschale (Capitation) zu fördern, ebenso wie HMO- oder Hausarztmodelle. Mit der vermehrten Verschreibung von Generika und der Öffnung des Marktes für nicht-patentierte Me-dikamente könnten weitere Kosten einge-spart und die Arzneimittelpreise gesenkt werden.  Die nachhaltige Finanzierung des Gesundheitswesens in der Schweiz wird zurzeit heftig debattiert. Das EDI hat bereits Massnahmen unternommen, die in die von der OECD und WHO empfohlene Richtung gehen (wie beispielsweise im Bereich der Generika). Die im Parlament gegenwärtig diskutierten Reformvorschläge zum KVG sind die leistungsbezogene Spitalfinanzierung, die Entwicklung von Gesundheitsnetzwerken und die Aufwertung der Grundversorgung.

Voraussetzungen für eine Stärkung der Marktmechanismen schaffen


Nur ein kantonsübergreifender Wettbewerb kann das Ziel der Kostenreduktion auch wirklich erreichen. Der Bericht kommt zum Schluss, dass eine der grössten Schwächen des schweizerischen Gesundheitssystems darin besteht, den Wettbewerb zwischen Versicherern sowie das Leistungsangebot innerhalb enger geografischer Grenzen und für kleine Bevölkerungsgruppen zu organisieren. Die Hindernisse, die heute interkantonalen Abkommen im Weg stehen, sollten deshalb schrittweise abgeschafft werden.  Weiter sei den Krankenversicherern die selektive Kontrahierung sowohl im stationären wie im ambulanten Bereich zu gestatten, da die Versicherer die Leistungen aufgrund von Qualität und Preis einkaufen würden. Die Kantone müssten in einem solchen Fall ihre Überwachungsfunktion auf dem Markt stärker wahrnehmen, um die Einhaltung von Mindestnormen der Versorgung zu gewährleisten, die Entstehung lokaler Ungleichgewichte zu vermeiden und den Zugang zur Versorgung zu sichern.  Das Risikoausgleichssystem bedürfe ebenfalls einer Verbesserung, um für die Versicherer keine Anreize für eine Risikoselektion zu schaffen und den Versicherten die Möglichkeit zu geben, als informierte Konsumentinnen und Konsumenten zu handeln. Als ungenügend wird die Informationslage zum Gesundheitssystem beurteilt, sei es zu den verschiedenen Leistungserbringern (Ärzteschaft, Spitäler) oder zu den Versicherern. Einige der vom EDI im Rahmen der laufen-den KVG-Revision geplanten Massnahmen gehen bereits in Richtung eines verstärkten Wettbewerbs, allerdings nicht auf nationaler Ebene. Andere Massnahmen, insbesondere die Abschaffung des Kontrahierungszwangs, sind zurzeit sehr umstritten.

Ein besseres Gleichgewicht zwischen Prävention und Kurativmedizin herstellen


Zwar gibt es in der Schweiz eine beträchtliche Anzahl an Programmen zu Prävention und Gesundheitsförderung; aufgrund der starken Zersplitterung der Zuständigkeiten fehlt es aber an Koordination. Die Annahme eines Rahmengesetzes in diesem Bereich würde diese Situation verbessern. Zudem müssten spezifische Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme stärker auf die dominierenden Probleme der öffentlichen Gesundheit (etwa Tabak- und Alkoholmissbrauch) oder auf bisher noch zu wenig beachtete Aspekte (wie psychische Gesundheit und Übergewicht) ausgerichtet werden. Die Schweiz prüft gegenwärtig einen Ausbau von Prävention und Gesundheitsförderung im Rahmen des Projekts «Neuregelung von Prävention und Gesundheitsförderung» (PGF 2010). Das Projekt wurde im Frühjahr 2005 gestartet; die zuständige Fachkommission hat kürzlich ihren Bericht veröffentlicht. Als wichtigste Bedingungen für einen Ausbau von Prävention und Gesundheitsförderung werden genannt:  – Stärkere politische Anerkennung;  – Ausrichtung von Prävention und Gesundheitsförderung auf nationale Gesundheitsziele; – Konzentration von Ressourcen und Kompetenzen; – Neuorganisation der Finanzierungsgrundsätze und Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für deren Umsetzung.

Mehr Transparenz bei Qualität und Effizienz der Gesundheitsleistungen


In der Schweiz gibt es keine nationalen Qualitätsindikatoren für den Gesundheitsbereich. Gegenwärtig beruhen die Bemühungen um eine Qualitätsverbesserung zum grössten Teil auf lokalen Initiativen individueller Leistungserbringer, die untereinander nicht koordiniert sind. Da eine professionelle Selbstregulierung den Anforderungen nicht genügen dürfte, wäre eine nationale Erhebung einschlägiger Daten notwendig. Für die Erhebung dieser Indikatoren wäre der geeignete Rahmen zu schaffen, bei gleichzeitiger Förderung nationaler Programme zur Qualitätsverbesserung in einigen Schlüsselbereichen der Gesundheitsversorgung.  Die Schaffung eines nationalen Systems für Monitoring und Qualitätsverbesserungen im Gesundheitswesen stellt ein längerfristiges Ziel dar. Das EDI plant im Rahmen der KVG-Revision bereits einige Massnahmen in diesem Bereich, so etwa die Verbesserung der Gesundheitsstatiken.

Vereinheitlichung des Prämienverbilligungssystems


In der Schweiz ist der Zugang zum Gesundheitssystem aufgrund eines Prämienverbilligungssystems und der Möglichkeit der Befreiung von der Selbstbeteiligung für alle gegeben. Allerdings bestehen grosse kantonale Unterschiede bei der Höhe der Prämienverbilligungen und der Bedingungen für einen Anspruch. Laut den Experten wäre die Festlegung einer einheitlichen Einkommensschwelle für das Anrecht auf eine Prämienverbilligung sowie eines Mindestniveaus der Unterstützung ein Schritt zu einer schlüssigeren Politik. Bis heute sind in der Schweiz alle Versuche einer Vereinheitlichung in diesem Gebiet (z.B. Sozialziele, Einkommensbemessung auf Grundlage der direkten Bundessteuer, Mindesthöhe der Verbilligung) auf politischer Ebene gescheitert. Die Frage hängt eng mit der Sozialhilfe zusammen, die ebenfalls in den Händen der Kantone liegt.

Fazit


Der Bericht präsentiert eine umfassende Bilanz des schweizerischen Gesundheitswesens und stellt damit ein nützliches Referenzwerk dar – nicht nur für die laufenden Diskussionen, sondern auch in der längerfristigen Perspektive einer Gesamtreflexion des Systems. Der Blick von aussen der beiden internationalen Organisationen ist ebenso wertvoll wie die Kommentare der Peer-Länder, die sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen. Eine der Schlussfolgerungen der OECD-Ministerkonferenz im Jahr 2004 lautete, dass es aufgrund der in jedem Land bestehenden Werte, Traditionen und spezifischen Institutionen keine Einheitslösung für die Organisation eines Gesundheitssystems im Sinne eines Idealrezepts geben könne. Die Länder könnten aber von den gegenseitigen Erfahrungen profitieren. In dieser Optik stellt der Bericht ein aufschlussreiches Vergleichsinstrument dar und verhilft dem schweizerischen Gesundheitssystem auf internationaler Ebene zudem zu mehr Präsenz.

Grafik 1 «Gesundheitsausgaben in OECD-Ländern als Prozentanteil am BIP, 2003»

Grafik 2 «Lebenserwartung bei der Geburt und Gesundheitskosten pro Kopf, 2003»

Grafik 3 «Ausgaben für Prävention und Gesundheitsförderung als Anteil an den gesamten Gesundheitsausgaben in OECD-Ländern, 2003»

Kasten 1: Reformempfehlungen für das schweizerische Gesundheitssystem
Verbesserung der Gesamtsteuerung (Governance) des Gesundheitssystems mittels:- Erarbeitung eines übergreifenden Rahmengesetzes für Gesundheit auf Bundesebene;- Einrichtung nationaler Gesundheitsinformationssysteme, vor allem in Bezug auf die Qualität der ärztlichen Versorgung, die Responsiveness des Systems, das Gesundheitspersonal und die medizinischen Dienste;- Investitionen in neue Informationstechnologien, beispielsweise mit der Einführung elektronischer Krankengeschichten und individueller EDV-Smart-Cards für eine verbesserte Koordination und Erbringung von Gesundheitsleistungen;- Erarbeitung eines neuen gesetzlichen Rahmens zur Bereitstellung von: – komparativen Performance-Daten über Versicherer und Leistungserbringer; – Minimalgarantien für die Adäquatheit und Qualität der Versorgung; – geeigneten Leistungen des Service Public (z.B. Notfalldienste) und – einer langfristigen Planung des Versorgungsbedarfs.Änderung der Finanzierungsmodi zur Stimulierung der Effizienz des schweizerischen Gesundheitssystems mittels:- Förderung der Einführung gemischter Zahlungsmechanismen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Sektor und Unterstützung der Einführung von Gatekeeping-Modellen;- Schaffung strengerer Budgetvorschriften für institutionelle Leistungserbringer;- Wechsel zu einem System mit einem einzigen Direktzahler für Spitäler, wobei die staatlichen Beiträge direkt an die Versicherten (oder an die Versicherer) gehen;- Neukonzeption des Kostenbeteiligungssystems im Hinblick auf eine vermehrte Verschreibung von Generika und die Inanspruchnahme kostenwirksamer medizinischer Leistungen und Güter (z.B. Präventionsmassnahmen mit erwiesener Kostenwirksamkeit);- Umsetzung von Politiken zur Überwachung und Förderung einer kostenwirksamen Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln, beispielsweise mit einer Marktöffnung für nicht-patentierte Medikamente aus dem Ausland und mit dem Verbot der Selbstdispensation für Ärztinnen und Ärzte. Verlässt man sich zur Versorgungsregulierung in stärkerem Masse auf Marktmechanismen, so sind bessere Bedingungen für einen wertbasierten Wettbewerb auf dem Krankenversicherungs- und Leistungserbringermarkt zu schaffen mittels:- Organisation der Versorgung und des Wettbewerbs zwischen Leistungserbringern und Versicherern auf nationaler oder interkantonaler Ebene;- Anpassung des Risikoausgleichsmechanismus mittels Faktoren, die auf Gesundheitsindikatoren beruhen;- Bewilligung der selektiven Kontrahierung zwischen Versicherern und Leistungserbringern und Gewährleistung der Anwendung des Kartellgesetzes im Gesundheitswesen;- Abbau von Hindernissen und Kosten bei einem Wechsel des Krankenversicherers (z.B. mittels Durchsetzung einer vollständigen Trennung der Grundversicherung von der Zusatzversicherung).Entwicklung von Interventionen auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit und Verbesserung der Kostenwirksamkeit gedeckter Leistungen mittels:- Erarbeitung eines Bundesgesetzes über Prävention und Gesundheitsförderung mit allgemeinen Zielen und einer klaren Zuteilung der Zuständigkeiten sowie Bestimmung der Finanzierungsmodi;- systematischer Bewertung von Programmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, die auf kantonaler oder nationaler Ebene umgesetzt werden;- Erleichterung der Umsetzung von Massnahmen mit nachgewiesener Kostenwirksamkeit, zum Beispiel mit einer stärkeren Zuhilfenahme der Besteuerung von Alkohol und Tabak zwecks Konsumsenkung und mit der Implementierung eines nationalen Brustkrebs-Früherkennungsprogramms;- Nutzenmaximierung bei den vom KVG übernommenen Leistungen, indem neue Verfahren zur unabhängigen Bewertung von Leistungen eingeführt, die Anwendung von Kostenwirksamkeitsanalysen sowie die Publikation von Evaluationsberichten gefördert werden.Förderung eines besseren klinischen Managements mittels:- Förderung transparenter Mechanismen für die professionelle Selbstregulierung;- Unterstützung nationaler Initiativen zur Qualitätsförderung und Verbesserung der Datenerhebung auf nationalem Niveau;- Entwicklung eines landesweiten Systems zur Überwachung und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Bezug auf Strukturen, Prozesse und klinische Ergebnisse. Förderung der horizontalen und vertikalen Gleichheit bei der Finanzierung von Gesundheitsleistungen mittels:- Festlegung minimaler, landesweit geltender Kriterien, welche die Kantone bei der Entrichtung von Unterstützungsbeiträgen an einkommensschwache Personen und Haushalte erfüllen müssen;- Überwachung der Wirksamkeit von Mechanismen zum Schutz der sozial Schwächeren (Prämienverbilligungen, Befreiung von der Kostenbeteiligung) durch die Abfederung der nachteiligen Folgen der regressiven Finanzierungsstruktur;- Gewährleistung, dass alle Kosten für medizinische Leistungen der Langzeitpflege von KVG-Versicherern gedeckt werden und dass die Massnahmen zum Schutz der sozial Schwächeren bei der Deckung der nicht-medizinischen Kosten greifen.

Zitiervorschlag: Delphine Sordat Fornerod (2006). Das schweizerische Gesundheitswesen: Analyse und Empfehlungen der OECD und der WHO. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.