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Wettbewerb in der Wissensgesellschaft: Implikationen für das Bildungs- und Forschungssystem

Angesichts der Globalisierung und des zunehmenden Wettbewerbs ist die Einsicht gewachsen, dass Bildung, Forschung und Technologie die überragenden Faktoren für den Wohlstand der Schweiz sind und somit im Dienste einer gesamtgesellschaftlichen Strategie stehen. Das Wachstum der Schweizer Volkswirtschaft ist langfristig von der Innovationsleistung abhängig. Es müssen heute alle Massnahmen getroffen werden, damit die Schweiz in 20 Jahren zu den fünf innovativsten Ländern der Welt zählt. Einerseits ist die Erhöhung der Bundesausgaben für Bildungs-, Forschungs- und Innovationsaktivitäten um jährlich mindestens 8% erforderlich, andererseits gilt es, die Ressourcenallokation noch effizienter vorzunehmen. Der vorliegende Artikel erörtert die Problemstellung und fasst die Resultate der Studie «Die Schweiz im Wettbewerb der Wissensgesellschaft» zusammen, welche im Auftrag von Economiesuisse erstellt wurde.

Die Schweiz auf dem Weg in die Wissensgesellschaft


Die Analyse des schweizerischen Wissenschafts- und Wirtschaftssystems fällt mehrheitlich positiv aus. Bei der Evaluation des Standes der Wissensgesellschaft in der Schweiz zeigt sich jedoch ein Muster, das man auch von anderen volkswirtschaftlichen Leistungsdaten her kennt: Die Schweiz schneidet bei Bestandesgrössen in der Regel besser ab als bei Trenddaten. Auffallend ist die Tendenz zur Stagnation auf hohem Niveau. Der schleichende Positionsverlust wird kaum wahrgenommen. Im Endeffekt bedeutet dies aber, dass andere Länder aufholen und die Schweiz langfristig ihre komparativen Vorteile verliert. Zur Situation der Schweiz auf dem Weg in die Wissensgesellschaft ergibt sich somit folgendes Fazit:

F&E-Ausgaben sind weiter ungenügend


Seit 2000 erhöhen sowohl die Privatwirtschaft als auch der Bund die F&E-Aufwendungen. Die Privatwirtschaft erhöhte von 2000 bis 2004 ihre Intramuros-F&E-Aufwendungen Gesamte F&E-Aufwendungen, welche in den Räumlichkeiten der Unternehmen und Forschungsinstitutionen in der Schweiz durchgeführt werden, ungeachtet der Finanzierungsquelle. um real 18%. Die Extramuros-Aufwendungen Gesamte F&E-Aufwendungen, welche an externen Stellen, die nicht mit dem Unternehmen oder der Forschungsinstitution verknüpft sind, in der Schweiz oder im Ausland vergeben werden. Aufträge und Beiträge bilden zusammen die Extramuros-Aufwendungen. in der Schweiz haben sich im gleichen Zeitraum gar mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung wird jedoch fast ausschliesslich von der Pharmaindustrie in der Schweiz getragen. Der Bund erhöhte seine F&E-Aufwendungen im Referenzzeitraum real um jährlich 9%. Tendenziell sind bei vielen OECD-Ländern ähnliche Entwicklungen zu beobachten, so dass die Ausgaben für F&E weiter zu steigern sind, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Globale Ausrichtung


Das Wissenschaftssystem der Schweiz ist global ausgerichtet. Für den Anstieg der F&E-Aufwendungen ausserhalb der schweizerischen Grenzen sind vor allem die transnationalen Grossunternehmen verantwortlich. Die wichtigste Rolle übernehmen hauptsächlich die Aufträge und Beiträge an Institutionen und Organisationen im Ausland. Im Jahr 2004 wurden bereits 60% der F&E-Aufwendungen der Schweizer Industrie im Ausland getätigt, gleichzeitig war die Schweiz in absoluten Zahlen gemessen grösster Investor in den USA.

Wandel des Technologieportfolios


Das Technologieportfolio der Schweiz hat erst in den vergangenen Jahren einen Wandel vollzogen. Anhand der Patentanmeldungen der Jahre 1999 bis 2002 zeigt sich eine Verschiebung weg von den traditionellen Feldern hin zu den dynamischen, rasch wachsenden Bereichen (zum Beispiel Biotechnologie und der Informations- und Kommunikationstechnologie). Bemerkenswert ist, dass diese Entwicklung weitestgehend von KMU getragen wird. Dies ist u.a. darin begründet, dass KMU vermehrt Wissen ausländischer Partner nutzen: 17,3% aller Patentanmeldungen von KMU erfolgen mit ausländischen Partnern; bei Grossunternehmen liegt dieser Anteil bei 8,5%. Schweizer KMU sind in der F&E bereits stärker internationalisiert, als es viele Forschungspolitiker wahrgenommen haben. Dieser Trend ist weiter zu forcieren.

Tiefer Bevölkerungsanteil mit Tertiärausbildung


In der Schweiz beläuft sich der Anteil High- und Medium-Tech-Industrien am BIP auf 11,5%; im OECD-Mittel liegt der Anteil bei 8,8%. Dies widerspiegelt eine überdurchschnittliche Ausrichtung auf wissens- und technologieintensive Branchen der Schweizer Industrie. Dem steht gegenüber, dass in der Schweiz nur 25% der Erwerbsbevölkerung eine Tertiärausbildung abgeschlossen haben (USA: 38,1%). Der Anteil der Bevölkerung mit tertiärer Ausbildung ist in der Schweiz seit den Neunzigerjahren unterdurchschnittlich gewachsen. Während im europäischen Ländermittel der Anteil um 8% zunahm, waren es in der Schweiz lediglich 6%. Der Anteil der Frauen an der Bevölkerung mit tertiärer Ausbildung ist mit 31% sehr niedrig (er liegt noch unter dem Anteil in der Türkei); damit wird das Potenzial der weiblichen Bevölkerung für die Wissensgesellschaft ungenügend genutzt. Der Anteil an Frauen, die eine akademische Laufbahn einschlagen, nimmt mit jeder akademischen Stufe deutlich ab (Anteil Studentinnen: 46%, Anteil Professorinnen: 14%). Der insgesamt niedrige Bildungsstand der Bevölkerung wird zukünftig nicht ausreichen, um den Wissensstandort Schweiz attraktiv zu gestalten, und muss erhöht werden.

Tiefe Abschlussquoten


Betrachtet man den Output eines Bildungssystems, so sind die Abschlussquoten von Interesse. Im OECD-Durchschnitt liegt der Anteil Hochschulabsolventen im Verhältnis zur gleichaltrigen Bevölkerung bei 32%, in der Schweiz liegt er lediglich bei 18%. Die Anzahl der Hochschulabsolventen nimmt in der Schweiz zwar seit 2000 um jährlich 5% (OECD-Durchschnitt: 3%) zu, wobei dies vor allem auf den Aufbau der Fachhochschulen zurückzuführen ist. Waren im Jahre 2000 ca. 25 000 Studenten an Fachhochschulen eingeschrieben, stieg deren Zahl in 2004 auf 44 000. Der Anteil ausländischer Studierender liegt in der Schweiz mit knapp 18% relativ hoch. Im OECD-Mittel liegt der Anteil bei ca. 5%. Allerdings ist dabei der hohe Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung der Schweiz von etwa 20 % zu beachten. Um internationale Spitzenforschung anzuziehen, ist dieser Internationalisierungsgrad weiter zu erhöhen.

Weltspitze punkto Publikationen und Patenten pro Einwohner


Zur Messung des Innovations-Outputs haben die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen bzw. Patente besondere Aufmerksamkeit erlangt. Mit annähernd 1800 wissenschaftlich-technischen Publikationen pro Mio. Einwohner ist die Schweiz weltweit führend. Auch beim Rezeptionserfolg der Publikationen können die Schweizer Wissenschafter gute Leistungen vorweisen. Sie stehen mit einem relativen Zitationsindex (RZI) von 15,2 hinter den US-Amerikanern auf dem zweiten Platz. Die Qualität des F&E-Outputs der Schweiz ist international anerkannt. Erfreulich ist, dass die Schweiz im Vergleich zu ihrer Bevölkerungszahl die höchste Zahl von Patentanmeldungen aufweist. Auffallend jedoch ist, dass sich die Position der Schweiz als eines der wenigen Länder im Laufe der Neunzigerjahre verschlechtert hat, ohne jedoch bisher die Führung abzugeben. Zudem werden viele Patente gar nicht oder nicht durch Schweizer Unternehmen kommerzialisiert.

«Denkplatz Schweiz» als Zukunftsidee


Was tut die Schweiz heute, damit sie in 20 Jahren zu den innovativsten Ländern der Welt gehört? Hier muss die Schweizer Politik grundsätzliche Positionen überdenken; die Schweiz muss sich selbst eine Zukunftsidee geben. Grundsätzlich gibt es zahlreiche mögliche Stossrichtungen, die von der Reindustrialisierung bis hin zum Alters-Florida von Europa reichen. Vieles würde jedoch für eine «intelligente Schweiz als Denkplatz für Europa» sprechen: Die Schweiz liegt im Zentrum von Europa, weist eine gute Lebensqualität auf und ist forschungsorientiert. Die Distanz zwischen den Universitäten Basel und Zürich ist geringer als diejenige zwischen Universitäten innerhalb grosser Zentren wie Shanghai oder New York. Die intelligente Schweiz als globale Marke wäre vom Bundesrat mit klaren Zielen zu forcieren; regionale Partikularinteressen müssten zurückgestellt werden. Die Position der Schweiz in der Wissensgesellschaft wird entscheidend von ihrer Innovationsleistung sowie dem Bildungs- und Wissenschaftssystem bestimmt.

Anforderungen an das Hochschulsystem


Die Leistungsfähigkeit des Schweizer Wissenschaftssystems liegt im internationalen Vergleich noch auf einem hohen Niveau. Es droht jedoch ein Positionsverlust, zumal andere Volkswirtschaften im Wettbewerb der Wissensgesellschaft dem Hochschulsystem klare Prioritäten und hohe finanzielle Mittel zuweisen. Um unter den dynamisch-kompetitiven Bedingungen bestehen zu können, bieten die Leitprinzipien Exzellenz, Autonomie und Marktorientierung Hebel für eine grundlegende Reform der Forschung und Lehre (siehe Grafik 1).

Exzellenz


Auszugehen ist von der Erkenntnis, dass Bildung, wissenschaftlicher Fortschritt, technische Entwicklung und Innovation das Herzstück der wissensgestützten Wirtschaft bilden. Das Erreichen und die Sicherung der bestmöglichen Qualität in Forschung, Lehre und Technologietransfer müssen oberste Priorität haben; die Gestaltung der Organisations- und Leitungsstrukturen müssen sich diesem Ziel anpassen. Hochschulen werden sich in der Folge also vor allem durch Qualität, Leistung und Eigeninitiative unterscheiden und dabei ihre eigenen wissenschaftlichen und strukturellen Profile entwickeln können. Die Schweizer Hochschullandschaft ist somit stärker im globalen Wissenswettbewerb zu sehen.  Anerkannte Stärken und zukunftsträchtige Bereiche sollten prioritär gefördert werden. Wichtiger als das vollständige Abdecken aller Forschungsrichtungen ist Exzellenz in jenen Gebieten, in denen die Schweizer Wissenschaft tätig ist. Besondere Bedeutung wird dabei der gezielten Nachwuchsförderung beigemessen. Exzellenz wird durch Elitedenken gefördert und nicht durch basisdemokratische Opfersymmetrie in der Ressourcenallokation. Sie ist kein Selbstzweck, sondern dient der wirtschaftlichen Entwicklung und der Wohlfahrt der Schweiz.

Autonomie


Nur autonome Institutionen haben die nötige Freiheit, sich in einem vom Wettbewerb geprägten Umfeld mit eigenständigen Strategien profilieren zu können. Dies bedeutet, dass Universitäten über einen grösseren strategischen Handlungsspielraum verfügen sollen. Dazu gehören in erster Linie eigene Entscheidungsbefugnisse in Lehre und Forschung sowie umfassende Kompetenzen im Personal- und Finanzbereich. Vor dem Hintergrund der prinzipiellen Unterscheidung zwischen einer politischen Führung des Gesamtsystems, der strategischen Führung der einzelnen Hochschulen und deren operativer Führung muss die Frage des Zusammenspiels der verschiedenen Leitungsinstanzen geklärt werden. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Funktion und die Stellung der Hochschulgremien. Zu klären sind die Organisationsform, Zusammensetzung, Art der Wahl bzw. Ernennung und Form des Zusammenwirkens. Um die potenziellen Vorteile einer umfassenderen Autonomie zu nutzen, müssen Institutionsleitungen und Verwaltungseinheiten zur Eigeninitiative ermutigt werden.  Eine Reform der Leitungsstrukturen an Hochschulen darf nicht rein unter dem Primat von Managementpraktiken aus der Privatwirtschaft erfolgen. Genauso wenig kann sie als Selbstzweck im Rahmen eines undifferenzierten Reformeifers betrieben werden. Der Blick muss vielmehr auf die veränderten Anforderungen gerichtet sein, denen sich Hochschulen ausgesetzt sehen.

Marktorientierung


Bildung und Wissenschaft als marktfähige Dienstleistungen zu begreifen, die sich an Wünschen und Bedürfnissen eines Marktes orientieren, fällt der Schweiz noch schwer. Die Forderung nach mehr Wirtschaftlichkeit und Marktorientierung im Hochschulbereich wurde vor nicht allzu langer Zeit mit der Begründung zurückgewiesen, Ökonomisierung bedeute Dekultivierung. Im Zuge des globalen Wissenswettbewerbs sind jedoch Veränderungen zu beobachten. Fehlende Marktnähe, Wirtschaftlichkeit und Effizienz des Schweizer Hochschulsystems erfordern neue Ausbildungskonzepte. Die Globalisierung von Wissenschaft und Wirtschaft und die Internationalisierung der Bildungs- und Arbeitsmärkte für Akademiker bewirken, dass die Kriterien für erfolgreiches Forschen, Lehren, Lernen, Arbeiten und Wirtschaften nicht länger konsensual-korporatistisch in einer isolierten Schweiz vereinbart werden können, sondern den Herausforderungen und Benchmarks einer globalen Wissensgesellschaft genügen müssen. Der Wettbewerb im Bildungsbereich bedingt Marktorientierung. Die Logik des Marktes hingegen erfordert wiederum autonome Institutionen, die sich möglichst frei bewegen und Entscheidungen frei treffen können. Die heutige Auffassung von Wissensschaffung, technologischem Fortschritt und Innovationen hebt die Rolle von Netzwerken zwischen Staat, Universitäten und Wirtschaft hervor. Dies bedingt ein stärkeres Bekenntnis des Staates zu mehr Wettbewerb und Deregulierung und somit eine zunehmende Marktorientierung im Hochschulbereich.

BFI-Botschaft 2011: Massnahmen zur Umsetzung der Leitprinzipien


Die Umsetzung der drei Leitprinzipien erfordert eine Reihe von Massnahmen, welche in der BFI-Botschaft 2008-2011 berücksichtigt sein müssen: – Heute klafft zwischen der Ausgabenrealität und der politischen Rhetorik eine erhebliche Lücke. Zur Finanzierung der gesamten Bildungs-, Forschungs- und Innovationsaktivitäten sind diesem Bereich jährliche Budgeterhöhungen von mindestens 8% zu gewähren. Strategisch wichtige Initiativen dürfen nicht an Mittelknappheit scheitern. – Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) als Stützpfeiler der Förderung von leistungsorientierter Spitzenforschung ist weiter als Instrument zu stärken. Die KTI als die nationale Förderagentur für Innovation ist mit ihren wirtschaftsgetriebenen Bottom-up-Ansätzen ebenfalls verstärkt zu fördern. Neben der traditionellen Projektfinanzierung der freien Forschung und den Nationalen Forschungsschwerpunkten (NFS) sind die neuen Aktionslinien wie z.B. grössere Verbundprojekte und längerfristige Förderung der Spitzenforschung zu begrüssen.  – Die Auswirkungen der Ressortforschung sowie der mehrheitlich politisch motivierten und gesteuerten Nationalen Forschungsprogramme (NFP) auf die Volkswirtschaft sind unklar. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass keine Strategie erkennbar und kein einheitliches Vergabeverfahren vorhanden ist. Ein Abstimmungsprozess mit den übrigen Förderagenturen scheint unumgänglich, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. – Die höheren Beiträge an das 7. Forschungsrahmenprogramm der EU dürfen nicht zu Lasten der nationalen Forschungsförderung gehen. Auch wenn die Meinungen über den wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen auseinander gehen, so ist die Beteiligung aus integrationspolitischer Sicht sinnvoll. Hingegen ist ausreichend Potenzial für eine Vereinfachung der schwerfälligen und administrativ aufwendigen Projektabwicklung vorhanden. – Die heutige Hochschullandschaft ist geprägt von sich vielfach überschneidenden Forschungskapazitäten. Der Anspruch einer hoch stehenden Forschung kann nur vereinzelt erhoben werden. Eine Bündelung und Förderung ausgewählter Bereiche durch hochschulinterne Priorisierung wäre für Spitzenforschung dienlich. Dies setzt eine grössere Autonomie in der Vergabe von Forschungsgeldern und einen mehrstufigen Förderungsprozess voraus, der in einem wettbewerbsorientierten Forschungssystem Anreize zu exzellenten Leistungen schafft (siehe Grafik 2). Eine Grundförderung für einen universitären Forschungsschwerpunkt auf acht Jahre durch Bund bzw. Kantone sichert ähnliche Ausgangspositionen. Jene Forschungsvorhaben erhalten eine Unterstützung, die den Qualitätskriterien im Auswahlverfahren des SNF, KTI bzw. der EU-Projekte genügen. Eine Ex-post-Erfolgskontrolle der Forschungsergebnisse dient letztendlich zur Evaluation einer weiteren Exzellenzförderung (Verdoppelung der bereits erzielten Projekt- und Personenförderung) durch die Forschungskommissionen der Hochschulen bzw. durch die nationalen Forschungsschwerpunkte. Ein wichtiges Prinzip ist hier das Past-Record-Prinzip, welches Leistung von Ankündigungsforschern unterscheidet. Zentrale Bewertungskriterien für den volkswirtschaftlichen Nutzen sind der Beitrag zur Wissenschaft oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze.  – Die Bildung von Kompetenzzentren und Clustern ist notwendig, um sich international im Spitzenfeld zu etablieren. Die Vermeidung von Doppelspurigkeit und die Schaffung von kritischer Masse in der Forschung sind dringend notwendig. Dies gilt vor allem dann, wenn die Partner einen komplementären Beitrag zum Erreichen der gemeinsamen Ziele leisten und sich ein jeder Partner auf seine Kernkompetenzen konzentriert. Hier ergeben sich natürliche Partnerschaften, welche in Zukunft weiter verstärkt werden sollten (z.B. ETH-Universität Basel, ETH-Universität St. Gallen, ETH-Universität Zürich). Innerhalb einer Disziplin sollte das Streben nach Konzentration und Fokussierung dominieren.  – Will die Schweiz ein «Wertschöpfungsweltmeister» werden, muss der Transfer zwischen Wissenschaft und Markt massiv verbessert werden. Exzellenz in der Forschung gemessen an Publikationen und Patenten pro Kopf ist in der Schweiz gegeben, aber nicht die Umsetzung in marktfähige Leistungen. Hier ist vor allem anzusetzen. In Forschung und Lehre muss diese Wertschöpfungskompetenz vertieft werden, um Hebeleffekte der Forschung hinein in die Wirtschaft zu erzielen. Neben Massnahmen, welche den Prozess von der Wissenschaft in die Anwendung fördern (Push-Prinzip), muss auch der Zugang der Unternehmen zu Hochschulen vereinfacht werden (Pull-Prinzip). Das von der KTI neu initiierte Voucher-Prinzip, nach dem auch die Unternehmen einen KTI-Antrag stellen und sich bei Genehmigung eine Hochschule aussuchen können, ist hier als Transferförderinstrument zu begrüssen.  – In einem veränderten politischen Umfeld, das von finanziellen Engpässen der öffentlichen Haushalte einerseits und von Steuerungsdefiziten im Hochschulbereich andererseits bestimmt ist, braucht es eine Neugestaltung des Verhältnisses von staatlichen Eingriffen und Hochschulautonomie. Die Erweiterung der Hochschulautonomie muss zu einer Verlagerung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von der Politik und Verwaltungsbehörden an die einzelnen Hochschulen führen. Davon sind auch die inneren Leitungs- und Organisationsstrukturen der Hochschulen betroffen. – Eine Konsolidierung im Studienangebot der Hochschulen ist unumgänglich. Die Schweiz hat im internationalen Vergleich nach den USA die höchsten absoluten Kosten pro Studierenden; gemessen am BIP-Anteil pro Kopf sind die Ausgaben gar am höchsten. Dies liegt unter anderem am diversifizierten und doppelspurigen Lehrangebot an Hochschulen. Der Bereinigung der Studienangebote unter den schweizerischen Hochschulen kommt eine hohe Dringlichkeit zu. Dazu bedarf es klarer Kriterien und Mechanismen. Eine Wettbewerbsorientierung in der Lehre führt letztendlich zu einem Prozess der Profilbildung an den Hochschulen. Die Koordination der Hochschulsysteme über Wettbewerbs- und Marktmechanismen erfordert eine Konzentration auf die Stärken der Hochschulen und deren Ausbau. Dies führt zu einer steigenden Differenzierung unter den Anbietern von Studienprogrammen. Das heutige öffentliche Hochschulfinanzierungssystem muss verursachungsgerechter und als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Kantonen konzipiert werden. – In den verschiedenen OECD-Ländern ist die Beteiligung an Weiterbildung beträchtlich höher als in der Schweiz. Ein Ausbau der Weiterbildungsaktivitäten auf hohem Niveau ist erforderlich. Um Anreize zu erreichen muss es möglich sein, dass die Lehre in Weiterbildung sich in den Deputaten der Professoren und Dozenten niederschlagen. Gewinne stehen den Instituten bzw. den beteiligten Professoren zur Forschungsfinanzierung zur Verfügung. Dadurch kommt eine grössere Marktorientierung in der Lehre direkt der eigenen Forschung zugute. – Die Förderung exzellenter Köpfe stellt einen weiteren Stützpfeiler eines auf Leistung ausgelegten Wissenschaftssystems dar. Dies erfordert auch eine Selektion der Studierenden. Wichtig ist, dass nicht einfach Konzepte aus anderen Wissenschaftssystemen übernommen werden, sondern dass ein für die Schweiz passendes Konzept entwickelt wird.

Grafik 1 «Drei Prinzipien zur zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit»

Grafik 2 «Mehrstufiger Forschungsförderungsprozess»

Kasten 1: Teilnehmende Experten Wichtige Ideen und Anstösse für diese Studie lieferten zahlreiche Interviews mit Experten aus Wirtschaft, Politik und Bildung. Teilgenommen haben Josef Ackermann, Christian Aeberli, Pius Baschera, Beat Bernet, Ernst Caffi, Aleardo Cattaneo, Rolf Dörig, Bernhard Ehrenzeller, Peter Grüschow, Thomas Isler, Johannes Kaufmann, Walter B. Kielholz, Gebhard Kirchgässner, Ernst Lutz, Werner Messmer, Armin Meyer, Pierre G. Mirabaud, Ernst Mohr, Marcel Ospel, Martin Pfisterer, Peter Quadri, Johannes Randegger, Rolf Schaumann, Hans W. Schläpfer, Andreas Schmid, Rainer Schweizer, Beda Stadler, Rudolf Wehrli, Jost Wirz, Tony Wohlgensinger und Sebastian Wörwag.

Kasten 2: Literaturhinweise – Gassmann, O., Perez-Freije, J., and Enkel, E. (2006). Die Schweiz im Wettbewerb der Wissensgesellschaft. Economiesuisse, Zürich. – OECD (2003). Tertiäre Bildungspolitik der Schweiz. Paris – Sporn, B., and Aeberli, C. (2004). Hochschule Schweiz. Ein Vorschlag zur Profilierung im internationalen Umfeld. Avenir Suisse, Zürich.

Zitiervorschlag: Oliver Gassmann, Javier Perez-Freije, Ellen Enkel, (2007). Wettbewerb in der Wissensgesellschaft: Implikationen für das Bildungs- und Forschungssystem. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.