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Schweizer Wirtschaftsbranchen – die neue Artikelserie

Rasanter technologische Wandel und Billiglohnkonkurrenz fordern die Schweizer Wirtschaft enorm heraus. Aktivitäten in veralteten Technologiebereichen und/oder in von aufstrebenden neuen Industrieländern mit tiefen Lohnkosten besetzten Feldern können hierzulande nicht mehr rentabel wahrgenommen werden. Andere Wirtschaftsaktivitäten blühen und profitieren von den besonderen Standortvorteilen der Schweiz. Die mit dieser Ausgabe des Magazins «Die Volkswirtschaft» beginnende Branchenserie beleuchtet die Entwicklungen, strukturellen Veränderungen sowie nationalen und internationalen Positionierungen einzelner Branchen. Die Artikelserie wird von Autoren der BAK Basel Economics verfasst

Internationaler Standortwettbewerb hat sich intensiviert…


Eine erste Welle verschärften internationalen Standortwettbewerbs hat die Schweizer Wirtschaft in den Neunzigerjahren durchlaufen. Auslöser waren die Ablösung der Planwirtschaft durch das marktwirtschaftliche Modell im Osten Europas und weiten Teilen Asiens sowie die raschere Gangart des Fortschritts in den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). In dem Masse, wie sich die Grenzen für Güter und Kapital öffneten, hat sich auch der Standortwettbewerb intensiviert. Gerade für «Hochlohnländer», zu denen die Schweiz zweifelsohne gehört, bedeutet der intensivierte Wettbewerb um tiefere Arbeitskosten eine Herausforderung, weil immer mehr Unternehmen ihre Produktion – oder zumindest Teile davon – ins Ausland verlagern. Zum Export von Waren tritt der Export von Arbeitsplätzen. Produziert wird da, wo die Kosten am niedrigsten sind. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg zwischen 1990 und 2005 pro Jahr nur um rund ein Viertel Prozent an – in den Achtzigerjahren waren es noch rund 2% pro Jahr. Dies war in den meisten anderen westlichen Industrieländern der Fall. Einige – beispielsweise die USA oder Spanien – hatten allerdings grössere Erfolge auf dem Arbeitsmarkt. Mit einem realen gesamtwirtschaftlichen Wachstum von rund 1% pro Jahr musste sich die Schweiz in diesem Zeitraum im internationalen Vergleich sogar ganz weit hinten einreihen.

…und die nächste Welle kommt


Dennoch gilt: Nach wie vor schneidet die Schweizer Wirtschaft in internationalen Standortoder Wettbewerbsfähigkeitsrankings hervorragend ab. Die Voraussetzungen für ein dynamischeres Wirtschaftswachstum scheinen immer noch vorhanden zu sein. Und der Konjunkturmotor brummt derzeit. Eins ist allerdings klar: Die zweite Welle des verschärften Standortwettbewerbs hat schon begonnen. Sie wird dadurch bestimmt, wie gut und wie rasch sich die einzelnen Länder und Regionen der Erde den Herausforderungen der wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft stellen. Länder und Regionen, denen es gelingt, auf der ganzen Breite innovations- und beschäftigungsfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen und/oder aufrecht zu erhalten, werden zu den Gewinnern gehören.

Schweizer Wirtschaft nur so stark wie ihre Branchen


Wo liegen aber nun die Potenziale, welche die Schweiz in Zukunft auf der Gewinnerseite stehen lassen? Wer sich mit dieser Frage befasst, muss sich mit Stand, Struktur und Leistungsfähigkeit der Branchen der Schweizer Wirtschaft auseinandersetzen. Die Erfolgschancen der Schweizer Wirtschaft haben ihre Bestimmungsgründe in den Standortfaktoren und Rahmenbedingungen. Letztendlich sind diese aber abhängig von der Leistungs-, Innovations- und Risikobereitschaft der privaten Haushalte und Unternehmen, die wiederum von der Branchenlandschaft geprägt sind.  Ein erster Blick auf die Entwicklung der Schweizer Branchen in den letzten rund 15 Jahren zeigt eine zunehmende Tertiarisierung der Schweizer Wirtschaft, wie sie tendenziell in allen «Industrieländern» stattgefunden hat. Zwar hat die steigende weltweite Güternachfrage auch dem produzierenden Gewerbe in der Schweiz positive Impulse beschert. Seit 1990 konnte die reale Wertschöpfung des 2. Sektors im Durchschnitt pro Jahr um knapp 1% gesteigert werden. Die zusätzliche Nachfrage konnte jedoch durch freie Kapazitäten und durch Produktivitätsfortschritte befriedigt werden. In der Folge ist die Zahl der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe pro Jahr im Durchschnitt um rund 1,5% zurückgegangen. Diese «Schere» zwischen Wertschöpfung und Erwerbstätigen deutet auf einen fortgesetzten Strukturwandel hin. Anders dagegen im Dienstleistungssektor: Dort konnte sowohl die reale Wertschöpfung als auch die Zahl der Erwerbstätigen pro Jahr um rund 1% ausgebaut werden. 1990 waren noch 31% der in der Schweiz Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe und 64% in den Dienstleistungen beschäftigt, was einem Verhältnis von 1:2 entspricht. Im Jahr 2005 lag dieses Verhältnis schon bei 1:3.

Zusammenspiel von Exportwirtschaft und Binnensektor muss funktionieren


Die vertiefte Betrachtung der Schweizer Branchenlandschaft soll dazu dienen, diesen Wandel besser zu verstehen. Zum langfristigen Erhalt oder Ausbau der Schweizer Wettbewerbsfähigkeit müssen alle wichtigen Branchen beitragen. Eine aussenhandelsabhängige Volkswirtschaft wie die Schweiz verdient letztlich ihr Geld über den Export von Gütern und Dienstleistungen. Nur durch überdurchschnittliche Präsenz auf den Weltmärkten – zumindest in den Schlüsselbranchen – können die notwendigen Gewinne und Arbeitseinkommen generiert werden, die ein hohes Wohlstandsniveau erlauben und damit auch die Binnenbranchen stützen. Dies ist aber wiederum nur möglich, wenn auch die Binnenbranchen als Versorger und Zulieferer effizient und wettbewerbsfähig und auf dem Stand neuester Technologien sind.  In der Auseinandersetzung mit den wichtigsten Branchen der Schweizer Wirtschaft stellen sich viele Fragen: Wie entwickeln sich die wichtigsten Branchen? Welchem strukturellen Wandel sind sie unterworfen? Welche Trends bewegen sie? Mit welchen unterschiedlichen Herausforderungen haben sie zu kämpfen? Diesen Fragen will sich «Die Volkswirtschaft» in der Branchenserie widmen. Dabei werden sowohl Industrieals auch Dienstleistungsbranchen vorgestellt. Es werden nicht nur die ,,«Schlüsselbranchen» der Schweizer Exportwirtschaft – Finanzsektor, Investitionsgüterindustrie, Tourismus und Chemie/Pharma, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts rund 85% aller Schweizer Exporte tragen – beleuchtet. Beginnend mit dem Gastgewerbe werden wir die Scheinwerfer ebenso auf die Konsumgüterindustrien, die Bauwirtschaft, den Energiebereich, den Detailhandel, den Kommunikationssektor, die Verkehrsbranche und auf die übrigen Dienstleistungen (Gesundheit, Bildung, IT usw.) richten. Gesamthaft wird sich dadurch für den regelmässigen Leser nach und nach ein Mosaik der Schweizer Branchenlandschaft ergeben, was zum besseren Verständnis der Erfolgschancen sowie der Entwicklungen der Schweizer Wirtschaft beiträgt.

Kasten 1: BAK Basel Economics beleuchtet die Schweizer Branchen Das 1980 aus der Universität Basel heraus gegründete Wirtschaftsforschungsunternehmen BAK Basel Economics hat sein Informations-, Forschungs- und Beratungsangebot ab 1994 konsequent auf die Bedürfnisse von Regionen und Branchen der schweizerischen Volkswirtschaft ausgerichtet, die sich den Herausforderungen der Standortkonkurrenz proaktiv stellen wollen. Heute bietet BAK Basel Economics diverse zum Teil exklusive Datenbasen für rund 500 Länder und Regionen in Europa und den USA an und erbringt darauf aufbauend Forschungs- und Beratungsleistungen, die individuell den Informations-, Analyse- und Beratungsbedürfnissen von Branchen und Regionen der schweizerischen Volkswirtschaft entsprechen. BAK Basel Economics beschäftigt gegenwärtig rund 30 Personen.

Kasten 2: Branchenentwicklung in den offiziellen Zahlen des BFS und des Seco Dem Bedürfnis nach einer branchenspezifischen Betrachtung der Wirtschaftsentwicklung werden die offiziellen Statistiken der Schweiz wie auch der EU-Länder schon heute gerecht. Auf Jahresbasis veröffentlicht das Bundesamt für Statistik (BFS) eine sehr detaillierte Entwicklung der Wertschöpfung der Branchen seit 1990. Die ergänzende Quartalsentwicklung der Branchen zur Abschätzung der aktuellen Konjunkturlage wird vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erfasst. BAK Basel Economics berücksichtigt alle Daten der offiziellen Statistiken und verarbeitet diese zur Erstellung ihrer internationalen regionalen Vergleichsdatenbanken, präsentiert und kommentiert in dieser Publikationsreihe aber auch eigene Daten zur Branchenentwicklung.

Zitiervorschlag: Thomas Schoder, Bruno Parnisari, (2007). Schweizer Wirtschaftsbranchen – die neue Artikelserie. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.