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Eine gute Bildungspolitik legitimiert den Staat

Im Rahmen der Botschaft Bildung, Forschung, Innovation (BFI) 2008–2011 geht es um mehr als nur um Geld. Die Schweiz ist seit den bilateralen Verträgen und der Personenfreizügigkeit mit der EU Teil des offenen europäischen Arbeitsmarktes. Daher muss es ihr gelingen, ihre eigene Jugend nicht mehr nur für den nationalen, sondern für den europäischen Arbeitsmarkt fit zu machen. Gelingt dies nicht optimal, so hat das Folgen – zum einen für den Sozialstaat, zum andern für die Legitimation des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern.

Bildung und Sozialpolitik sind eng verknüpft


Die Arbeits- wie auch die Sozialhilfestatistik zeigen, dass Personen ohne abgeschlossene Ausbildung überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit, Aussteuerung und Löhnen unter dem Existenzminimum betroffen sind. Bildungspolitik wird daher heute zu Recht als wichtigstes Instrument angesehen, um Sozialfällen vorzubeugen und den Sozialstaat zu entlasten. Die Bedeutung der Bildung nimmt angesichts des offenen europäischen Arbeitsmarktes sogar noch zu. Denn jede Stelle auch im eigenen Land untersteht prinzipiell einem europäischen Konkurrenzdruck. Im Gegensatz zu den Erwerbstätigen sind aber die Erwerbslosen nicht mobil. Jugendliche mit Wohnsitz in der Schweiz, die sich nach der Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt nicht behaupten können, sind vom schweizerischen Sozialstaat zu tragen. Der Staat muss deshalb ein grosses Interesse daran haben, allen Jugendlichen durch eine gute Ausbildung optimale Startbedingungen in den europäischen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Ansonsten hat er dies im Rahmen der Sozialpolitik auszubaden.

In Zukunft erfährt der Staat vermehrt seine Legitimation über die Bildung


Wie legitimiert sich ein Staat eigentlich gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern? Eine wichtige Legitimation besteht darin, dass er jenen Hilfe gewährt, die nicht in der Lage sind, sich aus eigener Kraft die materielle Grundlage für ein menschenwürdiges Leben zu schaffen. Nach der Staatslehre spielt also die Sozialpolitik eine wichtige Rolle bei der Legitimation des Staates. In Zukunft wird die Bildung vermehrt eine legitimierende Funktion übernehmen. Jugendliche und ihre Eltern werden im europäischen Konkurrenzdruck unmittelbar erfahren, wie viel wert die Schweizer Ausbildung im Vergleich zu Ausbildungen anderer Länder ist. Wurde das Richtige gelehrt? Finden die Abschlüsse europäische Anerkennung? Anerkennt die Wirtschaft die schweizerische Ausbildung als gute Ausbildung? Oder steht man mit einer Schweizer Ausbildung immer hinten an? Kurz: Ist man genügend ausgebildet für den europäischen Arbeitsmarkt? Müssen die Jugendlichen und ihre Eltern erfahren, dass mit Schweizer Abschlüssen auf dem europäischen Arbeitsmarkt kein «Staat» zu machen ist, wird das den Staat zu Legitimationsproblemen führen. Man fragt sich dann, ob der Staat nicht fähig ist, jene Bildung zu vermitteln, die nötig ist, damit seine Bürgerinnen und Bürger aus eigener Kraft ein unabhängiges Leben führen können.

Finanzielle Mittel für die Bildung gemäss Gesetzen


Um den Jugendlichen zukunftsträchtige und europataugliche Bildungsabschlüsse bieten zu können, braucht es erstens genügend finanzielle Mittel und zweitens ihren effektiven und effizienten Einsatz. In den nächsten Monaten entscheidet sich, wie viel der Bund in die Bildung investieren wird. Ohne sich am Bazar der Prozentdiskussionen zu beteiligen, ist doch darauf hinzuweisen, dass das Parlament in den letzten Jahren an sich richtige Entscheidungen getroffen hat. So wurde die Berufsmaturität eingeführt, die Fachhochschulen aufgebaut, das neue Berufsbildungsgesetz mit der Integration der Berufe der Gesundheit, des Sozialen und der Kunst in Kraft gesetzt und auch definiert, wie viel der Bund sowohl an die Berufsbildung (25%) wie auch an die Fachhochschulen (33%) zahlen soll. Durch all diese richtigen und wegweisenden Weichenstellungen hat man gezeigt, dass man sich der Bedeutung der Bildung voll im Klaren ist. Jetzt sollte man die Entwicklungsprozesse nicht durch fehlende finanzielle Mittel blockieren, sondern konsequent den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen. Damit alle Jugendlichen mit optimalen Startbedingungen in den europäischen Arbeitsmarkt entlassen werden können, braucht es eine bevorzugte Behandlung der Bildung. So wird der Staat legitimiert und der Sozialstaat entlastet.

Zitiervorschlag: Bruno Weber-Gobet (2007). Eine gute Bildungspolitik legitimiert den Staat. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.