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Die Situation von Jugendlichen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt

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Die positive Arbeitsmarktentwicklung im Jahre 2006 hat auch die Situation von Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Dennoch bleibt die Jugendarbeitslosenquote überdurchschnittlich hoch und das Thema Jugendarbeitslosigkeit weit oben auf der arbeitsmarktpolitischen Prioritätenliste. Der folgende Beitrag wirft einen Blick auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation. Aus der Analyse der jüngsten Entwicklung versuchen wir gewisse Vorhersagen zum weiteren Verlauf abzuleiten.

Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit seit 2001


Mit der Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation zwischen 2001 und 2004 ist das Thema Jugendarbeitslosigkeit sehr rasch und nachhaltig in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Zu Beginn des Jahres 2001, als die Arbeitslosenquote letztmals einen Tiefpunkt erreicht hatte, lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) bei 1,5% und damit leicht unter der Gesamtarbeitslosenquote von 1,6%. Drei Jahre später hatte sie sich mehr als verdreifacht und lag mit 5,1% um rund 30% über der Gesamtarbeitslosenquote von damals 4,0%. Wie schon in den vergangenen Phasen mit steigender Arbeitslosigkeit stieg die Jugendarbeitslosenquote deutlich stärker an als die Gesamtarbeitslosigkeit (vgl. Grafik 1).  In den Jahren 2004 und 2005 verharrten die Arbeitslosenquoten – bedingt durch die weiterhin schwache Arbeitsmarktentwicklung – auf praktisch unverändert hohem Niveau. Erst gegen Ende 2005 setzte ein leichter Rückgang ein, welcher sich im Verlauf von 2006 beschleunigte, als die seit längerem bereits gut laufende Konjunktur schliesslich auf den Arbeitsmarkt übergriff und zu Beschäftigungszuwächsen führte. Im Dezember 2006 betrug die saisonbereinigte Jugendarbeitslosenquote noch 3,7% und lag damit um gut 20% über der Gesamtarbeitslosenquote. Damit bestätigte die Entwicklung im Jahr 2006 ein bereits in der Vergangenheit beobachtbares Muster: Die Jugendarbeitslosenquote bildet sich bei einer Verbesserung der Arbeitsmarktlage – spiegelbildlich zu einer sich verschlechternden Arbeitsmarktlage – überproportional zurück. Zwischen Dezember 2005 und Dezember 2006 ging die Jugendarbeitslosigkeit um 21% zurück, gegenüber einer Verringerung um 15% der Arbeitslosigkeit insgesamt. Gemäss einer Schätzung aus dem Jahr 2004 reagierte die Jugendarbeitslosenquote auf eine Erhöhung/Senkung der Gesamtarbeitslosenquote von 10% jeweils mit einer Erhöhung/Senkung von 12,4%. Der Rückgang der Gesamtarbeitslosenquote im Verlauf 2006 um 15% hat demnach einen Rückgang der Jugendarbeitslosenquote in der Grössenordnung von rund 19% erwarten lassen, ein Wert, welcher nun leicht übertroffen wurde.

Graduelle Unterschiede zwischen den Zahlen des SECO und der Sake (BFS)


Neben den Zahlen des SECO liefert die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (Sake) des Bundesamtes für Statistik (BFS) umfangreiche Daten zur Arbeitsmarktsituation von Jugendlichen. In der Sake wird die Zahl der Erwerbslosen nach internationalen Standards erhoben und umfasst – im Gegensatz zu den Arbeitslosenzahlen des SECO – auch Personen, welche nicht bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Stellensuche gemeldet sind. Da der Anteil der nicht registrierten Erwerbslosen bei den Jugendlichen relativ hoch ist, liegt die Jugenderwerbslosenquote gemäss Sake jeweils deutlich über dem entsprechenden SECO-Wert. So lag im zweiten Quartal 2006 der Sake-Wert bei 7,7%, derjenige des SECO bei 3,9% (Mai 2006). Gemäss Sake waren im zweiten Quartal 2006 insgesamt 46700 Jugendliche erwerbslos. Davon waren 17400 oder 37% bei einem RAV eingeschrieben; 29300 waren nicht gemeldet. Zum Vergleich: Bei den 25- bis 64-Jährigen betrug der Anteil der eingeschriebenen am Total der Erwerbslosen 59%.

Geringere Meldeneigung bei Jugendlichen – Erklärungsmuster


Für die deutlich geringere Meldeneigung bei Jugendlichen gibt es verschiedene Gründe. Knapp ein Viertel der jugendlichen Erwerbslosen befand sich zum Zeitpunkt der Erwerbslosigkeit in Ausbildung und war somit auf der Suche nach einem Nebenerwerb (vgl. Grafik 2). Nur 3% dieser in Ausbildung befindlichen Jugendlichen waren bei einem RAV gemeldet. 35% der erwerbslosen Jugendlichen hatten unmittelbar vor Beginn der Stellensuche eine Ausbildung abgeschlossen; von diesen stellensuchenden Jugendlichen waren nur ein Drittel bei einem RAV gemeldet. Diese unterdurchschnittliche Meldeneigung dürfte u.a. damit zu erklären sein, dass die Leistungen der ALV für Bildungsabgängerinnen und -abgänger eher gering sind und (mit Ausnahme von Lehrabgängerinnen und -abgängern) erst nach einer Wartefrist von 120 Tagen bezogen werden können. Denkbar ist auch, dass die Bereitschaft, einen beliebigen, von der ALV als zumutbar eingestuften Job anzunehmen, nicht immer gegeben ist.  Mit 40% ebenfalls unterdurchschnittlich war die Meldeneigung bei den 12% erwerbslosen Jugendlichen, welche vor Aufnahme der Arbeitssuche nicht erwerbstätig waren. Von den 28% verbleibenden erwerbslosen Jugendlichen, welche unmittelbar vor Beginn der Arbeitssuche erwerbstätig waren, waren 70% bei einem RAV gemeldet. Deren Meldeneigung unterschied sich nicht von älteren Erwerbslosen, die vor Antritt der Stellensuche ebenfalls erwerbstätig waren, deren Anteil bei den 25- bis 64-Jährigen jedoch zwei Drittel ausmachten. Insgesamt veranschaulichen diese Zahlen, dass die geringere Meldeneigung jugendlicher Erwerbsloser in erster Linie mit der Ausbildung bzw. dem Eintritt in den Arbeitsmarkt zusammenhängt.  Trotz erheblichen Niveauunterschieden zeigte auch die Sake-Erwerbslosenquote jüngst einen Rückgang der Jugenderwerbslosigkeit an. Die Jugenderwerbslosenquote sank zwischen dem 2. Quartal 2005 und dem 2. Quartal 2006 von 8,8% auf 7,7% und damit relativ gesehen in ähnlichem Ausmass wie die entsprechenden SECO-Werte. Zwischen dem 2. Quartal 2005 und 2006 sank die Jugenderwerbslosenquote gemäss Sake um 12%, die Jugendarbeitslosenquote gemäss SECO um 14% (Mai 2005 bis Mai 2006).  Noch deutlich positiver fiel die Beurteilung der Erwerbsentwicklung von Jugendlichen in der gleichen Zeitspanne aus. Gemäss Sake stieg die Zahl der jugendlichen Erwerbstätigen zwischen dem 2. Quartal 2005 und dem 2. Quartal 2006 um rund 36000 oder 6,8% an. Zum Vergleich: Bei den über 25-Jährigen stieg die Erwerbstätigkeit lediglich um 1,2%. Angesichts dieser markanten Zunahme der Jugenderwerbstätigkeit fiel der Rückgang der Erwerbslosigkeit mit 3600 allerdings bescheiden aus. Ein näherer Blick auf die Daten gibt gewisse Hinweise für die Ursachen. Einerseits stieg die Anzahl jugendlicher Personen um rund 1% oder knapp 9000 Personen an. Zweitens gingen v.a. Personen in Ausbildung vermehrt einer Erwerbstätigkeit nach. Rund 15000 der zusätzlichen knapp 36000 Stellen gingen an Personen in Ausbildung. Diese Zunahme äusserte sich vor allem in einer Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung und nur zum geringeren Teil in einem Rückgang der Erwerbslosenzahl. Ein ebenfalls erheblicher Anteil der zusätzlich Erwerbstätigen machten Lehrlinge aus (+13000). Auch diese Zunahme reichte jedoch nicht aus, um das Arbeitsmarktungleichgewicht bei den Jugendlichen deutlicher zu senken, was u.a. auch damit zusammenhängen dürfte, dass noch viele Jugendliche Zwischenlösungen – z.B. ein 10. Schuljahr – wahrnehmen. Insgesamt hat sich die sehr gute Arbeitsmarktentwicklung zwischen dem 2. Quartal 2005 und dem 2. Quartal 2006 für Jugendliche bisher vorwiegend in einer Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und erst ansatzweise in einem Rückgang der Jugenderwerbslosenquote niedergeschlagen. Die Erwerbs-quote der 15- bis 24-Jährigen stieg um rund 3 Prozentpunkte von 65,7% auf 68,6%.

Gründe für höheres Niveau und stärkere Reaktion auf Schwankungen


Die Gründe für das im Durchschnitt höhere Niveau und die stärkere Reaktion auf Schwankungen in der Arbeitsmarktentwicklung wurden für die Schweiz schon verschiedentlich untersucht. Vgl. Weber, Bernhard (2004), «Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz», in: Die Volkswirtschaft 10/2004, S. 49-52; Credit Suisse (2006), «Jugendarbeitslosigkeit als Ergebnis einer anderen Nachfrage nach Arbeit?», Swiss Issues Wirtschaftspolitik, CS Economic Research, Zürich. Die meisten Erklärungsversuche haben direkt oder indirekt mit dem Umstand zu tun, dass die grosse Mehrheit der Jugendlichen in der Schweiz im Alter zwischen 15 und 24 Jahren den Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt vollzieht. Gemäss Sake waren im Jahr 2006 rund 82% der 24-Jährigen erwerbstätig, weitere 10% waren es in der Vergangenheit. Rund 3% waren erwerbslos und erstmals auf Stellensuche. Für insgesamt rund 95% der Jugendlichen war damit der Übergang vom Bildungssystem in der Phase von 15-24 Jahren bereits ein oder mehrmals ein Thema.Der Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt ist aus verschiedenen Gründen mit einem erhöhten Arbeitslosenrisiko verbunden:  – Grundsätzlich sind alle Jugendlichen am Ende ihrer schulischen Ausbildung auf Stellensuche und damit dem Risiko, arbeitslos zu werden, ganz unmittelbar ausgesetzt. Für Lehrstellensuchende kommt erschwerend hinzu, dass sie nicht nur eine Arbeitsstelle suchen, sondern gleichzeitig eine für sie auch auf lange Sicht optimale Berufswahl treffen möchten.  – Neben diesen «normalen» Friktionen bei der ersten Stellensuche verschärft sich die Übergangsproblematik in Zeiten schlechter Arbeitsmarktlage zusätzlich. Der Grund hierfür ist im Einstellungs- und Entlassungsverhalten von Unternehmen zu suchen. Diese bauen bei Bedarf Stellen in der Regel so weit als möglich ab, indem sie auf den Ersatz natürlicher Abgänge verzichten. Leidtragende dieses Vorgehens sind u.a. Jugendliche am Ende der Ausbildung, welche sich auf eine schrumpfende Zahl offener Stellen bewerben. Besonders benachteiligt sind dabei Jugendliche, welche bislang gar keine Berufserfahrungen sammeln und damit ihre beruflichen Fähigkeiten noch nie unter Beweis stellen konnten. – Ein weiterer Einflussfaktor ist die demografische Entwicklung. So stieg gerade in den Jahren 2003 bis 2005 mit schwacher Arbeitsmarktentwicklung die Zahl der Jugendlichen, welche das Ende der obligatorischen Schulzeit erreichten um 2,5%, 3,0% respektive 1,7% gegenüber dem jeweiligen Vorjahr, womit sich die Konkurrenz um die offenen Stellen auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt zusätzlich verschärfte. Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, dass das Lehrstellenangebot der Unternehmen durchaus auch positiv auf eine Erhöhung der Anzahl Lehrstellensuchender reagiert, weil damit auch mehr geeignete Bewerber zur Verfügung stehen. Vgl. Schweri, Jürg (2006), «Hat die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe abgenommen?», in: Die Volkswirtschaft 12/2006, S. 35-39.

Perspektiven


Die jüngsten Entwicklungen sowie die Prognosen geben Anlass zur Hoffnung, dass sich die Arbeitsmarktsituation für Jugendliche auch in diesem Jahr weiter verbessern wird und die Jugendarbeitslosigkeit weiter abgebaut werden kann. Die Entwicklung 2006 bestätigte, dass sich die SECO-Jugendarbeitslosenquote bei guter Arbeitsmarktlage überproportional zurückbildet. Trifft die Prognose der Expertengruppe Konjunktur des Bundes ein, so dürfte die Gesamtarbeitslosigkeit in diesem Jahr erneut um rund 15% – nämlich von 3,3% (2006) auf 2,8% (2007) – zurückgehen. Damit wäre bei der Jugendarbeitslosigkeit mit einem Rückgang um gut 20% von 4,3% (2006) auf etwa 3,4% (2007) zu rechnen.  Auch die Demografie dürfte zunehmend zu Gunsten der Jugendlichen spielen, indem die Bevölkerungszunahme bei der jugendlichen Bevölkerung nach und nach abflacht. Mit einer deutlichen Entspannung ist aber erst im Verlauf der nächsten drei Jahre zu rechnen, befinden sich doch noch viele Jugendliche in Zwischenlösungen; sie werden entsprechend verzögert auf den Lehrstellen- und Arbeitsmarkt treten.  Hinzu kommt, dass die Angebote für Jugendliche am Ende der Ausbildungszeit heute sehr gut ausgebaut sind. Dies ist auch notwendig. Denn für alle arbeitslosen Jugendlichen muss es in erster Linie darum gehen, diese Zeit bestmöglich dazu zu nutzen, die eigenen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

Grafik 1 «Arbeitslosenquote nach Altersklassen, saison- und zufallsbereinigt, Januar 1990-Dezember 2006»

Grafik 2 «Erwerbslosenquote nach Altersklasse, aktueller Ausbildungssituation und Situation unmittelbar vor Aufnahme der Arbeitssuche, 2. Quartal 2006»

Tabelle 1 «Jugenderwerbslosenquoten im internationalen Vergleich, 2. Quartal 2006»

Kasten 1
Internationale Vergleiche von Jugendarbeitslosenquoten sind durch Unterschiede in den Bildungssystemen erschwert. In Ländern wie Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Dänemark, in denen die so genannte duale Berufsbildung eine ähnlich grosse Bedeutung wie in der Schweiz hat, erfolgt der Eintritt in den Arbeitsbzw. den Lehrstellenmarkt sehr früh. Jugendliche sind dem Risiko der Erwerbslosigkeit damit sehr früh ausgesetzt. Die Erwerbsbeteiligung der Jugendlichen ist in diesen Ländern entsprechend relativ hoch. Anders verhält es sich in Ländern mit stark schulisch geprägten Bildungssystemen: Hier sind nur relativ wenige Jugendliche überhaupt auf dem Arbeitsmarkt. Die teilweise hohen Jugenderwerbslosenquoten beziehen sich somit auf einen relativ kleinen Anteil von Jugendlichen, welche das schulische Bildungssystem frühzeitig verlassen haben. Da es sich bei diesen Jugendlichen um Schulaussteiger handelt, dürfte ihr individuelles Arbeitslosenrisiko ebenfalls erhöht sein. Um das absolute Ausmass der Problematik Jugendarbeitslosigkeit zu vergleichen, ist es daher sinnvoll, auch den Anteil der erwerbslosen Jugendlichen an der jugendlichen Bevölkerung anzuschauen.

Zitiervorschlag: Weber, Bernhard (2007). Die Situation von Jugendlichen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Die Volkswirtschaft, 01. März.