ASA-Richtlinie und die Rolle der Suva
Mit der Revision der ASA-Richtlinie wird die systemorientierte Präventionsstrategie der Eidg. Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) bestätigt und im Sinne der stetigen Verbesserung präzisiert. Insbesondere werden die administrativen Anforderungen bezüglich Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz – namentlich für Kleinbetriebe und für Betriebe ohne besondere Gefahren – wesentlich vereinfacht. Die segmentgerechte Neuformulierung der Anforderungen bringt zudem eine noch deutlichere Risikoorientierung für die aus dem UVG-Prämienzuschlag der Berufs-Unfallversicherung finanzierte und von der EKAS koordinierte Prävention am Arbeitsplatz zum Ausdruck. Dies ist aus Sicht der Suva für das gesamte Spektrum der Leistungserbringung eine erfreuliche Entwicklung.
Erwartungen und Zielsetzungen
Das Ziel der ASA-Richtlinie ist in erster Linie, durch eine zielgerichtete Reduktion der Berufsunfälle (BU) und Berufskrankheiten (BK) Leid und Schmerz der Verunfallten und ihrer Angehörigen zu verringern sowie die grosse volkswirtschaftliche Belastung aufgrund direkter Versicherungs- und indirekter Ausfallkosten einzudämmen. Entsprechend geht es darum, geeignete Vollzugskonzepte zu entwickeln und insbesondere risiko- und zielgruppengerechte Massnahmenpakete umzusetzen, die diesbezüglich grösstmögliche Wirkung erwarten lassen. Die revidierte ASA-Richtlinie schafft dafür verbesserte Rahmenbedingungen. Grundsätzlich gilt es, die der EKAS zur Verfügung stehenden UVG-Präventionsressourcen zweckgebunden und vor allem dort einzusetzen, wo die BU-/BK-Risiken am grössten sind.
Orientierung an den Kundenbedürfnissen
Die Suva versteht sich als Institution, welche die Unternehmen im Rahmen des UVG-Vollzugs bei der Umsetzung von Sicherheit und Gesundheitsschutz durch zielgruppenorientierte (vgl. Tabelle 1) Betriebskontrollen und Präventionsangebote unterstützt. Dabei werden vor allem Risiko und Betriebsgrösse, aber auch die spezifischen Bedürfnisse der Branche berücksichtigt.
UVG-Vollzugsdruck
Im Zentrum der UVG-Vollzugsaufgabe stehen die Kontrollen in den Betrieben. Sowohl die systematischen Betriebskontrollen als auch die Stichprobenkontrollen am Arbeitsplatz oder Unfallabklärungen haben zum Ziel, mit dem Betriebsverantwortlichen konkrete Verbesserungsmassnahmen zu vereinbaren. Nicht nur die Behebung eines erkannten Mangels steht im Vordergrund, sondern die nachhaltige Systemverbesserung. Ziel ist es, die Wiederholung des gleichen oder ähnlichen Mangels zu verhindern, sei es durch vermehrte Arbeitsplatzkontrollen, technische und organisatorische Massnahmen wie Schulung, Instruktion oder regelmässigen Einbezug der Betroffenen. Diese verbindlichen und terminierten Massnahmen sind das Hauptergebnis des Vollzugs; sie werden mit dem Betrieb schriftlich vereinbart und gemäss UVG-Durchführungsverfahren umbzw. durchgesetzt. Der UVG-Vollzug der Suva ist grundsätzlich auf die unterschiedlichen Anforderungen der Branchen ausgerichtet. Als Spezialisten der Arbeitssicherheit werden deshalb erfahrene Fachleute dieser Branchen rekrutiert und eingesetzt. Als Kenner der Arbeitsabläufe und der entsprechenden besonderen Gefahren in den Betrieben sind sie der beste Garant für einen effektiven Vollzug. Mit der Einführung der ASA-Richtlinie wurde zunehmend die Erwartung nach höherem Vollzugsdruck postuliert, dies nament-lich von Vertretern der Branchenlösungen oder direkt von Betrieben, die in die Verbesserung ihrer Sicherheitskultur investiert haben. Diese berechtigte Forderung nach «gleich langen Spiessen» ist gut nachvollziehbar. Für die effiziente und effektive Durchführung von Betriebskontrollen gelten deshalb folgende Prioritäten: – Erste Priorität: Betriebe mit im Branchenvergleich überdurchschnittlicher BU-/BK-Häufigkeit; – Zweite Priorität: Betriebe ohne erkennbare Aktivitäten zur ASA-Umsetzung; – Dritte Priorität: Durchdringungsgrad der Betriebskontrollen pro Zielbzw. Risikogruppe. Durch eine EDV-unterstützte Planung und Durchführung der Betriebskontrollen wird ein systematischer und prioritätengerechter UVG-Vollzug sichergestellt. Neben der fachlichen Qualität der Kontrolle und der zielgerichteten Auswahl der Betriebe haben die Verbindlichkeit der Kontrolle und die Durchsetzung der vereinbarten Massnahmen einen hohen Stellenwert. Wenn gegen Vorschriften verstossen wird und der Betrieb die Gelegenheit zur Verbesserung der Situation nicht wahrnimmt, können im Interesse des Arbeitnehmerschutzes Sanktionen – Einstellung der Arbeiten, Prämienerhöhung oder Strafanzeige – verfügt werden. Solch repressive Massnahmen sind erfreulicherweise selten nötig.
Unterstützung der Kleinbetriebe bei der ASA-Umsetzung
Als äusserst wirksame Unterstützung zur Gefahrenermittlung und Massnahmenplanung auf Stufe Kleinbetrieb oder Arbeitsplatz haben sich die praktischen Checklisten erwiesen. Diese von Sicherheitsspezialisten und Branchenkennern erarbeiteten Hilfsmittel sind auch Kernelement bei der Umsetzung von überbetrieblichen ASA-Lösungen. Das heute breite und jederzeit direkt zugängliche Checklistenangebot der Suva Siehe www.suva.ch/checklisten . ist ausgerichtet auf die wichtigsten Gefahren bzw. Unfallschwerpunkte. Die notwendige Ermittlung der grössten Sicherheits- und Gesundheitsrisiken wird für den Kleinunternehmer so-mit zur wesentlich einfacheren Fragestellung: Welche Checklisten der Suva oder anderer Organisationen sind für den Betrieb relevant? Die Bearbeitung dieser Checklisten führt direkt zu konkreten oder rezeptartig vorgeschlagenen Massnahmen, die im Sinne der Systemorientierung alle technischen, organisatorischen und verhaltensbezogenen Aspekte abdecken. Der Einsatz von Checklisten dient gleichzeitig auch zur Sensibilisierung und fördert die Mitwirkung und nicht zuletzt das Mitdenken aller Betroffenen am Arbeitsplatz. Der Nachweis der Umsetzung ergibt sich aufgrund bearbeiteter Checklisten ohne zusätzliche Administration für den Betrieb. Es ist erfreulich, dass die EKAS die Effizienz und Effektivität dieser praxisorientierten ASA-Umsetzung (für Betriebe bis 10 Vollbeschäftigte gemäss Tabelle 1, Zielgruppe 2) mit der Revision der ASA-Richtlinie anerkannt hat.
Schwerpunktaktionen
Mit der ASA-Richtlinie wird vor allem der Aufbau von Sicherheitssystemen gefördert. Darüber hinaus ist aber auch die inhaltliche und zeitliche Konzentration der Prävention auf konkrete Risikoschwerpunkte unerlässlich. Deshalb führt die Suva zu ausgewählten Themen und in ausgewählten Branchen regelmässig Aktionen oder Kampagnen durch. Damit will sie ihre Mittel und Ressourcen gezielt dort einsetzen, wo die Risiken und damit auch die Kosten gemäss Erfahrung am grössten sind. Zurzeit stehen bei der Suva folgende Schwerpunkte im Vordergrund: – Kampagne «Sichere Arbeitsgerüste»; – Aktion «Einsatz von Sicherheitsvorrichtungen»; – Aktion «Sicherer Betrieb alter Pressen»; – Asbest. Aktionen und Kampagnen umfassen jeweils ein konzertiertes Paket von Massnahmen und Angeboten. Bei der Kampagne «Sichere Arbeitsgerüste» sind dies unter anderem Merkblätter für die Planung, Montage und Demontage von Gerüsten, Plakate und Leporellos, Sensibilisierung durch Beiträge in Fachzeitschriften, Vorträge vor Fachpublikum, konzentrierte Kontrollaktionen auf Baustellen und ein Fernsehspot. Damit sollen die jährlich rund 3000 Gerüstunfälle mit Gesamtkosten von ca. 90 Mio. Franken bis Ende 2008 um mindestens 20% reduziert werden. Aktionen bilden insbesondere auch für die fruchtbare Zusammenarbeit mit Verbänden und Trägerschaften eine geeignete Basis.
Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in allen Betrieben
Die arbeitsmedizinische Vorsorge hat zum Ziel, beginnende Berufskrankheiten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erkennen bzw. Personen, die besonders empfindlich sind, bereits vor Arbeitsaufnahme zu erfassen. Bei einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung können die Arbeitsärzte und -ärztinnen der Suva durch Verfügung Arbeitnehmende von der gesundheitsgefährdenden Arbeit ausschliessen oder die Beschäftigung bei dieser Arbeit nur unter bestimmten Bedingungen zulassen. Die Suva kann Betriebe und Arbeitnehmende zur Verhütung von Berufskrankheiten den Vorschriften der arbeitsmedizinischen Vorsorge unterstellen. Dabei werden Eintrittsuntersuchungen, periodische Kontrolluntersuchungen und nach Einwirkung von krebserzeugenden Stoffen wie Asbest auch Untersuchungen nach Beendigung der gefährdenden Tätigkeit durchgeführt. Diese umfassen – je nach Einwirkung – Lungenfunktionsprüfungen, Röntgen- und Laboruntersuchungen, ein biologisches Monitoring oder Gehörprüfungen auf den Suva-Audiomobilen.
Grenzwerte
Aufgrund von Art. 50 Abs. 3 der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV) erlässt die Suva im Einvernehmen mit der Grenzwertkommission der Suissepro Richtlinien über maximale Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werte) gesundheitsgefährdender Stoffe sowie Grenzwerte für physikalische Einwirkungen. Die Liste der Grenzwerte erscheint in einem Intervall von 2 Jahren. Die Grenzwertliste enthält MAK-Werte als Beurteilungsbasis für Gefahrstoffmessungen in der Raumluft, Biologische Arbeitsstofftoleranzwerte (BAT-Werte) als Basis für die Beurteilung des biologischen Monitorings und informiert über Stoffeigenschaften wie etwa die krebserzeugende, erbgutverändernde und Allergien auslösende Wirkung von Stoffen. Für physikalische Einwirkungen sind ebenfalls Grenzwerte publiziert.
Förderung der Sicherheits- und Gesundheitskompetenz
Der Faktor Mensch steht im Zentrum dieses Ansatzes der BU- und BK-Verhütung. Es geht dabei um die Förderung des Bewusstseins für sicherheits- und gesundheitsbewusstes Verhalten bei Arbeitnehmenden. Dank der Stärkung der Eigenverantwortung, der Wahrnehmung der Verantwortung auch gegenüber Angehörigen und Bekannten, deren Appell an die Verantwortung der in der Arbeitswelt stehenden Personen und der erhöhten Kompetenz beispielsweise in der Risikoabschätzung werden auch Synergien zur Freizeitsicherheit und für die Optimierung weiterer Risikofaktoren erzeugt.
Tabelle 1 «Struktur der Suva-versicherten Betriebe, 2005a»
Kasten 1: Ausbildung, Grundlagen, Hilfsmittel, Internet-Angebot
Zur Förderung der systemorientierten Prävention bietet die Suva den Betrieben und ihren Verbänden wie auch den Spezialistinnen und Spezialisten der Arbeitssicherheit ein breites Leistungsspektrum an, insbesondere:- Information und Beratung;- Aus- und Weiterbildung für ASA-Spezialisten und Sicherheitsbeauftragte;- Kurse für Fachspezialisten und Kader;- dezentrales Ausbildungs-Netzwerk für Kleinbetriebe;- zahlreiche Hilfsmittel ( www.suva.ch/waswo ).
Kasten 2: Suva-Präventionsleistungen mit breitem Spektrum – Überwachung der Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (TEG), STEG- Marktkontrolle;
– Messungen (von Schadstoffen, Lärm und Vibrationen, radioaktiver Strahlungen) an den Arbeitsplätzen und Analysen im Labor als wichtige Grundlage für die Evaluation geeigneter Schutzmassnahmen;
– Mitwirkung in nationalen und internationalen Gremien;
– Dienstleistungen für Hersteller und Lieferanten von TEG;
– Entwicklung und Vertrieb von Sicherheitsprodukten (Schwergewicht Holzbearbeitungsmaschinen);
– Förderung der Freizeitsicherheit;
– Förderung des Absenzen-Managements als Anreiz für die Prävention.
Zitiervorschlag: Odermatt, Robert (2007). ASA-Richtlinie und die Rolle der Suva. Die Volkswirtschaft, 01. April.