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Problematischer und fraglicher Wirtschaftsmotor

Problematischer und fraglicher Wirtschaftsmotor

Der Grossraum Zürich ist für eine grosse internationale Drehscheibe des Luftverkehrs als Heimmarkt zu klein und zudem als Standort viel zu eng. Die Branche Transitflughafen stellt für die Metropole Zürich eine Offshore-Funktion mit bescheidener Wertschöpfung dar. Sie führt unsere Region in die Abhängigkeit von einer volatilen, auf lange Sicht nicht zukunftsfähigen Branche: dem Massentourismus in der Luft. Das ohne quantitative Selbstbeschränkung unlösbare Lärmproblem bindet enorme politische Kräfte. Sie wären notwendig, um Zürich endlich ans europäische Hochgeschwindigkeits-Schienennetz anzubinden. Ein bescheidener, am Status quo und den langfristig düsteren Perspektiven des Luftverkehrs ausgerichteter Kurs ist für den Kanton Zürich der richtige Weg. Wir nennen ihn eine realistische Flughafenpolitik.

Hub-Strategie – der riskante Weg in die Abhängigkeit


Der Flughafen Zürich-Kloten ist die einzig denkbare Heimbasis der nationalen Airline Swiss. Die Drehscheibe Zürich hängt damit von zwei privaten, vom Staat konzessionierten Monopolisten ab. Der eine Monopolist (die Flughafenbetreiberin Unique) macht dabei fast 60% seines Verkehrsumsatzes mit dem anderen Monopolisten (Swiss und ihre Muttergesellschaft Lufthansa). Einzelne Billigfluggesellschaften setzen ebenfalls auf eine Hub-Strategie, wie jüngst Air Berlin mit ihrem Mittelmeer-Badeferien-Hub in Zürich. Im Gegensatz zur nationalen Airline Swiss ändern sie aber ihre Netzwerkstrategien praktisch im Takt der saisonalen Tiefpreis-Trends und der Flugpläne. Ihnen fehlen ja die Ressourcen und rechtlichen Privilegien (Staatsverträge), um sich neue Märkte nachhaltig aufzubauen und zu sichern.  Wenn der Flughafen 2006 bereits wieder 6,1 Mio. oder 32% Transferpassagiere meldet, so handelt es sich bei deren Umsteigen vom Wirtschaftsraum Zürich aus gesehen um eine Offshore-Funktion. Die lokale Wertschöpfung pro Passagier liegt im einstelligen Frankenbereich. Wichtig sind hingegen die bau- und arbeitsrechtlichen Privilegien für den Flughafen als Shopping- und Vergnügungszentrum, als Immobilienfirma im Bereich Parkier- und Büroanlagen. Seinen Profit erzielt er denn auch zur Gänze in diesen Bereichen. Die Zukunft einer ganzen Region von den Business-Plänen zweier privater Firmen und einer einzigen volatilen Branche abhängig zu machen, ist nicht sinnvoll.

Klimaproblem wird den heutigen Weltluftverkehr bremsen


Der Weltluftverkehr verbrennt pro Jahr ca. 200 Mrd. Liter Kerosen. Wenn die Gefährlichkeit der Abgase gewichtet wird, so stammen in der Schweiz 14% des klimaschädigenden Effekts vom Luftverkehr. Der Weltluftverkehr schrieb in den letzten Jahren regelmässig Milliardenverluste. Angesichts der Kosten, die eine Kerosinsteuer (Lenkungsabgabe) bedeuten würde, ist völlig klar: Der heutige Weltluftverkehr ist ohne die überholte Steuerbefreiung undenkbar.  Einige Parteigutachten, die zum Teil rezykliert wurden, zeigen riesige beschäftigungswirksame Effekte des Hub-Betriebs. Sie arbeiten alle mit indirekten («katalytischen») Effekten, die die Umsätze der Luftverkehrsbranche angeblich erzeugen (so erzeugt z.B. die Frau des Zahnarztes eines Piloten durch den Kauf eines Salates ebenfalls «Flughafen-Umsatz», der Salatverkäufer wird zur «Flughafen-Arbeitskraft»). Methodisch ist das Messen dieser Effekte fragwürdig, denn der gleiche Umsatz wird x-mal gezählt. Im Falle der kleinen Schweiz wird zudem auf tendenziöse Weise mit überhöhten Multiplikatoren gearbeitet. Tatsache ist: Seit 2001 hat das Verkehrsvolumen am Flughafen laufend abgenommen, aber seit 2004 findet in der Schweiz – wie auch bei unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland – ein Wirtschaftsaufschwung statt.

Besinnung auf Stärken und nachhaltige Wertschöpfung


Der so genannte Grossraum Zürich ist klein. Täglich reisen zum Beispiel nur etwa 35 Menschen auf der Strecke Zürich-China. Selbst mit einem 100%igen Marktanteil könnte Swiss nur mit Gratiszubringern einen täglichen Flug füllen. Innerhalb Europas ist Zürich in S-Bahn-Intervallen mit London, Frankfurt, Paris verbunden. Zürich hat seine weltweit führende wirtschaftliche Stellung nicht dem Luftverkehr, sondern dem Finanzsektor und einem Spitzenangebot in Bildung und Gesundheit zu verdanken.  Auf diese Stärken hat sich die Wirtschaftspolitik zu besinnen und ihre Ressourcen zu konzentrieren. Das bei unverrückbaren Wachstumsplänen unlösbare politische Fluglärmproblem bindet politische Kräfte, die andernorts mehr bewirken könnten. So ist Zürich die in Europa «am schlechtesten auf dem Schienenweg erreichbare Metropole» – und das im Land der Weltmeister im Eisenbahnfahren! Brüssel, Barcelona, Berlin und viele andere grössere Metropolen müssen und können ohne Hub – oder sogar ganz ohne Langstreckenverbindungen – gut leben, nicht aber ohne Anbindung ans europäische Hochgeschwindigkeits-Schienennetz!

Zitiervorschlag: Ruedi Lais (2007). Problematischer und fraglicher Wirtschaftsmotor. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.