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Studien über regionale Disparitäten in der Arbeitslosigkeit

In den vergangenen zehn Jahren haben sich mehr als ein Dutzend Studien mit den Unterschieden der Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Sprachregionen befasst. Dabei wurden mehrheitlich Einzelaspekte behandelt. Eine umfassende Darstellung fehlte bis anhin. Auch wenn die Fragestellung nicht die Schlagzeilen der Medien beherrscht, interessieren sich viele Bürgerinnen und Bürger rege für die Gründe dieser Unterschiede. Das hauptsächliche Interesse bekunden aber die mit dem Vollzug des Arbeitslosenversicherungsgesetzes betrauten oder politisch dafür zuständigen Stellen. Äusserer Anlass für die Vergabe der Studien war denn auch die Intervention eines grossen Westschweizer Kantons. Die beiden Studien werden im folgenden Dossier «Regionale Disparitäten in der Arbeitslosigkeit» vorgestellt.

Die Studien wurden im Frühjahr 2005 international unter dem Arbeitstitel «Robuste regionale Disparitäten im Verlauf und Niveau der Arbeitslosenrate» ausgeschrieben und im Herbst 2005 vergeben. Beabsichtigt war ein Abschluss des Projekts bis Ende 2006. Dieser Zeitplan liess sich wegen der aufwändigen Datenbeschaffung sowie dem Einsatz innovativer methodischer Ansätze nicht ganz einhalten. Der nachträgliche Revisions- und Ergänzungsbedarf war vorgängig nicht ersichtlich. Die Schlussfassungen liegen nun vor.

Zielsetzung und Ansatzpunkte


Die Offerten zu den Studien sollten die folgenden Fragestellungen abdecken:  – Erstens wurde eine wissenschaftlich fundierte, flächendeckende Bestandesaufnahme angestrebt. Dabei sollten nicht nur die Regionen innerhalb der Schweiz betrachtet, sondern ein Blick auch über die Landesgrenze hinweg gewagt werden, um «kulturell» bedingte von «institutionell» bedingten Erklärungsfaktoren besser trennen zu können.  – Die Untersuchungen sollten neben den herkömmlichen groben räumlichen Aufteilungen – wie Kanton und Landesteil – auch kleinräumigere Daten berücksichtigen. Damit sollte abgeklärt werden, ob und in welchem Ausmass die bis anhin mehrheitlich praktizierte grobe Gliederung die Aussagen beeinflusst.  – Weiter wurde eine Erklärung regionaler Unterschiede unter besonderer Berücksichtigung der institutionellen (gestaltbaren) und strukturellen (nicht gestaltbaren) Faktoren verlangt. Insbesondere wurde eine Messung der Effekte der (nicht gestaltbaren) kulturellen Unterschiede gewünscht.  – Besonderes Gewicht wurde auf methodische Vielfalt gelegt, damit ähnliche Ergebnisse zwischen den Studien als robust gelten können, d.h. nicht zu stark vom gewählten methodischen Ansatz abhängen.   Aus den eingehenden Offerten wurden durch eine aus Mitarbeitenden des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) bestehende Arbeitsgruppe zwei ausgewählt, die sich in idealer Weise ergänzten:  – Université de Genève: «Analyse des différences régionales de chômage»: Hierbei handelt es sich um die breiter ansetzende Studie: Sie beinhaltet einerseits eine grundlegende Bestandesaufnahme sowie die Abschätzung der Wirkungen. Ausgehend von einer Einschätzung des Ist-Zustandes anhand von Ungleichheitsmassen arbeitet sie mit einer sozio-ökonomischen Typisierung auf Gemeindeniveau. Ergänzt wird sie durch eine Analyse der unterschiedlichen Dauer der Arbeitslosigkeit.  – Universität Zürich (IEW): «Regionale Disparitäten in der Arbeitslosigkeit: Kulturelle Grenzen und Landesgrenzen»: Diese Studie ist etwas spezialisierter, geht dafür tiefer als diejenige der Universität Genf. Sie legt das Augenmerk speziell auf die regionale Gliederung und richtet den Blick über die Landesgrenzen hinweg.

Ergebnisse: Erwartungen mehr als erfüllt


Schon bei der Vergabe der Studie hat man sich ein konkretes Bild der realistischerweise zu erwartenden Ergebnisse gemacht. Ein grundlegendes Problem derartiger Untersuchungen besteht darin, dass sich nie alle potenziell bedeutenden Faktoren berücksichtigen lassen, womit relativ grosse Anteile der Unterschiede in der Arbeitslosigkeit unerklärt bleiben. Ob die verbleibenden Unterschiede – etwa entlang der Sprachgrenzen – letztlich auf «objektive» Mobilitätshürden oder aber unterschiedliche «Mentalitäten» zurückzuführen sind, ist empirisch kaum zu bestimmen. Angesichts dieser Schwierigkeiten mussten die Erwartungen auf einem realistischen Niveau angesiedelt werden. Es wurden deshalb keine abschliessenden Antworten, sondern starke und erhärtete Hinweise über mögliche Determinanten regionaler Unterschiede in der Arbeitslosigkeit erwartet  Ein Blick auf die Resultate zeigt, dass sich die Geduld gelohnt hat. Die Studien geben jetzt ein umfassendes Bild der Situation und gut fundierte Erklärungshinweise. In den Artikeln werden die Ergebnisse ausführlich dargestellt. Sie werden für die Politik ein wichtiges Arbeitsinstrument darstellen.

Zitiervorschlag: Werner Aeberhardt (2007). Studien über regionale Disparitäten in der Arbeitslosigkeit. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.