Suche

Abo

Startschuss zum Emissionshandel in der Schweiz

Schriftgrösse
100%

Zentrale Grundlage für ein Emissionshandelssystem ist die verbindliche Vorgabe von spezifischen Emissionsobergrenzen für Staaten (Kyoto-Protokoll) oder Unternehmen (CO2-Gesetz). Mit der Einführung der CO2-Abgabe ab dem 1. Januar 2008 sind die Bedingungen für ein funktionierendes Emissionshandelssystem in der Schweiz erfüllt. Unternehmen, die sich von der CO2-Abgabe befreien wollen, müssen sich zur Begrenzung ihrer Emissionen verpflichten. Die Möglichkeit zum Austausch von Emissionsrechten verringert die Kosten zur Einhaltung der Reduktionsziele. Zusätzlich können ausländische Zertifikate erworben und angerechnet werden. Zur Erhöhung der Marktliquidität will der Bund zudem den Anschluss an das europäische Handelssystem sicherstellen.

Das Kyoto-Protokoll verpflichtet die Industriestaaten zu quantifizierten Reduktionszielen, die sie im Durchschnitt über die Jahre 2008-2012 einhalten müssen. Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis zu diesem Zeitraum gegenüber 1990 um 8% zu senken. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass die Emissionen von 52,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten Die unterschiedliche Klimawirkung der sechs Treibhausgase wird anhand des globalen Wärmepotenzials auf CO2-Äquivalente normiert. Methan wirkt in der Atmosphäre beispielsweise um das 21fache gegenüber CO2; eine Tonne Methan entspricht folglich 21 Tonnen CO2-Äquivalenten. im Jahr 1990 um 8% auf 48,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden müssen. Da dieser Wert im Durchschnitt über die Jahre 2008-2012 gilt, hat die Schweiz für diese Fünfjahresperiode das Recht, diese Menge an CO2-Äquivalenten auszustossen, und erhält Emissionsrechte von insgesamt 242,5 Mio. Tonnen (5248,5 Mio.) zugeteilt. Bei einer Unterschreitung dieses Emissionsdachs hat die Schweiz überschüssige Emissionsrechte, die sie auf dem CO2-Markt veräussern oder als Guthaben in die nächste Verpflichtungsperiode nach 2012 übertragen kann. Analog zum zwischenstaatlichen Emissionshandel nach dem Kyoto-Protokoll können nach dem gleichen Prinzip auch Emissionsrechte an einzelne Unternehmen mit Reduktionsverpflichtung zugeteilt werden. Die Zuteilung erfolgt gemäss den individuellen CO2-Begrenzungszielen der Unternehmen. Die Emissionsrechte dienen dazu, die tatsächlichen Emissionen der Unternehmung abzudecken. Leistet sie über das fixierte CO2-Ziel hinausgehende Reduktionen, kann sie überschüssige Emissionsrechte verkaufen. Emittiert sie mehr, als ihr Emissionsrechte zur Verfügung stehen, muss sie die fehlenden Emissionsgutschriften erwerben. Mit dem Instrument des Emissionshandels erhalten die Unternehmen die Möglichkeit, ihr Reduktionsziel zu geringeren Kosten zu erfüllen.

Was bezweckt der Emissionshandel?


Der Emissionshandel schafft eine marktwirtschaftliche Basis, um die CO2-Emissionen dort zu reduzieren, wo es am kostengünstigsten ist. Dank der Möglichkeit, Emissionsrechte auszutauschen, sinken die Kosten zur Erfüllung der Reduktionsziele gesamthaft über die eingebundenen Staaten (Kyoto-Protokoll) und Unternehmen (CO2-Gesetz). Kostet beispielsweise eine Massnahme im Unternehmen A 100 und im Unternehmen B 50 Franken pro Tonne CO2, kann A dank dem Emissionshandel vom günstigeren Reduktionspotenzial bei B profitieren. Statt eine eigene Massnahme umzusetzen, kann es stattdessen von B ein Emissionsrecht erwerben. In einem funktionierenden Markt ist B bei einem Preis von mindestens 50 Franken pro Tonne CO2 bereit, seine Emissionen im entsprechenden Umfang zu senken und Emissionsgutschriften anzubieten. Das Instrument des Emissionshandels gibt den Unternehmen mehr Flexibilität, um ihre Ziele zu erreichen, und senkt gesamthaft die Kosten über alle Unternehmen, welche im System eingebunden sind.

Wer nimmt am Emissionshandel in der Schweiz teil?


Das schweizerische Emissionshandelssystem betrifft vor allem Firmen, die sich zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen und somit zu einem rechtlich verbindlichen Emissionsziel für 2008-2012 verpflichten. Die Firmen werden im Gegenzug von der CO2-Abgabe befreit. Ein Emissionsziel auszuhandeln und somit von einer CO2-Abgabe befreit zu werden, ist vor allem für die energieintensive Industrie von Interesse. Bereits über 600 Firmen – unter anderem aus den Branchen Keramik, Glas, Papier, Chemie, Metall- und Maschinenbau, Kunststoff, Aluminium, Lebensmittel, Kalk, Giessereien, grafische Industrie – haben im Hinblick auf eine Befreiung CO2-Begrenzungsziele festgelegt. Auf den Zeitpunkt der erstmaligen Erhebung der CO2-Abgabe werden diese freiwilligen Zielvereinbarungen auf Antrag der Firmen in rechtlich verbindliche Verpflichtungen überführt. Für die Einhaltungsperiode 2008-2012 erhalten die Unternehmen Emissionsrechte zugeteilt. Für die CO2-Emissionen der Jahre 2008-2012 müssen jährlich Emissionsgutschriften in der Höhe der emittierten Menge entwertet werden. Nicht ausgeschöpfte Gutschriften können verkauft oder in eine spätere Verpflichtungsperiode übertragen werden. Bei Mehremissionen müssen Gutschriften auf dem nationalen oder internationalen Markt dazugekauft werden. Im Falle einer Zielverfehlung muss die CO2-Abgabe für jede seit der Befreiung emittierte Tonne CO2 nachgezahlt werden. Die nun definitiv beschlossene CO2-Abgabe (vgl.

Kasten 1
Im Juni 2005 hatte der Bundesrat einen CO2-Abgabesatz von 35 Franken pro Tonne CO2-Emissionen beschlossen und dem Parlament eine Botschaft und einen Entwurf für eine CO2-Verordnung unterbreitet. Nach langen Beratungen hat das Parlament im März 2007 neue Bestimmungen verabschiedet. Abhängig von der Erreichung der Etappenziele zur Verminderung der CO2-Emissionen wird die Abgabe in drei Stufen eingeführt:- ab 2008 eine Abgabe in Höhe von 12 Franken pro Tonne CO2 (entspricht 3 Rappen pro Liter Heizöl), falls die Emissionen aus Brennstoffen im Jahr 2006 gegenüber 1990 um weniger als 6% gesunken sind;- ab 2009 eine Abgabe in Höhe von 24 Franken pro Tonne CO2 (entspricht 6 Rappen pro Liter Heizöl), falls die Emissionen im Jahr 2007 gegenüber 1990 um weniger als 10% gesunken sind;- ab 2010 eine Abgabe in Höhe von 36 Franken pro Tonne CO2 (dies entspricht 9 Rappen pro Liter Heizöl), falls die Emissionen im Jahr 2008 gegenüber 1990 um weniger als 13,5% oder in einem der folgenden Jahre um weniger als 14,25% gesunken sind.Der Bundesrat hat dem Vorschlag des Parlaments im Juni 2007 zugestimmt und die CO2-Verordnung entsprechend geändert. Die Verordnung ist seit dem 1. Juli 2007 in Kraft.) hat also für das Funktionieren des Schweizer Emissionshandels eine Doppelfunktion: Zum einen dient sie als Sanktion, wenn die Begrenzungsziele nicht eingehalten werden; zum anderen schafft sie die rechtliche Verbindlichkeit für die CO2-Ziele der Unternehmung. Der wichtigste Nachfrager auf dem Schweizer CO2-Markt ist die Stiftung Klimarappen. Seit dem 1. Oktober 2005 erhebt die Erdölwirtschaft auf jedem Liter Treibstoff 1,5 Rappen, die einer Stiftung zugeführt werden. Aus den Einnahmen werden Reduktionsmassnahmen im In- und Ausland finanziert. Als Massnahmen im Inland gelten auch überschüssige Emissionsrechte. Unternehmen, die ihre Zielvorgaben unterschreiten, dürfen diese Mehrleistungen der Stiftung Klimarappen verkaufen. Die Stiftung wird grösstenteils das weitaus günstigere Instrument der flexiblen Mechanismen nutzen und ausländische Zertifikate erwerben.

Welche Rolle spielen die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls?


Das Kyoto-Protokoll stellt den Industriestaaten zur kostengünstigen Zielerreichung das Instrumentarium der flexiblen Mechanismen zur Verfügung (vgl.

Kasten 2
Die Kosten zur Vermeidung einer Tonne CO2 sind nicht in allen Staaten gleich hoch. Vorab in Entwicklungsländern oder in mittel- und osteuropäischen Staaten ist mit der gleichen Geldmenge eine grössere Reduktionsleistung zu erzielen. Das Kyoto-Protokoll erlaubt den Industriestaaten, sich ergänzend zu inländischen Massnahmen auch im Ausland erbrachte Reduktionen gutschreiben zu lassen. Diese so genannten flexiblen Mechanismen bestehen aus den zwei projektbezogenen Instrumenten Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM) sowie aus dem internationalen Emissionshandel, dem International Emissions Trading (IET). Die JI ist die Realisierung eines Klimaschutzprojektes in einem anderen Industrieland. Dem Investorland werden Emissionsrechte aus der zugewiesenen Menge des Gastgeberlands überschrieben. Beim CDM hingegen ist das Gastgeberland ein Entwicklungsland ohne eigenes Emissionsdach. Durch das Projekt werden neue Emissionsrechte generiert, welche das Investorland zu einem Mehrausstoss an Treibhausgasen im entsprechenden Umfang ermächtigen. Sowohl die in Klimaschutzprojekten erworbenen Emissionsgutschriften als auch Einheiten der zugewiesenen Menge des Landes können auf dem internationalen Emissionsmarkt gehandelt werden.Auch das CO2-Gesetz sieht vor, dass im Ausland erzielte Emissionsreduktionen ergänzend zu inländischen Massnahmen angerechnet werden können. Der Bundesrat hat in der CO2-Anrechnungsverordnung die maximale Obergrenze für ausländische Zertifikate festgelegt. Die Stiftung Klimarappen darf sich maximal 1,6 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr anrechnen lassen. Unternehmen, die im Emissionshandel eingebunden sind, dürfen maximal 8% ihres Begrenzungsziels mit Auslandreduktionen abdecken. Ein Unternehmen, das sich beispielsweise zu einem Begrenzungsziel von 100000 Tonnen CO2 verpflichtet, darf Mehremissionen im Umfang von maximal 8000 Tonnen CO2 durch ausländische Zertifikate abdecken. Für inländische Emissionsgutschriften gibt es hingegen keine Limiten.). Sie umfassen den internationalen Emissionshandel sowie konkrete Klimaschutzprojekte in anderen Industriestaaten (Joint Implementation) und in Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism). Klimaschutzprojekte, welche die Kyoto-Vorgaben erfüllen, generieren im Umfang der reduzierten Emissionen handelbare Zertifikate, die den Emissionsrechten gleichgestellt sind und von Staaten und Unternehmen mit Verpflichtung für die Zielerreichung verwendet werden können. Ein Unternehmen hat dank den flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls neben dem Emissionshandel eine weitere Möglichkeit, das fixierte Emissionsziel zu geringeren Kosten einzuhalten. Es kann Zertifikate entweder im Rahmen eines eigenen Projekts im Ausland generieren oder einem Projektbetreiber abkaufen. Die Anrechnung von Zertifikaten ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich. Kyoto-Protokoll und CO2-Gesetz verlangen substanzielle Eigenleistungen im eigenen Land. Der Bundesrat hat in der Verordnung zur Anrechnung der im Ausland erzielten Emissionsverminderungen den Anteil anrechenbarer Zertifikate im Regelfall auf 8 Prozent des Begrenzungsziels beschränkt.

Was unterscheidet das Schweizer System von demjenigen der EU?


Zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls haben die EU-Mitgliedstaaten beschlossen, ein EU-weites Emissionshandelssystem für die Industrie zu errichten. Seit dem 1. Januar 2005 können unter dem EU-Emissionshandelssystem über 12000 grosse CO2-Emittenten Emissionsrechte erwerben und verkaufen. Diese sind für nahezu die Hälfte des CO2-Ausstosses der EU verantwortlich. Unternehmen aus den Sektoren Kraftwerke, Erdölraffinerien, Zement-, Stahl- und Glasproduzenten müssen obligatorisch am Handel teilnehmen. Die Zielvorgaben für die betroffenen Unternehmen sind in den nationalen Zuteilungsplänen der Mitgliedstaaten festgelegt. Die gegenwärtigen Zuteilungspläne gelten für 2005-2007. Für die zweite Phase 2008-2012 werden die maximal erlaubten Emissionsmengen in neuen Zuteilungsplänen weiter eingeschränkt. Verschärft wird auch die Geldbusse, die für jede nicht mit einem entsprechenden Emissionsguthaben abgedeckte Tonne CO2 bezahlt werden muss, von gegenwärtig 40 auf 100 Euro pro Tonne CO2. Die EU-Richtlinie über den Emissionshandel sieht vor, dass mit Drittländern, die das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Emissionsrechte abgeschossen werden kann. Damit für die Schweiz ein Anschluss an das EU-weite Emissionshandelssystem möglich ist, muss sie jedoch zunächst die Voraussetzungen für einen funktionierenden CO2-Markt schaffen. Diese sind nun mit der Einführung der CO2-Abgabe im Grundsatz gegeben.

Kasten 1: Einführung der CO2-Abgabe
Im Juni 2005 hatte der Bundesrat einen CO2-Abgabesatz von 35 Franken pro Tonne CO2-Emissionen beschlossen und dem Parlament eine Botschaft und einen Entwurf für eine CO2-Verordnung unterbreitet. Nach langen Beratungen hat das Parlament im März 2007 neue Bestimmungen verabschiedet. Abhängig von der Erreichung der Etappenziele zur Verminderung der CO2-Emissionen wird die Abgabe in drei Stufen eingeführt:- ab 2008 eine Abgabe in Höhe von 12 Franken pro Tonne CO2 (entspricht 3 Rappen pro Liter Heizöl), falls die Emissionen aus Brennstoffen im Jahr 2006 gegenüber 1990 um weniger als 6% gesunken sind;- ab 2009 eine Abgabe in Höhe von 24 Franken pro Tonne CO2 (entspricht 6 Rappen pro Liter Heizöl), falls die Emissionen im Jahr 2007 gegenüber 1990 um weniger als 10% gesunken sind;- ab 2010 eine Abgabe in Höhe von 36 Franken pro Tonne CO2 (dies entspricht 9 Rappen pro Liter Heizöl), falls die Emissionen im Jahr 2008 gegenüber 1990 um weniger als 13,5% oder in einem der folgenden Jahre um weniger als 14,25% gesunken sind.Der Bundesrat hat dem Vorschlag des Parlaments im Juni 2007 zugestimmt und die CO2-Verordnung entsprechend geändert. Die Verordnung ist seit dem 1. Juli 2007 in Kraft.

Kasten 2: Die flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls
Die Kosten zur Vermeidung einer Tonne CO2 sind nicht in allen Staaten gleich hoch. Vorab in Entwicklungsländern oder in mittel- und osteuropäischen Staaten ist mit der gleichen Geldmenge eine grössere Reduktionsleistung zu erzielen. Das Kyoto-Protokoll erlaubt den Industriestaaten, sich ergänzend zu inländischen Massnahmen auch im Ausland erbrachte Reduktionen gutschreiben zu lassen. Diese so genannten flexiblen Mechanismen bestehen aus den zwei projektbezogenen Instrumenten Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM) sowie aus dem internationalen Emissionshandel, dem International Emissions Trading (IET). Die JI ist die Realisierung eines Klimaschutzprojektes in einem anderen Industrieland. Dem Investorland werden Emissionsrechte aus der zugewiesenen Menge des Gastgeberlands überschrieben. Beim CDM hingegen ist das Gastgeberland ein Entwicklungsland ohne eigenes Emissionsdach. Durch das Projekt werden neue Emissionsrechte generiert, welche das Investorland zu einem Mehrausstoss an Treibhausgasen im entsprechenden Umfang ermächtigen. Sowohl die in Klimaschutzprojekten erworbenen Emissionsgutschriften als auch Einheiten der zugewiesenen Menge des Landes können auf dem internationalen Emissionsmarkt gehandelt werden.Auch das CO2-Gesetz sieht vor, dass im Ausland erzielte Emissionsreduktionen ergänzend zu inländischen Massnahmen angerechnet werden können. Der Bundesrat hat in der CO2-Anrechnungsverordnung die maximale Obergrenze für ausländische Zertifikate festgelegt. Die Stiftung Klimarappen darf sich maximal 1,6 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr anrechnen lassen. Unternehmen, die im Emissionshandel eingebunden sind, dürfen maximal 8% ihres Begrenzungsziels mit Auslandreduktionen abdecken. Ein Unternehmen, das sich beispielsweise zu einem Begrenzungsziel von 100000 Tonnen CO2 verpflichtet, darf Mehremissionen im Umfang von maximal 8000 Tonnen CO2 durch ausländische Zertifikate abdecken. Für inländische Emissionsgutschriften gibt es hingegen keine Limiten.

Zitiervorschlag: Burkhardt, Andrea (2007). Startschuss zum Emissionshandel in der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. September.