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Saldosteuersatzmethode – ein Wundermittel gegen übermässige administrative Belastung durch die Mehrwertsteuer?

Saldosteuersatzmethode - ein Wundermittel gegen übermässige administrative Belastung durch die Mehrwertsteuer?

Die Saldosteuersatzmethode erlaubt einem grossen Teil der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz, die Mehrwertsteuer (MWST) auf einfache Weise abzurechnen. Rund 100000 Unternehmen haben sich für diese Abrechnungsart entschieden. Das entspricht etwa einem Drittel aller KMU und 39% derjenigen Unternehmen, welche die Saldosteuersatzmethode anwenden könnten. Im Rahmen der MWST-Revision wurden mittels eines KMU-Tests die Gründe für die Wahl der einen oder anderen Abrechnungsmethode untersucht. Speziell wurde der Frage nachgegangen, ob mit den vorgesehenen Änderungen der Revision Unternehmen vermehrt zur Saldosteuersatzmethode wechseln würden.

Die MWST-Abrechnung ist eine administrative Belastung, die praktisch alle Unternehmen der Schweiz betrifft. Sie nimmt deshalb in entsprechenden Umfragen, die diese Belastungen zu erfassen versuchen, jeweils auch einen «Spitzenrang» ein. Mit der Saldosteuersatzmethode (SSSM) wird seit 1995 eine Abrechnungsmethode angeboten, die für kleinere Unternehmen eine wesentlich einfachere und die Rechtssicherheit erhöhende Abrechnung erlaubt (siehe Kasten 1 Bei der SSSM wird die MWST pauschal über den Umsatz berechnet. Dabei kann das steuerpflichtige Unternehmen zwischen einer Abrechnung nach vereinbarten oder vereinnahmten Entgelten wählen. Die Unternehmen haben zusätzlich die Möglichkeit, nach einem oder zwei Saldosteuersätzen abzurechnen. Dies ermöglicht eine sachgerechtere Steuerberechnung, wenn das Unternehmen nicht nur in einer Branche tätig ist, da der Saldosteuersatz für jede Branche einzeln von der Steuerverwaltung festgelegt wird. Die SSSM kann von Unternehmen angewandt werden, die in einem Jahr nicht mehr als 3 Mio. Franken Umsatz tätigen und im selben Zeitraum nicht mehr als 60000 Franken Steuern – berechnet nach dem für sie massgebenden Saldosteuersatz – zu bezahlen haben. Im Detail gibt es zudem folgende Abzugsmöglichkeiten: Exporte, Leistungen im Ausland, nach Artikel 18 MWSTG ausgenommene Umsätze, Subventionen und Spenden sowie die Einnahmeminderungen (Rabatte, Skonti etc.). Des Weiteren gibt es noch die Möglichkeit, Exporte gesondert abzurechnen und entsprechend in Abzug zu bringen (als Variante zum einfachen Abzug der Exporte vom Umsatz) und beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen die Margenbesteuerung geltend zu machen.). Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) strebt nun durch die Erhöhung der Umsatz- und Steuerzahllastlimite sowie kürzere Wechselfristen zwischen den Abrechnungsmethoden eine Ausweitung des Anwendungsbereiches der SSSM an. Zudem soll die Angemessenheit der Steuersätze durch Dritte – konkret durch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) – überprüft werden.

Methodik


Für den KMU-Test wurden drei verschiedene Methoden der Befragung angewandt: persönlich geführte Interviews, Telefoninterviews und die Beantwortung ausgewählter Fragen am Telefon. Letztere wurde deshalb eingesetzt, weil einige Unternehmen sich zwar äussern wollten, aber keine Zeit für ein ausführliches Interview aufwenden konnten. Es wurden sowohl Unternehmen, welche die SSSM anwenden, als auch effektiv Abrechnende befragt. Die Aufteilung auf die Branchen ist aus Grafik 1 ersichtlich.

Kaum Probleme mit der Abrechnung


Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sämtliche im Rahmen des Tests befragte Unternehmen keine Probleme mit der MWST-Abrechnung haben. Keines hat sich diesbezüglich beklagt oder einen besonderen Unmut ausgedrückt. Es wäre aber sicherlich vermessen, aus diesen überwiegend positiven Äusserungen zu schliessen, dass keine Probleme bestünden oder dass die administrative Belastung generell eher klein sei, handelt es sich doch bei der Methode des KMU-Tests nicht um eine repräsentative Befragungstechnik.  Interessant ist zudem, dass sowohl die Unternehmen, welche die SSSM anwenden, als auch diejenigen, die effektiv abrechnen, die MWST-Abrechnung als unproblematisch einschätzen. Da die Mehrwertsteuer als Netto-Allphasensteuer die Abläufe der Wirtschaft möglichst präzise wiedergeben soll, entspricht dieses Resultat bei den eher einfachen Geschäftsmodellen der Befragten den Erwartungen. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass mit einem höheren Komplexitätsgrad der wirtschaftlichen Tätigkeit auch die Schwierigkeiten bei der MWST-Abrechnung zunehmen. Dieser KMU-Test lässt diesbezüglich jedoch keine endgültigen Aussagen zu.

Warum wird die SSSM gewählt?


In erster Linie wurde die SSSM aufgrund ihrer einfachen Anwendung gewählt. Teilweise wurde den Unternehmen diese Methode auch vom Treuhänder oder Buchhalter empfohlen. Dies allerdings nur, wenn die Anwendung dieser Methode zu finanziellen Vorteilen führt. Alle Befragten zeigen sich sehr zufrieden mit dieser Lösung. Ein grosser Vorteil liegt insbesondere bei der halbjährlichen Abrechnung. Zudem ergibt sich ein weiterer Vorteil für Unternehmen, die keine spezifische Buchhaltungssoftware einsetzen wollen oder können. Von Experten wird die hohe Rechtssicherheit als wichtiges Argument für die Anwendung der SSSM genannt. Allerdings hat keines der befragten Unternehmen dies explizit als Grund für die Wahl der Methode angegeben. Auch wenn die meisten Anwendenden in erster Linie froh sind, dass die SSSM eine sehr einfache Abrechnung der MWST erlaubt, besteht allgemein eine grosse Sensibilität bezüglich der Saldosteuersätze. Einigen der Befragten ist bewusst, dass sie bei Investitionen mit der SSSM schlechter fahren, da sie die Vorsteuerabzüge nicht geltend machen können. Man entscheidet sich aufgrund der Einfachheit dennoch für die SSSM – unter Inkaufnahme allenfalls entgehender Abzugs-möglichkeiten und im Bewusstsein, eventuell zu viel zu bezahlen.

Warum wird die Methode nicht verwendet?


Die effektive Abrechnungsmethode stellt sich im KMU-Test ebenfalls als unproblematisch dar. Mit Hilfe gut eingerichteter Buchhaltungssoftware gelingt es den Unternehmen offenbar, auch bei dieser Methode den Aufwand relativ stark zu reduzieren. Viele Befragte gaben an, die Abrechnung dank des Buchhaltungsprogramms innert weniger Minuten – quasi auf Knopfdruck – erstellen zu können. Die Art und Weise der Buchführung beeinflusst also den administrativen Aufwand bei der Abrechnung der MWST in hohem Masse. In der Diskussion um die administrative Belastung gilt es daher immer sicherzustellen, dass Probleme in der Buchführung nicht der MWST angelastet werden.  Vor diesem Hintergrund lässt sich gut nachvollziehen, dass diese Unternehmen nur bei finanziellen Vorteilen in die SSSM wechseln würden. Dementsprechend hat die Hälfte dieser Unternehmen auch klar zum Ausdruck gebracht, dass man glaube, in der SSSM zuviel zu bezahlen und vor allem deshalb nicht in diese Methode wechsle. Der Vorteil der Einfachheit spielt offenbar keine Rolle mehr.

Informationen der MWST-Behörde


Nur in wenigen Fällen wurde die Spezialbroschüre zu den Saldosteuersätzen überhaupt je konsultiert. Bei den Formularen zeigt sich ein ähnliches Bild: Diese werden oftmals ausgefüllt, ohne dass man die Rubriktexte überhaupt liest. Alle Befragten wussten, dass sie halbjährlich ihren vereinnahmten oder vereinbarten Umsatz angeben müssen, und haben dies jeweils getan, ohne dabei Probleme angetroffen zu haben. In wenigen Fällen wurde zusätzlich der Umsatz aus Exporten zum Abzug gebracht. In der Regel hat man sich – wenn überhaupt – nur bei der ersten Abrechnung etwas stärker mit der Materie auseinandergesetzt. Oft gehen die Unternehmen gemäss einem einmal erstellten Muster vor.

Auswirkungen der Vorschläge im Rahmen der MWST-Revision


Der in der Vernehmlassung vorgelegte Gesetzesentwurf sieht – neben der Prüfung der Steuersätze durch die EFK – zwei Änderungen bezüglich der SSSM vor: – Erhöhung der Limiten, die zur Anwendung der Methode berechtigen; – Herabsetzung der Fristen, die für den Wechsel in die eine oder andere Methode eingehalten werden müssen.  Durch die Erhöhung der Limiten, welche die Verwendung der SSSM erlauben, werden mehr Unternehmen die Möglichkeit erhalten, von dieser Methode Gebrauch zu machen. Das EFD schätzt deren Anzahl auf 16000 ein. Aufgrund der Aussagen der Befragten kann jedoch kaum davon ausgegangen werden, dass viele Unternehmen von der effektiven Methode in die SSSM wechseln werden: Sobald ein Buchhaltungssystem eingeführt und für die MWST-Abrechnung eingerichtet ist, scheint deren Abrechnung keine allzu grossen Probleme mehr zu bereiten. Das Gefühl, mit der SSSM tendenziell zu viel zu bezahlen, ist bei vielen Befragten da und wird von denjenigen Unternehmen, welche die SSSM anwenden, in Kauf genommen. Aus dem gleichen Grund dürften die effektiv Abrechnenden kaum in die SSSM wechseln. Zu sehr überwiegen die Vorteile der grösseren Flexibilität und der Möglichkeit der Geltendmachung der Vorsteuerabzüge – insbesondere bei Investitionen – bei der effektiven Abrechnungsmethode. Wechseln würden somit wohl nur Unternehmen, die finanzielle Vorteile realisieren könnten. Die Wechselfristen wurden im Test durchwegs als zu lange bezeichnet. Ein wichtiges Argument ist, dass sich die ökonomischen Realitäten rasch verändern und sich die Unternehmen entsprechend anpassen müssen. Die heute sehr langen Wechselfristen haben eine eher abschreckende Wirkung. Umgekehrt besteht bei einer Verkürzung der Fristen die Gefahr, dass mehr Unternehmen die Methodenwahl finanziell optimieren und für Investitionen zur effektiven Methode übergehen. Letztlich weisen die beiden Massnahmen neben den Vorteilen einen gewichtigen Nachteil auf: Beide könnten zu vermehrter Steueroptimierung führen. Da der Steuerertrag durch die SSSM nicht geschmälert werden soll, müsste mit Erhöhungen der Saldossteuersätze kompensiert werden. Diese Wechselbeziehung ist tückisch und kann eine vermeintliche Attraktivitätssteigerung ins Gegenteil verwandeln. Die befragten Unternehmen waren klar der Meinung, dass für sie gleichbleibende respektive möglichst tiefe Saldosteuersätze wichtiger seien als kürzere Fristen und höhere Limiten.

Fazit


Aufgrund der fehlenden Repräsentativität der Methodik des KMU-Tests kann keine endgültige Aussage zu den Gründen gemacht werden, weshalb die an sich attraktive SSSM nur von 39% aller Unternehmen, die dies könnten, eingesetzt wird. Die KMU-Tests können hingegen Hinweise auf allfällige konkrete Probleme mit der SSSM liefern. Solche konnten nicht gefunden werden, dafür aber eine hohe Sensibilität und Skepsis gegenüber den Saldosteuersätzen. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass die administrative Belastung – dank gut geführten Buchhaltungen und entsprechender Software – durch effektiv abrechnende Unternehmen als nicht besonders hoch eingeschätzt wird. Ein Wundermittel ist die SSSM also offenbar nicht, aber eine wichtige Alternative für kleine und insbesondere neu gegründete Unternehmen, die ihren administrativen Aufwand generell möglichst tief halten wollen oder müssen. Die vorgeschlagenen attraktivitätssteigernden Massnahmen der Wechselfristenverkürzung und der Erhöhung der Anwendungslimiten sind grundsätzlich zu begrüssen, aber mit Vorsicht zu geniessen. Priorität im Revisionsprojekt sollten die Saldosteuersätze haben. Für den grossen Teil der Unternehmen, welche die SSSM anwenden, ist diese in erster Linie ein Weg, die administrative Belastung auf ein Minimum zu reduzieren. Ein durch erhöhte Saldosteuersätze erzwungenes Umsteigen auf die effektive Methode würde einen unverhältnismässig hohen administrativen Aufwand verursachen.

Grafik 1 «Branchenverteilung der befragten Unternehmen»

Kasten 1: Saldosteuersatzmethode Bei der SSSM wird die MWST pauschal über den Umsatz berechnet. Dabei kann das steuerpflichtige Unternehmen zwischen einer Abrechnung nach vereinbarten oder vereinnahmten Entgelten wählen. Die Unternehmen haben zusätzlich die Möglichkeit, nach einem oder zwei Saldosteuersätzen abzurechnen. Dies ermöglicht eine sachgerechtere Steuerberechnung, wenn das Unternehmen nicht nur in einer Branche tätig ist, da der Saldosteuersatz für jede Branche einzeln von der Steuerverwaltung festgelegt wird. Die SSSM kann von Unternehmen angewandt werden, die in einem Jahr nicht mehr als 3 Mio. Franken Umsatz tätigen und im selben Zeitraum nicht mehr als 60000 Franken Steuern – berechnet nach dem für sie massgebenden Saldosteuersatz – zu bezahlen haben. Im Detail gibt es zudem folgende Abzugsmöglichkeiten: Exporte, Leistungen im Ausland, nach Artikel 18 MWSTG ausgenommene Umsätze, Subventionen und Spenden sowie die Einnahmeminderungen (Rabatte, Skonti etc.). Des Weiteren gibt es noch die Möglichkeit, Exporte gesondert abzurechnen und entsprechend in Abzug zu bringen (als Variante zum einfachen Abzug der Exporte vom Umsatz) und beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen die Margenbesteuerung geltend zu machen.

Zitiervorschlag: Peter Gautschi (2007). Saldosteuersatzmethode – ein Wundermittel gegen übermässige administrative Belastung durch die Mehrwertsteuer. Die Volkswirtschaft, 01. September.