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Die flexiblen Mechanismen aus Sicht der Praxis

Die flexiblen Mechanismen aus Sicht der Praxis

Die Stiftung Klimarappen hat ihre operative Tätigkeit am 1. Oktober 2005 aufgenommen und wird seither durch einen Beitrag der Importeure von Benzin und Dieselöl in Höhe von 1,5 Rp. pro Liter alimentiert. Mit ihrer Gründung besitzt die Schweiz ein einzigartiges Programm für den Kauf von Kyoto-Zertifikaten. Ziel ist es, bis ins Jahr 2012 im Ausland 10,2 Mio. Zertifikate aus Klimaschutzprojekten hoher Qualität zu erwerben. Davon konnte sich die Stiftung per Ende Juni 2007 bereits 7,63 Mio. sichern. Die Stiftung zieht Bilanz aus ihrer knapp zweijährigen Tätigkeit im Ausland.

Im Vertrag mit dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hat sich die Stiftung Klimarappen verpflichtet, im Zeitraum 2008 bis 2012 CO2-Emissionsreduktionen von insgesamt 9 Mio. Tonnen zu finanzieren, welche an die Ziele des CO2-Gesetzes bzw. des Kyoto-Protokolls angerechnet werden können. Maximal 8 Mio. Tonnen CO2-Emissionsreduktionen dürfen aus Klimaschutzprojekten in einem anderen Industriestaat (Joint Implementation, JI) oder in einem Entwicklungsland (Clean Development Mechanism, CDM) eingebracht werden.

Sorgfältige Projektwahl


Eine Voraussetzung für die Vergabe von Zertifikaten für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern (CDM-Projekte) ist, dass zusätzliche Emissionsminderungen erbracht werden, die ohne die Projektmassnahme nicht entstanden wären. Ein solches Projekt wird additionell genannt. Ein CDM-Projekt hat auch zur nachhaltigen Entwicklung im Gastgeberland beizutragen. Um die Einhaltung dieser und anderer Kriterien adäquat überprüfen zu können, ist für CDM-Projekte ein Exekutivrat geschaffen worden, der für die Überwachung und Lenkung des CDM zuständig ist. Doch nicht jedes vom Exekutivrat registrierte Projekt ist ein gutes Klimaschutzprojekt. Im Klimaschutz gibt es – wie in anderen Geschäftsbereichen auch – schwarze Schafe.  Das Kind darf aber nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Gemäss IEA wird der weltweite Primärenergieverbrauch an fossilen Energieträgern zwischen heute und 2030 um knapp über die Hälfte steigen. Über 70% des voraussichtlichen Verbrauchsanstiegs werden auf Entwicklungsländer – allen voran China und Indien – entfallen. In diesen Ländern wachsen Volkswirtschaft und Bevölkerung derart rasch, dass sich der Schwerpunkt des Weltenergieverbrauchs langsam verlagert. Es ist also dringend notwendig, dass bereits heute in den Entwicklungsländern ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zu einer schadstoffarmen Wirtschaft geleistet wird. Dafür dürfen für gute CDM-Projekte Informations-, Such-, Verhandlungs- und Umsetzungskosten ebenso wenig gescheut werden wie später die Kosten für ein korrekt durchgeführtes Monitoring und die Verifizierung.  Die Stiftung Klimarappen möchte im Ausland in Projekte investieren, die in besonderer Weise ökologisch wirksam und sozial verträglich sind. Sie setzt einen Schwerpunkt auf Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien, zur Reduktion von Methangas und auf qualitativ hochwertige Kleinprojekte. Für einen Teil der Projekte werden Vorauszahlungen von bis zu 30% geleistet. Projektentwickler verfügen oft nicht über genügende Eigenmittel, um die hohen Entwicklungskosten eines Projektes zu tragen. Terminkontrakte mit Vorauszahlung stellen daher im Klimaschutzbereich eine wichtige Möglichkeit dar, um Finanzierungsengpässe zu überbrücken. Auf den Kauf von Zertifikaten aus Projekten, welche das äusserst potente Treibhausgas HFC23 vermeiden, wird ebenso verzichtet wie auf Projekte in den Bereichen Senken (Auf- und Wiederaufforstung) und Kohleabbau sowie auf grosse Wasserkraftprojekte. Allen diesen Projekttypen ist gemeinsam, dass sie ökologisch oder sozial fragwürdige Konsequenzen haben können.

Das CDM/JI-Kaufprogramm der Stiftung Klimarappen


Kyoto-Zertifikate können auf verschiedenen Wegen erworben werden: durch eine Beteiligung an einem Klimaschutzfonds, durch Verträge mit Brokern und Tradern sowie durch Kauf von Zertifikaten direkt bei den Projekteignern. Bei einem Klimaschutzfonds erfolgt der Erwerb projektbasierter Kyoto-Zertifikate durch den Fondsbetreiber, welcher direkt mit den Eignern der Klimaschutzprojekte Kaufverträge abschliesst. Die daraus resultierenden Zertifikate werden entsprechend der Investitionen der Anteilseigner am Fonds verteilt. Broker gehen auf die Suche nach geeigneten Klimaschutzprojekten und treten als neutrale Vermittler zwischen Käufer und Verkäufer (Projekteigner) auf. Für die Vermittlung der Projekte erhalten die Broker eine Kommission. Im Gegensatz zum Broker vermittelt der Trader keine Projekte, sondern verkauft von ihm bereits erworbene Zertifikate aus Projekten weiter. Das Lieferrisiko wird vom Trader übernommen und auf den Zertifikatspreis aufgeschlagen. Die Stiftung ist über vier verschiedene Beschaffungswege zu Kyoto-Zertifikaten gekommen:  – Klimaschutz-Fonds: Die Stiftung beteiligt sich mit 25 Mio. US-$ als «Lead Participant» am Asia Pacific Carbon Fund (APCF) der Asiatischen Entwicklungs-bank (ADB). Neben der Stiftung nehmen die Regierungen von Belgien, Spanien, Finnland, Schweden, Portugal und Luxemburg am APCF teil. Die drei erstgenannten Länder beteiligen sich – wie die Stiftung – als Lead Participants und können somit die Rahmenbedingungen der Projektauswahl und die Preispolitik des Fonds mitbestimmen. Das gesamte Fondsvolumen umfasst 150 Mio. US-$. Die Stiftung erwartet für ihre Investition rund 1,8 Mio. Zertifikate aus dem Fonds. Zertifikate aus Projekten im Portfolio, welche den Standards der Stiftung nicht genügen, darf die Stiftung ablehnen. Der APCF wird ein Schwergewicht auf Projekte in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Abfallwirtschaft setzen.  – Broker: Die Stiftung hat zwei Rahmenverträge abgeschlossen, zum einen mit dem in der Vermittlung von CDM-Projekten führenden Unternehmen CantorCO2e, zum anderen mit einem Konsortium der Firmen Climate Focus und South Pole Carbon Asset Management, welches ein Gewicht auf besonders nachhaltige Projekte legt. Der Vermittlungsauftrag von CantorCO2e für die Stiftung beträgt insgesamt 2 Mio. CER. Auf vorgeschlagene Projekte muss nicht eingetreten werden. Die Stiftung hat das Recht, Projekte zurückzuweisen, die ihren Standards nicht genügen oder nicht in ihr Projektportfolio passen. Das Konsortium Climate Focus / South Pole hat den Auftrag, der Stiftung insgesamt 1,5 Mio. CER zu vermitteln. Über das Konsortium werden ausschliesslich kleinere, qualitativ hoch stehende Projekte im Bereich erneuerbare Energien und Vermeidung von Methanemissionen beschafft. Wie bei CantorCO2e besteht auch hier kein Abnahmezwang. Die Stiftung darf frei aus den vorgeschlagenen Projekten wählen. – Trader: Für die Anschaffung von Zertifikaten auf dem Sekundärmarkt wurde ein Kaufvertrag mit EcoSecurities abgeschlossen. Dadurch erwirbt die Stiftung Zertifikate im Umfang von 2 Mio. Tonnen CO2 und eine Call-Option im Umfang von 1 Mio. Tonnen CO2. Mit der Call-Option erhält die Stiftung das Recht, bis Mitte März 2008 von EcoSecurities die Lieferung von zusätzlich 1 Mio. Zertifikate zu verlangen. Alle Zertifikate müssen aus Projekten stammen, die den Vorgaben der Stiftung bezüglich ökologischer Integrität und nachhaltiger Entwicklung Rechnung tragen. Dank der Call-Option kann die Stiftung ihre Liquidität schützen, da sie zum Zeitpunkt des Kaufs lediglich die Optionsprämie zu zahlen hat. Es müssen nicht wie bei einem Termingeschäft eine Verpflichtung über die gesamte Transaktionssumme eingegangen und entsprechende Rückstellungen gebildet werden.  – Eigenakquisition: Verschiedene Projekteigner haben sich direkt mit der Stiftung in Verbindung gesetzt und ihr Zertifikate aus laufenden oder erst in Entwicklung befindlichen Projekten zum Kauf angeboten. Die eingereichten Vorschläge werden nach Nachhaltigkeitskriterien geprüft. Projekte, welche in Frage kommen und ins aktuelle Projektportfolio passen, werden einer vertieften finanziellen Prüfung unterzogen. 1,9 Mio. Zertifikate können auf diesem Weg beschafft werden.

Risikomanagement


Gemäss den Statistiken von Mitte 2007 des renommierten UNEP Instituts Risoe Centre liegt das durchschnittliche Lieferrisiko aller CDM-Projekte bei rund 15%. Neben technischen, betrieblichen, finanziellen oder politischen Gründen können auch Vertragsbrüche zu Minderlieferungen führen. In der Praxis ist es deshalb unabdingbar, ein Risikomanagement durchzuführen. Die Stiftung Klimarappen sieht vor, für 210 Mio. Franken 10,2 Mio. Kyoto-Zertifikate zu erwerben. Das sind ein Viertel mehr an Zertifikaten, als sie dem Bund gegenüber zur Anrechnung bringen kann. Damit wird das bestehende Risiko für eine Minderlieferung von Zertifikaten gedeckt. Die Stiftung führt zudem in regelmässigen Abständen quantitative Risikoabschätzungen sowie ein Controlling der Projekte in ihrem Portfolio durch. Eine Reihe weiterer Massnamen hilft, die Lieferrisiken so weit wie möglich zu minimieren. Dazu gehören die Diversifizierung, die sorgfältige Auswahl der Gastländer und Vertragspartner, die Überprüfung der eingesetzten Technologie und abgegebene Garantien in den Kaufverträgen.

Fazit


Der Erfolg der flexiblen Mechanismen liegt darin, Investitionen in Klimaschutzprojekte zur Verringerung von Treibhausgasemissionen anzuregen. Rückschläge in der Praxis, schwarze Schafe sowie der enorme Aufwand für die Umsetzung eines guten Projektes dürfen diese Mechanismen nicht in Frage stellen. Die flexiblen Mechanismen haben vielmehr Modellcharakter für andere marktgerechte Initiativen. Das Programm zum Kauf von Kyoto-Zertifikaten der Stiftung Klimarappen ist erfolgreich gestartet und hat sich per Ende Juni 2007 mit 7,63 Mio. Zertifikaten bereits einen Grossteil des Ziels sichern können. Ihr aktuell konkretes Projektportfolio besteht aus den Projekttypen Biomasse, Biogas, Wind und Verkehr. Die Stiftung hat sich innert kürzester Zeit als kleiner Käufer im 5 Mrd. US-$ (2006) starken CDM/JI-Markt bestens etablieren können und sich einen guten Namen verschafft. Sie wird im Ausland als interessanter und glaubwürdiger Schweizer Käufer von Zertifikaten aus hoch qualifizierten CDM/JI-Projekten wahrgenommen.

Kasten 1 Ein Holzkraftwerk von 9 MW Leistung auf dem Sägewerk in Itacoatiara, Brasilien, ersetzt mehrere Dieselgeneratoren und sichert die Stromversorgung der rund 80000 Einwohner der Stadt. Die Anlage erzeugt jährlich 56000 MWh. Die zur Erzeugung des Stroms benötigte Holzmenge wird in Form von Holzabfällen aus der Sägemühle geliefert. Da diese vor Inbetriebnahme des Projektes am Ort verrotteten, resultiert zudem eine Methanreduktion. Die Stiftung erwirbt 140970 Zertifikate des Kleinprojekts in der Verpflichtungsperiode 2008 bis 2012. Es handelt sich dabei um die weltweit ersten Zertifikate, welche auf Biomasse aus zertifizierter nachhaltiger Waldbewirtschaftung des Forest Stewardship Council (FSC) basieren.

Kasten 2 Ein neues effizientes Bus-Transportsystem, bestehend aus über 130 km reservierten Busspuren, Busstationen nach Metro-Muster und einem modernen zentralen Leit- und Informationssystem, garantiert eine optimale Auslastung der zirkulierenden Busse. 1200 neue Gelenkbusse mit einer Kapazität von 160 Passagieren sowie 500 neue Busse mit einer Kapazität von 70-90 Passagieren werden eingesetzt. Täglich werden mit dem neuen System 1,8 Mio. Personen transportiert. Es ersetzt über 9000 ineffiziente Busse, die älter als 15 Jahre sind, Taxifahrten und Fahrten mit dem Privatfahrzeug. Das gesamte Projekt spart in den Jahren 2006-2012 insgesamt 1,725 Mt CO2 ein. Die Stiftung erwirbt davon rund 167000 Zertifikate.

Zitiervorschlag: Renato Marioni (2007). Die flexiblen Mechanismen aus Sicht der Praxis. Die Volkswirtschaft, 01. September.