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Untergräbt der Clean Development Mechanism den internationalen Klimaschutz?

Untergräbt der Clean Development Mechanism den internationalen Klimaschutz?

Der Clean Development Mechanism (CDM) des Kyoto-Protokolls spielt eine Schlüsselrolle in der internationalen Klimapolitik. Emissionsgutschriften aus Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern sind kostengünstig und helfen gleichzeitig der nachhaltigen Entwicklung – so zumindest die Zielsetzung des CDM. Dies hat einen wahren «Goldrausch» ausgelöst: In nur 3 Jahren sind über 700 Projekte mit einer geschätzten Emissionsreduktion von 1 Mrd. Tonnen CO2 vom internationalen CDM-Exekutivrat registriert worden. Allerdings ist der CDM in jüngster Zeit ins Gerede gekommen. Viele Projekte scheinen nur «Business as usual» zu sein. Welche Möglichkeiten gibt es, die Umweltintegrität des CDM sicherzustellen?

Klimaschutzbrücke zwischen Nord und Süd


Aufgrund zunehmender meteorologischer Extremereignisse und einer Reihe aufrüttelnder Studien ist Klimaschutzpolitik in Europa – und nun auch in den USA – zum Modethema avanciert. Dabei wird leicht vergessen, dass über den Umgang mit dem öffentlichen Gut Weltklima seit Jahrzehnten auf internationaler Ebene verhandelt wird und Emissionsziele bereits festgelegt wurden. Im Rahmen des Kyoto-Protokolls wurde 1997 die Einführung verbindlicher Emissionsziele für Industrieländer für den Zeitraum 2008-2012 durch die Schaffung mehrerer unkonventioneller Marktmechanismen attraktiver gemacht. Am weitesten geht der Clean Development Mechanism (CDM), denn er reicht über die Industrieländer hinaus. Für Projekte, die in Entwicklungsländern Treibhausgasemissionen reduzieren, werden Emissionsgutschriften ausgestellt, die an die Industrieländer verkauft werden. Die Industriestaaten können die angekauften Emissionsgutschriften dann auf ihre Emissionsziele anrechnen. Indem er Unternehmen und Regierungen in Entwicklungsländern einen konkreten Anreiz zur Senkung ihrer Treibhausgasemissionen gibt, erfüllt der CDM eine Schlüsselfunktion für die langfristige Weiterentwicklung der internationalen Klimaregimes.

Der unvorhergesehene Boom des CDM


Theoretisch hätte der CDM bereits im Jahr 2000 anlaufen sollen. Die Schaffung der nötigen Institutionen und Durchführungsregeln dauerte jedoch bis 2003. Das erste Projekt wurde im Dezember 2003 offiziell registriert. Nach wie vor werden die Regeln erweitert und angepasst. Viele Beobachter meinten angesichts des komplexen Regelwerks, dass der CDM niemals eine relevante Rolle spielen werde. Dies wurde jedoch vollständig widerlegt. Seit Mitte 2005 ist ein regelrechter Boom im Gange; jeden Monat werden über 100 Projekte zur Begutachtung eingereicht (vgl. Grafik 1). Mittlerweile sind über 1500 Projekte in der Pipeline, die bis Ende 2012 eine kumulierte Emissionsverringerung von 2 Mrd. Tonnen CO2 prognostizieren. Bei den aktuellen Marktpreisen für Emissionsgutschriften entspräche dies einem Gesamtwert von über 30 Mrd. Franken.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser


Warum braucht der CDM ein kompliziertes Regelwerk, das jeden Projektvorschlag der Prüfung durch unabhängige Auditoren unterzieht? Das liegt daran, dass jeder am CDM Beteiligte einen Anreiz hat, das Niveau der erzielten Emissionsreduktionen übermässig hoch anzusetzen. Die Projektentwickler wollen möglichst hohe Einnahmen erzielen, und die Käufer von Emissionsgutschriften sind an einem grossen Angebot zu einem niedrigen Preis interessiert. Ideal wäre für jede Seite eine maximale Menge Emissionsgutschriften zu Nullkosten. Das Weltklima wäre jedoch der Leidtragende, da jeder CDM-Emissionsgutschrift entsprechende Mehremissionen in den Industrieländern gegenüberstehen. Es bedarf also einer «Zentralbank», um die unkontrollierte Ausgabe fiktiver Emissionsgutschriften zu verhindern.  Diese Rolle spielt der CDM-Exekutivrat, der aus 10 von der Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls gewählten Mitgliedern besteht. Er akkreditiert die Auditoren, die jeden Projektvorschlag auf Regelkonformität überprüfen und feststellen, ob die Projektentwickler bei der Durchführung ihrer Projekte die anerkannten Verfahren zur Messung der Treibhausgasemissionen einhalten. Derzeit sind 17 Unternehmen als Auditoren zugelassen, darunter die schweizerische SGS. Jedes CDM-Projekt muss nach der Prüfung durch einen akkreditieren Auditor formal durch den CDM-Exekutivrat registriert werden, der mit Hilfe eines Gutachterpools die vorgelegten Dokumente nochmals prüft. Bisher wurde mit 700 knapp die Hälfte der in der Pipeline befindlichen Projekte registriert.  Hinsichtlich seiner Transparenz und der Öffentlichkeitsbeteiligung ist der CDM-Prozess vorbildlich. Alle Projektdokumente und Berichte der Auditoren werden auf der Website des UN-Klimasekretariats veröffentlicht. Innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung eines Projektdokuments kann jeder Interessierte Kommentare einreichen, zu denen der Auditor in seinem Prüfbericht Stellung nehmen muss. Leider ist diese Möglichkeit bisher viel zu wenig genutzt worden. Wenn die Nichtregierungsorganisationen (NGO) Ende 2004 ihre Initiative «CDM Watch», die eingereichte CDM-Projekte evaluierte, nicht zurückgezogen hätten, wäre wahrscheinlich eine Reihe der in diesem Artikel diskutierten Probleme nicht in dieser Schärfe aufgetreten.

Das Zusätzlichkeitsprinzip und der breite Interpretationsspielraum


Es ist nicht leicht zu bestimmen, wann eine Emissionsgutschrift «echt» ist. Die Schlüsselfrage lautet, ob das vorgeschlagene Projekt ausschliesslich aufgrund des Anreizes der CDM-Emissionsgutschriften stattfindet und damit «zusätzlich» ist. Das Kriterium der Zusätzlichkeit ist bei bestimmten Projekttypen, die ausschliesslich Kosten verursachen, offensichtlich, wie beispielsweise der Verbrennung oder katalytischen Zerlegung des Lachgases, das bei der Adipin- und Salpetersäureproduktion anfällt, oder dem Abfackeln von Deponiegas. Schwierig wird die Bestimmung der Zusätzlichkeit bei allen Projekten, die ein kommerziell verwertbares Produkt erzeugen. Dies gilt insbesondere für Projekte zur Erzeugung oder Einsparung elektrischer Energie. Grundsätzlich bestehen zwei Alternativen für die Zusätzlichkeitsprüfung.  – Einerseits kann die interne Ertragsrate des CDM-Projekts bestimmt werden und ob sie niedriger liegt als diejenige einer realistischen Alternative. Wenn beispielsweise ein Windkraftwerk jährlich 15% abwirft, ein Kohlekraftwerk jedoch 30%, ist Erste-res zusätzlich. Die kritische Frage ist, ob die angegebenen Alternativen und ihr Ertragspotenzial wirklich realistisch sind.  – Andererseits besteht die Möglichkeit nachzuweisen, dass das Projekt mit zuvor unüberwindlichen Barrieren konfrontiert war, die erst durch den CDM-Anreiz beseitigt werden konnten. Dieser Ansatz bietet einen breiten Interpretationsspielraum.

Warum Grossprojekte zur Vermeidung spezieller Chemiegase völlig legitim sind


Ein Grossteil der öffentlichen Kritik am CDM Vgl. z.B. Wara (2007). richtet sich gegen einige Projekte, die ein seltenes Treibhausgas aus der chemischen Industrie reduzieren. Es handelt sich dabei um HFKW-23 aus der Produktion des Kühlmittels HFCKW-22. Die letztere Substanz ist in Industrieländern aufgrund des internationalen Regimes zum Schutz der Ozonschicht nicht mehr zugelassen, darf aber in Entwicklungsländern bis 2040 erzeugt und verwendet werden. Es gibt dort ca. 20 Fabriken, die HFCKW-22 herstellen. Mit vergleichsweise geringen Investitionen von 10-15 Mio. Franken kann das HFKW-23 beseitigt werden. Dank seines hohen Treibhauspotenzials von 11700 können je Projekt jährlich mehrere Millionen Emissionsgutschriften erzeugt werden. Somit kostet jede Emissionsgutschrift nur 30-50 Rappen. Da diese Projekte aber klar das Kriterium der Zusätzlichkeit erfüllen, sind sie mit den Nuggets vergleichbar, die bei einem Goldrausch zuerst aufgesammelt werden. Alle Fabriken in China und Indien haben folgerichtig ihre Anmeldung eingereicht und rechnen bis 2012 mit 500 Mio. Emissionsgutschriften.  Der Neubau von HFCKW-22-Produktionsstätten ist allerdings im CDM nicht zulässig – und dies völlig zu Recht. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Emissionsgutschriften lägen nämlich so hoch, dass das eigentliche Produkt HFCKW-22 verschenkt oder gar als Abfallprodukt behandelt würde. Da es sich bei HFCKW-22 sowohl um ein Treibhausgas als auch eine ozonzerstörende Substanz handelt, sollte dies unbedingt vermieden werden.

Die Auditoren tanzen nach der Pfeife der Projektentwickler


Die unabhängigen Auditoren spielen für die Sicherstellung der Integrität des CDM eine Schlüsselrolle. Sie sollten schwarze Schafe entlarven und gar nicht erst in den CDM-Prozess hineinlassen. Leider hat sich jedoch immer mehr herausgestellt, dass die Auditoren beim Prozess der Prüfung der Projektdokumentation – im CDM-Jargon als «Validierung» bezeichnet – nicht sehr sorgfältig vorgehen. So wird im Regelfall in den Validierungsberichten nicht darauf eingegangen, warum ein Projekt als zusätzlich eingestuft wird. Skandalös ist, dass einzelne Auditoren fristgerecht eingereichte Kommentare der Öffentlichkeit ignorieren, wenn diese nicht UN-akkreditierte Beobachter des Klimaverhandlungsprozesses sind. Dabei besagen die CDM-Regeln klar, dass jeder Interessierte einen Kommentar einreichen kann.  Die Auditoren sind sich auch nicht zu schade, an den Haaren herbeigezogene Argumente der Projektentwickler wortwörtlich zu wiederholen. Ein krasses Beispiel ist ein bereits Ende der Neunzigerjahre begonnenes Projekt in Äquatorialguinea zur Nutzung bisher abgefackelten Erdgases, das die eindrucksvolle Menge von 2,4 Mio. Emissionsgutschriften pro Jahr prognostiziert. Der norwegische Validierer Det Norske Veritas behauptete, dass das Projekt im Jahr 2000 unter Umständen eingestellt worden wäre. Deshalb habe das Projekt faktisch erst 2001 begonnen und erfülle somit die CDM-Kriterien, wonach erst nach dem 1. Januar 2000 begonnene Projekte eingereicht werden dürfen.  Woran liegt dieser Schmusekurs der Auditoren? Der Hauptgrund ist, dass sie in einem erbitterten Wettbewerb um Aufträge seitens der Projektentwickler stehen. Lehnen sie die Validierung vieler Projekte ab, so sinkt ihr zukünftiger Marktanteil, da sie keine Aufträge mehr von Entwicklern problematischer Projekte erhalten. Das Ergebnis ist ein «Abwertungswettlauf». Der Wettbewerb trägt auch dazu bei, dass immer mehr Prüfungsaktivitäten von eilig eingestellten und in Crashkursen angelernten Mitarbeitenden erledigt werden. Die Kontrolle durch die erfahrenen Mitarbeiter der Hauptbüros der Auditoren in den Industrieländern nimmt aufgrund der zunehmenden Arbeitsüberlastung immer kursorischere Züge an.

Das Beispiel Indien: Business as usual


Richten wir den Blick auf Indien, um gewisse Praktiken näher zu beleuchten. Warum gerade Indien? Das Land ist ein Pionier im CDM-Markt und weist – trotz einer beeindruckenden Aufholjagd Chinas – noch immer die grösste Zahl an registrierten und eingereichten CDM-Projekten auf. Für die Position entscheidend ist die Zahl der Projekte sowie der sich daraus ergebenden Zertifikate. Bei beiden Parametern ist Indien an der Spitze. Mittelfristig könnte es jedoch von China überholt werden. Die indische CDM-Genehmigungsbehörde verfolgt einen Laissez-faire-Kurs. Kürzlich wurde der CDM sogar in der Haushaltsrede des indischen Finanzministers als leuchtendes Beispiel für einen zukunftsweisenden Wirtschaftszweig gewürdigt. Das Bewusstsein der Privatwirtschaft für die sich durch den CDM bieten-den Chancen ist wohl in keinem anderen Schwellenland so ausgeprägt wie in Indien. Allerdings werden auch in keinem anderen Land so viele hinsichtlich ihrer Zusätzlichkeit dubiose Projekte eingereicht (vgl. Kasten 1 Im Stahlwerk der Firmengruppe JSW im indischen Karnataka fielen in der Vergangenheit Abgase aus der Verhüttung des Eisenerzes, dem Hochofenprozess und der Verkokung an. Gleichzeitig verwendete JSW Kohle für die Stromerzeugung in Kraftwerken am Stahlwerksstandort mit einer Gesamtleistung von annähernd 500 MW. JSW reichte nun den Ersatz der Kohle durch die Abgase als Brennstoff für die Kraftwerke in Form von 2 CDM-Projekten ein, die jährlich 1,3 Mio. Emissionsgutschriften erzeugen sollen. Die einzigen Investitionen, die JSW dazu tätigen musste, waren der Bau eines Gaskessels zum Abpuffern der stark schwankenden Abgasproduktion sowie einiger Kilometer Gasleitungen. Diese amortisierten sich durch den Wegfall der Kohlebeschaffung in wenigen Wochen. Folglich ist das Projekt nicht zusätzlich. Die JSW-Gruppe behauptete nun, dass das Stahlwerk und die Kraftwerke von zwei unterschiedlichen Firmen betrieben würden. Die Kraftwerksbetreiberin müsse der Stahlwerksbetreiberin für die Abgase einen Preis bezahlen, der dem bisher bezahlten Kohlepreis entspräche. Daher habe die Kraftwerksbetreiberin keinen Anreiz, auf die Abgasnutzung umzustellen, und das Projekt sei zusätzlich. Ausgeblendet wurde, dass die Stahlwerksbetreiberin durch den Verkauf des Abgases und somit die Firmengruppe als Ganzes einen Gewinn erzielt. Obwohl ich den Validierer SGS in einem öffentlichen Kommentar auf diesen Sachverhalt hinwies, validierte er dieses Projekt.). Woran liegt das? Die meisten indischen Projekte sind «unilateral», d.h. der Projektentwickler erhält bei der tatsächlichen Umsetzung des Projekts keinerlei Investition oder Finanzierung eines Unternehmens aus einem Industriestaat. Die Projektentwickler sind in der Regel nicht selbst darauf gekommen, ihre Projekte für den CDM einzureichen: Eine grosse Zahl findiger Beraterfirmen reist von einem Industrieunternehmen zum nächsten und bietet diesen Unternehmen an, ohne unmittelbar fälliges Beraterhonorar CDM-Projektdokumente zu erstellen. Das Honorar besteht aus einem Anteil an den durch die Projekte zukünftig erbrachten Emissionsgutschriften. Für den Projektentwickler gibt es also keinerlei Risiko – und daher bietet er gerne alle Aktivitäten an, die er ohnehin schon geplant hat. Der Berater kommt bereits auf seine Kosten, wenn nur ein Teil der Projekte Emissionsgutschriften erbringt. Und die indische Regierung ist glücklich, Nummer 1 im weltweiten CDM-Markt zu sein. Ergebnis sind Projekte mit haarsträubenden Argumenten bezüglich ihrer Zusätzlichkeit. Die Situation wird dadurch verschärft, dass es in Indien seit langem ein ausgereiftes Subventionssystem für erneuerbare Energien gibt, das Projekte der Wind- und Biomassestromerzeugung sehr attraktiv macht. Da ist der Erlös aus den Emissionsgutschriften nur noch der «Zuckerguss auf dem Kuchen» (vgl. Kasten 2 Windkraftanlagen sind für indische Industrielle aus einer Reihe von Gründen sehr attraktiv. Sie führen zu steuerlichen Abschreibungen von 80% im Jahr der Inbetriebnahme. Ausserdem können die Investoren ihre Stromkosten durch Windkraftnutzung massiv senken, da sie nicht mehr auf die Stromlieferung aus dem öffentlichen Netz angewiesen sind, die ungefähr doppelt so teuer ist wie Windstrom. Die hohen Kosten des Industriestroms aus dem öffentlichen Netz entstehen durch die Quersubventionierung der Stromlieferung an die politisch sehr mächtigen Bauern. Die Windturbinenhersteller bieten den Investoren «Rundum-Sorglos-Pakete» an, die die Wartung und sogar eine garantierte Mindeststromlieferung enthalten. Der Jahresbericht des Fahrzeugherstellers Bajaj Auto bringt es bezüglich des später vom CDM-Exekutivrat abgelehnten Windkraftprojekts auf den Punkt: Das Windkraftprojekt «ist für sich genommen extrem nützlich und hat mit einer internen Ertragsrate von 28% eine Amortisationszeit von 3 Jahren. Neben der Absicherung von Bajaj Autos Stromkosten bringt diese Investition Vorteile bei der Umsatzsteuer und schützt gegen die Einkommensteuer» (Bajaj Auto 2002, S. 18-19).).

Warum greift der CDM-Exekutivrat nicht umfassend durch?


Der CDM-Exekutivrat hat inzwischen immerhin 20 Projekte abgelehnt, was allerdings nur 3% der bisher registrierten Projekte entspricht. Die Mehrzahl davon scheiterte am mangelnden Nachweis der Zusätzlichkeit, so beispielsweise je zwei Windenergie- und Wasserkraftprojekte aus Indien. Relativ konsequent wurde gegen Projekte vorgegangen, die Asche aus Kohlekraftoder Stahlwerken als Zuschlagstoff für die Zementproduktion nutzen und damit im Regelfall ihre Produktionskosten senken: 14 wurden registriert, aber 8 zurückgewiesen. Auch wenn der Exekutivrat mit den Ablehnungen ein bitter nötiges Zeichen gesetzt hat, registriert er doch eifrig immer wieder viel grössere Projekte, die genauso wenig zusätzlich sind wie die abgelehnten. Das in Kasten 1 Im Stahlwerk der Firmengruppe JSW im indischen Karnataka fielen in der Vergangenheit Abgase aus der Verhüttung des Eisenerzes, dem Hochofenprozess und der Verkokung an. Gleichzeitig verwendete JSW Kohle für die Stromerzeugung in Kraftwerken am Stahlwerksstandort mit einer Gesamtleistung von annähernd 500 MW. JSW reichte nun den Ersatz der Kohle durch die Abgase als Brennstoff für die Kraftwerke in Form von 2 CDM-Projekten ein, die jährlich 1,3 Mio. Emissionsgutschriften erzeugen sollen. Die einzigen Investitionen, die JSW dazu tätigen musste, waren der Bau eines Gaskessels zum Abpuffern der stark schwankenden Abgasproduktion sowie einiger Kilometer Gasleitungen. Diese amortisierten sich durch den Wegfall der Kohlebeschaffung in wenigen Wochen. Folglich ist das Projekt nicht zusätzlich. Die JSW-Gruppe behauptete nun, dass das Stahlwerk und die Kraftwerke von zwei unterschiedlichen Firmen betrieben würden. Die Kraftwerksbetreiberin müsse der Stahlwerksbetreiberin für die Abgase einen Preis bezahlen, der dem bisher bezahlten Kohlepreis entspräche. Daher habe die Kraftwerksbetreiberin keinen Anreiz, auf die Abgasnutzung umzustellen, und das Projekt sei zusätzlich. Ausgeblendet wurde, dass die Stahlwerksbetreiberin durch den Verkauf des Abgases und somit die Firmengruppe als Ganzes einen Gewinn erzielt. Obwohl ich den Validierer SGS in einem öffentlichen Kommentar auf diesen Sachverhalt hinwies, validierte er dieses Projekt. beschriebene Projekt ging anstandslos durch. Gleichermassen wurden zwei grosse indische Windenergieprojekte mit mehreren Hundert MW registriert, obwohl sie noch mehr Vergünstigungen erhielten als die beiden abgelehnten. Dies ist nur dadurch zu erklären, dass der Exekutivrat unter dem Druck der grossen Projektentwickler steht. Seitens der Projektentwickler wurde mehrfach mit Prozessen gegen den Exekutivrat gedroht, während die Immunität seiner Mitglieder durch die UN leider nicht rechtzeitig sichergestellt wurde.

Vorschläge zur Rettung des CDM


Wenn die angesprochenen Probleme bei der Umsetzung des CDM nicht rasch angegangen werden, ist – und dies völlig zu Recht – mit scharfen Angriffen gegen den Mechanismus seitens der NGO zu rechnen. Wie diese aussehen könnten, zeigen exemplarisch Bond und Dada (2006). Da die Bevölkerung zumindest in Europa gegenüber Marktmechanismen eher skeptisch eingestellt ist, könnte eine intensive Kampagne gegen den CDM das Instrument durchaus zu Fall bringen. Die Umweltintegrität des CDM liesse sich durch ein Bündel relativ einfacher Massnahmen verbessern. Um die Auditoren wirklich von den Projektentwicklern unabhängig zu machen, sollten diese durch den CDM-Exekutivrat beauftragt und per Zufallsprinzip den Projekten zugewiesen werden. Die Projektentwickler müssten dafür an den Exekutivrat eine kostendeckende Gebühr zahlen. Des Weiteren müssen die Mitglieder des Exekutivrats für ihre Entscheidungen persönliche Immunität geniessen. Etwaige Prozesse sollten durch das UN-Klimasekretariat abgewickelt werden.

Grafik 1 «Der CDM-«Goldrausch» in Zahlen, Dezember 2003-April 2007»

Grafik 2 «Anteil nicht zusätzlicher Projekte am CDM-Gesamtvolumen und an der Anzahl Projekte»

Kasten 1: Fiktive Transferpreise bei der Nutzung der Abgase eines indischen Stahlwerks Im Stahlwerk der Firmengruppe JSW im indischen Karnataka fielen in der Vergangenheit Abgase aus der Verhüttung des Eisenerzes, dem Hochofenprozess und der Verkokung an. Gleichzeitig verwendete JSW Kohle für die Stromerzeugung in Kraftwerken am Stahlwerksstandort mit einer Gesamtleistung von annähernd 500 MW. JSW reichte nun den Ersatz der Kohle durch die Abgase als Brennstoff für die Kraftwerke in Form von 2 CDM-Projekten ein, die jährlich 1,3 Mio. Emissionsgutschriften erzeugen sollen. Die einzigen Investitionen, die JSW dazu tätigen musste, waren der Bau eines Gaskessels zum Abpuffern der stark schwankenden Abgasproduktion sowie einiger Kilometer Gasleitungen. Diese amortisierten sich durch den Wegfall der Kohlebeschaffung in wenigen Wochen. Folglich ist das Projekt nicht zusätzlich. Die JSW-Gruppe behauptete nun, dass das Stahlwerk und die Kraftwerke von zwei unterschiedlichen Firmen betrieben würden. Die Kraftwerksbetreiberin müsse der Stahlwerksbetreiberin für die Abgase einen Preis bezahlen, der dem bisher bezahlten Kohlepreis entspräche. Daher habe die Kraftwerksbetreiberin keinen Anreiz, auf die Abgasnutzung umzustellen, und das Projekt sei zusätzlich. Ausgeblendet wurde, dass die Stahlwerksbetreiberin durch den Verkauf des Abgases und somit die Firmengruppe als Ganzes einen Gewinn erzielt. Obwohl ich den Validierer SGS in einem öffentlichen Kommentar auf diesen Sachverhalt hinwies, validierte er dieses Projekt.

Kasten 2: Windkraft in Indien – eine hervorragende Investition auch ohne CDM Windkraftanlagen sind für indische Industrielle aus einer Reihe von Gründen sehr attraktiv. Sie führen zu steuerlichen Abschreibungen von 80% im Jahr der Inbetriebnahme. Ausserdem können die Investoren ihre Stromkosten durch Windkraftnutzung massiv senken, da sie nicht mehr auf die Stromlieferung aus dem öffentlichen Netz angewiesen sind, die ungefähr doppelt so teuer ist wie Windstrom. Die hohen Kosten des Industriestroms aus dem öffentlichen Netz entstehen durch die Quersubventionierung der Stromlieferung an die politisch sehr mächtigen Bauern. Die Windturbinenhersteller bieten den Investoren «Rundum-Sorglos-Pakete» an, die die Wartung und sogar eine garantierte Mindeststromlieferung enthalten. Der Jahresbericht des Fahrzeugherstellers Bajaj Auto bringt es bezüglich des später vom CDM-Exekutivrat abgelehnten Windkraftprojekts auf den Punkt: Das Windkraftprojekt «ist für sich genommen extrem nützlich und hat mit einer internen Ertragsrate von 28% eine Amortisationszeit von 3 Jahren. Neben der Absicherung von Bajaj Autos Stromkosten bringt diese Investition Vorteile bei der Umsatzsteuer und schützt gegen die Einkommensteuer» (Bajaj Auto 2002, S. 18-19).

Kasten 3: Literatur – Bajaj Auto (2002): Annual Report 2001–2002, Pune.

– Bond, Patrick; Dada, Rehana (Hrsg.) (2006): Trouble in the Air. Global Warming and the Privatised Atmosphere, CCS Energy Series, Durban.

– Wara, Michael (2007): Is the Global Carbon Market Working? In: Nature 445, S. 595–596.

Zitiervorschlag: Axel Michaelowa (2007). Untergräbt der Clean Development Mechanism den internationalen Klimaschutz. Die Volkswirtschaft, 01. September.