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Im Gespräch: Schweizerinnen und Schweizer bei der Weltbank

Gerade 30 Personen mit Schweizer Pass arbeiten zurzeit bei der Weltbank-Gruppe. Im Gespräch mit der Volkswirtschaft diskutieren vier Schweizerinnen und Schweizer, denen es gelungen ist, bei dieser Organisation Fuss zu fassen. Zur Sprache kamen dabei folgende Fragestellungen: Wie kommt man überhaupt an eine Stelle bei der Weltbank-Gruppe? Was braucht es, um dort Karriere zu machen? Und weshalb sind nicht mehr Schweizerinnen und Schweizer in der Weltbank-Gruppe tätig?Hofer

Die Volkswirtschaft: Weshalb habt ihr euch entschieden, bei der Weltbank zu arbeiten? Nadia Piffaretti: Die Option, in einer internationalen Institution zu arbeiten, war für mich stets sehr attraktiv. Insbesondere die Möglichkeit, für die Weltbank zu arbeiten, wo die Armutsbekämpfung im Zentrum steht, reizte mich. Zudem ist die Aufgabe der Weltbank eng mit den Herausforderungen der Globalisierung verknüpft – ein Prozess, der uns in den nächsten Jahren weiterhin stark beschäftigen wird. Jamele Rigolini: Ich habe einige Jahre in anderen internationalen Institutionen und Unternehmen gearbeitet. Für mich als Volkswirtschafter ist jedoch die Weltbank die beste Organisation, um die internationalen Berufserfahrungen zu vertiefen und eine Karriere in der Entwicklungszusammenarbeit zu verfolgen. David Michaud: Ich habe vor zehn Jahren meine Diplomarbeit in Ouagadougou in Burkina Faso gemacht. Schon damals kam ich als Ingenieur zur Überzeugung, dass die Entwicklungsprobleme nicht vorwiegend technisch, sondern vielmehr sozial und politisch anzugehen sind. In den weiteren Jahren meiner Ingenieurerfahrung habe ich immer wieder die Notwendigkeit eines komplexen, alle Bereiche umfassenden Vorgehens erkannt. Als ich dann die Möglichkeit hatte, in der Weltbank zu arbeiten, habe ich die Chance gepackt, meine verschiedenen Interessensbereiche zu verbinden und in derjenigen Institution tätig zu sein, die als einzige die Kapazität hat, auf globalem Niveau all dies anzuwenden.  Die Volkswirtschaft: Wie kommt man zur Weltbank? Welche Qualifikationen sind nötig? David Michaud: Ich glaube nicht, dass es ein eindeutiges Profil für die Weltbank braucht. Sicher muss man sich gut in Wort und Schrift in Englisch ausdrücken können. Die Bank arbeitet jedoch auch in Französisch und Spanisch, etwas weniger in Russisch und Chinesisch. Besonders wichtig ist jedoch, dass die Person in einem spezifischen Bereich sehr gute Kenntnisse vorweisen kann. In meinem Fall ist es der Bereich Wasser und Abwasser, wo ich in einem für die Bank wichtigen Sektor komparative Vorteile habe und kompetent arbeiten kann. Jamele Rigolini: Ein Universitätsabschluss alleine genügt sicher nicht. Um eine Chance zu haben, muss man einiges an Erfahrung – am besten in der Entwicklungszusammenarbeit – vorweisen können. Nadia Piffaretti: Die internationale Konkurrenz – insbesondere von immer besser qualifizierten Kandidaten aus Entwicklungsländern – spielt zusehends eine Rolle. Ein Lizenziat oder Master alleine reicht noch lange nicht. Ich bin sogar der Meinung, dass ein Doktorat oder PhD immer wichtiger wird, um in der Bank Karriere machen zu können. David Michaud: Da bin ich nicht einverstanden. Im ökonomischen Bereich mag dies stimmen. Aber im technischen Bereich und im Feld kommt es mehr auf die praktische Erfahrung an, die man vorweisen kann.  Die Volkswirtschaft: Die Meinungen über die nötigen Qualifikationen gehen ja recht weit auseinander. Wer könnte potenzielle Interessenten in der Schweiz dabei beraten und helfen, in der Weltbank Fuss zu fassen? Jamele Rigolini: Es gibt ein Weltbankbüro in Genf, das für die UN-Organisationen zuständig ist. Dieses ist aber sehr klein und kann kaum Arbeitsmöglichkeiten bieten. Das beste ist, nach Washington zu kommen, um hier zuerst bei der Weltbank als Konsulent zu arbeiten, und dann zu versuchen, eine feste Stelle zu finden (siehe Kasten 2 Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied der Bretton-Woods-Institutionen (Weltbankgruppe und Internationaler Währungsfonds) und hält einen ständigen Sitz im Verwaltungsrat. Der Exekutivdirektor der Schweiz ist gleichzeitig Vertreter einer Ländergruppe, bestehend aus Polen, Serbien, Aserbaidschan, Kirgisien, Turkmenistan und Usbekistan. Zusammen verfügt die Gruppe über 3,04% der Stimmen, womit sie auf dem 17 von 24 Rängen innerhalb des Verwaltungsrates liegt. Über ihre Vertreterinnen und Vertreter in Washington kann die Schweiz die institutionelle, strategische und operationelle Entwicklung der Weltbank kritisch und konstruktiv begleiten.Die schweizerische Präsenz in der Weltbankgruppe ist relativ bescheiden. Das Büro des Exekutivdirektors engagiert sich aktiv, dieses Manko zu beheben. Die Bank stellt hohe Anforderungen an die Qualifikation und Kompetenz ihrer Mitarbeitenden. Anderseits sind die Karrieremöglichkeiten sehr vielfältig und die gebotenen Konditionen sehr attraktiv. Eine laufend aktualisierte Liste von freien Stellen kann auf der Internet-Seite der Weltbank www.worldbank.org eingesehen werden. Der Bund hat eine Reihe von Massnahmen eingeleitet, um die schweizerische Präsenz bei der Weltbank zu verbessern, wie z.B. die – zeitlich begrenzte – Finanzierung von Stellen des Programms Junior Professional Officer (JPO) oder die selektive Unterstützung von qualitativ hoch stehenden Kandidaturen.Interessentinnen oder Interessenten können sich an das Büro des Exekutivdirektors wenden, um nähere Informationen über die Karrieremöglichkeiten in der Weltbankgruppe zu erhalten.).  Die Volkswirtschaft: In der Weltbank arbeiten zurzeit knapp 30 Personen mit Schweizer Pass. Weshalb sind es nicht mehr? Sind Schweizer zu wenig qualifiziert? Nadia Piffaretti: Viel wichtiger als die möglicherweise zu geringe Anzahl qualifizierter Schweizerinnen und Schweizer ist der Umstand, dass wir als kleines Land nicht die kritische Grösse haben, um das notwendige Netzwerk zu bilden und weitere Leute anziehen zu können. Meist konkretisiert sich ein Interesse für die Weltbank erst, wenn eine Person jemanden kennt, die bereits dort tätig ist. Das ist wichtig, auch um Rat und Unterstützung zu erhalten. Aber leider sind wir wirklich sehr wenige und schaffen es nicht, die nötige kritische Masse zu bilden. Jamele Rigolini: Die Aussagen über die Bedeutung des Netzwerkes für eine Anstellung erstaunen mich. Es tönt so, als ob eine Anstellung bei der Weltbank eine Frage von Vetternwirtschaft sei und Freunde und Verwandte nach Lust und Laune in die Bank geholt werden könnten. Dabei gibt es klare Richtlinien, die dem Nepotismus einen Riegel vorschieben und eine Anstellung ausschliessen, wenn bei der Weltbank bereits ein Verwandter angestellt ist. David Michaud: Bevor ich dazugestossen bin, war ich bereits in den USA und habe zufällig an einem Orientierungsseminar über die Weltbank teilgenommen. Hätte ich vor zehn Jahren bei der Weltbank arbeiten wollen, dann hätte ich keine Ahnung gehabt, an wen ich mich wenden sollte.  Die Volkswirtschaft: Weiss man denn auch in der Schweiz zu wenig über die Weltbank? Jamele Rigolini: Die Weltbank erscheint in den Zeitungen fast nur in Zusammenhang mit negativen Schlagzeilen. Über die positiven Seiten der Weltbank wird generell wenig geschrieben. Viele Leute haben deshalb ein falsches Bild von der Weltbank und ein deutlich negativeres als beispielsweise von der UNO. Deshalb wird auch kein Interesse generiert, in der Weltbank zu arbeiten. Die Volkswirtschaft: Ist die Bank überhaupt ein attraktiver Arbeitgeber? Jamele Rigolini: Von der Tätigkeit her ist es eine äussert spannende Sache, für die Weltbank zu arbeiten. Man kann sich in interessanten Sektoren neue Kenntnisse aneignen und hat die Möglichkeit, sowohl auf der Bank wie auch vor Ort vor enorme Herausforderungen gestellt zu sein. Zum finanziellen Aspekt: Das Salär eines Volkswirtschafters ist mit demjenigen in anderen Sektoren – auch in der Schweiz – vergleichbar. Monika Hüppi: Für mich ist die Weltbank eine einmalige Erfahrung – und zwar aus verschiedenen Gründen: Zunächst hat die Weltbank das Glück, Leute anzuziehen, die auf ihrem Gebiet sehr gute Spezialisten sind. Man kommt mit Leuten aus der ganzen Welt zusammen. Die Weltbank ist zudem ein Arbeitgeber, der viele interessante Einsätze bieten kann. Wer offen und willig ist, Neues dazuzulernen und eben auch viel zu arbeiten, für den sind die Möglichkeiten fast unbegrenzt. Schliesslich haben wir hier die Gelegenheit, mit Regierungen und weiteren Partnern in verschiedenen Ländern zusammenzuarbeiten und zu sehen, dass auch in diesem spezifischen Rahmen Fortschritte erzielt und etwas zum Bessern verändert werden kann.  Die Volkswirtschaft: Der Weltbank wird von Kritikern oft vorgeworfen, dass sie tendenziell zu stark diktiert und vorbestimmt. Monika Hüppi: Diese Kritik war zum Teil gerechtfertigt. Aber in den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich viel zum Positiven geändert, auch wenn wir noch einiges dazulernen müssen. So ist es heute unmöglich, dass die Weltbank in die Länder kommt und erklärt: «So wird es gemacht und so nicht.» Heute entspricht die Zusammenarbeit vielmehr einer Partnerschaft.  Die Volkswirtschaft: Fühlt ihr euch nahe genug an den Problemen der Empfängerländer, um effektiv beraten zu können? Oder seid ihr hier in Washington mehr Schreibtischtäter? David Michaud: In der Rolle des aussenstehenden Beraters weiss man immer weniger Bescheid über den spezifischen Landeskontext als die Partner auf Regierungsseite. Deshalb sehe ich den Wert der Weltbank nicht in der Lehrerrolle, sondern in jener des kritischen und unterstützenden Begleiters, der das Problem aus einer anderen Perspektive betrachtet. Unser Vorteil gegenüber den Partnern ist, in verschiedensten Ländern arbeiten und Situationen vergleichen zu können. Ich arbeite beispielsweise in fünf verschiedenen Ländern in Lateinamerika. Auf Regierungsseite fehlt oft die Gelegenheit, von den Erfahrungen der Nachbarländer lernen zu können. Deshalb, so meine ich, können wir viel zu einem guten Erfahrungsaustausch beitragen. Nadia Piffaretti: Die Effizienz unserer Arbeit hängt schliesslich auch davon ab, wie eng wir mit den Partnerländern zusammenarbeiten und wie stark die Regierungen der Partnerländer ihre jeweilige Bevölkerung einbeziehen. Auch wenn die Weltbank eine «perfekte Institution» wäre, bräuchten wir immer noch einen perfekten Partner: Es geht also um eine Partnerschaft. Entwicklung ist eine geteilte Verantwortung. Die Volkswirtschaft: Die Weltbank hatte bis vor kurzem Paul Wolfowitz als Präsidenten. Nach einer krisenhaften Periode von mehreren Monaten ist er zurückgetreten und hat neu Robert Zöllick Platz gemacht. Inwiefern hat diese Krise eure Arbeit beeinflusst? David Michaud: Von Kollegen im Feld, welche nahe mit den Partnerregierungen zusammenarbeiten, habe ich des öfteren gehört, wie schlecht diese Situation sei und wie negativ sich dies auf ihre Arbeit auswirken würde. Ich selber habe kaum einen Unterschied gespürt. Meine Ansprechpartner haben langjährige gute Erfahrungen mit der Weltbank gemacht und sind glücklicherweise nicht bereit, die Beziehung bloss auf die Person des Präsidenten zu reduzieren. Sie betrachten die Weltbank vielmehr als eine grosse Institution mit vielen Gesichtern. In diesem Sinne habe ich eher Unterstützung als Ablehnung erfahren.  Die Volkswirtschaft: Wer bestimmt eigentlich die Agenda der Bank? Man hört viel, dass die Bank von den USA gesteuert werde und die Schweiz kaum Chancen habe, eigene Themen und Ansichten einzubringen. Wer regiert die Bank? Jamele Rigolini: Es gibt zwei Niveaus: Auf unserem Niveau ist die Arbeit ziemlich technisch. Wenn einmal entschieden worden ist, dass ein bestimmtes Land einen Kredit erhält, dann spielen wir unsere vordefinierte Rolle und bestimmen durch unsere Arbeit das Resultat der Entwicklungsanstrengung. Auf der obersten Ebene haben hingegen politische Machtspiele verschiedenster Art einen stärkeren Einfluss. Monika Hüppi: Ich denke nicht, dass die Weltbank bloss die Interessen der USA repräsentiert. Vielleicht hat die Krise der letzten zwei Monate einige wichtige Fragen über die Gouvernanzstruktur der Weltbank aufgeworfen, was sicher nicht geschadet hat. Obwohl die USA technisch gesehen einen höheren Stimmenanteil haben, kommt es in der täglichen Arbeit auf die Individuen bzw. darauf an, wie man arbeitet und wie man die Projekte umsetzt. Der Exekutivdirektorenrat trifft als Gruppe die Entscheidungen. Die Schweiz hat in diesem Rat genauso wie die USA einen der 24 Exekutivdirektorensitze inne. Momentan ist die Diskussion um die langfristige strategische Ausrichtung der Bank der nächsten Jahre aktuell. Da ist es in keinem Falle so, dass die USA die Diskussion monopolisieren, im Gegenteil. Dies ist ein langer, konsultativ geführter Prozess, welcher auf vielen Ebenen stattfindet und nicht unilateral diktiert wird.  Nadia Piffaretti: Die USA spielen zwar eine wichtige Rolle; aber da gibt es andere, ebenso wichtige Mitspieler und politische Substrukturen, wie etwa die G8 oder die EU. Auch kleinere Länder, die ebenfalls verschiedene Agenden vertreten und im Exekutivrat arbeiten, haben ihren Einfluss und sind Teil des Konsensus. Es wäre also falsch zu sagen, dass ein einziger Global Player das alleinige Sagen hätte. David Michaud: Ich finde vor allem die Tatsache störend, dass die USA immer noch automatisch den Präsidenten der Weltbank stellen, was den USA eine überproportionale Macht gibt.  Nadia Piffaretti: Ich muss feststellen, dass wir ein ernsthaftes Problem haben, wenn wir 15 Jahre nach der Bretton-Woods-Volksabstimmung in der Schweiz immer noch hier sitzen und uns fragen, ob die Schweiz dabei sein solle oder nicht. Die Schweiz ist wichtige Verpflichtungen eingegangen, nicht nur für sich alleine, sondern insbesondere als Vertreterin einer Reihe von weiteren Ländern, vorwiegend in Zentralasien. Wir haben darin eine Aufgabe zu erfüllen. Und dies ist wichtig, nicht nur für uns, sondern auch für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Die Schweiz spielt hier eine wichtige Rolle. Monika Hüppi: Die Weltbank kann ganz gut ohne die Schweiz auskommen. Es liegt vielmehr im Interesse der Schweiz, auf internationalem Parkett dabei zu sein. Denn dadurch kann sie sowohl multilaterale Programme beeinflussen als auch von der Koordinationsrolle und der technischen Vorarbeit der Weltbank profitieren, so etwa beim erfolgreichen Programm der Schweiz im Bereich der direkten Budgethilfe. Die Schweiz kann und muss aber im finanziellen Bereich einen Beitrag leisten, vor allem bei der Wiederauffüllung der IDA.  Die Volkswirtschaft: Sollte die Schweiz vermehrt multilaterale Entwicklungszusammenarbeit – wie z.B. durch die Weltbank – leisten oder eher den bilateralen Weg gehen? Nadia Piffaretti: Man muss sehen, dass die bilateralen Gelder reine Steuergelder sind, während die Gelder der Weltbank auf multilateralem Niveau aus verschiedenen Quellen stammen, insbesondere aus dem Finanzmarkt. Das ist ein klarer Vorteil des multilateralen Weges. Auf multilateralem Niveau kann die Koordination der verschiedenen Entwicklungsinstitutionen stattfinden. Diese Aufgabe wird immer wichtiger in einem Umfeld, wo in vielen Ländern bilaterale Geber gleichzeitig in denselben Sektoren tätig sind. Angesichts knapper Ressourcen und beschränkter Kapazitäten müssen Überschneidungen tunlichst vermieden werden. Die Weltbank ist hier bestens platziert, um diese Koordinationsrolle wahrzunehmen. Die multilaterale Zusammenarbeit mag gewisse Schwierigkeiten haben, aber die internationale Koordination der bilateralen Zusammenarbeit ist doch viel schwieriger.  Monika Hüppi: Ich bin ganz dieser Meinung. Jedoch braucht es eine ausgeglichene Formel, wo beides Platz hat. Besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen ist das Kapazitätsproblem eklatant. Da braucht es Hilfe. Wenn wir in einem solchen Land 25 verschiedene Geberländer vorfinden, die alle gleichzeitig den Finanzminister treffen möchten, haben wir ein Problem. Kein Wunder beklagen sich diese Minister, dass sie ihren ganzen Arbeitstag damit verbringen, Delegationen zu empfangen, die zudem alle mit einer ganz unterschiedlichen Agenda daherkommen. Wie viel Zeit bleibt denn da übrig, das eigene Land voranzubringen? Da braucht es eine Institution, die koordiniert. Auf bilateralem Niveau hingegen kann es der Fall sein, dass z.B. die Schweiz in einigen Gebieten ausgewiesene Spezialisten hat, die einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung eines Landes leisten können. Es ist aber unmöglich für die Schweiz, in allen Ländern gleich präsent zu sein, insbesondere auf technischem Gebiet.  Jamele Rigolini: Abgesehen davon weiss man bei den multilateralen Institutionen genau, wo das Geld eingesetzt wird. Kaum eine andere Institution hat ein derart rigoroses Monitoring- und Evaluationssystem wie die Weltbank. Monika Hüppi: Es finden auf verschiedenen Ebenen Evaluationen statt: Erstens machen wir bei der Weltbank viel analytische Vorarbeit, bevor wir in einem Land ein Projekt beginnen. Da geht es darum, wirklich zu verstehen, was in einem Sektor – wie etwa Wasserversorgung – vor sich geht. Welches sind genau die Probleme, und wie muss man vorgehen, um die Entwicklung voranzutreiben? Die bilateralen Geber haben oft nicht die nötigen Ressourcen, um diese Arbeit auf breitem Gebiet zu leisten. Auf einer zweiten Ebene kommen dann – wie bereits gesagt – die strengen Monitoringauflagen zum Tragen. Diese beinhalten ganz bestimmte Kriterien zur Art und Weise, wie das Geld ausgegeben werden soll und wie die Geldflüsse kontrolliert werden müssen. Zudem wird jedes Mal bei Projektabschluss eine Endbewertung durchgeführt, die aufzeigt, was erreicht worden ist. Und schliesslich gibt ex-post Evaluationen in der unabhängigen Evaluationsgruppe, die direkt dem Weltbank-Exekutivrat darüber Bericht erstatten, ob und wie effizient und wie effektiv die Arbeit in verschiedenen Gebieten geleistet worden ist.  Die Volkswirtschaft: Abschliessend noch eine Frage zum komparativen Vorteil der Schweiz gegenüber anderen Ländern in der Weltbank. Wo kann die Schweiz einen Unterschied machen? Nadia Piffaretti: Abgesehen vom finanziellen Beitrag kann die Schweiz als neutrales Land und ohne koloniale Vergangenheit ein sehr respektabler Vermittler sein. Auch die Tatsache, dass wir vorwiegend Entwicklungsländer in unserer Stimmrechtsgruppe haben, trägt dazu bei, dass die Stimme der Schweiz gehört und respektiert wird. Die Schweiz kann so eine Brückenfunktion ausüben. Auch im Bereich der Rückführung veruntreuter Gelder aus Entwicklungsländern hat die Schweiz bereits einiges geleistet und kann insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern stolz auf diese Vorreiterrolle sein.   Die Volkswirtschaft: Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kasten 1: Porträts Nadia Piffaretti

Ökonomin, seit 2004 bei der Weltbank tätig, zuerst als Konsulentin und nun als Beraterin des Chefökonomen der Weltbank. Von 2001 bis 2004 war sie persönliche Mitarbeiterin und Referentin für Sozialpolitik der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments.

Jamele Rigolini

Ökonom, seit 2005 in der Abteilung Soziale Sicherheit in der Ostasien- und Pazifikabteilung der Weltbank. Er hat ein Bachelor of Arts in Physik (ETH Zürich), ein Masters in Ökonomie (Universität Lausanne) und einen Doktortitel in Ökonomie (University of New York). Bevor er zur Weltbank stiess, lehrte er als Assistenzprofessor für Ökonomie an der University of Warwick. Zudem war er als Konsulent unter anderem tätig für die Inter-Amerikanische Entwicklungsbank, die International Union for the Conversation of Nature (IUCN) und für McKinsey & Company.

David Michaud

Ingenieur, seit 2005 bei der Weltbank tätig, zuerst ein Jahr als Young Professional in der Zentralabteilung für Wasserversorgung und Abwasser und nun in der Abteilung für nachhaltige Entwicklung, Region Lateinamerika. Die Abteilung für nachhaltige Entwicklung umfasst die klassischen Infrastrukturbereiche (Verkehr, Energie, Wasser etc.) sowie Umweltfragen und soziale und ländliche Entwicklungsaspekte. Bevor er zur Weltbank stiess, war er als Projektleiter in einer Schweizer Ingenieurfirma tätig und sammelte Erfahrung in Afrika und im Mittleren Osten.

Monika Hüppi

Ökonomin, seit 1988 bei der Weltbank tätig, zuerst in Washington mehrere Jahre in verschiedenen Abteilungen als Konsulentin, danach als Young Professional in Ostasien und dann zehn Jahre in verschiedenen Weltbank Field Offices in Moldawien und der Türkei, später in Südosteuropa Human Development. Seit einem Jahr ist sie bei der Independent Evaluation Group (IEG). IEG ist eine unabhängige Kontrollinstanz der Weltbankgruppe, welche nicht dem Präsidenten untersteht, sondern direkt dem Exekutivdirektorenrat rapportiert.

Kasten 2: Die Schweiz in der Weltbankgruppe Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied der Bretton- Woods-Institutionen (Weltbankgruppe und Internationaler Währungsfonds) und hält einen ständigen Sitz im Verwaltungsrat. Der Exekutivdirektor der Schweiz ist gleichzeitig Vertreter einer Ländergruppe, bestehend aus Polen, Serbien, Aserbaidschan, Kirgisien, Turkmenistan und Usbekistan. Zusammen verfügt die Gruppe über 3,04% der Stimmen, womit sie auf dem 17 von 24 Rängen innerhalb des Verwaltungsrates liegt. Über ihre Vertreterinnen und Vertreter in Washington kann die Schweiz die institutionelle, strategische und operationelle Entwicklung der Weltbank kritisch und konstruktiv begleiten. Die schweizerische Präsenz in der Weltbankgruppe ist relativ bescheiden. Das Büro des Exekutivdirektors engagiert sich aktiv, dieses Manko zu beheben. Die Bank stellt hohe Anforderungen an die Qualifikation und Kompetenz ihrer Mitarbeitenden. Anderseits sind die Karrieremöglichkeiten sehr vielfältig und die gebotenen Konditionen sehr attraktiv. Eine laufend aktualisierte Liste von freien Stellen kann auf der Internet- Seite der Weltbank www.worldbank.org eingesehen werden. Der Bund hat eine Reihe von Massnahmen eingeleitet, um die schweizerische Präsenz bei der Weltbank zu verbessern, wie z.B. die – zeitlich begrenzte – Finanzierung von Stellen des Programms Junior Professional Officer (JPO) oder die selektive Unterstützung von qualitativ hoch stehenden Kandidaturen. Interessentinnen oder Interessenten können sich an das Büro des Exekutivdirektors wenden, um nähere Informationen über die Karrieremöglichkeiten in der Weltbankgruppe zu erhalten.

Kontaktadressen

In Washington:

Mme Barbara Clarke-Bader

Senior Executive Assistant

1818 H, NW, Washington DC 20433

Tel. +1 202 458 7058

bclarke-bader@worldbank.org

In Bern:

Lukas Siegenthaler

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO

Multilaterale Zusammenarbeit

Effingerstr.1

3003 Bern

Tel. : + 41 31 32 40 819

lukas.siegenthaler@seco.admin.ch

Zitiervorschlag: Die Volkswirtschaft (2007). Im Gespräch: Schweizerinnen und Schweizer bei der Weltbank. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.