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Wissens- und Technologietransfer aus der Sicht der Regionalpolitik

Wissens- und Technologietransfer aus der Sicht der Regionalpolitik

Die Innovationskraft der Wirtschaft bestimmt massgeblich die regionale Beschäftigungsentwicklung. Schwächen und Engpässe im Innovationssystem führen dazu, dass etwa ein Drittel des betrieblichen Innovationspotenzials schlecht genutzt wird. Die Probleme sind vielfältig; entsprechend anspruchsvoll ist die Ausgestaltung einer regionalen Innovationsstrategie. Massnahmen im Bereich des Wissens- und Technologietransfers (WTT) sind Bestandteil davon. Im Verbund mit komplementären Leistungsträgern können sie bei Unternehmen eine optimale Wirkung erzielen. Voraussetzung dazu ist eine klare Bedürfnisorientierung. Im Zentrum steht das Unternehmen.

In den letzten Jahren rückte die Innovationspolitik verstärkt ins Zentrum der wirtschaftspolitischen Diskussion. Mit der Neuen Regionalpolitik des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) und der Wissens- und Technologietransferinitiative der Förderagentur für Innovation des Bundes KTI wird das Thema Innovation auf Stufe der Regionen akzentuiert: Sie sind gefordert, Massnahmen der Innovationspolitik zu gestalten und umzusetzen. WTT sowie die regionalen Innovationsstrategien sind Bestandteil dieser Orientierung.

Innovationskraft und Beschäftigung


Im Rahmen des europäischen Projektes «Regionale Innovationsstrategie für die Region Westschweiz» (RIS-WS) wurde die Bechäftigungsentwicklung unter dem Blickwinkel der Innovationskraft der Wirtschaftssektoren untersucht. RIS-WS, Regional Economic Trends and Potentials, Juli 2007. Als Innovationsindikator wurde der sektorspezifische Innovationsindex der europäischen Kommission verwendet. Europäische Kommission, European Innovation Scoreboard 2005: Comparative Analysis of Innovation Performance, Trend Chart Innovation Policy in Europe. Die Ergebnisse zeigen den direkten Zusammenhang zwischen Innovationskraft und Beschäftigung Bundesamt für Statistik (BFS), 2006, Erhebung der Unternehmen 2005, Stand 30.11.2006, Sektion Unternehmen, Neuenburg. auf. So verringerte sich die Beschäftigung in innovationsschwachen Sektoren um nahezu 42000 Vollzeitäquivalente zwischen 1995 und 2005. Im gleichen Zeitraum schafften innovationsstarke Sektoren etwa 33000 zusätzliche Stellen. Die positiven Beschäftigungsimpulse konnten den Verlust in innovationsschwachen Branchen nicht wettmachen. Die entstandene Beschäftigungslücke wurde hauptsächlich durch die beiden Wachstumssektoren Gesundheit und Bildung geschlossen. Es ist davon auszugehen, dass deren Absorptionspotenzial in Zukunft begrenzt sein wird. Unter dieser Prämisse werden Massnahmen zur Erhöhung der Innovationskraft unserer Wirtschaft geradezu zwingend, um den längerfristig absehbaren Beschäftigungsrisiken entgegen zu wirken. Eine «effektive» Innovationspolitik setzt voraus, dass die Engpässe der Unternehmen in ihren Innovationsprozessen erkannt und die Innovationsförderinstrumente entsprechend engpass- und nachfrageorientiert gestaltet werden. Kantone und Regionen tun sich schwer, eine Innovationsstrategie umzusetzen, die den tatsächlichen wirtschaftlichen Begebenheiten Rechnung trägt.

Innovationspotenziale und -engpässe


In einer vom Seco und von der KTI mitfinanzierten Bedürfnisanalyse wurden die Innovationsaktivitäten in 120 Westschweizer Unternehmen untersucht. RIS-WS, Report on Analysis of the Regional Needs, Juli 2007. Ein erstes Ergebnis betrifft die Innovationsvorhaben als solche. Rund ein Drittel der anstehenden Geschäftsinnovationen droht wegen Schwächen und Engpässen im betrieblichen Innovationssystem nicht oder nur teilweise realisiert zu werden. Der Prozentanteil ist bei kleinen Unternehmen erwartungsgemäss höher als bei Grossunternehmen. Es besteht somit ein hohes Innovations- und Wachstumspotenzial in der regionalen Wirtschaft, das durch ein engpass- und bedürfnisorientiertes Innovationsfördersystem angesprochen werden kann. Wo liegen die Engpässe? Der Einfluss von betrieblichen Ressourcen (z.B. Organisation, Strategie, Qualifikation, Finanzierung und Eigentumsrechte), das Finden und Bewerten von Innovationsideen sowie die Befähigung zu Kooperationen und Partnerschaften wurden eingehend untersucht. Diese Bereiche gelten international als kritische Voraussetzungen für Innovationen. Die Ergebnisse geben ein sehr differenziertes Bild der Engpässe, dies insbesondere in Abhängigkeit von der Unternehmensgrösse und teilweise auch der Branchenzugehörigkeit der Unternehmen. Bei den betrieblichen Ressourcen sticht der enorm hohe Handlungsbedarf im strategischen Umfeld hervor. Alle Unternehmenskategorien tun sich schwer damit. Der «strategische Engpass» ist somit einer der wichtigsten Gründe für die ungenügende Umsetzung des Innovationspotenzials. Die Bedeutung anderer Engpässe variiert in den untersuchten Segmenten. So stellen Finanzierungslücken spezifische Probleme der Mikrounternehmen (1-9 Mitarbeitende) dar, während mittlere Unternehmen (50-249 Mitarbeitende) insbesondere in den Bereichen Organisation und Qualifikation Mühe haben. Die Marktorientierung der Unternehmen führt dazu, dass Innovationsideen wesentlich vom Unternehmen selber sowie von Kunden und Konkurrenten kommen. Entsprechend werden Engpässe vorwiegend in diesem Umfeld gesehen. Erwartungen an Schulen und Forschungsstätten sind demgegenüber gering. Bei Mikrounternehmen sind Engpässe beim Kunden als Ideenquelle zu orten, bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eher im internen Bereich. Insgesamt sind die Engpässe bei Mikro- und Kleinunternehmen wesentlich ausgeprägter als bei grösseren Unternehmen. Im Bereich Kooperationen und Partnerschaften ist ein weiteres bedeutendes Potenzial für Verbesserungen im Innovationssystem vorhanden. Auch hier dominieren die Probleme bei Mikrounternehmen; jedoch zeigen sich Engpässe bei allen Unternehmensgrössen. Mikrounternehmen suchen eine Intensivierung der Kooperation mit Forschungsstätten, Unterstützungsorganisationen sowie mit anderen Unternehmen und Kunden. Bei Kleinunternehmen steht die Verbesserung der Zusammenarbeit mit Kunden und Forschungsstätten im Vordergrund und bei mittleren Unternehmen schliesslich sind die Engpässe in Kooperationen mit Forschungsstätten, Kunden und anderen Unternehmen zu lokalisieren. Insgesamt zeigt sich die Notwendigkeit einer breiten wirtschaftlichen und institutionellen Vernetzung in Innovationsvorhaben.

WTT im Kontext einer regionalen Innovationspolitik


Innovation kann ohne technologische Neuerkenntnis entstehen. Etwa 50% der Innovationsvorhaben bei den 120 untersuchten Unternehmen gelten als Neuigkeiten für das Unternehmen, und nur bei knapp 30% kann von Weltneuheiten gesprochen werden. Dies impliziert, dass der zwischenbetriebliche Wissens- und Technologietransfer eine sehr bedeutende Rolle im Innovationsprozess spielt. Eine auf Beschäftigung ausgerichtete Regionalpolitik sollte dieser Dimension entsprechend Rechnung tragen. Unternehmenscluster, Erfahrungsaustauschgruppen, Unterstützungsorganisationen mit Zugang zu Unternehmensnetzwerken, die europäischen «Innovation Relay Centers» und weitere Angebote bieten dazu konkrete Ansatzpunkte. Der WTT zwischen dem Bildungs- und Forschungssystem und den Unternehmen komplettiert die zwischenbetrieblichen Transfermechanismen. Mehrheitlich erachten die Unternehmen die zukünftige Kooperation mit Entwicklungs- und Forschungsstätten als wichtig. Dieses Bedürfnis ist bei Mikrounternehmen mit einem Anteil von 61% besonders hoch. Allerdings tun sie sich damit schwer. Mit Ausnahme der Grossunternehmen bekunden mehr als die Hälfte der kooperationsinteressierten Unternehmen Probleme bei dieser Form von Partnerschaften. Es besteht somit ein beachtliches Verbesserungspotenzial. Auf Stufe der Regionen stellen sich verschiedene Fragen der Ausgestaltung von WTT-Massnahmen. Obwohl es zurzeit kaum pfannenfertige Rezepte gibt, zeichnen sich aus Sicht des Autors gewisse Grundrisse eines wirksamen WTT-Systems ab. Sie werden im Kasten 1 – Die Regionen sollten WTT verstärkt engpass- und damit nachfrageorientiert gestalten. Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse der Unternehmen. Ein regionales WTT-Instrument sollte befähigt sein, die Bedürfnisse im Gespräch zu erkennen und entsprechende Kompetenzen aus der Hochschullandschaft zu mobilisieren.- Ein Unternehmen zeigt geringes Interesse an Transfermassnahmen, wenn andere Engpässe die Innovationsumsetzung behindern. Deshalb sind regionale WTT-Instrumente als Bestandteil eines umfassenderen Innovationssystems zu konzipieren. Eine Vernetzung mit komplementären Leistungsträgern des regionalen Innovationssystems ist dazu Voraussetzung.- Eine Region umfasst mehrere Kantone. In einem solchen Verbund stellt sich die Frage, ob die WTT-Organisation zentral oder dezentral zu gestalten ist. Es braucht «sowohl als auch»! Dezentrale WTT-Leistungsträger können den Vorteil der geografischen Nähe zum Kunden und zu den übrigen Innovationsförderinstrumenten nutzen, welche zumeist kantonalen Charakter haben. Gerade kleinere Betriebe schätzen diese Nähe. Für spezifische Problemstellungen der Wirtschaft kann der Zugang zu hoch spezialisierten Kompetenzen und Infrastrukturen entscheidend sein. Diese Art von Vernetzung kann am ehesten durch spezialisierte WTT-Partner eingebracht werden, welche überregional organisiert sind. Im Bereich der Life Sciences wie Biotechnologie und Medizinaltechnik ist dies beispielsweise von Vorteil. skizziert. Die Regionen tragen zunehmend Verantwortung für ein auf die Bedürfnisse ihrer Wirtschaft zugeschnittenes Innovationssystem. Entsprechende Bemühungen können im Rahmen der Neuen Regionalpolitik des Bundes (NRP) unterstützt werden. Der Ball liegt bei den Kantonen, regionale Massnahmen zu initiieren und dabei die Synergien mit der KTI-WTT-Initiative zu nutzen.

Grafik 1 «Entwicklung der Beschäftigung in Bezug auf die Innovationskraft in Westschweizer Kantonen»

Kasten 1: Grundrisse eines wirksamen WTT-Systems – Die Regionen sollten WTT verstärkt engpass- und damit nachfrageorientiert gestalten. Ausgangspunkt sind die Bedürfnisse der Unternehmen. Ein regionales WTT-Instrument sollte befähigt sein, die Bedürfnisse im Gespräch zu erkennen und entsprechende Kompetenzen aus der Hochschullandschaft zu mobilisieren.- Ein Unternehmen zeigt geringes Interesse an Transfermassnahmen, wenn andere Engpässe die Innovationsumsetzung behindern. Deshalb sind regionale WTT-Instrumente als Bestandteil eines umfassenderen Innovationssystems zu konzipieren. Eine Vernetzung mit komplementären Leistungsträgern des regionalen Innovationssystems ist dazu Voraussetzung.- Eine Region umfasst mehrere Kantone. In einem solchen Verbund stellt sich die Frage, ob die WTT-Organisation zentral oder dezentral zu gestalten ist. Es braucht «sowohl als auch»! Dezentrale WTT-Leistungsträger können den Vorteil der geografischen Nähe zum Kunden und zu den übrigen Innovationsförderinstrumenten nutzen, welche zumeist kantonalen Charakter haben. Gerade kleinere Betriebe schätzen diese Nähe. Für spezifische Problemstellungen der Wirtschaft kann der Zugang zu hoch spezialisierten Kompetenzen und Infrastrukturen entscheidend sein. Diese Art von Vernetzung kann am ehesten durch spezialisierte WTT-Partner eingebracht werden, welche überregional organisiert sind. Im Bereich der Life Sciences wie Biotechnologie und Medizinaltechnik ist dies beispielsweise von Vorteil.

Zitiervorschlag: Christoph Meier (2007). Wissens- und Technologietransfer aus der Sicht der Regionalpolitik. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.