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Gute Perspektiven für die Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie

Gute Perspektiven für die Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie

Die Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie befindet sich momentan in einer markanten Wachstumsphase. Nach einer Zeit der Restrukturierung zu Beginn des neuen Jahrtausends hat sich die exportorientierte Branche – dank hoch innovativen Nischenanbietern und technisch hochwertigen Produkten – in den wichtigsten Absatzmärkten gut positioniert. Insbesondere die Medizinaltechnik-Sparte konnte in den vergangenen Jahren an Bedeutung zulegen. Die Schweizer Uhrenindustrie hat mit der Fokussierung auf das Hochpreissegment ihre Weltmarktstellung weiter ausbauen können und weist dank der vielerorts wachsenden Bevölkerungsschicht mit hoher Kaufkraft auch in den kommenden Jahren ein grosses Wachstumspotenzial auf. Die Rekrutierung von hoch qualifiziertem Personal wird somit als Erfolgsfaktor sogar an Bedeutung gewinnen.

Vielfältige, exportorientierte Technologiebranche


Die über 5000 Arbeitsstätten der Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie bieten knapp 140000 Erwerbstätigen einen Arbeitsplatz. Dies sind gut 3% der Erwerbstätigen in der Schweiz. Im Jahr 2005 generierte die Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie eine Bruttowertschöpfung von knapp 20 Mrd. Franken. Dies entspricht über 4% des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Es zeigt sich somit, dass die Arbeitsproduktivität (Wertschöpfung pro Erwerbstätigen) der Branche – nicht zuletzt dank des hohen Technologisierungsgrades – im Vergleich zur Gesamtwirtschaft überdurchschnittlich ist.  Die Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie ist eine sehr heterogene Branche. Zu dieser Branche gehören unter anderem Produzenten von Generatoren, EDV-Komponenten, Nachrichtenübermittlungsgeräten, Steuerungsanlagen, optischen Geräten, Uhren oder Medizinal- und Dentaltechnik. Wichtigste Sparte ist die Uhrenindustrie, welche allein bereits rund 40000 Erwerbstätige zählt. Auch wenn die Bedeutung der Branche an der Gesamtwirtschaft in der Vergangenheit konstant blieb (der Anteil am BIP betrug bereits 1980 knapp 4%), waren innerhalb der Branche doch deutliche Verschiebungen zu beobachten: Die Relevanz der Uhrenindustrie nahm laufend zu, während sich der Wertschöpfungsanteil der Hersteller von Geräten zur Elektrizitätserzeugung und Nachrichtenübermittlung reduzierte. Deutlich abgenommen hat der Anteil der Erwerbstätigen der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie.

Starke Exportorientierung


Der Export ist eine eminent wichtige Stütze der Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie. So stammen über ein Viertel der gesamten Warenexporte der Schweiz aus der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie. In den letzten 10 Jahren haben die wertmässigen Exporte insgesamt um über 70% zugenommen. Damit wird auch das Wachstum der gesamten Schweizer Warenexporte um fast 10 Prozentpunkte übertroffen. Spitzenreiter ist die Medizinaltechnik-Sparte, deren Exporte sich um über 250% erhöht haben. Dies bedeutet aber auch, dass die gesamte Branche mehr und mehr von der Entwicklung der Weltwirtschaft und der Wechselkurse abhängig ist. Speziell ist die Entwicklung in der Uhrenindustrie: Während die Werte der Uhrenexporte um über 60% zugenommen haben, sanken sie mengenmässig um gut 40%. Dies unterstreicht die stetige Bedeutungszunahme des Hochpreissegmentes in der Uhrenindustrie.

Regionale Clusterbildung: Uhren/Feinmechanik im Arc Jurassien…


Die Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie ist insgesamt in weiten Teilen der Schweiz präsent. Betrachtet man die einzelnen Sparten, sind regional jedoch bedeutende Unterschiede ersichtlich. Am auffälligsten ist der «Präzisionscluster», der sich entlang des Jura gebildet hat und von der Region Basel bis in den Norden der Waadt und nach Genf reicht. Er hat seinen Ursprung in der Uhrenindustrie, die sich schon vor geraumer Zeit dort angesiedelt hatte. Das Vorhandensein grossen Know-hows und hoch qualifizierter Arbeitskräfte im Präzisionsbereich hat dazu geführt, dass sich in der Folge immer mehr (branchenfremde) Industrien, die für ihre Produktion ähnliche Technologien benötigen, dort ansiedelten. Hierzu zählt insbesondere auch Medizinaltechnik, welche in den vergangenen Jahren ihre Präsenz in dieser Region stark ausgebaut hat. Ein stark auf die Mikromechanik und Optik ausgerichteter Cluster hat sich zudem in der Ostschweiz – insbesondere entlang des Rheintals – gebildet.

…Elektroindustrieim Raum Zürich/Aargau


Die Produzenten von Geräten zur Elektrizitätserzeugung und Nachrichtenübermittlung sind vor allem im Raum Aargau-Zürich sowie in Teilen der Zentralschweiz präsent. Im Raum Bern ist deren Bedeutung hingegen deutlich gesunken, dies infolge des Wandels eines einst in der Herstellung von Telekommunikationsgeräten führenden Unternehmens zu einem Dienstleistungsanbieter. Von sehr geringer Bedeutung ist die Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie im gesamten Alpenraum.

Starke Konjunkturabhängigkeit des Wachstumsverlaufs


Die Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie ist in der Vergangenheit leicht über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt gewachsen. Der Wachstumsverlauf ist aber sehr stark von Konjunkturzyklen geprägt. Auf einen starken Einbruch zu Beginn der Achtzigerjahre folgte ein deutliches und kontinuierliches Wachstum bis Mitte der Neunzigerjahre. Nach zwei rezessiven Jahren folgte bis zur Jahrtausendwende nochmals ein deutlicher Aufschwung.  Die beiden konjunkturschwachen Jahre 2002 und 2003, welche für die gesamte Schweizer Investitionsgüterindustrie eine deutliche Redimensionierung bedeuteten, führten in der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie nur zu einem vergleichsweise geringen Wertschöpfungsrückgang. Danach folgte für die Branche bis zum aktuellen Rand eine von einer erstarken Exportnachfrage getriebene markante Wachstumsphase.  Diese recht erfolgreiche Wertschöpfungsentwicklung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch grosse Teile der Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie einem starken Preis- und Produktivitätsdruck ausgesetzt sind. So hat die Beschäftigung in den letzten 15 Jahren deutlich abgenommen. Gerade im Zeitraum 2000-2005, in welchem eine beachtliche Wertschöpfungszunahme von durchschnittlich 2,2% erzielt worden ist, nahm die Zahl der Erwerbstätigen um jährlich 1% ab. Erst im Jahr 2005 konnte dieser rückläufige Trend gestoppt werden. Der Preisdruck widerspiegelt sich in einem Rückgang der Herstellungspreise um jährlich 1%.

Erfolg je nach Branche unterschiedlich


Nicht für alle Sparten der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie gestalteten sich die vergangenen 25 Jahre gleich erfolgreich. In den Achtziger- und Neunzigerjahren gehörte die Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung und Nachrichtentechnik mit Wachstumsraten von etwa 4,5% respektive 2,5% zu den wachstumsstärksten Schweizer Branchen überhaupt. Dieses Wachstum wurde jedoch zu Beginn des neuen Jahrtausends jäh gebremst. Zahlreiche Unternehmen verlagerten Produktionsbereiche ins kostengünstigere Ausland. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm 2001-2004 um fast 10000 auf rund 53000 Personen ab. Erst in den letzten beiden Jahren konnte dieser Abbau dank einer hohen Auslandsnachfrage gestoppt werden. Nur ein Randdasein fristet die Schweizer EDV-/Büromaschinen-Branche. Während die Branche in anderen Ländern dank der Computerindustrie laufend an Bedeutung gewonnen hat, hat sie in der Schweiz bereits zwischen 1980 und 2000 stets unterdurchschnittliche Expansionsraten erzielt. Zu Beginn des neuen Jahrtausends folgte schliesslich sogar ein eigentlicher Einbruch: Sowohl die Wertschöpfung wie auch die Beschäftigung hat sich seither um einen Drittel reduziert. Eine Trendumkehr ist auch am aktuellen Rand kaum zu erkennen.  Im Gegensatz dazu entwickelten sich in den vergangenen Jahren die Feinmechanik und die Uhrenindustrie mehr und mehr zu Erfolgsgeschichten. Während sich die Uhrenindustrie in den Achtzigerjahren noch rückläufig gezeigt hatte, generierte sie in den Neunzigerjahren ein überdurchschnittliches Wachstum. Nach einer erneuten Redimensionierungsphase 2002 und 2003 folgte in der jüngeren Vergangenheit – getrieben von einer markant zunehmenden Nachfrage insbesondere aus dem asiatischen Raum – ein regelrechter Boom mit Wachstumsraten gegen 10%. Eine ähnliche Entwicklung nahm auch die Feinmechanik-Branche: Die stetig an Bedeutung gewinnende Medizinaltechnik-Sparte führte zu einer markanten Beschleunigung des Branchenwachstums in den letzten Jahren.

Unterdurchschnittliches Wachstum im internationalen Vergleich


Im Vergleich zum Ausland muss die positive Branchenentwicklung etwas relativiert werden. Zwar hat die Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie in der Schweiz im internationalen Vergleich einen hohen Anteil an der Gesamtwirtschaft. In Bezug auf das Wachstum zwischen 1995 und 2005 haben die meisten Vergleichsländer jedoch höhere Werte aufzuweisen. Insbesondere zu den Wachstumsleadern Finnland und USA ist eine grosse Differenz festzustellen.  Für diese grossen Wachstumsdifferenzen zu Finnland und den USA lassen sich jedoch Begründungen finden. So ist die Schweizer Branchenstruktur im Vergleich zu diesen beiden Ländern völlig verschieden. Während in der Schweiz die Feinmechanik (inklusive Uhren und Medizinaltechnik) dominiert, sind dies in Skandinavien und den USA vor allem Produzenten von IT-Geräten.

Hohe Produktivität


Der hohe Spezialisierungs- und Technologisierungsgrad der Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie führt zu einer im internationalen Vergleich klar überdurchschnittlichen Produktivität. Sie liegt zudem um fast 20% über der durchschnittlichen Produktivität der Schweizer Gesamtwirtschaft. In einem grossen Teil der Vergleichsländer ist die Produktivität der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie demgegenüber sogar tiefer als jene der jeweiligen Gesamtwirtschaft. Einzig in Finnland weist die Branche eine klar höhere Stundenproduktivität aus.

Branche mit Zukunftspotenzial


Die mittelfristigen Perspektiven der Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie gestalten sich durchaus intakt. Der internationale Konkurrenzdruck wird aber auch in den kommenden Jahren keineswegs abnehmen. Gerade in den vergangenen Jahren hat die Branche ihre Produktivität deutlich erhöht und sich für den zukünftigen Konkurrenzkampf gewappnet. So sind viele Unternehmen erfolgreiche Nischenarbeiter, die dank hoch qualifizierten Mitarbeitenden, einem hohen Technologisierungsgrad und fortlaufender Innovation mit hochwertigen Produkten zur Weltspitze gehören. Dazu gesellt sich eine gute Positionierung in den wichtigsten Wachstumsmärkten. Da gleichzeitig das Nachfragepotenzial im Heimmarkt sehr gering ist, wird auch in Zukunft das Exportgeschäft weiter zunehmen. Weiter an Bedeutung gewinnen wird in Zukunft vor allem die Medizinaltechnik-Sparte. Der rasante technologische Fortschritt, der weltweit steigende Wohlstand und die zunehmende Alterung der Bevölkerung werden auch in den kommenden Jahren für klar überdurchschnittliche Zuwachsrasten in dieser Sparte sorgen.

Weiter steigende asiatische Nachfrage in der Uhrenindustrie


Durch die Fokussierung auf das Luxussegment konnten die Schweizer Uhrenhersteller ihre herausragende Weltmarktstellung in den vergangenen Jahren auf einen Anteil von über 50% ausbauen. Durch die weltweit wachsende Bevölkerungsschicht mit hoher Kaufkraft – unter anderem in China und Russland – bleiben die Aussichten gerade für dieses Segment weiterhin rosig. Dennoch wird aber das herausragende Wachstumstempo der jüngeren Vergangenheit mittelfristig nicht aufrecht gehalten werden können.  Eine Herausforderung wird in den kommenden Jahren die Rekrutierung geeigneter Arbeitskräfte sein. Denn aufgrund der klaren Fokussierung auf Spitzenqualität steigt auch die Bedeutung von hoch qualifiziertem Personal. Das rasante Wachstumstempo der vergangenen Jahre hat bereits zu einem Mangel an entsprechend ausgebildetem Manpower geführt. Die Rekrutierung von hoch qualifiziertem Personal wird als Erfolgsfaktor in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.

Grafik 1 «Anteil der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie an der Gesamtwirtschaft, 1980 und 2005»

Grafik 2 «Entwicklung der realen Bruttowertschöpfung in der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (ohne Elektro, Feinmechanik, Uhren), 1980-2005»

Grafik 3 «Anteil der Bruttowertschöpfung der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie an der Gesamtwirtschaft in den Schweizer MS-Regionen, 2005»

Grafik 4 «Verteilung der nominalen Bruttowertschöpfung in der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie in den Schweizer MS-Regionen, 2005»

Grafik 5 «Struktur der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie im internationalen Vergleich»

Grafik 6 «Wachstumsbeitrag der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie pro Jahr, 1980-2005»

Grafik 7 «Nominale Stundenproduktivität in der Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie und der Gesamtwirtschaft, 2005»

Grafik 8 «Anteile der Gütergruppen an den Schweizer Warenexporten, 2006»

Kasten 1: Auslandsmärkte der Schweizer Elektrotechnik- und Feinmechanikindustrie Wichtigster Auslandsmarkt für Schweizer Elektrotechnik- und Feinmechanikerzeugnisse ist Deutschland. Rund ein Viertel der Exporterlöse werden in unserem nördlichen Nachbarland generiert. Ebenfalls von grosser Relevanz sind die Absatzmärkte in Frankreich, in den Niederlanden und in den USA. Die wichtigsten Auslandsmärkte für die Schweizer Uhrenindustrie liegen in Übersee: Rund 17% der Uhren werden in die USA exportiert und knapp 10% nach Japan. Bereits etwa 3% werden nach China verkauft. Dieser Anteil dürfte in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Wichtigster Exportmarkt innerhalb von Europa ist Italien.

Kasten 2: Dominanz der Feinmechanikindustrie Die Wertschöpfung der Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie wird zu zwei Dritteln durch die Feinmechanikindustrie (inklusive Uhrenherstellung und Medizinaltechnik) generiert. Damit unterscheidet sich die Branche strukturell deutlich von jener der Vergleichsländer. Einzig Schweden besitzt eine Branche mit ähnlicher Struktur. In den meisten anderen Ländern wird die Branche klar durch im IT-Bereich tätige Unternehmen dominiert.

Kasten 3: Quellen – BAK Basel Economics (2006): CH-PLUS – Analysen und Prognosen für die Schweizer Wirtschaft, Basel.- BAK Basel Economics (2006): International Benchmarking Report 2006, Basel.- BAK Basel Economics (2007): Internationaler Benchmarking Report Arc Jurassien Suisse, Basel.- Bundesamt für Statistik (2002): Noga, Amtliche Systematik der Wirtschaftssystematik, Neuenburg.

Zitiervorschlag: Urban Roth (2007). Gute Perspektiven für die Schweizer Elektro-, Feinmechanik- und Uhrenindustrie. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.