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Wissens- und Technologietransfer als Erfolgsfaktor – die Sicht der Wirtschaft

Wissens- und Technologietransfer als Erfolgsfaktor - die Sicht der Wirtschaft

Der zunehmende globale Wettbewerb kann von der Schweiz nicht auf der Kostenseite, sondern nur auf der Innovationsseite gewonnen werden. Innovation ist das Ergebnis unternehmerischen Handelns und somit ureigene Aufgabe der Firmen. Ein erfolgreicher Wissens- und Technologietransfer (WTT) ist daher fast immer an unternehmerisches Engagement gebunden. Dies gilt es bei jeder ordnungsökonomisch fundierten Innovationspolitik zu bedenken. Zu den Grundlagen der Innovationskraft schweizerischer Unternehmen gehören aber auch ein innovationsfreundlicher und kostenschonender Regulierungsrahmen sowie ein leistungsfähiges Bildungs- und Forschungssystem.

Es bedarf wohl keines besonderen Nachweises, dass im Soge des globalen Innovationswettbewerbs die Bedeutung des WTT in den letzten Jahren laufend zugenommen hat. Dabei haben sich dessen Instrumente und Mechanismen laufend erweitert und verfeinert. Stand ursprünglich die traditionelle Aufgabe der Hochschulen in der Lehre als Urform des WTT im Vordergrund, haben in den letzten Jahren weitere Aktivitäten stark an Bedeutung gewonnen. Dazu gehören z.B. Drittmittelforschung an Hochschulen, Kooperation in Forschung und Entwicklung (F&E) zwischen Firmen, strategische Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen (Public-Private Partnerships), Patente und Lizenzen aus Hochschulen, Unternehmensneugründungen (Start-ups und Spin-offs), eigene WTT-Stellen, formelle und informelle Netzwerke, Personalaustausch zwischen Hochschulen und Unternehmen. Wird in der Wirtschaft über WTT gesprochen, so ist diese Palette von Austausch- und Wechselbeziehungen gemeint. Der WTT aus Sicht von «Open Innovation» beschränkt sich somit nicht bloss auf die Interaktion zwischen Hochschulen und Wirtschaft.

Wichtigste Form des Wissenstransfers ist und bleibt das Personal


Einen Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen hat es durch den Übertritt von Absolventen in den Arbeitsmarkt seit jeher gegeben. Dieser direkte, personengebundene Transfer ist und bleibt aus Sicht der Wirtschaft die wichtigste und wirksamste Form des Wissenstransfers; denn junge Hochschulabsolventen bringen nicht nur aktuelles, forschungsbasiertes und praxisorientiertes Wissen mit, sondern sie sind auch ein Element neuer Dynamik. Deren quantitative Bedeutung zeigt sich daran, dass pro Jahr rund 10000 bis 15000 Nachwuchskräfte von den Hochschulen in die Wirtschaft wechseln. Dies unterstreicht die zentrale Bedeutung der Ausbildungsfunktion des Hochschulsystems für die Qualität des Humankapitals in der Wirtschaft. Ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften bremst die Umsetzung des technischen Fortschritts in einer Volkswirtschaft und mindert ihre Wettbewerbsfähigkeit. In dem Masse, wie im Zuge des wirtschaftlichen und technischen Strukturwandels die Wissensbasierung der Unternehmen und der Volkswirtschaft als Ganzes zunimmt, steigen auch die Anforderungen an die Ausbildungsleistungen der Hochschulen. Dabei kann der Begriff «Knowledge-Based Economy» nicht bloss auf die technisch-wissenschaftliche Dimension reduziert werden. Er umfasst letztlich alle ökonomisch relevanten Bereiche des Wissens und Könnens, nicht zuletzt auch die Flexibilität, Kreativität, Initiative sowie die berufliche Mobilität und Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte. Innovative, motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Basis jedes erfolgreichen Unternehmens und bilden damit den Grundstein zur Schaffung eines nachhaltigen Unternehmensmehrwerts. Die schweizerischen Firmen sind deshalb immer mehr bestrebt, die weltweit besten Hochschulabsolventen einzustellen. Nur ein Bildungssystem, das auf allen Stufen an der Spitze der Ausbildungsleistungen steht, stärkt und sichert den Innovationsstandort Schweiz.  Dabei können Universitäten und Fachhochschulen wegen der wissenschaftlichen Dynamik und des wirtschaftlichen Wandels in Zukunft immer weniger von festen, stabilen Ausbildungsprofilen und Nachfrageverhältnissen auf dem Arbeitsmarkt ausgehen. Es braucht in der Lehre mehr denn je Rückkoppelungsprozesse: einerseits mit der hochschulinternen Forschung, anderseits mit der Praxis bzw. der Wirtschaft. Deshalb müssen Hochschulen und Wirtschaft noch stärker aufeinander zugehen und dürfen – unbesehen der unterschiedlichen Zeitkonstanten – keine gegeneinander abgeschotteten Lebensbereiche bleiben. Dies kann allerdings nicht staatlich verordnet werden; die Einsicht muss in den Köpfen wachsen.

Projektorientierte Zusammenarbeit


Die Auftragsforschung und projektorientierte Zusammenarbeit ist wahrscheinlich die zweitwichtigste Form des WTT. Wenn die Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Schweiz – wie verschiedene Studien festhalten Vgl. Arvanitis, S., Hollenstein, H., Kubli, U., Sydow, N., Wörter, M.: Innovationsaktivitäten der Schweizer Wirtschaft, Strukturberichterstattung Nr. 34, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, 2007. – im internationalen Vergleich als gut entwickelt angesehen werden kann, so ist dies nicht zuletzt der intensiven Drittmittelforschung und der Förderagentur für Innovation (KTI) zuzuschreiben.

Auftrags- und Drittmittelforschung an den Hochschulen


Die Extramuros-Forschung der Unternehmen, wozu die F&E-Kooperation zwischen Firmen (auch mit Start-ups) und die projektorientierte Zusammenarbeit mit Hochschulen gehören, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. 2004 gaben Schweizer Unternehmen über alle Betriebsgrössenklassen hierfür mehr als 4 Mrd. Franken aus, doppelt so viel wie im Jahr 2000. Diese Aufwendungen für Auftragsforschung erfolgten zusätzlich zur «In House»-Forschung. «Technology Sourcing» ist somit für Schweizer Unternehmen – allen Unkenrufen zum Trotz – schon lange keine Fremdwort mehr. Sie suchen das für sie beste und erfolgversprechendste Wissen immer mehr global. Dabei müssen sich die Schweizer Hochschulen noch erheblich anstrengen, wenn sie an diesem rasch wachsenden Markt, an dem sie heute nur mit rund 10% beteiligt sind, stärker partizipieren wollen. Aus Sicht des WTT kommt dem unbürokratischen Umgang mit dem Geistigen Eigentum (Patente, Lizenzen) eine erhebliche Bedeutung zu.

Die Förderagentur für Innovation KTI


Die KTI stellt eine effiziente Kooperationsstruktur für Hochschulen und Unternehmen – vor allem KMU – zur Verfügung. Sie fördert die marktorientierte F&E an den Hochschulen und leistet damit auch einen wichtigen Ausbildungseffekt in anspruchsvollen Technologiefeldern. KTI Start-up und die CTI-Invest Association ergänzen das ursprüngliche Mandat der KTI in sinnvoller und ordnungsökonomischer Weise. Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass die KTI ihren Grundauftrag in der Förderung der wechselseitigen Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen angewandter Forschung und Entwicklung der Hochschulen und Unternehmen kompetent, effizient und innovativ erfüllt. Dazu braucht sie einerseits klare, transparente Spielregeln mit einer entsprechenden Anreizstruktur sowie anderseits eine ausreichende finanzielle Dotierung und die nötige Flexibilität, um auf neue Entwicklungen rasch reagieren zu können. Die KTI steht vor wichtigen Weichenstellungen. Einige Indizien deuten darauf hin, dass dies zu Lasten ihres eigentlichen Kernauftrages gehen könnte. Vgl. Kommission für Technologie und Innovation (KTI) – quo vadis?, Dossierpolitik Nr. 8, Economiesuisse, 2007.

Patente, Lizenzen, Spin-offs, Netzwerke, Science- und Techno-Parks usw.


Patente, Lizenzen, Spin-offs aus dem Hochschulbereich sowie Netzwerke, Science- und Techno-Parks usw. sind ebenfalls Ausdruck von WTT-Prozessen. Dabei ist es nicht so einfach, diese Instrumente und Einrichtungen qualitativ und quantitativ zu bewerten. Zwar lassen sich Unternehmensgründungen aus dem Hochschulbereich zählen. Dagegen sind Patentanmeldungen zwar zählbar, ökonomisch aber kaum zu bewerten. Überhaupt sind die Leistungen der Wissenschaften wegen der Unterschiedlichkeit der einzelnen Disziplinen nur schwer oder überhaupt nicht zu messen. Anzufügen sind sodann die Science- und Techno-Parks, die für den WTT – trotz unterschiedlicher Qualität – von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind. Angesichts dieser Vielfalt von Formen des WTT macht es keinen Sinn, eine Best-Practice-Politik definieren zu wollen. Entscheidend ist vielmehr eine hohe Spontaneität und Flexibilität der involvierten Partner. Zudem sollten erfolgreiche Beispiele besser bekannt gemacht werden, um zu einer Nachahmung anzuregen.  Insgesamt ist die Schweizer Wirtschaft im internationalen Vergleich in ein enges Wissensnetzwerk eingebunden, in dem Partnerschaften zwischen Hochschulen und Privatwirtschaft besonders häufig sind. Systems X, das Swiss Finance Institute und die 20 laufenden nationalen Forschungsschwerpunkte sind hierfür prominente Beispiele. Darin liegt eine der strukturellen Stärken des Innovationssystems Schweiz. Arvanitis, S.: Wo steht die Schweiz im internationalen Innovationswettbewerb?, in: Konjunktur, Bericht 7/8/2007, KOF ETH. Auch bei den Spin-offs zeichnet sich – insbesondere an den ETH – eine erfreuliche Aktivität ab. Bei der Frage, wie die Hochschulen ihr Geistiges Eigentum verwalten sollen (entweder selbst oder durch freie Zurverfügungstellung als öffentliches Gut), besteht jedoch noch Klärungs- und Handlungsbedarf.

WTT-Zentren


Seit 2005 gibt es fünf staatlich finanzierte WTT-Konsortien mit dem Auftrag, die Vernetzung zwischen Hochschulen und Wirtschaft noch intensiver und enger zu gestalten. Vgl. den Artikel von Erik Mozsa auf S. 18 dieser Ausgabe. Die Vermittlung geeigneter Projektpartner wird einerseits über die Push-Seite (Hochschule sucht Wirtschaftspartner), anderseits über die Pull-Seite (Unternehmer sucht Know-how bei Hochschulen) angestrebt. Damit soll versucht werden, in Ergänzung zu den übrigen WTT-Instrumenten das in der KMU-Landschaft noch schlummernde Innovationspotenzial optimal auszuschöpfen. Insofern verdient diese Initiative ohne Zweifel auch eine faire Chance. Ob die schulökonomisch gut begründeten WTT-Zentren die erhofften Resultate in der Realität des betrieblichen Innovationsgeschehens tatsächlich zu erbringen vermögen, wird die Zukunft zeigen.

Wirtschaftspolitische Empfehlungen


Die Optimierung der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist für viele Bürokraten und Politiker der geeignete Ansatzpunkt für staatliche forschungs- und innovationspolitische Massnahmen. Dabei sind auf diesem Gebiet leider viele Ideen nicht so falsch, als dass sie nicht immer wieder von neuem aufleben würden. Dazu gehören etwa das schulökonomische Innovationsparadigma von der Linearität zwischen Invention, F&E, Wissen und Innovation oder die Vorstellung von den «Wissenshalden» bei den Hochschulen, die es bloss anzuzapfen bzw. zu nutzen gilt. Ebenso ist der Glaube an die staatliche Machbarkeit und Steuerbarkeit von nationalen Innovationssystemen mancherorts ungebrochen, wenn inputseitig nur eine genügende Düngung erfolgte. Die Schweiz verfügt über ein umfangreiches, gut etabliertes WTT-Instrumentarium. Nichts ist jedoch auf diesem Gebiet so gut, als dass es nicht weiter verbessert werden könnte. Dies sollte in erster Linie über eine Stärkung der Parameter «Dürfen» (Handlungsrechte), «Können» (Kompetenzen) und «Wollen» (Motivation) und erst in zweiter Linie über Geld angestrebt werden. Hilfe zur Selbsthilfe bzw. Selbstevolution ist die für die Schweiz angemessene innovationspolitische Strategie, um das Pferd zur Tränke zu führen – saufen muss es selbst. Sogar reichliche Finanzspritzen und Elitehochschulen veröden letztlich im ökonomischen Niemandsland, wenn es nicht genügend unternehmerische Kräfte inner- und ausserhalb der Hochschulen gibt, die vorhandenes und neues Wissen laufend in innovations- und damit wachstumsrelevanter Weise umsetzen.

Zitiervorschlag: Rudolf Walser (2007). Wissens- und Technologietransfer als Erfolgsfaktor – die Sicht der Wirtschaft. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.