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Arbeitslosenversicherung im Jahre 2006 – noch ein Defizit von gut 1 Mrd. Franken

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Das Jahr 2006 brachte die Wende auf dem Arbeitsmarkt: Die durchschnittliche Arbeitslosenquote sank um 0,5 Prozentpunkte auf 3,3%. Die Wirtschaft entwickelte sich mit einem Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) von 2,7% sehr erfreulich. Die Aussichten für die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung sind für das Jahr 2007 weiterhin gut, sodass mit einer Fortsetzung des Rückgangs der Arbeitslosigkeit gerechnet werden darf. Gemäss aktueller Prognose sollte die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2007 bei 2,7% zu liegen kommen.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit


Im ersten Halbjahr 2006 war ein starker Rückgang der Zahl der registrierten Arbeitslosen zu verzeichnen. Waren im Januar 2006 noch 154204 Personen arbeitslos gemeldet, verringerte sich diese Zahl bis Ende Juli auf 121725. Die anhaltend gute Konjunktur hatte auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen und vermochte auch in der zweiten Jahreshälfte die Arbeitslosenzahl tief zu halten. So verharrte die Arbeitslosenquote zwischen Juni und Ende November sechs Monate lang auf demselben Stand. Der nominelle Anstieg im November war sogar die geringste Novemberzunahme seit 1989. Dem starken Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 32500 Personen in der ersten Jahreshälfte steht damit im zweiten Halbjahr eine Zunahme um weniger als 7000 Personen gegenüber. Auch der Anstieg zum Jahresende auf 128580 arbeitslos registrierte Personen ist ausschliesslich auf saisonale Gründe zurückzuführen. Zum dritten Mal in Folge kommt damit der Jahresendwert wieder tiefer zu liegen als der Wert zu Jahresbeginn. Das Jahresmittel ist gegenüber dem Vorjahr wiederum gesunken: Im Durchschnitt waren im Jahr 2006 131532 Personen als arbeitslos registriert. Verglichen mit dem Jahr 2005 (148537 Arbeitslose) entspricht dies einem Rückgang um 17005 Personen oder 11,4%. Setzt man die Bestandeszahlen an registrierten Arbeitslosen ins Verhältnis zur aktiven Bevölkerung gemäss der Eidgenössischen Volkszählung 2000, so erhält man die entsprechenden Arbeitslosenquoten. Gemäss diesem Indikator resultierte für das Jahr 2006 eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 3,3%. Dies bedeutet eine Abnahme um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Jahr 2005. Die Entwicklung der Gesamtzahl an Stellensuchenden (Summe von registrierten Arbeitslosen und registrierten nicht arbeitslosen Stellensuchenden) verlief im Berichtsjahr deutlich dynamischer als in den beiden Jahren zuvor. So dauerte der Rückgang der Zahl der Stellensuchenden zwei Monate länger als in den Jahren 2004 und 2005, nämlich bis Ende September. Auch das Ausmass des Rückgangs war über das Gesamtjahr gesehen mit -29669 Personen mehr als dreimal so hoch als im Vorjahr, woraus ein deutlich tieferer Jahresendwert (192156 Personen per Ende Dezember) als in den drei Jahren zuvor resultierte. Im Jahresdurchschnitt ergibt sich daraus eine Zahl von 197414 registrierten Stellensuchenden, was einer Abnahme um 19740 Personen (9,1%) gegenüber dem Vorjahresmittel entspricht.  Die Zahl der Langzeitarbeitslosen (Arbeitslose mit einer Dauer der Arbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr) nahm von durchschnittlich 29501 in Jahr 2005 auf 26455 im Jahr 2006 ab. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen gemessen am Total aller Arbeitslosen betrug Ende Dezember 2006 19,1%.

Rechtsetzung

Ältere Arbeitnehmende


Der Bundesrat hat per 1. Juli 2006 den Anspruch für kurz vor dem AHV-Rentenalter stehende Versicherte geändert. Versicherte, die innerhalb der letzten vier Jahre vor Erreichen des AHV-Rentenalters arbeitslos geworden sind, haben automatisch einen Anspruch auf zusätzliche 120 Taggelder. Erst nach Ausschöpfung dieser Taggelder wird geprüft, ob die versicherte Person eine mindestens zwölfmonatige Beitragszeit aufweist, welche es ihr ermöglicht, einen neuen Anspruch zu stellen. Mit dieser Verordnungsänderung wird sichergestellt, dass auch Personen, die sich während dem Taggeldbezug mit Arbeit eine genügende Beitragszeit erwirtschaften, zunächst ihren Anspruch zu einem meist höheren Taggeld ausschöpfen können. Damit wird dem Grundsatz «Arbeiten lohnt sich immer» besser Rechnung getragen.

Inkraftsetzung Avam-Verordnung


Mit der im Jahre 2004 durch die Aufsichtskommission des Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (ALV) genehmigten Neukonzeption wird die seit 1993 betriebene Datenbank für Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktstatistik (Avam) abgelöst. Dabei wird neben den nötigen technischen Anpassungen auch die für den Vollzug der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben nötige Funktionalität des Systems wesentlich erhöht. Dies sowie die Anpassung und Harmonisierung der gesetzlichen Grundlagen für die Bearbeitung von Personendaten in den Sozialversicherungen haben eine Totalrevision der diesem System zugrunde liegenden Verordnung nötig gemacht. Die Verordnung wird per 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt.

Familienzulagengesetz


Am 26. November 2006 wurde das Familienzulagengesetz in der Referendumsabstimmung angenommen. Im Hinblick auf die Inkraftsetzung (geplant 1. Januar 2009) braucht es Ausführungsbestimmungen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist mit dem Ressort Rechtsetzung (TCRV) in der vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) geleiteten Arbeitsgruppe vertreten. Mit Inkraftsetzung des Gesetzes wird Art. 22 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (Avig) Kraft fremden Rechts angepasst.

Parlamentarische Vorstösse und Geschäfte

Bericht Diskriminierung im Bereich der ALV


In den Antworten zu zwei Vorstössen Motion Leutenegger Oberholzer (SR 04.3789) «Avig: Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten»; Anfrage Fehr (SR 041160) «Gleiche Rechte für arbeitslose Mütter». stellte der Bundesrat einen Bericht in Aussicht. Der Bericht zum Thema Diskriminierung im Bereich der ALV wurde am 15. Dezember 2006 vom Bundesrat zur Kenntnis genommen. Das Seco stellte aufgrund der Umfrage bei den kantonalen Arbeitsämtern fest, dass die Handhabung betreffend der Obhuterklärungen (Betreuungsnachweis für Kinder) in der Praxis sehr verschieden ist, wodurch Willkür- und Diskriminierungsrisiken entstehen. Es wurde festgestellt, dass immer wieder vor allem die Vermittlungsfähigkeit von Frauen wegen fehlender Kinderbetreuung verneint wird. Mit angepasster Weisung (KS ALE 2007) werden die Vollzugsstellen erneut angewiesen, nicht schon bei der Anmeldung zum Bezug einen Obhutnachweis zu verlangen. Es ist Sache der Versicherten, wie sie die Betreuung ihrer Kinder regeln. Zudem soll ein Controllinginstrument eingeführt sowie die Umfrage konkretisiert und künftig regelmässig durchgeführt werden.

Motion SiK SR: Verbesserung der Situation der Militärdienst leistenden Lehr- und Schulabgänger


Aufgrund der Ergänzung der im neuen KS ALE Rz B227 publizierten Weisung, wonach die versicherte Person als vermittlungsfähig gilt, wenn sie dem Arbeitsmarkt für mindestens 3 Monate zur Verfügung steht, hat der Nationalrat die Motion SiK mit 89 zu 61 abgelehnt. Damit ist der seit zehn Jahren hängige parlamentarische Vorstoss betreffend Vermittlungsfähigkeit von Lehr- und Schulabgängerinnen und -abgängern vor Militärdiensten erledigt.

Verlängerung der Bezugsdauer (Art. 41c Aviv)


Das Seco hat drei Anträge für eine Erhöhung der Höchstzahl der Taggelder behandelt (Art. 27 Abs. 5 Avig). Diese hatten Änderungen des Anhangs zur Arbeitslosenversicherungsverordnung (Aviv) zur Folge (6. Juni, 13. September und 8. Dezember 2006). Das Seco hat die Antworten auf zwei Interpellationen, die als Folge dieser Änderungen eingereicht worden sind, vorbereitet. Es handelt sich um die Interpellation Füglistaller vom 22. Juni 2006 («Bevorteilung von Westschweizer Arbeitslosen?») und die Interpellation Huguenin vom 4. Oktober 2006 («Arbeitslosenentschädigung während 520 Tagen in Regionen, die von erhöhter Arbeitslosigkeit betroffen sind. Ein schleichender Abbau?»).

Aufsichtskommission ALV


Ende 2006 hat Jean-Luc Nordmann seine letzte Sitzung der Aufsichtskommission des Ausgleichsfonds der ALV geleitet. Der neu gewählte Leiter der Direktion für Arbeit, Serge Gaillard, übernahm am 1. Februar 2007 das Präsidium der Kommission. Für ihn nahm als Vertreter der Arbeitnehmer neu Daniel Lampart Einsitz in der Kommission. Weiter zurückgetreten sind per Ende 2006 Thomas Daum und Deborah Walton. Ihnen beiden folgten Daniella Lützelschwab sowie Daniel Lehmann als Arbeitgebervertreter nach.  Die Aufsichtskommission übernimmt im Bereich der ALV Überwachungs-, Beratungs- und Entscheidfunktionen. Sie trat im Berichtsjahr zu insgesamt 4 Sitzungen (Vorjahr 3) zusammen. Die Kommission befasste sich unter anderem mit folgenden Themen: IT-Strategie des ALV-Fonds (Avam, Asal, Lamda), Neuregelung für die längerfristige Finanzierung der ALV, zweite Welle der Evaluation der öffentlichen Arbeitsvermittlung, Budgets 2007 (Ausgleichsstelle; arbeitsmarktliche Massnahmen; ALV-Kassen; RAV/LAM/Kast).

Finanzen

Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber


Bei einem Beitragssatz von 2% beliefen sich die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber im Berichtsjahr auf 4501,4 Mio. Franken (2005: 4361,9). Diese haben gegenüber dem Vorjahr um 139,5 Mio. Franken oder 3,2% zugenommen.

Arbeitslosenentschädigungen inkl. Taggelder aus arbeitsmarktlichen Massnahmen


Im Berichtsjahr sind brutto insgesamt 4024,7 Mio. Franken (2005: 4625,7) Entschädigungen an Arbeitslose ausgerichtet worden, das heisst 601,0 Mio. Franken oder 13,0% weniger als im Vorjahr. Es wurden somit durchschnittlich je Monat rund 335 Mio. Franken ausbezahlt. Die Anzahl der Arbeitslosen belief sich im Berichtsjahr auf 131532 Personen im Jahresdurchschnitt (2005: 148537). Dies entspricht einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 3,3% (2005: 3,8).

Arbeitsmarktliche Massnahmen


An individuellen arbeitsmarktlichen Massnahmen (AMM) sind im Berichtsjahr 195,9 Mio. Franken (2005: 270,6) bzw. 74,7 Mio. Franken oder 27,6% weniger ausbezahlt worden. Die kollektiven arbeitsmarktlichen Massnahmen haben sich gegenüber dem Vorjahr um 9,0 Mio. Franken oder 2,2% auf 400,1 Mio. Franken vermindert (2005: 409,1).

Beitragsrückerstattungen an Nachbarstaaten für Grenzgänger


Hier handelt es sich um erhobene ALV-Beiträge von Grenzgängern, die in der Schweiz arbeiten, jedoch im Ausland wohnen. Die Schweiz als Beschäftigungsstaat überweist den Nachbarstaaten gemäss den einzelnen Abkommen diese Beiträge zur Abdeckung des Risikos der Ganzarbeitslosigkeit. Im Berichtsjahr betrugen diese Überweisungen 203,2 Mio. Franken (2005: 198,4).

Beitragsrückerstattungen Kurzaufenthalter


Mit der Einführung der bilateralen Verträge per 1. Juni 2002 mit den EU-Staaten und der Efta-Konvention wurde die Schweiz verpflichtet, die Retrozessionen der ALV-Lohnbeiträge der Kurzaufenthalter, die zu wenig Beitragszeit für einen Bezug von Arbeitslosenentschädigung in der Schweiz aufweisen, einzuführen (ohne Liechtenstein). Seit dem 1. April 2006 sind auch die zehn Staaten der Osterweiterung der EU dazu gekommen. Im Berichtsjahr betrugen diese Beitragsrückerstattungen 26,8 Mio. Franken (2005: 21,3).

Ergebnis


Die Rechnung schloss im Berichtsjahr mit einem Defizit von 1054,3 Mio. Franken ab (2005: Defizit von 1878,3).

Bundestresoreriedarlehen


Für die Finanzierung der Leistungen des ALV-Fonds mussten im Berichtsjahr 1000 Mio. Franken neue Tresoreriedarlehen beim Bund aufgenommen werden (2005: 1800). Ende Jahr belaufen sich diese Darlehen total auf 4800,0 Mio. Franken (2005: 3800).

Grafik 1 «Auszahlungen der Arbeitslosenkassen, 1997-2006»

Tabelle 1 «Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung: Bilanz per 31. Dezember 2006»

Tabelle 2 «Aufteilung der Verwaltungskosten»

Tabelle 3 «Aufteilung individuelle arbeitsmartkliche Massnahmen»

Tabelle 4 «Aufteilung der Verwaltungskosten»

Zitiervorschlag: Babey, Dominique (2007). Arbeitslosenversicherung im Jahre 2006 – noch ein Defizit von gut 1 Mrd. Franken. Die Volkswirtschaft, 01. November.