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Im Gespräch: Euro 2008 und öffentliche Hand

In der Schweiz erbringt die öffentliche Hand Leistungen im Bereich ihrer hoheitlichen Aufgaben, insbesondere Sicherheit und Infrastruktur/Verkehr. Daneben engagiert sie sich bezüglich Standortmarketing sowie bei Projekten und Massnahmen in der Schweiz. Finanziell beläuft sich das Engagement auf insgesamt 140 Mio. Franken; davon entfallen 82 Mio. Franken auf den Bund. Unter anderem darüber, wie mit diesen Mitteln die grösstmögliche (Langzeit-)Wirkung erzielt werden kann, sprach «Die Volkswirtschaft» mit dem Delegierten des Bundesrates, Benedikt Weibel, und dem Schweizer Botschafter in Wien, Oscar Knapp.

Die Volkswirtschaft: Was sind Ihre Rollen und Aufgaben innerhalb der Euro 2008? Weibel: Auf den Nenner gebracht sind es folgende drei Aufgaben: Erstens trage ich als Delegierter des Bundesrates für die Euro 2008 die Ergebnis- und Finanzverantwortung für die 82 Mio. Franken, die das Parlament für den Event gesprochen hat. Zweitens leite ich den Steuerungsausschuss, in dem alle Beteiligten vertreten sind, sowie alternierend mit dem österreichischen Kollegen die monatlichen Ländertreffen. Und drittens habe ich auch eine Kommunikationsaufgabe.  Knapp: Die Botschaft in Wien übernimmt eine klassische diplomatische Scharnierfunktion: Wir vermitteln Kontakte mit den Lokalbehörden und sind bestrebt, zu einem koordinierten Auftreten der Schweiz beizutragen. Es gibt viele Akteure aus der Schweiz, die vor, während und nach der Euro 2008 in Österreich tätig sein werden. Wir möchten dieses sportliche Grossereignis auch als Plattform nutzen, um die zwei Länder einander noch näher zu bringen. Deshalb führen wir in Zusammenarbeit mit «Präsenz Schweiz» eine ganze Reihe von konkreten Austauschprojekten durch.  Die Volkswirtschaft: Wie sieht die Projektorganisation der Euro 2008 aus?  Weibel: Das Projekt hat fünf Teilbereiche: Der erste Teilbereich umfasst die Querschnittaufgaben von der Steuerung über die Kommunikation bis zur Evaluation. Die weiteren Projektbereiche sind Sicherheit, Verkehr, Standortmarketing sowie Projekte und Massnahmen in der Schweiz. Daneben gibt es noch eine Reihe von Einzelmassnahmen. Knapp: Die von der Botschaft gemeinsam mit «Präsenz Schweiz» realisierten Projekte sind Bestandteil des Bereichs Standortmarketing. Erklärtes Ziel ist es, das gegenseitige Verständnis und die Kenntnis des Nachbarlandes noch weiter zu verbessern bzw. nachhaltig zu fördern. Wir werden die Schweiz anhand der Themen Wirtschaft, Politik, Verkehr, Wissenschaft und Design als ein modernes und kreatives Land vorstellen.   Die Volkswirtschaft: Welches Projekt ist für den nachhaltigen Erfolg der Euro 2008 entscheidend?  Weibel: Entscheidend ist die Art und Weise, wie die Leute empfangen und versorgt werden – sprich die erfolgreiche Umsetzung des Gastgeberkonzepts. Die eigentliche Kernaufgabe der Euro 2008, 15 Spiele in der Schweiz möglichst optimal zu organisieren, ist an sich relativ einfach strukturiert. Wenn man aber mit dem Anspruch daran herangeht, aus dem Anlass ein landesübergreifendes, völkerverbindendes Volksfest zu machen, wird es sehr komplex. Knapp: Auch wenn die Schweiz und Österreich in verschiedenen Bereichen – gerade im Standortmarketing – direkte Konkurrenten sind, ist es doch wichtig zu sehen, dass wir dieses Grossereignis nur gemeinsam erfolgreich realisieren können. Zudem bietet sich uns die Möglichkeit, Kontakte in Österreich aufzubauen und das bestehende Netzwerk zu pflegen. Einige Projekte werden einen Nachhall über die Euro 2008 hinaus haben.  Die Volkswirtschaft: Was ist die grosse Herausforderung bei der Umsetzung dieses Gastgeberkonzepts? Weibel: Die Umsetzung des Gastgeberkonzepts muss auf allen Ebenen erfolgen, sei es im Tourismus mit Hotellerie und Gastronomie, aber etwa auch beim Zoll, bei der Bahn und der Polizei. Alle müssen die zentralen Botschaften – herzlicher Empfang, freundliche Begrüssung usw. – verinnerlichen. Deren Gesamtheit wird am Schluss die Wahrnehmung der Gäste und damit die Langzeitwirkung ausmachen.  Knapp: Aus der Wiener Optik kommt hinzu, dass uns als Vertreter der Schweiz in Österreich auch eine gewisse Rolle als Gastgeber in Wien zukommt. Die Bedeutung dieser Rolle spitzt sich beim Final, der in Wien stattfindet, zu. Wir sind diesbezüglich mit den Vertretern der vier Schweizer Host Cities (Austragungsorte) und Kantone in Kontakt und hoffen, während der Spiele in Wien eine Gastgeberplattform anbieten zu können. Die Volkswirtschaft: Herr Knapp, Sie haben erwähnt, dass die Schweizer Botschaft in Wien bestrebt sei, mit der Euro 2008 die beiden Gastgeberländer einander (noch) näher zu bringen. Was tun Sie konkret, um dieses Ziel zu erreichen? Knapp: Wie bereits erwähnt, führen wir mit Unterstützung von «Präsenz Schweiz» ein thematisch breit angelegtes Austauschprogramm mit Österreich durch. Im Vorfeld und während der Euro 2008 finden diverse Projekte mit Kooperationspartnern aus beiden Ländern statt. Sie befassen sich mit Mode und Design, Wirtschaft, Politik, Verkehr und Wissenschaft.  Den Startschuss zu diesem intensiven Austausch haben wir übrigens bereits vor einem Jahr gesetzt mit dem erfolgreichen Jugendprojekt «Junge Schweiz». Aktuell wird die Ausstellung «belle vue» im Rahmen der Vienna Design Weeks am 5. Oktober eröffnet, und österreichische Modeschaffende werden ihre Kreationen an der Blickfang im November in Zürich präsentieren können. Neben diesen Aktivitäten findet auch auf politischer und wirtschaftlicher Ebene ein sehr reger Austausch statt, den die Botschaft nach Kräften unterstützt. Ich verweise hier auf die Zusammenarbeit des Europa Forum Luzern mit dem Europäischen Forum Alpbach sowie auf das Swiss Economic Forum, das sich nächstes Jahr auf Österreich konzentrieren wird.  Die Volkswirtschaft: Glauben Sie an einen generationenübergreifenden Effekt der Euro 2008? Weibel: Seien wir ehrlich: Generationenübergreifend wird relativ wenig von der Euro 2008 hängen bleiben. Für mich ist es im Kontext mit dem oft falsch verwendeten Begriff der «Nachhaltigkeit» viel wichtiger, dass wir nach hartem Ringen ein ökologisches Nachhaltigkeitskonzept mit messbaren Zielen und Indikatoren verabschiedet haben.  Knapp: Neben dem sehr wichtigen ökologischen Element beinhaltet die nachhaltige Entwicklung auch den sozialen und den wirtschaftlichen Aspekt. Ich erhoffe mir vor allem beim sozialen Aspekt eine gewisse Nachhaltigkeit, indem wir das Interesse der Jungen beider Länder für das Nachbarland und für alle europäischen Länder wecken können. Das Projekt «Euroschools», an dem die Botschaft auch aktiv teilnimmt, ist dafür ein gutes Beispiel.  Die Volkswirtschaft: Wie steht es in den übrigen Projekten mit der Zusammenarbeit zwischen den beiden Gastgeberländern? Weibel: Das Sicherheitskonzept ist integral ein gemeinsames Projekt – übrigens mit sehr grosser Unterstützung von deutscher Seite, die während der WM 2006 sehr viel Know-how gesammelt hat. Beim Verkehrskonzept waren wir im Lead; es konnte von Österreich nicht integral übernommen werden, weil die Schweiz hier die besseren Voraussetzungen hat. Aber die Grundidee mit dem Kombiticket ist auch im österreichischen Verkehrskonzept enthalten. Im Übrigen herrscht völlige Transparenz und ein gutes Einvernehmen zwischen den beiden Länderorganisationen. Knapp: Ich kann nur bestätigen, dass die Zusammenarbeit mit den österreichischen Partnern in allen Bereichen sehr gut läuft und dass beide Länder mit ihren Vorbereitungsarbeiten auf Kurs sind.  Die Volkswirtschaft: Deutschland hat mit der Organisation der WM 2006 eine sehr hohe Messlatte gesetzt, die kaum zu übertreffen ist. Ist das eine Hypothek für die Euro 2008? Weibel: Zum Glück ist die Messlatte, welche mit der WM 2006 gesetzt wurde, so hoch! Das bedeutet, dass wir bei der Organisation keinen einzigen Punkt holen können. Was in Deutschland besonders überraschte, war die Welle an Gastfreundschaft. In dem Sinne ist es uns hier nicht mehr möglich, zu überraschen. Dennoch werden wir uns daran messen lassen müssen.  Die Volkswirtschaft: Ambush-Marketing, an der WM 2006 als Bierstreit bekannt, hat auch im Kontext mit der Euro 2008 zu Diskussionen Anlass gegeben. Wie beurteilen Sie diese Frage? Weibel: Es ist heute bei jedem Kleinereignis gang und gäbe, dass der Hauptsponsor gegen einen Sponsor aus der gleichen Branche geschützt wird. Ich sehe darin kein grosses Problem. Die Frage ist: Wo liegen die Grenzen? Die Österreichische Wirtschaftskammer hat in einem hervorragenden Papier an ihre Mitglieder diese Grenzen klar abgesteckt: Lokales Bier darf in der Fan-Meile ausgeschenkt werden; Sponsoring und Werbung mit diesem Bier sind hingegen nicht erlaubt. Eines der Probleme des Ambush-Marketing ist, dass es keine Rechtsprechung dazu gibt. Deshalb finde ich den Ansatz der österreichischen Wirtschaftskammer, den Leuten Background-Informationen und Handlungsanweisungen zu geben, sehr überzeugend. Wir werden versuchen, das Gleiche in der Schweiz auch zu machen, vorzugsweise durch Economiesuisse.  Die Volkswirtschaft: Das bedeutet, dass der Umgang mit Ambush-Marketing viel pragmatischer ist, als er in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen wurde? Weibel: Zur kritischen Diskussion beigetragen hat hier die ursprüngliche Idee der Uefa, dass für jeden noch so kleinen Fernsehapparat in der Fan-Meile eine Uefa-Lizenz erforderlich sei. Dieser Entscheid wurde schnell korrigiert. Diese Lizenz ist nur für Bildschirme mit einer Diagonale von mehr drei Metern erforderlich. Kommerzielle Betreiber, die Eintritt verlangen oder Sponsoring betreiben, zahlen dafür 10 Franken pro Quadratmeter Bildschirm. Das bedeutet, dass für einen Monitor, der so gross ist wie ein Fussballtor, 210 Franken an Lizenzgebühren an die Uefa entrichtet werden müssen, was sehr vernünftig ist. Für kleinere Bildschirme besteht die übliche Vergütungspflicht nach schweizerischem Urheberrecht.  Die Volkswirtschaft: Welche Rolle spielt das Public Viewing im Konzept der Euro 2008? Weibel: In Deutschland wurde es in ganz grossem Stil betrieben, allerdings nur in den Host Cities. Bei uns wird es Public Viewing in 17 Städten ausserhalb der Host Cities geben. Das entlastet nicht zuletzt die Host Cities und bedeutet, dass die Euro 2008 das ganze Land berühren wird. So wird der Kanton Tessin, der etwas peripher liegt, im Vorfeld die allerbesten Mannschaften beherbergen und zwei Public-Viewing-Zonen bieten. Wir sind sehr glücklich, dass der Hauptsponsor sehr viel Geld dafür aufwendet, um dieses so genannte 5. Stadion zu ermöglichen. Die Stimmung in diesen Zonen soll noch fast besser sein als in den Stadien selber. Knapp: Public Viewing wird es natürlich auch in Österreich geben. Die Fanzonen in der Stadt Wien und die damit verbundenen Verkehrsprobleme geben schon viel zu reden. Aber auch ausserhalb der Host Cities wird es grosse Public-Viewing-Angebote geben, die unter anderem vom Verein «Österreich am Ball» unterstützt werden. Es ist geplant, dass auch die Schweiz ein Public Viewing in der österreichischen Hauptstadt anbieten wird und dort eine spezielle Gastgeberrolle übernimmt.  Die Volkswirtschaft: Zum Abschluss noch zwei persönliche Fragen: Was ist Ihre Beziehung zum Fussball? Knapp: Als Engadiner liegen mir das Bergwandern und Skifahren näher. Aber ich habe rund acht Jahre in Brasilien gelebt und die Fussballbegeisterung von dort ein Stück weit mitgenommen. Weibel: Seit ich denken kann, bin ich ein Fan der Berner Young Boys. Wenn ich mich allerdings entscheiden musste zwischen einer Bergtour und einem Besuch im Stadion, habe ich mich immer für die Bergtour entschieden.  Die Volkswirtschaft: Wer wird Europameister 2008? Und wie weit wird die Schweiz vorstossen? Knapp: Natürlich rechne ich damit, dass die Schweiz Europameister wird. Weibel: Das schönste wäre ein Final Schweiz-Deutschland.

Gesprächsleitung und Redaktion: Geli Spescha, Chefredaktor «Die Volkswirtschaft» Aufzeichnung des Gesprächs: Simon Dällenbach, Redaktor «Die Volkswirtschaft»

Kasten 1 «Weitere Informationen» www.switzerland.com

www.presence.ch

www.schweizerbotschaft.at

www.11metermode.com

Kasten 2 «Standortmarketing Euro 2008» Die Euro 2008 ist eine einmalige Chance für die Schweiz, sich Millionen von Fussballfans zu präsentieren. Das Ziel des Standortmarketings Euro 2008 ist es, diese Chance gemeinsam mit den Kantonen und den vier Austragungsorten Basel, Bern, Genf und Zürich nachhaltig zu nutzen.

Schweiz. Entdecke das Plus

Die internationale Standortkampagne steht unter dem Motto «Schweiz. Entdecke das Plus». Die Idee hinter diesem Slogan: Die Schweiz ist das einzige Land mit einem Plus im Logo. Das Plus steht für Mehrwert, für mehr Erlebnis und auch für mehr Fussball. Verschiedene Veranstaltungen und Aktionen machen im Vorfeld der Euro 2008 im In- und Ausland auf die Schweiz aufmerksam. Mittel dazu sind eine Roadshow durch sieben europäische Metropolen, die Präsenz an Events mit der Uefa sowie mit dem Partnerland Österreich. Mit der Qualifikationsauslosung in Montreux und dem «One year to go in Interlaken» (Kick-off auf dem Jungfraujoch) konnten bereits zwei Events mit grossem Medienecho durchgeführt werden. Der nächste Grossevent, der Final Draw (Auslosung für die Euro 2008) findet am 2. Dezember 2007 statt. Bereits gut genutzt wird die Website www.switzerland.com, die Informationen zur Schweiz, zu den Host Cities und zur Euro 2008 enthält. Ein gemeinsam mit Österreich hergestellter Katalog, eine Standortbroschüre Schweiz in Millionenauflage, monatliche Newsletter an ausländische Medien, Medienreisen für ausländische Journalisten, Medienkooperationen im Ausland und Medienzentren für Nicht-Sportjournalisten in den vier Host Cities während der Euro 2008 runden die Massnahmen ab.

Icon Roadshow

Der «Icon», ein begehbares, dreidimensionales Schweizerkreuz bestehend aus fünf rot-weissen Schiffs-Containern thematisiert die Schweiz als Standort für internationale Unternehmen, das hohe Niveau der ansässigen Bildungs- und Forschungsinstitute, das Ferienland sowie den Fussball in den vier Austragungsstädten und dokumentiert die kulturelle Vielfalt der Schweiz.

Das Gastgeberkonzept

Der Kernpunkt des Gastgeberkonzeptes ist die Ausbildung. Mehr als 50000 Gastgeber sollen davon profitieren: Flughafenangestellte, Zöllner, Kellner, Verkäufer, Zugbegleiter, Polizisten, Armeeangehörige, Fanbetreuer – also alle, die während der Euro 2008 in Kontakt mit Gästen kommen. Die erste Stufe, das Training der Ausbildner, dauert von Januar bis Ende Februar 2008 («Train the Trainer»). Während der zweiten Stufe von März bis Mai 2008 werden dann die Mitarbeitenden ausgebildet. Erstellt wird der Inhalt der Motivations-Module unter Führung des Teilprojekts Standortmarketing.

Zitiervorschlag: Die Volkswirtschaft (2007). Im Gespräch: Euro 2008 und öffentliche Hand. Die Volkswirtschaft, 01. November.