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Die Betriebszählung – eine Informationsquelle im Dienste der Wirtschaft und Politik

Die Betriebszählung erfasst als einzige Vollerhebung die Gesamtheit der Arbeitsstätten und Unternehmen des sekundären und tertiären Sektors der Schweiz. Sie beschränkt sich grundsätzlich auf wichtige und leicht zu erfassende Strukturmerkmale, welche die Beschaffenheit und Entwicklung der Schweizer Wirtschaft abbilden. Die Ergebnisse bilden eine qualitativ hochstehende Informationsquelle mit nationaler Tragweite für Arbeitgeber, politische Entscheidungsträger, öffentliche Verwaltungen, Journalisten, Wissenschafter, Studierende, Forschungsinstitute, Raumplanungsbüros, Interessengruppen sowie für alle Personen, die statistische Kenntnisse über die Wirtschaftsstrukturen der Schweiz gewinnen möchten.

Seit über 100 Jahren liefert die Betriebszählung (BZ) umfassende Informationen über die Wirtschaftsstrukturen von Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen der Schweiz. Ausgebildete Zähler machten 1905 zum ersten Mal Rundgänge in den Gemeinden, um die Anzahl der Betriebe und Beschäftigten aller drei Sektoren zu erheben. Diese erste BZ erfolgte nach einem Vierteljahrhundert politischer Vorarbeit der Berufsverbände. Geplant war ein Zehnjahresrhythmus, der aufgrund der beiden Weltkriege erst ab 1955 einsetzen konnte. Um der raschen Wirtschaftsdynamik gerecht zu werden, erfolgt die BZ seit Anfang der Neunzigerjahre regelmässig in Abständen von drei bis vier Jahren. Die letzte Vollerhebung geht auf Ende September 2005 zurück und richtete sich an über 370000 Arbeitsstätten mit insgesamt rund 3,7 Mio. Beschäftigten. Die nächste BZ, deren Vorbereitungen schon heute auf Hochtouren laufen, wird im September 2008 stattfinden. Ab 2011 ist eine jährliche BZ geplant, die auf Administrativ- und Registerdaten abstellt.

Spiegelbild der Schweizer Wirtschaftsstruktur


Die BZ stützt sich ausschliesslich auf wichtige strukturelle Merkmale, die einfach zu erheben sind, wie der Standort der Arbeitsstätte, die Beschäftigten und die wirtschaftliche Tätigkeit. Diese Schlüsselmerkmale werden mittels eines einfachen, kurzen Fragebogens direkt bei den Unternehmen erhoben. Um die Wirtschaftsstrukturen der Schweiz anhand einer umfangreichen Datenbank abzubilden, werden die Schlüsselmerkmale zusätzlich aufgearbeitet. Die Basismerkmale des Fragebogens werden durch sekundäre Merkmale ergänzt, die aus anderen Quellen stammen (z.B. die Rechtsform, die aus dem Betriebs- und Unternehmensregister entnommen wird) oder aus Berechnungen resultieren (z.B. die Vollzeitäquivalente). So bestimmt etwa die Sektorisierung, ob die wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens marktwirtschaftlich ist oder nicht, während die Geokodierung, ausgehend vom Gebäude- und Wohnungsregister jeder Arbeitsstätte, eine Gemeindenummer wie auch ihre geografischen Koordinaten zuordnet. Die Mehrheit dieser Nachbearbeitungen stützt sich auf Nomenklaturen und Wertebereiche, welche es ermöglichen, die statistischen Informationen zu klassifizieren und strukturieren. Der Nutzen der BZ-Ergebnisse misst sich einerseits über die Häufigkeit der Informationsanfragen, die durchschnittlich bei 100 Auskünften monatlich liegt, und andererseits über die Komplexität einzelner Anfragen. Unter strengen Datenschutzbestimmungen erhalten Kunden auf Anfrage detaillierte Daten für weitergehende Analysen. Die Daten können nur in anonymisierter Form geliefert und veröffentlicht werden, die keine Rückschlüsse auf natürliche oder juristische Personen gestattet. Die Angaben werden streng vertraulich behandelt und dürfen nur für Zwecke der Statistik, der Forschung und der Planung verwendet werden.

Konkrete Nutzungsbeispiele


Die Schlüsselmerkmale (Standort der Arbeitsstätte, Beschäftigte und wirtschaftliche Tätigkeit) erbringen der Gesellschaft einen direkten Nutzen, indem sie spezifische Informationen liefern, können aber auch, kombiniert mit den sekundären Merkmalen, zu vertieften Analysen führen und bei Entscheidungsnahmen als Grundlage dienen. Konkrete Nutzungsbeispiele illustrieren die Verwendung der BZ-Resultate.

Standort der Arbeitsstätte


Die Arbeitsstätte ist die Grundeinheit der BZ, auf welche sich die erhobenen Daten beziehen. Es handelt sich dabei um eine abgegrenzte räumliche Einheit (Laden, Büroraum, Fabrik usw.), in der eine wirtschaftliche Tätigkeit von mindestens 20 Stunden pro Woche erbracht wird. Die BZ erhebt den präzisen geografischen Standort jeder Arbeitsstätte und bestimmt anhand der Geokodierung deren exakte Standortkoordinaten (X/Y). Zudem wird jeder Arbeitsstätte der entsprechende amtliche Gemeindenamen und die BFS-Gemeindenummer zugeteilt, was die Einteilung der Produktionseinheiten auf verschiedene geografische Ebenen erlaubt. Die georeferenzierten Daten finden Eingang in diverse Projekte und dienen beispielsweise als Informationsgrundlage für Stadt- und Ortsplanungen oder zur Erarbeitung von Siedlungskonzepten. Eine Stadtverwaltung kann die regionalwirtschaftlichen Aspekte von Arbeitszonen unter Einbezug der BZ-Resultate eruieren. Sie kann feststellen, ob Betriebe in Arbeitsoder Wohn-Mischzonen angesiedelt sind, Vergleiche mit anderen Städten durchführen (Benchmarking) und allenfalls entscheiden, ob eine Arbeitszone bestehen bleiben oder eine Wohn-Mischzone erstellt werden soll. Die kleinräumigen BZ-Daten werden auch in einem Modell zur Schätzung von Mietpreisen für Büroflächen gebraucht. Ein spezialisiertes Unternehmen kann einen Objektpreis einerseits aufgrund dessen Lage in der Gemeinde und andererseits aufgrund dessen überregionaler Lage im Vergleich zu anderen Gemeinden schätzen. Ein Hektarraster ist besonders innerhalb der Städte optimal, da die kleinräumigen Unterschiede sichtbar werden und die Visualisierung der grossen Anzahl Gebäude optimal ist. Mittels eines Geografischen Informationssystem (GIS) werden BZ-Daten verschnitten und anschliessend als Indikator im Schätzungsmodell eingesetzt. Eine weitere Analyseebene ist das Unternehmen (institutionelle Einheit) als kleinste rechtlich unabhängige Einheit, die aus einer Arbeitsstätte (Einzelbetrieb) oder aus mehreren (Hauptsitz und Filialen) besteht. Die BZ unterscheidet zwischen marktwirtschaftlichen und nicht marktwirtschaftlichen Unternehmen, sodass der Non-Profit-Sektor in der Schweiz statistisch erfasst werden kann. Die Unternehmen werden zudem nach ihrer Rechtsform klassifiziert, was die Definition des öffentlichen und des privaten Sektors ermöglicht. Dank diesen Angaben kann ein Forschungsinstitut die Dichte und Entwicklung von Verwaltungseinheiten von Kantonen und Städten über die Zeit hinweg vergleichen.

Beschäftigte


Als Beschäftigte gelten alle Personen, die am Stichtag in einer Arbeitsstätte während mindestens 6 Stunden pro Woche eine Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie entlöhnt werden oder nicht (inkl. Inhaber und mitarbeitender Familienangehörigen). Beschäftigte mit mehreren Arbeitgebern werden mehrmals gezählt (bei jedem Arbeitgeber einmal). Um die Resultate miteinander vergleichen zu können, wird die Anzahl Beschäftigte auf Vollzeitäquivalente (VZÄ) umgerechnet; zwei 50%-Stellen ergeben z.B. ein VZÄ. Diese Umrechnung gewährt eine genauere Messung der Entwicklung der Beschäftigtenzahl und eliminiert die durch die Zunahme der Teilzeitarbeit bedingte Verzerrung. Aufgrund der VZÄ werden die Unternehmen zusätzlich nach Grössenklassen unterteilt. Kleine- und Mittlere Unternehmen (KMU) zählen weniger als 250 VZÄ, Grossunternehmen 250 oder mehr. Die BZ-Ergebnisse erlauben folglich, die Bedeutung der KMU für die Schweizer Wirtschaft zu berechnen oder die durchschnittliche Grösse der Unternehmen gemäss ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu bestimmen. Die BZ erhebt die Anzahl der Beschäftigten, gegliedert nach Beschäftigungsgrad, Geschlecht und Herkunft, aber auch die Anzahl Lehrlinge und Grenzgänger einer Arbeitsstätte. Lehrlinge gelten als Vollzeitangestellte und werden zu den Beschäftigten der Arbeitsstätte gezählt, in der sie tätig sind. Die Ausbildungsbereitschaft eines Betriebes kann anhand der erhobenen Lehrlingszahlen pro Arbeitsstätte erfasst werden. Zudem kann die Entwicklung der Lehrlingszahl pro Arbeitsstätte, Betriebsgrösse, Branche und Region dank den BZ-Resultaten über die letzten 20 Jahre verfolgt werden. Als Indikator eingesetzt, können politische Entscheidungsträger überprüfen, ob Massnahmen zur Förderung von Ausbildungsplätzen für Lehrlinge greifen. Weiter kann die Wirtschaftsförderung eines Kantons die Entwicklung der Beschäftigung über eine längere Periode nachzeichnen und die Branchen bestimmen, welche die meisten Arbeitsplätze schaffen. Sie kann zudem die Agglomerationen oder Gemeinden mit der stärksten Beschäftigtenzunahme ausmachen oder das Wachstum der Teilzeitbeschäftigten messen, um politische Massnahmen auszuarbeiten. Auch im Bereich der öffentlichen Verwaltungen sind die BZ-Ergebnisse von grossem Nutzen: Eine Gemeinde kann ihren Bedarf an Strasseninfrastruktur, Wohnungen oder Schulen aufgrund der Niederlassung neuer Unternehmen oder der Schaffung neuer Arbeitsplätze in bestimmten wirtschaftlichen Aktivitäten planen. Die Anzahl Beschäftigte einer Gemeinde fliesst auch in die Berechnung des Finanzausgleichs ein, da sie einer der gewichteten Faktoren ist, die zur Kalkulation des Finanzbedarfs nötig sind.

Wirtschaftliche Tätigkeit


Die Arbeitsstätten werden entsprechend ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit klassifiziert. Der grösste Beitrag einer Tätigkeit zur Wertschöpfung oder die Tätigkeit mit den meisten Beschäftigten (VZÄ) definiert die Haupttätigkeit. Die Branchenzuteilung erfolgt auf der Basis der Allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige Noga (Nomenclature générale des activités économiques). Dank dieser Nomenklatur können die Wirtschaftsstrukturen der aktiven Arbeitsstätten der Schweiz international verglichen werden.  Zudem kann der Noga-Code – zusammen mit der Überlebensrate von neu gegründeten Unternehmen – über die Attraktivität und die Risikowahrscheinlichkeit einer Branche Auskunft geben. Analysiert man die Ergebnisse zusätzlich nach der Anzahl Arbeitsstätten und Beschäftigte, ist es möglich, das Marktpotenzial eines Produktes oder einer Dienstleistung zu kalkulieren. So kann ein Produktlieferant oder ein Dienstleistungsanbieter von Konditoreien und Bäckereien sein Potenzial eruieren und seine Penetrationsstrategie des Marktes anhand der Streuung und Anzahl von Lebensmittelhändlern oder Shop-Convenience (Quartierläden, Tankstellen usw.) festlegen.

Ein grösseres Informationsangebot im Visier


Um die Wirtschaftsstrukturen der Schweiz in kürzeren Abständen regelmässig zu beschreiben und die administrative Belastung der Unternehmen durch Befragungen zu verringern, plant das BFS ab 2011 eine jährliche, auf Administrativ- und Registerdaten basierende Erhebung. Dieses Verfahren bringt nicht nur neue Daten in einem schnelleren Rhythmus, sondern auch eine Erweiterung des Informationsangebots. Die Datenbenutzenden werden von aktuelleren Angaben über die Wirtschaftsstruktur der Schweiz profitieren und diese in ihre Studien und Analysen, aber auch ihren Entscheidungsfindungsprozess einbeziehen. Ebenso werden sie ihren Analyseradius erweitern können, da sie über eine umfangreichere Informationsquelle verfügen werden.

Grafik 1 «Entwicklung der Arbeitsstätten und der Beschäftigten nach Kantonen, 2001-2005»

Grafik 2 «Beschäftigte absolut gemäss Betriebszählung Schweiz, 2005»

Grafik 3 «Arbeitsstätten absolut gemäss Betriebszählung Schweiz, 2005»

Kasten 1: Informationen Zögern Sie nicht, für zusätzliche Informationen oder Bestellungen unseren Auskunftsdienst in Anspruch zu nehmen: Tel. 032 713 62 66 oder E-Mail: bzinfo@bfs.admin.ch.

Zitiervorschlag: Pauline Morard, Maria Savoldelli, (2008). Die Betriebszählung – eine Informationsquelle im Dienste der Wirtschaft und Politik. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.