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Die Stromlücke darf nicht zur Perspektive des Wirtschaftsstandorts Schweiz werden

Die Stromlücke darf nicht zur Perspektive des Wirtschaftsstandorts Schweiz werden

Eine sichere Stromversorgung ist Grundlage für eine leistungsfähige Wirtschaft. Der Wirtschaftsstandort Schweiz wäre durch eine mangelhafte Stromversorgung ernsthaft gefährdet. Der Bundesrat hat bei seinem Richtungsentscheid zur Energiepolitik der Schweiz die herausragende Bedeutung von Grosskraftwerken für den Ersatz der heute in Betrieb stehenden Kernkraftwerke erkannt. Energieeffizienz und erneuerbare Energien werden allenfalls einen Beitrag – vor allem im Gebäude- und Mobilitätsbereich – leisten können. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, bis 2020 die sich öffnende Stromlücke zu füllen und die Versorgung sicherzustellen. Kernkraftwerke der neusten Generation werden dabei aus den Gründen des Klimaschutzes eine Schlüsselrolle einnehmen.

Strom ist nicht lagerbar und muss jederzeit entsprechend der nachgefragten Leistung zur Verfügung stehen. Das Stromangebot muss daher mit dem Verbrauch mitwachsen. Der Stromverbrauch der Schweiz hat jedoch seit 1990 um 24%, die inländische Stromproduktion dagegen nur um 13% zugenommen. In den letzten Jahren hat sich die Schweiz vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur von Strom gewandelt.  Nach wie vor kann die Schweiz auf Importe aus den Nachbarländern zurückgreifen. Allerdings verknappt sich auch in der EU das Stromangebot laufend. Zusätzliche Stromimporte sind für die Schweiz daher nur in beschränktem Ausmasse möglich. Technische Einschränkungen und Vorschriften, welche im Zuge der internationalen Strommarktliberalisierung und im Nachgang zum Blackout 2003 in Italien erlassen wurden, setzen zudem enge Grenzen. Stromimporte werden ausserdem immer kostspieliger, da im Falle von Engpässen nur dem Meistbietenden das Recht zum internationalen Stromtransport erteilt wird.

Kritischste Phase der Stromversorgung um 2020


Schon ab 2012 könnte die Versorgungslage der Schweiz bei länger andauernden Hitzeoder Kälteperioden kritisch werden. Ab 2020 wird sich der Mangel an Elektrizität noch weiter akzentuieren, da ab diesem Zeitpunkt die erste Generation der inländischen Kernkraftwerke das Ende der Betriebsdauer erreichen wird. Die daraus resultierende Stromversorgungslücke würde zwangsläufig zu Netzabschaltungen führen. Das Ausmass an drohenden volkswirtschaftlichen Schäden lässt sich heute nicht abschätzen.  Der Bundesrat hat zur Abwendung dieser Gefahr eine erste wichtige Weichenstellung vorgenommen. In seinem Entscheid vom 21.Februar 2007 hat er sich für den Bau neuer Grosskraftwerke ausgesprochen. Im Weiteren soll die Energieeffizienz verbessert und die Nutzung der erneuerbaren Energien verstärkt werden. Diese werden vor allem im Mobilitäts- und Gebäudebereich wirksam sein. Die effizientere Energieverwendung in Gebäuden mittels Wärmepumpen und moderner Gebäudetechnik senkt die CO2-Emissionen der Schweiz, erhöht jedoch den Stromverbrauch. Auch die verstärkte Nutzung des öffentlichen Verkehrs und der Vollausbau der Neat tragen zu vermehrtem Stromverbrauch bei. Der Einsatz von Elektrizität ist deshalb für den Gesamtenergieverbrauch und den Klimaschutz von grosser Bedeutung.

KKW – einzig wirtschaftliche Grosskraftwerke


Da Bewilligungsverfahren und Bau der Anlagen viel Zeit beanspruchen, müssen die erforderlichen Entscheide für den Bau neuer Grosskraftwerke möglichst frühzeitig gefällt werden. Die Auswahl an Technologien für neue Grosskraftwerke hält sich in engen Grenzen. Gaskombikraftwerke können unter den vom Parlament festgelegten Bedingungen zur Kompensation der entstehenden CO2-Emissionen nicht wirtschaftlich betrieben werden. Wegen der Ungewissheit über die zukünftige Klimapolitik der Schweiz ist die Ausgangslage auch für andere, auf fossilen Energieträgern beruhende Stromerzeugungstechnologien ungünstig.  Will die Schweiz weiterhin zum Schutz des Klimas an der Verminderung ihrer CO2-Emissionen festhalten, bleibt einzig die Stromerzeugung aus Kernkraftwerken der neusten Generation. Mit diesen Anlagen wäre die Schweiz weiterhin in der Lage, ihre Stromversorgung sicher, umweltschonend und kostengünstig zu gewährleisten. Derzeit liegt der Ball bei den Elektrizitätserzeugungsunternehmen, ihre Gesuche einzureichen bzw. Bewilligungen für den Ersatz bestehender Kernkraftwerke einzuholen. Bundesrat, Parlament und – dank dem erst seit wenigen Jahren geltenden neuen Kernenergierecht – schliesslich das Volk werden dann über diese Bewilligungen entscheiden. Gegenüber früheren Volksabstimmungen zur Kernenergie wird es um ein Bekenntnis zu Wirtschaftsstandort, Versorgungssicherheit und Klimaschutz gehen. Die Wirtschaft steht hinter diesem Bekenntnis.

Zitiervorschlag: Urs Naef (2008). Die Stromlücke darf nicht zur Perspektive des Wirtschaftsstandorts Schweiz werden. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.