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Wasserkraft von unnötigen Fesseln befreien!

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Der Strom aus Wasserkraft ist für die Versorgungssicherheit unseres Landes von zentraler Bedeutung. Dank den Speicherkraftwerken verfügt die Schweiz zudem über eine hervorragende Position im europäischen Strommarkt. Trotz dieser elektrizitäts- und wirtschaftspolitisch wichtigen Bedeutung tut sich die Politik schwer mit einer wirksamen Förderung der Wasserkraftnutzung. Die Schweiz sollte nicht nur im Bereich der Energieeffizienz und der Förderung erneuerbarer Energien europakompatibel werden, sondern vor allem auch im Bereich der Bewilligungsverfahren.

Zentral für Versorgungssicherheit und CO2-Bilanz


Der Anteil der Wasserkraft an der gesamten Schweizer Stromproduktion beträgt im langjährigen Durchschnitt 56%. Demgegenüber erreicht die gesamte Produktion aus Sonne, Wind und Biomasse derzeit nicht einmal 1%. Die Wasserkraftproduktion weist einige Vorzüge auf, die sie von anderen erneuerbaren Energien deutlich abhebt und sie auch auf dem nationalen und internationalen Strommarkt konkurrenzfähig macht, wie hoher Wirkungsgrad (geringe Verluste), ausgereifte Technologie, Speicherfähigkeit und Lieferant von Spitzenstrom (kW). Deshalb, aber auch aufgrund ihrer mengenmässigen Bedeutung, ist und bleibt die Wasserkraft der wichtigste Pfeiler für die Versorgungssicherheit unseres Landes. Gleichzeitig ist die Wasserkraft ein umweltpolitischer Trumpf, trägt sie doch in überwiegendem Masse zur weit gehend CO2-freien Stromproduktion der Schweiz bei.  Dank den Pumpspeicherkraftwerken erwirtschaftete die schweizerische Stromindustrie im Jahre 2006 im internationalen Stromhandel einen positiven Saldo von rund 1 Mrd. Franken. Mit den Pumpspeicherkraftwerken kann die im Ausland günstig eingekaufte Bandenergie nämlich in wertvolle Spitzenenergie transformiert und auf dem internationalen Strommarkt teuer verkauft werden. Dieser Wettbewerbsvorteil ist volks- und regionalwirtschaftlich wichtig. Das Berggebiet profitiert, weil es einen der wenigen Standortvorteile nutzen kann. Aber auch die Mittellandkantone profitieren, weil die Elektrizitätskonzerne dort ihre Firmensitze haben, Arbeitsplätze generieren und Steuern bezahlen.

Ausbau von Wind- und Sonnenstrom nur mit Speicherenergie möglich


Schliesslich ist auch der internationale Ausbau der Stromproduktion aus Wind und Sonne ohne Wasserkraft undenkbar. Wind- und Sonnenstrom fällt nämlich unregelmässig an und benötigt zur Glättung der Produktionsschwankungen Ausgleichsenergie. Diese liefern die Speicherkraftwerke. Folglich sind diese auszubauen. Würde die Ausgleichsenergie nämlich in ausländischen Gaskraftwerken mit beschränktem Wirkungsgrad produziert, liefe dies den Anstrengungen zur Verminderung des CO2-Ausstosses zuwider und die Schweiz verlöre ihre starke Stellung im Strommarkt.

Den Zielvorgaben sollten wirksame Massnahmen folgen


Aus den vorerwähnten Gründen sollte die Wasserkraftnutzung politisch eigentlich mit besonderer Aufmerksamkeit rechnen können. Dies ist aber nur beschränkt der Fall. Einen zaghaften Schritt tat das Parlament, indem es im revidierten Energiegesetz festlegte, dass die Wasserkraftproduktion bis im Jahr 2030 – im Vergleich zum Stand im Jahr 2000 – um mindestens 2000 GWh pro Jahr erhöht werden soll. Diese Zielvorgabe ist jedoch rein proklamatorischer Natur. Zudem wird die Umsetzung der Gewässerschutzbestimmungen bis ins Jahr 2030 Produktionseinbussen von insgesamt zwischen 2000 bis 3000 GWh pro Jahr nach sich ziehen. Real muss die Wasserkraftnutzung somit etwa um 4000-5000 GWh pro Jahr erhöht werden, ansonsten das vorgegebene Ziel nicht erreicht werden kann. Alleine mit Effizienzverbesserungsmassnahmen bei bestehenden Werken und der Förderung von kleinen Wasserkraftwerken (<10 MW) lässt sich die nötige Produktionssteigerung nicht bewerkstelligen. Dazu ist ein Ausbau der grossen Wasserkraft nötig. Potenzial ist vorhanden. Die Elektrizitätsgesellschaften prüfen derzeit intensiv alte und neue Projekte. Damit es nicht beim Prüfen bleibt, sondern zu Investitionsentscheiden kommt, sind die Rahmenbedingungen für die Wasserkraftnutzung zu verbessern und nicht zusätzlich zu erschweren, wie dies beispielsweise die Volksinitiative «Lebendige Wasser» will. Gefragt ist keine Aushöhlung des Gewässerschutzes; er sollte aber von Schematismen befreit und flexibler ausgestaltet werden. Weiter ist der heute verlangte Detaillierungsgrad bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen kritisch zu hinterfragen – gerade wenn es um den Weiterbetrieb und Ausbau bestehender Kraftwerke geht. Der hier vorhandene Spielraum für Vereinfachungen wäre vom Parlament dringend zu nutzen. Damit könnte ein wertvoller Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung geleistet werden.

Kasten 1: Unterschiedliche Dauer der Bewilligungsverfahren
Die Rätia Energie AG (RE) ist ein international tätiges Elektrizitätsunternehmen, das über Kraftwerke in der Schweiz und in Italien verfügt und Kraftwerksbeteiligungen in anderen europäischen Ländern hält. In Italien (Teverola) realisierte die RE ein Gaskombi-Kraftwerk. Vom Projektbeschluss bis zur Inbetriebnahme des Werkes dauerte das gesamte Verfahren rund 5 Jahre. In der Schweiz will die RE einen Ausbau ihrer bestehenden oberen Kraftwerkstufe Lago Bianco-Robbia realisieren. Das Verfahren dauert bereits rund 15 Jahre und ist noch nicht abgeschlossen (hängige Beschwerde von Umweltorganisationen vor Bundesgericht).

Zitiervorschlag: Ramming, Fadri (2008). Wasserkraft von unnötigen Fesseln befreien! Die Volkswirtschaft, 01. Januar.