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Wettbewerbsfähigkeit und internationale Öffnung – eine Übersicht

Internationale Wettbewerbsfähigkeit steht für die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, auch in einer sich immer enger verflechtenden Welt dauerhaft den Erfolg ihrer Unternehmen zu sichern und den Wohlstand ihrer Bevölkerung zu steigern. Im Einleitungskapitel des Aussenwirtschaftsberichts 2007 hat sich der Bundesrat mit der Frage auseinandergesetzt, was die Aussenwirtschaftspolitik zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen könnte. Der folgende Artikel fasst das Kapitel zusammen. Es kommt zum Schluss, dass eine Wachstumspolitik, welche die Öffnung der Wirtschaftsbranchen vorantreibt und den Zugang zu Auslandmärkten sichert, für eine kleine und hoch entwickelte Volkswirtschaft wie die Schweiz am besten geeignet ist, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Volkswirtschaft zu halten und zu verbessern.

 

Zum Begriff der Wettbewerbsfähigkeit


Der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit wird in Politik und Medien nicht einheitlich verwendet. Aber auch in der Ökonomie herrscht keine Einigkeit darüber, was unter dem Ausdruck zu verstehen ist. (vgl. den Artikel von Karl Aiginger auf S. 19 ff in dieser Ausgabe). Manche Ökonomen meinen gar, der Begriff der Wettbewerbsfähigkeit werde zu oft missbraucht, um angesichts einer produktiveren ausländischen Konkurrenz Forderungen nach dem Schutz der eigenen Branche durch den Staat zu untermauern. Dabei ist «Konkurrenz» zwischen Volkswirtschaften nicht mit dem Wettbewerb zwischen Unternehmen zu vergleichen: – Wird ein Unternehmen produktiver, so gewinnt es tendenziell Marktanteile zu Lasten von Konkurrenten. Wenn die Konkurrenten nicht mithalten können, sind sie von Übernahme oder Konkurs bedroht. – Wird dagegen eine Volkswirtschaft produktiver, so geschieht dies regelmässig zum Vorteil anderer Volkswirtschaften, da sie deren Produkte günstiger importieren und oft auch mehr in die wachsende Volkswirtschaft exportieren können.   Berücksichtigt man vereinfachend nur die Kosten, so muss eine Volkswirtschaft vor allem ihre Lohnstückkosten im Griff behalten, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben will. Lohnstückkosten werden anhand der Kosten einer Arbeitsstunde errechnet, dividiert durch den Wert der Leistung, die mit dieser Stunde Arbeit erzielt wird. Als Standort wird ein Wirtschaftsraum dann attraktiv, wenn er im Vergleich zu anderen Standorten tiefe Lohnstückkosten bietet. Zu hohe Arbeitskosten und zu tiefe Arbeitsproduktivität führen bei uneingeschränkter Importnachfrage fast zwangsläufig über kurz oder lang zur Abwertung der Währung als letztem Ausweg zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit – mit den bekannten damit verbundenen Nachteilen.  Um einen Wertverlust der eigenen Währung auszuschliessen, kann eine Volkswirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit bei steigenden Löhnen nur dann halten, wenn sie auch die Produktivität im Vergleich zum Ausland im entsprechenden Umfang steigert. Der amerikanische Ökonom Paul Krugman trieb diesen Zusammenhang auf die Spitze, indem er sich dahingehend äusserte, dass mit dem Begriff «Wettbewerbsfähigkeit» wohl die Produktivität selbst gemeint sei. «…for an economy with very little international trade, competitiveness would turn out to be a funny way of saying productivity», Krugman Paul, Competitiveness: A Dangerous Obsession, in: Foreign Affairs März/April 1994, S. 32.Allerdings steckt im Begriff der Wettbewerbsfähigkeit auch ein Gedanke an die zukünftigen Produktivitätssteigerungen. Wettbewerbsfähigkeit ist also dann gewährleistet, wenn in den Firmen, den Wirtschaftszweigen und bei den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen laufend genügend Anpassungen erfolgen. Denn nur so kann ein reiches Land wie die Schweiz trotz neuer Wettbewerber auf den Weltmärkten ein Leistungsniveau an der internationalen Spitze halten und folglich weiterhin vergleichsweise hohe Löhne und Kapitaleinkommen erzielen. Die Verbesserung der Arbeitsproduktivität ist also der Königsweg zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in einem weiteren Sinn, in dem es nicht um Weltmarktanteile, sondern um den erreichten individuellen Wohlstand geht. Hohe Löhne, wie wir sie in der Schweiz kennen, gefährden die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts in dieser Sicht nicht, sofern sie durch eine hohe Produktivität gestützt werden.

Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstumspolitik


Die Arbeitsproduktivität in der Schweiz ist im internationalen Vergleich bekanntlich nicht mehr Spitze. Sie kann aber die unter den fortgeschrittensten Industriestaaten nurmehr mittelmässige Stundenproduktivität mit einer hohen Erwerbsbeteiligung sowie langen Arbeitszeiten kompensieren und erzielt deshalb trotzdem ein hohes Pro-Kopf-Einkommen. Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeiten werden sich hierzulande – gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung – jedoch kaum mehr wesentlich steigern lassen. Deshalb liegt der Schlüssel zu wirtschaftlichem Wachstum für die Schweiz in weiteren Produktivitätsverbesserungen. Wachstumspolitische Massnahmen, die Produktivitätssteigerungen zum Ziel haben, dienen immer auch der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Internationale Öffnung fördert die Wettbewerbsfähigkeit wesentlich


In der schweizerischen Wachstumspolitik wurde die Öffnung der binnenorientierten Wirtschaftszweige in den Vordergrund gerückt – aus gutem Grund, wie internationale Quervergleiche deutlich machen. Denn gerade in den Bereichen, in denen die internationale Handelbarkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist – etwa in staatlichen oder vor Wettbewerb geschützten Bereichen – zeigen sich eine besonders ausgeprägte Überhöhung des schweizerischen Preisniveaus und ein augenscheinlicher Rückstand bei der Produktivitätsentwicklung gegen-über dem umliegenden Ausland. Die internationale Öffnung geschützter Branchen ist deshalb ein entscheidendes Element zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Neben dem Effekt der Produktivitätssteigerung würde dies auch die Verhandlungsposition der Schweiz beim Marktzugang im Ausland verbessern. Die Schweiz könnte in Freihandelsabkommen und in der WTO eine offensivere Position zu Gunsten derjenigen Branchen vertreten, in denen sie selbst komparative Vorteile besitzt und ihre Märkte bereits geöffnet hat. Länder, die wirtschaftlich stark wuchsen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbesserten, haben sich in aller Regel auch besonders stark in die Weltwirtschaft integriert. Die Aussenhandelsverflechtung ist beispielsweise im Fall Irlands zwischen 1992 und 2005 von 57% auf 75% angestiegen. Im Fall der Schweiz blieb es im gleichen Zeitraum bei einem vergleichsweise bescheidenen Anstieg von 33% auf 45%. Eine kleine und hoch entwickelte Volkswirtschaft wie die Schweiz kann Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit kaum steigern, ohne von den Vorteilen der internationalen Arbeitsteilung zu profitieren; sie ist deshalb auf die internationale Öffnung angewiesen. Der wirtschaftliche Erfolg erhöht wiederum die Bereitschaft zur weiteren Öffnung. Wissenschaftlich ist die These weit gehend unangefochten, dass sich internationaler Handel zum Vorteil beider beteiligter Staaten auswirkt. Aufgrund des Strukturwandels profitieren jedoch nicht alle Akteure in gleichem Ausmass. Im Fall der Schweiz haben allerdings Relativierungen der Vorteile des internationalen Handels für ganze Volkswirtschaften kaum Relevanz, angesichts unserer weit entwickelten, breit diversifizierten Wirtschaftsstruktur und unseres flexiblen Arbeitsmarktes. In den folgenden Abschnitten wird deshalb der Grad der Öffnung der Schweizer Wirtschaftsbranchen mit dem in den einzelnen Branchen erreichten Niveau der Arbeitsproduktivität in Beziehung gesetzt.

Die Schweizer Wirtschaftsbranchen im Vergleich


Das Verhältnis von Handel und Bruttoinlandprodukt (BIP) wird vielfach als Indikator für den Offenheitsgrad im Bereich des Handels verwendet. Eine tiefe Verhältniszahl bedeutet in diesem Zusammenhang nicht zwangsläufig, dass hohe Handelsschranken bestehen, sondern ist unter Umständen auf die Grösse des Landes, die grosse Entfernung zu den Handelspartnern oder die Wirtschaftsstruktur – beispielsweise einen hohen Anteil von Dienstleistungen, die sich nur in beschränktem Masse für den grenzüberschreitenden Handel eignen – zurückzuführen. Gemäss diesem Indikator liegt die Schweiz mit einem Verhältnis von 44,5% im Jahr 2005 (gegenüber 33% im Jahr 1995) etwa im Durchschnitt der OECD-Länder, während andere Ländern vergleichbarer Grösse einen deutlich höheren Wert aufweisen (Belgien 86%, Irland 75%, Niederlande 66%, Österreich 52%, Dänemark 46%). Von ebenso grosser Bedeutung sind jedoch weitere Indikatoren der internationalen Öffnung eines Landes, wie die Mobilität von Personen und Kapital (Investitionen) sowie der Handel im Technologiebereich. Die Relevanz dieser Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz wird im Artikel von Arvanitis, Hollenstein und Näf auf Seite 10 ff. in diesem Heft näher beleuchtet.  Unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Indikatoren ist die Schweizer Wirtschaft insgesamt gut in die Weltwirtschaft integriert. Allerdings bestehen diesbezüglich zwischen den verschiedenen Wirtschaftsbranchen beträchtliche Unterschiede. Dies lässt sich beispielsweise feststellen, indem man die Importdurchdringungsrate Die Importdurchdringungsrate in den einzelnen Wirtschaftszweigen entspricht dem jeweiligen Anteil der Einfuhren an der Binnennachfrage, die sich wiederum aus der Summe von Inlandproduktion und Importen abzüglich der Exporte ergibt. der verschiedenen Schweizer Wirtschaftsbranchen miteinander vergleicht. Ein Land, das gut in die Weltwirtschaft integriert ist und einen hohen Spezialisierungsgrad aufweist, ist durch eine hohe Importdurchdringungsrate gekennzeichnet. Da sich ein solches Land nicht in einer grossen Zahl von Wirtschaftsbranchen und Unterbranchen spezialisieren kann, ist es vermehrt von Importen abhängig. Gleichzeitig setzen Unternehmen aus Branchen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, einen immer grösseren Anteil ihrer Produktion im Ausland ab.

Importdurchdringung im Güterbereich


Dies lässt sich anhand der Grafik 1 nachvollziehen: Sie zeigt die Position von verschiedenen Schweizer Wirtschaftsbranchen im Güterbereich auf der Grundlage der Importdurchdringungsrate (horizontale Achse) und des Exportanteils (vertikale Achse). Eine Positionierung im oberen rechten Viertel ist Ausdruck der Entwicklung des intra-industriellen Handels, der für Industrieländer charakteristischen Handelsform, in der unterschiedliche Güter innerhalb derselben Marktsegmente untereinander gehandelt werden. Dabei handelt es sich in der Regel um kapital- und technologieintensive Produkte, zu deren Herstellung hoch qualifizierte Mitarbeitende erforderlich sind. Eine solche internationale Arbeitsteilung ist für eine kleine Volkswirtschaft wie die Schweiz von ausschlaggebender Bedeutung. Denn auf dieser Basis lässt sich ein Nutzen aus einer hoch entwickelten Spezialisierung, aus Skalenerträgen und aus einer grösseren Vielfalt von Halb- und Fertigfabrikaten ziehen. Die Grafik 1 ist durch eine Gerade in zwei Bereiche unterteilt. Eine grosse Differenz zwischen dem Exportanteil und der Importdurchdringungsrate ist Ausdruck der hohen Spezialisierung der Schweizer Wirtschaft wie auch der klaren Exportorientierung in den Bereichen Präzisionsinstrumente, chemische Erzeugnisse und Maschinen. Umgekehrt sind die Branchen Radio- und Fernsehgeräte sowie Textilien dadurch gekennzeichnet, dass die Importdurchdringungsrate höher ist als der Exportanteil. Dieses Verhältnis ist charakteristisch für die Branchen, in denen die Schweiz einen komparativen Nachteil aufweist. Durch ihre Positionierung im unteren linken Viertel der Grafik 1 unterscheiden sich die Landwirtschaft und Lebensmittel klar von allen anderen Güterbranchen. Die Angaben beziehen sich auf Werte in Franken. Der im Landwirtschaftsbericht 2007 erwähnte Selbstversorgungsgrad von 59% (2005) bei Lebensmitteln ist in Kalorien berechnet und daher nicht vergleichbar. Die tiefe Importdurchdringungsrate resultiert aus dem starken tarifären und nichttarifären Schutz an den Grenzen, der mit einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit in den Aussenmärkten einhergeht. Ausdruck davon ist die bescheidene Leistung im Exportbereich.

Dienstleistungsbereich


Wie verhält es sich diesbezüglich mit den Dienstleistungen? Da die entsprechenden Erhebungen gewisse Lücken aufweisen, müssen die Daten zum Handel mit Dienstleistungen vorsichtig interpretiert werden. So sind beispielsweise die Angaben zum Handel mit Dienstleistungen für Unternehmen lückenhaft, obwohl die Bedeutung dieser Branche in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Auch im Tertiärsektor bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen. Der verhältnismässig hohe Exportanteil der Bank- und Versicherungsbranche sowie bei Logistik und Tourismus ist Ausdruck der hohen Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen in den ausländischen Märkten. Im Gegensatz dazu sind die Branchen Infrastruktur, Bildung und Gesundheit durch verhältnismässig tiefe Importdurchdringungsraten und Exportanteile gekennzeichnet. Dies lässt sich nur zum Teil mit dem Umstand erklären, dass diese Dienstleistungen weniger austauschbar sind. Ein wesentlicher Grund ist auch der Umstand, dass diese Wirtschaftsbranchen dem inländischen und internationalen Wettbewerb nur in geringem Mass ausgesetzt sind – entweder wegen ihrer starken Regulierung oder weil deren Finanzierung durch die öffentliche Hand wenig wettbewerbsorientiert erfolgt. Jene Wirtschaftsbranchen, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, weisen eine höhere Stundenproduktivität auf. Das unterschiedliche Ausmass, in dem die verschiedenen Branchen dem internationalen Wettbewerb unterstehen, hat beträchtliche Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung der Schweiz. Grafik 2 zeigt das auf der Ebene der Branchen ermittelte Produktivitätsniveau. Daraus geht hervor, dass sich die Branchen Industrie, Finanzdienstleistungen und Versicherungen durch eine hohe Leistungsfähigkeit ausweisen. Das Schlusslicht bilden wiederum Branchen, die insbesondere durch tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse vor dem Wettbewerb geschützt werden. Dazu gehören die Landwirtschaft, die nur in geringem Masse austauschbaren Personaldienstleistungen, die Gesundheitsleistungen und das Baugewerbe. Die hohe Produktivität der Branche Elektrizitäts- und Wasserversorgung ist darauf zurückzuführen, dass dieser Wirtschaftszweig sehr kapitalintensiv ist. Die vergleichsweise tiefe Produktivität der Tourismusbranche dagegen lässt sich damit erklären, dass in diesem Sektor eine verhältnismässig grosse Zahl von nur gering qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigt ist.

Massnahmen zur weiteren Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit


Aus der branchenbezogenen Analyse und der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Experten geht hervor, dass die Schweiz recht gut gerüstet ist, um sich den Herausforderungen der Globalisierung zu stellen (vgl. dazu den Artikel von Flückiger auf Seite 15 ff.). Doch damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit bewahren kann, muss die Schweiz weitere Reformen einleiten, und zwar besonders in folgenden vier Schwerpunkten: – Die Handelshemmnisse an den Grenzen sind weiter abzubauen, um die internationale Öffnung der noch zu stark abgeschotteten Branchen zu fördern. Im Güterbereich müssen vor allem in der Landwirtschaft und in der Agroindustrie entsprechende Massnahmen getroffen werden.  – Die Liberalisierung des Binnenmarkts insbesondere im Infrastrukturbereich muss fortgeführt werden. In diesen Branchen ist für den wirksamen Wettbewerb eine Marktöffnung für neue Akteure aus dem In- und Ausland sowie eine wettbewerbsfreundliche Regulierung besonders wichtig. – Um eine weitere Spezialisierung der Schweiz auf Wirtschaftsbranchen mit hoher Wertschöpfung zu unterstützen, müssen noch vermehrt und mit höherer Effizienz öffentliche Mittel in den Bildungsbereich investiert werden.  – Schliesslich ist die internationale Mobilität von hoch qualifiziertem und spezialisiertem Personal sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmenden von ausschlaggebender Bedeutung. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit dem Austausch von Know-how. Das mit der EU abgeschlossene Abkommen über den freien Personenverkehr spielt diesbezüglich eine entscheidende Rolle.

Grafik 1 «Exportneigung und Importdurchdringungsrate im Güterbereich, 2001»

Grafik 2 «Produktivität der Schweizer Branchen in Vollzeitäquivalenten, 2006»

Grafik 3 «Komparative Vor- und Nachteile der Schweiz, 1980-2006»

Kasten 1: Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz im Urteil der internationalen Experten Unter den internationalen Experten ist unbestritten, dass Produktivitätssteigerungen die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft verbessern. Unklar bleibt aber sowohl unter den Experten wie auch in der Ökonomie insgesamt, welche Faktoren den Ausschlag für zukünftige Steigerungen der Produktivität geben. Dies widerspiegelt sich u.a. darin, dass die Schweiz in den Beurteilungen des WEF (Rang 2 unter 131 Staaten)a und des IMD (Rang 6 unter 55 Staaten)b hervorragend abschneidet, obwohl sie gemäss den Analysen zur Wachstumspolitik bei der Produktivitätsentwicklung in den vergangenen 15 Jahren im Vergleich zum Ausland an Boden verloren hat. Ein Problem der Ranglisten zur Wettbewerbsfähigkeit liegt darin, dass unklar bleibt, wie der Reichtum von heute – der einen Standort zweifellos attraktiv machen kann – gegen das Wachstum von morgen aufgewogen werden soll. Die KOF, deren breitere Analysen in dieser Ausgabe im Artikel von Arvanitis, Hollenstein und Ley dargestellt werden, umgeht dieses Problem, indem sie auf eine aggregierte Rangliste verzichtet. Auch sie kommt aufgrund ihrer Analyse verschiedenster Faktoren aber zum Schluss, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz sei grundsätzlich gut.cTrotz methodischer Probleme und unterschiedlicher Bewertungen sind sich die vorgestellten Untersuchungen aber in wesentlichen Punkten weit gehend einig. Folgende Punkte zählen zu den Stärken der Schweiz als Wirtschaftsstandort:- das stabile und transparente institutionelle Umfeld;- der flexible und seit Einführung der Personenfreizügigkeit durch weniger Engpässe gekennzeichnete Arbeitsmarkt sowie die Attraktivität der Schweiz für ausländische Arbeitnehmende;- die Steuerpolitik, u.a. wegen ihrer vergleichsweise geringen Belastung der Unternehmen mit Ertragssteuern;- die Innovationsfähigkeit und hohe Qualitätsorientierung der Schweizer Unternehmen, die sich auch in der hohen Produktivität der exportorientierten Branchen zeigt;- die gut ausgebaute und zuverlässige Infrastruktur.Folgende Punkte schwächen heute nach einhelliger Meinung der Experten die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz:- Die hohe Regulierungsdichte der Produktmärkte, insbesondere in den vor internationaler Konkurrenz relativ geschützten und subventionierten Branchen (Landwirtschaft, Infrastrukturbereich); – damit verbunden eine vergleichsweise schwache Wettbewerbsintensität im Inland, eine schwächere Produktivität in den binnenorientierten Branchen und letztlich hohe Lebenshaltungskosten.Die wirtschaftspolitischen Ansatzpunkte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz liegen gemäss dem Konsens der vorgestellten Vergleiche darin, einerseits den Wettbewerbsdruck im Inland über eine Senkung der Marktzutrittsschwellen zu erhöhen und andererseits – zentral für die Aussenwirtschaftspolitik – die internationale Öffnung in den noch relativ stark geschützten Wirtschaftsbranchen voranzutreiben.

Kasten 2: Entwicklung der komparativen Vorteile In Branchen, deren grenzüberschreitender Handel nicht durch staatliche Vorschriften eingeschränkt wird, hängen der Erfolg und die Spezialisierungsstruktur grösstenteils von den unternehmerischen Fähigkeiten ab. Die industriellen Branchen entwickeln sich weit gehend unter solchen Bedingungen. Von Interesse ist daher die Frage, wie diese Branchen in den letzten 15 Jahren auf den Strukturwandel in der Weltwirtschaft reagiert haben. Um dies zu untersuchen, verwenden wir einen Indikator für komparative Vorteile: Der Unterschied zwischen den Exporten und den Importen einer Branche wird mit einem theoretischen Handelssaldo verglichen, der einer Situation ohne jegliche Spezialisierung entspricht. Ein positiver (negativer) Wert des Indikators zeigt einen festgestellten komparativen Vorteil (Nachteil) des jeweiligen Landes in Bezug auf das untersuchte Produkt an.Aus Grafik 3 geht hervor, dass sich die Schweizer Wirtschaft in den letzten fünf Jahren vermehrt auf zwei bedeutende Branchen konzentriert hat: die Chemie- und Pharmabranche sowie die Präzisionsinstrumente (inklusive Uhrenindustrie). Demgegenüber scheinen die komparativen Vorteile der Maschinenindustrie kontinuierlich abzunehmen. Diese eher negative Entwicklung in einer Industrie, die traditionell zu den Aushängeschildern der Schweizer Wirtschaft gehört, könnte indes durch den Konjunkturaufschwung der letzten Jahre abgeschwächt werden. Komparative Nachteile hat die Schweiz bei den Branchen Fahrzeuge, Landwirtschaft und Textilien sowie bei den natürlichen Ressourcen, weil die Schweiz die fossilen Energieträger importieren muss. In diesen groben Tendenzen kommt jedoch die Tatsache nicht zum Ausdruck, dass die Schweiz in allen Branchen über Unternehmen verfügt, die hinsichtlich Effizienz und technologischen Fortschritt Spitzenleistungen erbringen und den grössten Teil ihrer Produktion in ausländischen Märkten absetzen. Dies gilt beispielsweise für die Fahrzeugbranche, wie deren Position in der Grafik 1 zeigt.

Zitiervorschlag: Sven Michal, Chantal Moser, (2008). Wettbewerbsfähigkeit und internationale Öffnung – eine Übersicht. Die Volkswirtschaft, 01. März.