Suche

Abo

Treibhausgas-Reduktion: Grüne Spargeln aus Lateinamerika oder aus dem Wallis?

Wenn bei uns die Spargelsaison beginnt, stellt sich im Zuge der Klimadebatte die Frage, ob Spargeln aus Übersee - zum Beispiel aus Lateinamerika - bedenkenlos gekauft werden können oder ob es aus ökologischen Überlegungen ratsam wäre, auf die Spargelernte im Wallis zu warten. Aus der Sicht des Konsumenten ist es wohl in beiden Fällen ein Bauchentscheid, der zum Tragen kommt: Entweder zu Gunsten unmittelbarer Gaumenfreuden oder aufgrund allgemeiner, für viele Produkte nicht unumstrittener Annahmen zur Umweltbelastung. Damit Güter aufgrund einseitiger Analysen und Schlussfolgerungen nicht voreilig vom Markt ausgeschlossen werden, ist ein vertiefter und harmonisierter Ansatz wichtig, der die Umweltwirkungen bei Produktion und Transport transparent macht.



Al Gores Film «Die unbequeme Wahrheit» hat mit eindrücklichen Bildern und verständlichen Statistiken mögliche Gründe und Folgen der Klimaerwärmung vor Augen geführt. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Produktion und der Konsum von Lebensmitteln: Wollen Konsumentinnen und Konsumenten bei Lebensmitteln mit ihren Einkaufsgewohnheiten Klimabewusstsein ausdrücken, stossen sie beim Kaufentscheid bald an ihre Grenzen. Doch auch die Produzenten und Unternehmen verfügen heute kaum über die notwendigen Daten und Informationen. Sie können nur ungenügend nachvollziehen, welche Faktoren wie stark für den CO2-Ausstoss – und die Umweltauswirkungen allgemein – ins Gewicht fallen.  Auf internationaler Ebene werden bereits verschiedene Anstrengungen unternommen, um die Situation zu verbessern, sei es auf europäischer Ebene beim European Committee for Standardization (CEN) oder in einzelnen Ländern wie Grossbritannien, Belgien, Österreich und Norwegen. Am weitesten geht Grossbritannien mit dem UK Carbon Trust (siehe Kasten 1 Der UK Carbon Trust wurde 2001 von der britischen Regierung als unabhängige Firma gegründet, mit dem Ziel, im Rahmen ihrer Klimastrategie den Wandel zu einer «low carbon economy» zu beschleunigen. Der Trust lancierte ein neues CO2-Reduktionslabel, das die Berechnung des CO2-Footprints inklusive Treibhausgasemissionen entlang des ganzen Lebenszyklus und der Wertschöpfungskette ermöglicht. Nach einer Aufbauphase kamen 2007 neue Pilotprojekte mit weiteren bedeutenden Firmen – wie Coca-Cola und Cadbury-Schweppes – dazu.). Die Schweiz verfügt mit den gut 4000 Datensätzen bei Ecoinvent der Empa über die weltweit grösste Ökobilanzdatenbank und dadurch über ein grosses Know-how. Sie kann hier ihren Beitrag zu einer Versachlichung der Debatte auf Grundlage dieser Datensätze leisten und hat bei der Harmonisierungsfrage selbst ein eminentes Interesse. Auch für die Entwicklungszusammenarbeit ist es im Rahmen der Handelsförderung von grösster Bedeutung, hier Klarheit zu schaffen. Umweltverträgliche Produkte aus Entwicklungsländern sollen Marktzugang erhalten und mit den dadurch entstehenden Arbeitsplätzen und Einkommen zur Reduktion der Armut beitragen können. Dazu braucht es eine im Einklang mit den internationalen Bemühungen einheitliche Berechnungsgrundlage der Umweltbelastung, die sich auf die verschiedensten Produkte mit unterschiedlichen Voraussetzungen (Länder, Produktionsmethoden usw.) anwenden lässt. Es geht dabei um objektive Grundlagen für freiwillige und positive Anreize, jedoch nicht um die Schaffung von verbindlichen staatlichen Handelsregeln.

Mit dem Einkaufskorb Verantwortung mittragen


Oft wird die CO2-Problematik auf den Transport reduziert und dabei die weit verbreitete Ansicht geäussert, dass Erzeugnisse aus fernen Ländern durch einen viel längeren Transportweg zwangsläufig ein Vielfaches an CO2-Ausstoss verursachen. Diese Ansicht muss für die meisten Produkte als Erstes in Frage gestellt werden. Denn der innerkontinentale Transport in Europa, die interne Verteilung im Zielmarkt und schliesslich die Autokilometer des Konsumenten generieren weit mehr Emissionen als die Seefracht, mit der die meisten haltbaren Güter in die Schweiz gelangen. Verschiedentlich musste den Konsumenten bereits die Illusion genommen werden, dass sie mit lokalen Produkten zwangsläufig Gutes für die Umwelt tun. Das englische Magazin The Economist hat zum Beispiel seiner Leserschaft vorgerechnet, dass die Hälfte aller durch den Transport verursachten Emissionen von den Konsumenten mit der Fahrt zum nächsten Supermarkt verursacht werden. Der interkontinentale Transport ist zwar ein wichtiger Faktor, aber dennoch nur einer von vielen Indikatoren zur Berechnung der CO2-Emissionen und zur Erstellung der Ökobilanz eines Produktes. So fällt etwa beim Rindfleisch aus Argentinien, das mit dem Schiff in die Schweiz gelangt, der Transport kaum ins Gewicht, dafür umso mehr die Höhe der durch die Viehhaltung verursachten Methanemissionen. Bei einigen Produkten spielen schliesslich der Endverbrauch und die Entsorgung eine entscheidende Rolle. Auch bei der Produktion gilt es, durch eine seriöse Gesamtanalyse sicherzustellen, dass die Entwicklungsländer nicht aus ungesicherten Klimaüberlegungen Handelshemmnisse zu spüren bekommen. Die verbreitete Einschätzung, dass die Produktionsprozesse in Entwicklungsländern die Umwelt generell stärker belasten als bei uns, ist gemäss Ökobilanz-Experten ebenfalls unzutreffend. Je nach Erzeugnis ist die Produktion in Europa, wenn Hightech-Bewässerung, Düngung, Pflanzenschutz, stark mechanisierter Anbau und Treibhäuser eingesetzt werden, sehr CO2-intensiv. Im Süden, wo die Landwirtschaft oft in traditioneller Handarbeit und ohne grossen Einsatz von Maschinen betrieben wird, ist dafür der Wasserverbrauch oft viel grösser, was sich wiederum negativ auf die Umwelt auswirkt. Insgesamt handelt es sich hier um sehr komplexe Prozesse, die nach einer differenzierten und umfassenden Betrachtung verlangen.  Das so genannte Life Cycle Assessment (LCA) vermag den Lebenszyklus bzw. die Prozesse der ganzen Wertschöpfungskette zu analysieren. Diese Ökobilanzierung umfasst nicht nur alle Treibhausgase (neben CO2 auch Methan, Lachgas und eine Reihe Chlorkohlenwasserstoffe, gemessen in CO2-Äquivalenten), sondern auch weitere umweltrelevante Faktoren wie Wasserverbrauch, Bodenversalzung oder Toxizität. Vor allem für den Privatsektor ist das LCA wichtig, damit die Unternehmen durch Effizienzgewinn in den verschiedenen Prozessen ihre Verantwortung für Klima und Umwelt auch wirklich wahrnehmen können.

Die Wirtschaft als treibende Kraft


Mit dem freiwilligen Prozess KlimaPro, der in regelmässigen Treffen die Vertreter der verschiedenen Interessengruppen zusammenführt, ist unter Mitwirkung des Bundes eine Initiative lanciert worden, die sich zum Ziel gesetzt hat, einen breit akzeptierten Standard zur Kennzeichnung oder Zertifizierung von klimaneutralen Produkten zu entwickeln (siehe Kasten 2 Das Projekt KlimaPro wurde von der Basler Firma Ecos und der Eidgenössischen Empa Materials Science & Technology initiiert. Ziel war es, gemeinsam mit relevanten Stakeholdern – Kunden, Unternehmen, Klimadienstleister, NGOs, öffentliche Hand – einen breit abgestützten Standard im Bereich der Klimaneutralisierung von Produkten zu erarbeiten. Unternehmen und Organisationen sollten sich bei der Produktion und Vermarktung von klimaneutralen Produkten und Dienstleistungen auf anerkannte, glaubwürdige und vergleichbare Kriterien stützen können; Konsumenten sollten beim Einkaufsentscheid wissen, was sich hinter entsprechenden Produktkennzeichnungen verbirgt. Bisher wurde im Rahmen eines vom Seco und vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) mitunterstützten Vorprojektes die Realisierbarkeit von KlimaPro abgeklärt. Dazu wurden drei Fallbeispiele (Sojaöl, Waschmittel und Spargeln) mittels Ökobilanzierung analysiert und mit der gleichzeitig aufgebauten Stakeholder-Plattform iterativ diskutiert. Seit September 2007 wurden drei Workshops mit Vertretern von Bund (Seco, Bafu, BLW, BFE), Forschung und NGOs (WWF, ETH Zürich, FiBL, ÖBU, Ökozentrum Langenbruck), Klimaschutzdienstleistern und Labelorganisationen (Compensate, myclimate, ClimatePartner, BioSuisse, Max Havelaar, SQS) sowie Unternehmen (Migros, Coop, IKEA, Swisscom, UBS, Bank Sarasin, Weleda, Gebana, Switcher, Druckerei Feldegg) durchgeführt. In deren Rahmen wurde die technische Machbarkeit geprüft, eine Auslegeordnung bezüglich Konzeptualisierung, Einsatzzweck und Zielgruppen einer Klimaauszeichnung erstellt sowie Bedürfnisse und Möglichkeiten des Engagements diskutiert. Die Plattform war sich einig, dass eine gemeinsame Berechnungsbasis auf Grundlage der Ökobilanzierung einem hohen Bedürfnis entspricht. Für die Entwicklung einer gemeinsamen Perspektive bezüglich der Form einer Klimaauszeichnung sowie der «Labelfrage» sind weitere Meetings geplant. Die Weiterführung von KlimaPro wird gegenwärtig mit Unterstützung von Bafu und Seco geprüft. Ende 2008 sollen gemeinsame, international abgestützte Berechnungsrichtlinien vorgelegt werden können.). Dazu müssen drei Erfordernisse erfüllt sein:  – Entwicklung einer Methode, die eine exakte und vergleichbare Datenerhebung zulässt; – Ausstattung der verschiedenen Ansätze für klimakompensierte Produkte mit Optionen und Instrumenten, die zur Erreichung der angestrebten Reduktionsziele beitragen; – Erarbeitung einer gegenüber den Konsumenten geeigneten Kommunikationsform und Bezeichnung klimafreundlicher Produkte (z.B. Label).

Ziel klimaneutral mit KlimaPro


Klimaneutralität wird heute mehrheitlich als der Ausgleich von CO2-Emissionen mittels Zertifikaten verstanden, wobei die Zertifikate eine Emissionsreduktion in einem Klimaschutzprojekt in billigeren Ost- und Südländern verbriefen. Eine Vision von KlimaPro ist es, innerhalb der Wertschöpfungskette das Reduktionspotenzial zu prüfen und Reduktionsziele durch Eigenanstrengungen mit entsprechendem Zeithorizont zu definieren. Für die Deklaration eines klimaneutralen Produktes sollen Kompensationen mit einer effektiven CO2-Reduktion kombiniert werden, um letztlich auch eine produktseitige Emissionsreduktion zu erwirken. Wo eine relevante Reduktion innerhalb der Wertschöpfungskette kaum möglich ist, müssten dennoch sämtliche verursachten Emissionen – etwa durch Beiträge an Klimaprojekte – kompensiert werden, damit das Produkt klimaneutral wird.  Um zum eingangs erwähnten Beispiel zurückzukommen: Grüne Spargeln aus Lateinamerika, die wir ganz frisch konsumieren wollen und die deshalb nur per Flugweg in die Schweiz gelangen, belasten die CO2-Bilanz stark. Im Vergleich zur Schiffsfracht verursacht die Flugfracht ein Mehrfaches an Emissionen; ins Gewicht fallen zudem die verwendeten Düngemittel. Der Spargelproduzent Athos zum Beispiel hat in Peru die Bedeutung der Klimaproblematik für seine Exportchancen erkannt und unterstützte das Beratungsunternehmen Ecos bei der Beschaffung der Daten. Gemeinsam mit dem vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) unterstützten Cleaner Production Center in Lima werden nun Möglichkeiten geprüft, die Emissionen allenfalls vor Ort im Umfeld des Produzenten und zum Nutzen der lokalen Arbeiter zu kompensieren, z.B. durch die Nutzung von Biogas zum Kochen anstelle fossiler Brennstoffe. Mit dem Logo «by air» wird dieser pragmatische Lösungsansatz von einem Grossverteiler – neben konventionellen Spargeln auch für Rosen oder Beeren aus fairem Handel – praktiziert.

Die Labelfrage


Sollen die erzielten Emissionsreduktionen, die Klimaneutralität sowie die Umwelteinflüsse kommuniziert und ausgewiesen werden, und wenn ja, in welcher Form? Und welcher Mehrwert entsteht dadurch für Produzenten, Unternehmen und Konsumenten? Für Konsumenten sind die globalen Wertschöpfungsketten in ihrer Komplexität kaum nachvollziehbar oder gar auf Nachhaltigkeit zu überprüfen. Ein Label mit einer klaren Botschaft und Kriterien kann den Konsumenten bei ihren Kaufentscheiden behilflich sein und gleichzeitig für die Anliegen der nachhaltigen Entwicklung bei Konsumenten und Produzenten sensibilisieren. Viele Spezialisten warnen jedoch davor, den Einfluss des Konsumenten zu überschätzen. Letztendlich sind es die wirtschaftlichen Entscheidungsträger (sprich: Grossverteiler und Produzenten), die klimabzw. umweltfreundlichen Prozessen zum Durchbruch verhelfen können.  Im Labelreport aus dem Jahr 2000 unter der Federführung des Seco und des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) wurde die Förderung eines nachhaltigen Konsumverhaltens durch die Anerkennung und Förderung von Labels als eines von acht Aktionsfeldern der Strategie zur Nachhaltigkeit in der Schweiz definiert. Nicht zuletzt auf dieser Grundlage konnten sich solide Labels – wie etwa die Bio-Knospe oder das Label für fairen Handel der Max-Havelaar-Stiftung (Schweiz) – zu einer wertvollen Orientierungshilfe für Konsumenten und einem interessanten Geschäftsmodell für Produzenten entwickeln.  Bei den freiwilligen Labels stehen eine Vielzahl von Ansätzen zur Debatte. Sie reichen von der einfachen Deklaration (analog zu den Nährwertangaben) über Best Practice oder First in Class (Auszeichnung der besten Produkte einer Kategorie) bis hin zum Label im herkömmlichen Sinne (z.B. «Klimaneutral»). In der Frage, was oder wer zertifiziert werden soll, stehen drei Möglichkeiten zur Debatte: das Produkt selbst, das Unternehmen oder die Branche. Der Produktansatz ist tendenziell kostspielig und kompliziert. Mit der Zertifizierung von Unternehmen kann die Komplexität der Wertschöpfungskette deutlich besser gehandhabt und eine bessere Breitenwirkung erreicht werden. Branchenlösungen bieten allenfalls eine praktikable und kostengünstigere Alternative.  Neben unterschiedlichen Meinungen kommen in dieser Debatte auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der Akteure zum Ausdruck. Die Firmen, die sich auf einen solchen Prozess einlassen, sind an einem kommunikativen und kommerziellen Mehrwert interessiert; ein Label kann dabei durchaus einen zusätzlichen Anreiz darstellen. Wegen des mutmasslich hohen Aufwands und der schwer bezifferbaren Transaktionskosten ist der Privatsektor dennoch zurückhaltend. Als absolut unerlässlich wird hingegen der freie, öffentliche Zugang zu den Ökobilanz-Daten angesehen, um effizient Verbesserungen der CO2-Emissionswerte herbeizuführen. Die Bereitstellung einer verlässlichen und vergleichbaren Ökobilanz-Methodik bietet Firmen Hand, ihre Produktionsprozesse und Beschaffungsketten zu analysieren und gewisse Abläufe und Praktiken zu überdenken. Doch auch dies ist mit ständigen Anpassungen, einem konstanten Monitoring und schliesslich beträchtlichen Kosten verbunden. Dieser Mehraufwand dürfte aber mit den Kosten für Produktsicherheit oder Qualitätssicherung vergleichbar sein und sich mittelfristig lohnen, insbesondere wenn neben dem CO2-Ausstoss die gesamten Umwelteinflüsse mit einbezogen werden. Trotz vieler offener Fragen kann heute bereits gesagt werden, dass die Initiative Klima-Pro wichtige Denkanstösse gegeben und uns einen beachtlichen Schritt vorwärts gebracht hat. Die unabhängige Trägerschaft Climatop hat denn auch bereits ein Label lanciert. Sie definiert wichtige emissionsreiche Produktgruppen – zum Beispiel Waschmittel – und zeichnet dabei Produkte aus, die im Vergleich zu Alternativprodukten eine deutlich geringere Klimabelastung aufweisen. Dazu wurde ein dreistufiges Verfahren entwickelt: Abgrenzung von Produktgruppen, Bilanzierung der klimawirksamen Emissionen über den Lebenszyklus der Produkte und schliesslich eine unabhängige Kontrolle.

Vom UK Carbon Trust lernen


Bereits einen beachtlichen Schritt weiter ist man mit dem UK Carbon Trust. Die Erfahrungen zeigten dort deutlich, dass solche Prozessanalysen die potenziellen Verbesserungsmöglichkeiten für die Firmen sofort erkennbar machen und unmittelbar erhebliche Emissionsreduktionen spürbar werden.  Die Resultate dieser Zusammenarbeit mit Unternehmen können sich sehen lassen. Beispielsweise realisierte die Firma Boots, eine Gesundheits- und Schönheits-Ladenkette, dank eines besseren ökologischen Verständnisses der Produktionsprozesse erhebliche Energieeinsparungen, die sich – neben der Ökobilanz – vor allem auf die Produktionskosten positiv auswirken. Auch bei der Distribution konnte dank neuen Verpackungsmethoden der CO2-Ausstoss deutlich reduziert werden. So hat der Getränkehersteller Innocent Drinks in der Produktion seiner Flaschen die CO2-Emissionen um 16 % senken können. Tatsächlich hilft die Klimaschutzdebatte Unternehmen, ihre gesamte Beschaffungskette genauer zu analysieren und aufgrund des LCA effizienter zu gestalten. Als Marketinginstrument will den Carbon Trust niemand sehen. Trotzdem scheint es bei den Konsumenten anzukommen, denn eine Mehrheit der von Boots befragten Kunden findet es wichtig, die Produkte mit ihren Carbon-Footprints – d.h. den CO2-Emissionswerten des Produkts – zu deklarieren.

Und die Walliser Spargeln?


Unterdessen sind auch die Walliser Spargeln in den Supermarktregalen zu finden. Ob sich das Warten aus ökologischer Sicht gelohnt hat, hängt bei den Spargeln wohl davon ab, ob die CO2-Emissionen des Flugtransports angemessen kompensiert wurden. Bei den meisten Produkten wird nur eine genaue und allgemein vergleichbare LCA eine verlässliche Antwort geben können. Vor allem bietet sie die Chance, dass die Wirtschaft durch kontinuierliche Verbesserung bei allen Prozessen der Wertschöpfungskette schliesslich dem Konsumenten ein umwelt- und klimafreundliches oder gar CO2-neutrales Produkt anbieten kann.

Kasten 1: Der UK Carbon Trust Der UK Carbon Trust wurde 2001 von der britischen Regierung als unabhängige Firma gegründet, mit dem Ziel, im Rahmen ihrer Klimastrategie den Wandel zu einer «low carbon economy» zu beschleunigen. Der Trust lancierte ein neues CO2-Reduktionslabel, das die Berechnung des CO2-Footprints inklusive Treibhausgasemissionen entlang des ganzen Lebenszyklus und der Wertschöpfungskette ermöglicht. Nach einer Aufbauphase kamen 2007 neue Pilotprojekte mit weiteren bedeutenden Firmen – wie Coca-Cola und Cadbury-Schweppes – dazu.

Kasten 2: Das Projekt KlimaPro Das Projekt KlimaPro wurde von der Basler Firma Ecos und der Eidgenössischen Empa Materials Science & Technology initiiert. Ziel war es, gemeinsam mit relevanten Stakeholdern – Kunden, Unternehmen, Klimadienstleister, NGOs, öffentliche Hand – einen breit abgestützten Standard im Bereich der Klimaneutralisierung von Produkten zu erarbeiten. Unternehmen und Organisationen sollten sich bei der Produktion und Vermarktung von klimaneutralen Produkten und Dienstleistungen auf anerkannte, glaubwürdige und vergleichbare Kriterien stützen können; Konsumenten sollten beim Einkaufsentscheid wissen, was sich hinter entsprechenden Produktkennzeichnungen verbirgt. Bisher wurde im Rahmen eines vom Seco und vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) mitunterstützten Vorprojektes die Realisierbarkeit von KlimaPro abgeklärt. Dazu wurden drei Fallbeispiele (Sojaöl, Waschmittel und Spargeln) mittels Ökobilanzierung analysiert und mit der gleichzeitig aufgebauten Stakeholder-Plattform iterativ diskutiert. Seit September 2007 wurden drei Workshops mit Vertretern von Bund (Seco, Bafu, BLW, BFE), Forschung und NGOs (WWF, ETH Zürich, FiBL, ÖBU, Ökozentrum Langenbruck), Klimaschutzdienstleistern und Labelorganisationen (Compensate, myclimate, ClimatePartner, BioSuisse, Max Havelaar, SQS) sowie Unternehmen (Migros, Coop, IKEA, Swisscom, UBS, Bank Sarasin, Weleda, Gebana, Switcher, Druckerei Feldegg) durchgeführt. In deren Rahmen wurde die technische Machbarkeit geprüft, eine Auslegeordnung bezüglich Konzeptualisierung, Einsatzzweck und Zielgruppen einer Klimaauszeichnung erstellt sowie Bedürfnisse und Möglichkeiten des Engagements diskutiert. Die Plattform war sich einig, dass eine gemeinsame Berechnungsbasis auf Grundlage der Ökobilanzierung einem hohen Bedürfnis entspricht. Für die Entwicklung einer gemeinsamen Perspektive bezüglich der Form einer Klimaauszeichnung sowie der «Labelfrage» sind weitere Meetings geplant. Die Weiterführung von KlimaPro wird gegenwärtig mit Unterstützung von Bafu und Seco geprüft. Ende 2008 sollen gemeinsame, international abgestützte Berechnungsrichtlinien vorgelegt werden können.

Zitiervorschlag: Hans-Peter Egler (2008). Treibhausgas-Reduktion: Grüne Spargeln aus Lateinamerika oder aus dem Wallis. Die Volkswirtschaft, 01. April.