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Wirtschaftsregionen der Schweiz – die neue Artikelserie

Der Erfolg der Schweizer Volkswirtschaft basiert wesentlich auf der Leistungsfähigkeit und Standortattraktivität ihrer Regionen. Mit ihren spezifischen Branchenstrukturen - wie z.B. Life Sciences in Basel - können sie als eigentliche Kompetenzzentren bezeichnet werden. Genaue Kenntnisse zur nationalen und internationalen Positionierung der Schweizer Regionen sind unabdingbar, um deren Erfolg im globalen Standortwettbewerb auch zukünftig sicherzustellen. Die mit dieser Ausgabe des Magazins «Die Volkswirtschaft» beginnende Regionenserie analysiert die Strukturen, die Wettbewerbsfähigkeit und die Standortattraktivität von sieben Schweizer Grossregionen.

 

Regionen im Standortwettbewerb


Standortwettbewerb ist heute in der Volkswirtschaftslehre und in der Wirtschaftspolitik ein häufig gebrauchter Begriff. Technologischer Fortschritt und aussenwirtschaftliche Öffnung haben die globalen Wirtschaftsverflechtungen intensiviert. Neben einer Verschärfung des Wettbewerbs zwischen Nationalstaaten stehen sich als Folge der Globalisierung zunehmend Regionen im Konkurrenzkampf als Wohn-, Produktions-, Forschungs- und Wissensstandorte gegenüber.  Dass Regionen im internationalen Standortwettbewerb eine zentrale Rolle spielen ist heute unbestritten. Unter anderem wird ihnen eine grosse Bedeutung für die Innovationstätigkeit der wirtschaftlichen Akteure eingeräumt. Neuere regionalökonomische Ansätze gehen beispielsweise davon aus, dass neues Wissen in erster Linie regional konzentriert in innovative Produkte und Produktionsprozesse umgesetzt wird.  So verwundert es denn auch nicht, dass Standortvergleiche, regionale Benchmarking-Analysen und Ratings von Städten und Regionen von den wirtschaftlichen und politischen Akteuren in der Schweiz – wie im Ausland – immer ernster genommen werden. Die Messung und Erklärung von regionalen Leistungsfähigkeits- und Entwicklungsunterschieden ist heute ein wichtiges wirtschaftspolitisches Thema.

Funktionale Wirtschaftsregionen


Obwohl die zentrale Bedeutung der Regionen im Standortwettbewerb anerkannt ist, bestehen grosse Unterschiede beim konzeptionell-methodischen Vorgehen zur Messung und Bewertung regionalökonomischer Entwicklungen. Schwierigkeiten bereitet insbesondere die Tatsache, dass der Begriff Region nicht eindeutig definiert ist. Je nach Fragestellung werden unter dem Begriff Region völlig unterschiedliche räumliche Einheiten – Städte, Agglomerationen, Kantone, Grossregionen usw. – verstanden. So bewegt sich beispielsweise die Diskussion um den innerschweizerischen Steuerwettbewerb primär auf der Kantons- und sekundär auf der Gemeindeebene. Für viele regionalökonomische Fragestellungen bietet es sich an, so genannte funktionale Wirtschaftsregionen zu verwenden. Darunter wird ein geografisches Gebiet verstanden, innerhalb dessen die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital, Boden und Wissen in enger Verflechtung zueinander stehen. In der Schweiz ist der Begriff der funktionalen Wirtschaftsregion in der jüngeren Vergangenheit insbesondere im Rahmen von Analysen zu den Schweizer Metropolitanregionen verwendet worden. Siehe Blöchliger (2005).

Die sieben Schweizer Grossregionen


Die für Standortanalysen an sich sinnvolle Verwendung von funktionalen Wirtschaftsregionen wird in der konkreten Umsetzung durch datentechnische Schwierigkeiten einerseits und politisch-gesellschaftliche Akzeptanzprobleme andererseits stark eingeschränkt. Es bietet sich deshalb an, bei der Regionsdefinition zusätzlich politisch-administrative Grenzen mit einzubeziehen.  Die sieben von BAK Basel Economics für die Artikelserie verwendeten Schweizer Grossregionen (Bassin Lémanique, Espace Mittelland, Südschweiz, Basel, Zürich/Aargau, Zentralschweiz, Ostschweiz) berücksichtigen sowohl funktionale Kriterien als auch politisch-administrative Grenzen. In funktionaler Hinsicht sind mit dem Bassin Lémanique, Zürich/Aargau und Basel drei Grossregionen aus einem klaren urbanen Oberzentrum sowie dessen Einzugsgebiet gebildet. Beim Espace Mittelland handelt es sich um ein Städtesystem (Bern, Thun, Biel, Freiburg, Neuenburg) mit dem jeweiligen Umland. Die Ost- und Zentralschweiz sind geografisch zusammenhängende Gebiete mit jeweiligen wichtigen regionalen Oberzentren (Luzern, St. Gallen). Die Südschweiz deckt wesentliche Teile des Schweizer Alpenraums ab. Politisch-administrative Grenzen werden bei den verwendeten Regionen insofern berücksichtigt, als es sich bei allen Grossregionen um Aggregate von Kantonen handelt.

Drei grosse und vier kleinere Regionen


Die sieben für die Artikelserie ausgewählten Regionen lassen sich bezüglich ihrer Anteile an der nationalen Bevölkerung sowie am nationalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) in zwei Gruppen aufteilen (siehe Grafik 1): Drei grösseren Regionen (Zürich/Aargau, Espace Mittelland und Bassin Lémanique) stehen vier kleinere Regionen (Basel, Zentralschweiz, Süd- und Ostschweiz) gegenüber. Die mit Abstand wichtigste Region ist Zürich/Aargau, in der rund ein Viertel der Schweizer Wohnbevölkerung zu Hause ist und welche nicht ganz ein Drittel der Schweizer Wirtschaftsleistung auf sich vereint.  Interessantes bringt der Vergleich zwischen dem jeweiligen Anteil an der Bevölkerung und am BIP zu Tage. Nur bei den Regionen Zürich/Aargau und Basel ist der Anteil am nationalen BIP grösser als ihr Anteil an der gesamtschweizerischen Bevölkerung. Beim Bassin Lémanique fallen Bevölkerungs- und BIP-Anteil etwa gleich hoch aus; die übrigen vier Regionen sind hinsichtlich Bevölkerungsanteil wichtiger als beim BIP-Anteil.

Grossregionen als wirtschaftliche Kompetenzzentren


Die sieben untersuchten Grossregionen unterscheiden sich nicht nur bezüglich ihrer Grösse, sondern auch hinsichtlich ihrer Wirtschaftsstrukturen deutlich: Die Regionen Zürich/Aargau und Bassin Lémanique sind durch eine herausragende Bedeutung des Finanzsektors gekennzeichnet, während Basel durch die Life Sciences dominiert wird. Die Zentral- und Ostschweiz sowie das Espace Mittelland wiederum können als industrielle Kompetenzzentren der Schweizer Volkswirtschaft bezeichnet werden. Für die Südschweiz spielt der Tourismus die Rolle als Leitbranche der regionalen Volkswirtschaft.  Die feststellbaren ausgeprägten regionalen Branchenspezialisierungen lassen darauf schliessen, dass jede der sieben Schweizer Grossregionen über eine individuelle Positionierung im internationalen Standortwettbewerb mit jeweils eigenen Stärken und Schwächen verfügt. Für jede der sieben Regionen stellen sich somit spezifische Fragen zur Aufrechterhaltung und Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Vertiefter analytischer Blick


Die vertiefte Betrachtung der Schweizer Regionen soll dazu dienen, die Strukturen so-wie die spezifischen Stärken und Schwächen der einzelnen Schweizer Wirtschaftsregionen besser zu verstehen. Um dies zu ermöglichen, werden in den Regionenporträts die einzel-nen Grossregionen nicht nur als Ganzes dargestellt, sondern es werden auch stark desaggregierte Daten auf Gemeindeebene dargestellt und interpretiert. Damit wird insbesondere aufgezeigt, dass es sich bei den Grossregionen nicht um homogene Gebilde handelt, sondern dass sie sich ihrerseits in teilweise stark eigenständige Subregionen gliedern.

Wichtiges Zusammenspiel der Regionen


Die sieben Regionenporträts zeichnen ein facettenreiches und spannendes Bild der Schweizer Volkswirtschaft. Für den regelmässigen Leser ergibt sich ein Überblick über die regional-räumliche Gliederung der Schweizer Volkswirtschaft. Das vertiefte Wissen über die Besonderheiten der einzelnen Wirtschaftsregionen kann zudem mithelfen, wirtschaftspolitisch auf nationaler Ebene die Weichen so zu stellen, dass alle Regionen von möglichst optimalen Rahmenbedingungen profitieren können. Sehr wesentlich ist dabei im Auge zu behalten, dass die sieben Grossregionen in vielerlei Hinsicht miteinander – sowie zusätzlich mit dem grenznahen Ausland – vernetzt und verflochten sind. Eine optimale Standortpolitik aus gesamtschweizerischer Optik hat demnach sowohl die regionalen Eigenheiten als auch die Verflechtungen zwischen den einzelnen Regionen zu berücksichtigen.

Grafik 1 «Die sieben Schweizer Grossregionen, 2006 – Anteile am Total der Bevölkerung und des BIP der Schweiz, in %»

Kasten 1: BAK Basel Economics beleuchtet die Schweizer Regionen Das 1980 aus der Universität Basel hervorgegangene Wirtschaftsforschungsunternehmen BAK Basel Economics hat sein Informations-, Forschungs- und Beratungsangebot ab 1994 konsequent auf die Bedürfnisse von Regionen und Branchen der schweizerischen Volkswirtschaft ausgerichtet, die sich den Herausforderungen der Standortkonkurrenz proaktiv stellen wollen. Heute bietet BAK Basel Economics diverse zum Teil exklusive Datenbasen und – darauf aufbauend – Forschungs- und Beratungsleistungen an, die den Informations-, Analyse- und Beratungsbedürfnissen vieler Branchen und Regionen der schweizerischen Volkswirtschaft entsprechen. BAK Basel Economics beschäftigt gegenwärtig rund 30 Personen.

Kasten 2: Literatur – Müller/Eichler (2008): Die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen, in: Die Volkswirtschaft, 3-2008, S. 24ff.- Ernst Basler + Partner (2006): Regionale Disparitäten in der Schweiz, im Auftrag des Bundesamtes für Statistik. – Blöchliger (2005): Baustelle Föderalismus. Hrsg.: Avenir Suisse, Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung.- Kramar (2005): Innovation durch Agglomeration: Zu den Standortfaktoren der Wissensproduktion, Wiener Beiträge zur Regionalwissenschaft, Band 20, Wien.

Zitiervorschlag: Richard Kämpf, Thomas Schoder, (2008). Wirtschaftsregionen der Schweiz – die neue Artikelserie. Die Volkswirtschaft, 01. April.