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Der schweizerische Baupreisindex – ein Konjunkturbarometer

Der schweizerische Baupreisindex ist ein Konjunkturbarometer, das bereits seit rund zehn Jahren die effektive Entwicklung der Marktpreise im Bausektor misst. Erhoben werden hauptsächlich Vertragspreise. Die Ergebnisse widerspiegeln die Bewegungen von Angebot und Nachfrage sowie die Produktivitätsgewinne. Der Index wird vielfältig genutzt und hat sich im Verlauf des letzten Jahrzehnts durchgesetzt. Anhand der Entwicklung des Baupreisindexes und des Produktionskostenindexes kann aufgezeigt werden, wie und in welchem Ausmass die Unternehmen die erhöhten Kosten auf die Preise ihrer Leistungen abwälzen.

Weshalb und für wen?


Der schweizerische Baupreisindex wurde 1998 eingeführt. Er entwickelte sich für die meisten öffentlichen sowie für zahlreiche private Bauherren rasch zu einem Referenzindikator für die Anpassung ihrer Kredite oder Budgets an die effektive Preisentwicklung. Neben den mikroökonomischen Detailinformationen für die Unternehmen zu allen gängigen Indexierungen liefert der Baupreisindex auch wichtige makroökonomische Daten. Seine Resultate fliessen zum Beispiel in die Indexierung der Budgets öffentlicher Grossprojekte ein und ermöglicht damit eine wirksame Kostenkontrolle. Unter anderem dient er als Basis für die Indexierung der Kredite der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat). In der Privatwirtschaft wird er für Beobachtungen und Analysen sowie für die Deflationierung bestimmter Nominalwerte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) verwendet.  Das Bundesamt für Statistik (BFS) berechnet seit Oktober 1998 den Baupreisindex für vier verschiedene Bauwerksarten des Hochbaus (Neubau von Bürogebäuden und Neubau von Mehrfamilienhäusern, Renovation von Mehrfamilienhäusern und seit 2003 Neubau von Mehrfamilienhäusern aus Holz) sowie für zwei Bauwerksarten des Tiefbaus (Neubau von Strassen und seit 2001 Neubau von Unterführungen aus Stahlbeton). Diese breite Palette ermöglicht einen repräsentativen Preisindex für die gesamte Baubranche sowie je einen Index für die beiden Sektoren Hochbau und Tiefbau. Erhoben werden Marktpreise für genau bestimmte Bauleistungen. Diese Nettopreise stammen aus Verträgen, die in festgelegten Zeiträumen effektiv abgeschlossen wurden (Januar bis April für den April-Index und Juli bis Oktober für den Oktober-Index). Die Ergebnisse der jährlich zweimaligen Erhebungen werden für die gesamte Schweiz sowie für die sieben amtlichen Grossregionen publiziert. Es hat sich gezeigt, dass der Bausektor in der Schweiz sehr stark durch lokale Faktoren beeinflusst wird. Die methodischen Grundlagen werden in der Publikation «Der Schweizerische Baupreisindex. Oktober 1998 = 100. Grundlagen» der Reihe «Statistik Schweiz» (Neuenburg 2004) detailliert dargestellt.

Preisindex und Kostenindex


Die Entwicklung des schweizerischen Baupreisindexes in den letzten zehn Jahren widerspiegelt Entwicklungen wie die Expansions- und Rezessionsphasen, die Haltung der öffentlichen Hand bezüglich Ausgaben im Bausektor, den von der Konkurrenz ausgeübten Druck auf die Preise und den Preisanstieg für bestimmte Materialien. Interessant ist ausserdem das Verhältnis zwischen dem Baupreisindex und dem Bauskostenindex, anhand dessen die Abwälzung der Kostenveränderungen auf die Preise gemessen werden kann. Bevor wir uns einen Überblick über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Entwicklung der Marge der Unternehmen verschaffen, gilt es, die Unterschiede zwischen dem Baupreisindex und dem Baukostenindex festzuhalten.

Baupreisindex


Der Baupreisindex ist Teil des Systems der Produzentenpreise und misst die Preisentwicklung der wichtigsten Bauwerksarten im Hoch- und im Tiefbau. Er zeigt die Entwicklung der Preise gemäss Vertrag des Bauherrn von Leistungen, welche die an der Erstellung eines Bauwerks beteiligten Unternehmen erbringen. Es handelt sich dabei also um die Verkaufspreise, die ein Bauunternehmen auf dem Markt effektiv für seine Bauleistung erhält. Erhoben werden Nettopreise abzüglich Rabatte, jedoch einschliesslich Skonti, die als Zahlungsart gelten. Die Mehrwertsteuer wird nicht berücksichtigt, da sie von den Unternehmen nicht beeinflusst werden kann und keinen konjunkturellen Einflussfaktor darstellt. Der Baupreisindex ist ein Konjunkturindikator, der die Bewegungen von Angebot und Nachfrage sowie die Produktivitätsgewinne widerspiegelt. Mit diesem Index können Budgets oder Kostenvoranschläge an die effektive Entwicklung des Bausektors angepasst werden.

Baukostenindex


Im Gegensatz dazu verfolgt der Baukostenindex die Entwicklung der bei der Produktion einer Bauleistung anfallenden Kosten (Material, Löhne, Inventar und Fremdleistungen). Er widerspiegelt somit die effektiven Bewegungen der Kosten der Bauunternehmen während den Arbeiten, ohne Berücksichtigung von Gewinnen oder Verlusten. Dieser Index wird für die Teuerungsberechnung im Verlauf der Bauzeit herangezogen.

Unterschiede zwischen den Indizes


Während das BFS den auf Marktpreisen basierenden Baupreisindex im Halbjahresrhythmus publiziert, gibt der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) den Produktionskostenindex (PKI) für das Bauhauptgewerbe vierteljährlich heraus. Mit einer Gegenüberstellung der Entwicklung des Preisindexes und der Kostenentwicklung vor dem wirtschaftlichen Hintergrund der vergangenen zehn Jahre kann die Situation im Bausektor analysiert werden. Dabei stellt sich auch heraus, in welchem Mass die Bauunternehmen den Kostenanstieg im Zeitverlauf auf ihre Preise abwälzen können. Dies liefert uns Informationen zur Entwicklung der Margen, wobei unternehmensspezifische Faktoren ebenfalls Einfluss nehmen.

Entwicklung der Preise und Kosten 1998-2008

Wirtschaftsaufschwung (1998-2001)


Die Einführung der Baupreisstatistik im Oktober 1998 fiel mit einem allgemeinen Konjunkturaufschwung zusammen, der auf eine lange Phase der Stagnation folgte. Die starke Zunahme der Binnennachfrage wurde durch die Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank noch unterstützt. Durch die mässige Inflation nahm der private Konsum erheblich zu. Die Beschäftigung reagierte mit leichter Verzögerung; schliesslich sank die Arbeitslosenzahl kontinuierlich. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Bausektor nach jahrelanger Rezession wieder erholen. Die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt hatte positive Auswirkungen auf das verfügbare Einkommen und damit auf die Nachfrage der Haushalte im privaten Bausektor, namentlich bei den Einfamilienhäusern, aber auch im Bereich Umbau und Renovationen. Die besseren Umsätze und Gewinne der Unternehmen führten zu einer stärkeren Nachfrage nach Industrie- und Geschäftsgebäuden. Im öffentlichen Sektor bremste die nach wie vor restriktive Finanzpolitik bei Bund, Kantonen und Gemeinden die Zunahme der öffentlichen Bauausgaben. Dennoch expandierte der Tiefbau aufgrund der Realisierung verschiedener Grossprojekte wie der Bahn 2000 und der Neat. Der konjunkturelle Aufschwung hielt bis 2001 an und hatte Auswirkungen auf die Baupreise, die während dieser Periode schweizweit kontinuierlich und in allen Regionen und Branchen mehr oder weniger stark zunahmen (siehe Grafik 1). Das zeigt sich im deutlichen Anstieg des Indexes für die gesamte Baubranche von der Basis 100 im Jahr 1998 auf 110,6 im April 2001. Die Baupreise legten also um 10,6% zu, wobei die Zunahme im Hochbau 9,0% betrug, während der Tiefbau eine markante Steigerung von 15,5% verbuchte. Gemäss Grafik 2 blieb das Kostenniveau im Bausektor (Wohngebäude) zwischen Oktober 1998 und Oktober 2000 relativ stabil, während das Preisniveau stark anstieg. Im Oktober 2000 verzeichnete das Kostenniveau eine rasche Zunahme, gefolgt von einer erneuten Stabilisierung und einem mässigeren Anstieg. Von Oktober 1998 bis zum ersten Halbjahr 2001 konnte das Bauhauptgewerbe dank dem Aufschwung der Schweizer Wirtschaft seine Margen steigern; der Preisanstieg war stärker als der Kostenanstieg.

Trendumkehr im zweiten Halbjahr 2001


2001 verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum in der Schweiz unter Einwirkung des internationalen Konjunktureinbruchs. Der damalige Einbruch der Wirtschaft in den USA trübte die weltweite Konjunkturlage – und damit auch jene der Schweiz. Darüber hinaus musste die Schweizer Wirtschaft interne Schwierigkeiten – wie die Swissair-Krise – überwinden. Der Tiefbau hatte ausserdem das Ende der Projektvergaben für die Neat-Grossbaustellen zu verkraften. Die Konjunkturverlangsamung im Jahr 2001 führte zu einer Baisse im Bausektor, die sich in deutlich rückläufigen Auftragseingängen manifestierte und zu Rückgängen im Hoch- und im Tiefbau führte. Die Auftragsbestände und die Auftragseingänge schmolzen. In den meisten Branchen der Planung und Ausführung gingen die Beschäftigtenzahlen zurück, und die Konkurrenz verstärkte den Druck auf die Preise.  Grafik 1 illustriert, wie die Verlangsamung zwischen 2002 und 2003 weiter vorangeschritten ist. Diese Periode war gezeichnet von deutlichen Preisreduktionen, die von den Unternehmen gewährt wurden, um sich trotz der schwierigen Situation ein gewisses Auftragsvolumen zu sichern (Beispiel: Hochbau -1,1% und Tiefbau -3,0% im Oktober 2002 gegenüber Oktober 2001). Der Wirtschaftsabschwung zu Beginn des 21. Jahrhunderts führte zwar zu einem Rückgang der Baupreise. Die Kosten nahmen jedoch deutlich zu, was eine Verminderung der Margen zur Folge hatte (siehe Grafik 2).

Die Jahre 2003-2007


Im ersten Halbjahr 2003 war die Konjunkturlage für das Bauwesen weiterhin ungünstig. Die Preise und Investitionen schrumpften und der Rückgang der Bautätigkeit setzte sich fort. Grafik 2 zeigt, dass das Kosten-/Preisverhältnis im April 2003 interessanterweise gleich war wie im Oktober 1998 (obwohl die Indizes von der Basis 100 im Oktober 1998 auf 109 im April 2003 anstiegen). Im Oktober 2003 setzte der Anstieg des Baupreisindexes wieder ein – und hat bis heute angehalten. Die Konjunkturlage verbesserte sich Schritt für Schritt, wovon die Baubranche profitierte. 2004 hatte diese positive Entwicklung einen Preisanstieg von 1,7% im Hochbau und von gar 4,6% im Tiefbau zur Folge (Oktober 2004 gegenüber Oktober 2003). Parallel zu diesem Preisanstieg war jedoch auch ein unablässiger Kostenanstieg zu beobachten. Während von 1998 bis 2003 die Kurve des Preisindexes immer über derjenigen der Kosten lag, kehrte sich nun das Kosten-/Preisverhältnis um. Die Unternehmen sahen sich mit der Erhöhung der Transportkosten (Treibstoffe und leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe), dem starken Preisanstieg beim Stahl (der sich 2004 auf hohem Niveau stabilisierte), der Zunahme der Personalkosten Der Personalkostenindex des Bauhauptgewerbes (Grundlohn und Lohnnebenkosten gemäss GAV) stieg von der Basis 100 im Jahr 1998 auf 110,59 im Januar 2003, auf 116,25 im Juli 2003 und betrug 120,94 im Jahr 2007. sowie einer harten Konkurrenz im Bausektor konfrontiert. Auch in den nachfolgenden Zeiträumen waren Kostenanstiege mit anschliessenden Preisanstiegen verbunden. Ab 2005 wechselten sich bei den Mehrfamilienhäusern Phasen, die einen deutlicheren Anstieg bei den Preisen als bei den Kosten aufwiesen, mit Phasen ab, in denen die Kosten stärker zulegten als die Preise. Die Entwicklung bei den Verwaltungsbauten (siehe Grafik 3) verlief ähnlich. Allerdings stiegen hier die Preise ab Oktober 2004 etwas schneller als die Kosten; d.h. die Marge nahm zu. Der Preisdruck war folglich in diesem Zeitraum bei den Verwaltungsbauten weniger stark als bei den Mehrfamilienhäusern. Das dynamische Wachstum der Schweizer Wirtschaft setzte sich 2006 und 2007 fort, und die Baupreise legten weiter zu. Im zweiten Halbjahr 2007 stiegen die Baupreise im Hochbau (+1,9%) und im Tiefbau (+1,8%) gegenüber dem ersten Halbjahr nahezu gleich stark. Während die Regionen für den Hochbau allesamt relativ homogene Preissteigerungen aufwiesen (zwischen +0,8% im Tessin und +3,1% in der Nordwestschweiz), waren die Werte für den Tiefbau stärker gestreut. Die Streuung nahm zwar mit der Zeit ab, blieb aber dennoch grösser als im Hochbau (von -0,1% in der Nordwestschweiz bis +4,3% in der Ostschweiz); lediglich eine Region wies rückläufige Preise auf. Nach zehnjährigem Bestehen wird die Baupreisstatistik einer Totalrevision unterzogen, die bis 2010 abgeschlossen sein soll. Dabei werden die bisher verwendeten Methoden, Bauwerktypen, Gewichtungen und Stichproben auf ihre Stichhaltigkeit hin geprüft. Obschon in den vergangenen zehn Jahren vereinzelt Anpassungen vorgenommen wurden, wird eine eingehende Prüfung dazu beitragen, die Qualität und Repräsentativität der Ergebnisse beizubehalten oder noch zu verbessern. Darüber hinaus soll die Statistik wo notwendig an die Methodik des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) angepasst werden.

Grafik 1 «Entwicklung des Baupreisindexes in der Schweiz, 1998-2007»

Grafik 2 «Preis- und Kostenentwicklung: Mehrfamilienhaus, 1998-2007»

Grafik 3 «Preis- und Kostenentwicklung: Bürogebäude, 1998-2007»

Tabelle 1 «Vergleich Kostenindex und Preisindex»

Zitiervorschlag: Marie-Claude Pointet (2008). Der schweizerische Baupreisindex – ein Konjunkturbarometer. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.