Die Öffnung der Märkte im Zuge der Globalisierung hat in zahlreichen Entwicklungsländern wesentlich zum Wachstum und zur Verminderung der Armut beigetragen. Auch kleine Volkswirtschaften können beachtliche Resultate vorweisen, wie etwa Mauritius, das in den 40 Jahren seit seiner Unabhängigkeit das Pro-Kopf-Einkommen von 200 auf über 6000 US-$ erhöhen konnte. Als zweites positives afrikanisches Beispiel sei hier Ghana erwähnt, das zu einem regionalen Finanz- und Logistikzentrum – mit jährlichen Wachstumsraten von 5% bis 6% – geworden ist (siehe Art. Bernasconi, Schneller auf S. 17ff). Damit ist Ghana auf gutem Weg, die Armut bis ins Jahr 2015 auf 25% zu halbieren und das entsprechende Millenniums-Entwicklungsziel der UNO zu erreichen. Trotz zahlreicher positiver Beispiele konnten allerdings vielerorts die Entwicklungschancen nur ungenügend wahrgenommen werden. Oft bleibt die Entwicklung fragil und einseitig abhängig, etwa vom Preis eines einzelnen Rohstoffes. Die Voraussetzungen zur Integration in die Weltwirtschaft und für ein nachhaltiges Wachstum sind von Land zu Land ebenso unterschiedlich wie die dazu verfolgte Strategie und das Tempo, in welchem die notwendigen Reformen umgesetzt werden. Um die verbleibenden Herausforderungen angehen und insbesondere die zahlreichen mit der Globalisierung verbundenen Risiken mindern zu können, bleiben viele Entwicklungsländer auf externe Unterstützung im Wirtschafts- und Handelsbereich angewiesen.
Wirksamere und effizientere EZA als Ziel
Hintergrund und Auslöser für die in der Botschaft des Bundesrates präsentierten Neuerungen bei der EZA ist primär die Tatsache, dass die Entwicklungsländer durch eine ständig wachsende Anzahl von Gebern unterstützt werden. Gemäss einem kürzlich vorgestellten Bericht der OECD sind in 37 Empfängerländern jeweils mindestens 24 offizielle (staatliche) Entwicklungsagenturen tätig. Dazu kommen zahlreiche multilaterale Organisationen sowie eine grosse Zahl von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und privaten Stiftungen. In traditionellen Sektoren – wie der Gesundheit – ist die Gebervielfalt dabei besonders ausgeprägt. Siehe auch www.seco-cooperation.ch. Das Mandat des Seco umfasst zwei der sechs Aufgabenbereiche der Schweizer EZA und wird wie folgt zusammengefasst: – Unterstützung des entwicklungsfördernden Einbezugs der Partnerländer in die Weltwirtschaft und Stärkung eines nachhaltigen Wachstums; – Gestaltung der Politik der internationa-len Finanzierungsinstitutionen (Weltbank etc.) sowie der handelsbezogenen Organisationen der UNO. Bezogen auf den strategischen Rahmen für die Schweizer Entwicklungspolitik leistet das Seco schwergewichtig Unterstützung im Bereich der entwicklungsfördernden Globalisierung. Der Bundesrat hat festgehalten, dass in diesem Bereich primär wirtschafts- und handelspolitische Themen bearbeitet werden sollen. Im Fokus stehen dabei Entwicklungsländer mit tiefen und mittleren Einkommen, welche in einem ernsthaften und umfassenden Reformprozess engagiert sind. Innerhalb der einzelnen Interventionsbereiche werden die thematischen Schwerpunkte im Vergleich zu heute noch enger auf Massnahmen gelegt, welche es den Entwicklungsländern ermöglichen, sich in die Weltwirtschaft zu integrieren und verstärkt von der Globalisierung zu profitieren (vgl. Tabelle 1). Ein spezieller Akzent wird in Zukunft im Querschnittsbereich «Energie, Klima und Umwelt» gesetzt, der immer stärker zu einem limitierenden Faktor für das wirtschaftliche Wachstum der Partnerländer wird.
Die komparativen Vorteile des Seco
Zur Umsetzung seiner Massnahmen kann das Seco innerhalb des Amtes und des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements (EVD) auf spezifische wirtschafts- und handelspolitische Fachkompetenz zurückgreifen. Es nutzt dieses Spezialwissen – beispielsweise bezüglich der Standort- und Arbeitsmarktpolitik, der Stärkung der Wettbewerbskraft oder im WTO- und OECD-Bereich – gezielt für die EZA. Gleichzeitig erreicht es in den Partnerländern die Zentralbanken, massgebende Wirtschaftsorganisationen und auf ökonomische Fragen spezialisierte Regierungsstellen, zu welchen «traditionelle» Entwicklungsagenturen oft kaum Zugang haben. Charakteristisch für den Ansatz des Seco ist darüber hinaus die Ausrichtung seiner Tätigkeit auf die Mobilisierung privater Ressourcen. Dies impliziert die Förderung von günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Partnerländern sowie die Verbesserung des Zugangs für Bevölkerung und Unternehmen zu öffentlichen Dienstleistungen und Versorgungssystemen wie Elektrizität oder Wasser. Weiter geht es um die gezielte Förderung von Partnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor (z.B. Public-Private Partnerships) sowie um die Nutzung von Fähigkeiten und Wissen des Privatsektors in den Projekten. Die finanziellen Mittel des Seco dienen generell als Hebel zur Mobilisierung von privatem Kapital für Entwicklungsländer in Sektoren, in welche sonst aufgrund von Risiko- und Renditevorgaben nicht investiert würde. Eine solche Multiplikatorwirkung ergibt sich auch, wenn Produzenten aus Entwicklungsländern mit potenziellen Abnehmern in der Schweiz oder auf dem europäischen Markt in Kontakt gebracht werden.
Multilaterale Massnahmen
Viele Fragestellungen und Probleme im Bereich der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen haben eine internationale Dimension. Es geht zum Beispiel um die Unterstützung für die Ausarbeitung und Verbreitung von internationalen wirtschaftlichen Regelwerken, Produkteoder Arbeitsstandards sowie um «Best Practices» (Ausgestaltung von Exportbestimmungen, Grundsätze für die Rechnungslegung von Unternehmen etc.). Zur Sicherstellung der internationalen wirtschaftlichen Gouvernanz und Rechtssicherheit ist der Einbezug aller Entwicklungsländer notwendig. Umgesetzt werden diese Massnahmen oft im Rahmen globaler oder regionaler Programme (siehe Informationen zur Vorgehensweise der internationalen Geber, den Empfängerländern und den Wirkungen, welche mit globalen handelspolitischen Massnahmen erzielt werden, enthält der kürzlich veröffentlichte Bericht «Aid for Trade at a Glance 2007: 1st Global Review», WTO und OECD, Paris, 2008, www.oecd.org/publications .
Bilaterale Massnahmen
Die andere Hälfte des neuen Rahmenkredits wird für bilaterale Massnahmen des Seco zu Gunsten von ausgewählten Partnerländern verwendet. Damit kann eine massgeschneiderte Unterstützung geleistet werden, welche die Programme von internationalen Organisationen und die Aktivitäten anderer Geber zielgerichtet ergänzt. Bi- und multilateral umgesetzte Massnahmen ergänzen und verstärken sich gegenseitig. So entwickelt das Seco im Rahmen seiner bilateralen Zusammenarbeit innovative Ansätze, die es in die Gestaltung von multilateralen Programmen einbringt oder welche später von internationalen Partnerorganisationen repliziert werden können.
Reduktion der Schwerpunktländer
Die Zahl der Schwerpunktländer für die bilaterale Unterstützung soll künftig von zwölf auf sieben Staaten reduziert werden: Ägypten, Ghana, Südafrika, Vietnam, Indonesien, Kolumbien und Peru. Es handelt sich dabei um momentan zwar wirtschaftlich rasch wachsende, aber nach wie vor mit grossen Armuts- und Entwicklungsproblemen konfrontierte Länder an der Schwelle zur Integration in die Weltmärkte. Sie gehören zur OECD-DAC-Kategorie der «Lower Middle Income Countries» (jährliches Pro-Kopf Einkommen zwischen 826 und 3255 US-$) oder dürften – wie z.B. Ghana – mittelfristig zu dieser Gruppe stossen. International wird eine Reihe von Gründen angeführt, weshalb fortgeschrittenere arme Entwicklungsländer gezielt unterstützt werden sollten (vgl.
Kasten 2
«Zu den Middle Income Countries (MIC) zählen 47% der Weltbevölkerung und 41% der Armen, die von weniger als zwei US-$ täglich leben. Viele dieser Länder zeichnen sich durch ein instabiles Wirtschaftswachstum aus. Die Instabilität hat oft hohe wirtschaftliche und soziale Kosten zur Folge und kann diese Länder in ihrem Entwicklungsstand zurückwerfen. Zudem sind diese Länder oft anfällig für Umweltprobleme (…). Verschiedene Gründe sprechen dafür, MIC entschiedenere internationale Hilfe zukommen zu lassen. Erstens trägt der Fortschritt dieser Länder dazu bei, Stabilität zu schaffen und Wachstum anzukurbeln, mit entsprechenden Wirkungen auf die Weltwirtschaft. Zweitens wäre eine aktivere Politik der internationalen Zusammenarbeit mit MIC angezeigt, um eine raschere Reduktion der Weltarmut zu erreichen. Drittens bedarf es dieser Unterstützung, um zu verhindern, dass MIC bezüglich sozialer und wirtschaftlicher Errungenschaften wieder zurückfallen. Viertens kann diese Hilfe Entwicklungspole in verschiedenen Regionen der Dritten Welt festigen. Fünftens wird sie die Versorgung mit globalen öffentlichen Gütern wie (…) Friedenserhalt, finanzieller Stabilität und Umweltverträglichkeit erleichtern.»). Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass ihre Entwicklung volatil bleibt. Die Globalisierung stellt diese Länder vor spezifische entwicklungspolitische Herausforderungen im Wirtschafts-, Handels-, Finanz- und im Umweltbereich. Hier verfügt das Seco – insbesondere aufgrund seiner wirtschaftspolitischen Kernkompetenz sowie der übrigen binnen- und aussenwirtschaftlichen Aufgaben – über einen komparativen Vorteil. Für eine Konzentration auf diese Ländergruppe spricht auch der Umstand, dass sich die konkrete Vorgehensweise, welche dort zur Anwendung gelangt, nicht ohne weiteres auf die ärmsten Länder übertragen lässt: Sie haben andere Voraussetzungen – beispielsweise weniger weit entwickelte Institutionen und Märkte – und Prioritäten. Konkret wird die Schweiz die bilaterale EZA in Jordanien und Tunesien inskünftig anderen Gebern überlassen. In Bolivien, Tansania, Burkina Faso und Mosambik bleibt unser Land weiter in denjenigen Sektoren direkt präsent, welche die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) im Rahmen ihres spezifischen Mandats bearbeitet. Die Entwicklung der Schwerpunktländer ist auch für umliegende Staaten bedeutsam. Um Multiplikatoreffekte zu erzielen, beabsichtigt das Seco, die Rolle der Schwerpunktländer für ihre Regionen zu stärken und den Zugang der weniger weit entwickelten Nachbarstaaten zu diesen Entwicklungspolen zu fördern.
Im Interesse der Schweiz
Der Beitrag der Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen EZA erfolgt auch im mittel- und langfristigen Interesse unseres Landes. Primär geht es dabei um die Schaffung und Verbreitung internationaler wirtschaftlicher Regelwerke und Standards, die Erleichterung des wirtschaftlichen Austauschs sowie die Wahrung der Interessen der Schweiz im globalen wirtschafts- und finanzpolitischen Dialog in den internationalen Finanzierungsinstitutionen wie der Weltbank. Damit ergeben sich Synergien zu den übrigen Aufgabengebieten des Seco sowie insbesondere zur Aussenwirtschaftsstrategie (siehe Grafik 2). Der Bundesrat hat in dieser Strategie drei Dimensionen festgelegt: – Ausgestaltung eines internationalen Regelwerks, das den Marktzugang für Schweizer Anbieter sowie den Schutz ihrer Investitionen im Ausland gewährleistet; – Schaffung von wettbewerbsfreundlichen Regeln im Binnenmarkt Schweiz; – Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie zum Einbezug der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft. Die sieben bilateralen Schwerpunktländer sind für die Schweiz, wenn auch eher langfristig, ebenfalls von aussenwirtschaftlichem Interesse. Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit bleiben aber die entwicklungspolitischen Ziele der Schweiz stets im Vordergrund.
Grafik 1 «Verteilung der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) gemäss den offiziellen Kategorien der OECD»
Grafik 2 «Strategien im Entwicklungs- und Aussenwirtschaftsbereich»
Tabelle 1 «Thematischer Fokus der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit»
Kasten 1: Die First-Initiative zur Stärkung der Finanzsysteme
Ein Beispiel für ein erfolgreiches globales Programm ist die «Financial Sector Reform and Strengthening Initiative» (First). Die Schweiz ist Gründungsmitglied dieser 2002 lancierten Initiative, an der auch Grossbritannien, Kanada, Holland, die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt sind. Die Entwicklungsländer verfügen meist weder über die finanziellen Ressourcen noch über die technischen Möglichkeiten und das Know-how zur Umsetzung von «Best Practices» im Bereich der Finanzsysteme. Die First-Initiative realisiert deshalb kurz- und mittelfristige Programme zur Unterstützung der Entwicklungsländer zu Themen wie Kapitalmärkte, Zahlungssysteme, Bankwesen, Regelung und Überwachung. Die Projekte werden in enger Zusammenarbeit mit den Behörden der Partnerländer geplant und umgesetzt. Insgesamt führte First bisher auf Anfrage unterschiedlichster Entwicklungsländer rund 250 Finanzsektorprojekte durch.
Kasten 2: Gründe für die Zusammenarbeit mit fortgeschritteneren armen Entwicklungsländern
«Zu den Middle Income Countries (MIC) zählen 47% der Weltbevölkerung und 41% der Armen, die von weniger als zwei US-$ täglich leben. Viele dieser Länder zeichnen sich durch ein instabiles Wirtschaftswachstum aus. Die Instabilität hat oft hohe wirtschaftliche und soziale Kosten zur Folge und kann diese Länder in ihrem Entwicklungsstand zurückwerfen. Zudem sind diese Länder oft anfällig für Umweltprobleme (…). Verschiedene Gründe sprechen dafür, MIC entschiedenere internationale Hilfe zukommen zu lassen. Erstens trägt der Fortschritt dieser Länder dazu bei, Stabilität zu schaffen und Wachstum anzukurbeln, mit entsprechenden Wirkungen auf die Weltwirtschaft. Zweitens wäre eine aktivere Politik der internationalen Zusammenarbeit mit MIC angezeigt, um eine raschere Reduktion der Weltarmut zu erreichen. Drittens bedarf es dieser Unterstützung, um zu verhindern, dass MIC bezüglich sozialer und wirtschaftlicher Errungenschaften wieder zurückfallen. Viertens kann diese Hilfe Entwicklungspole in verschiedenen Regionen der Dritten Welt festigen. Fünftens wird sie die Versorgung mit globalen öffentlichen Gütern wie (…) Friedenserhalt, finanzieller Stabilität und Umweltverträglichkeit erleichtern.»