Das Messen öffentlicher Leistungen aus der Sicht der Kantone
Möglichkeiten und …
Im öffentlichen Bereich spielt typischerweise der Markt nicht. Da keine Marktmechanismen darüber entscheiden, ob die richtigen Leistungen zum richtigen Preis angeboten werden, vermag ein Benchmarking aufzuzeigen, wo die öffentlichen Mittel im Vergleich wirklich haushälterisch eingesetzt und die Leistungen effizient erbracht werden. Unter diesem Aspekt sind die im Auftrag des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements (EVD) erarbeiteten Benchmarking-Studien zu verschiedenen Bereichen öffentlicher Leistungen zu begrüssen. Im ständigen Bestreben, von den Besten zu lernen, profitieren die Gemeinwesen von Vergleichen und sind herausgefordert, aus den Erkenntnissen die Effizienz der Leistungserbringung zu steigern. Um im Rahmen des New Public Management sinnvolle Führungsvorgaben und angemessene Globalbudgets festlegen zu können, sind aussagekräftige Vergleichszahlen erforderlich. Auch das im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) eingeführte neue Instrument der Programmvereinbarung zwischen Bund und Kantonen erfordert Kostenanalysen, um die vorgesehenen Pauschalbeiträge «richtig» festlegen zu können. Alle diese Beweggründe für Benchmarking und darauf basierende Kostenanalysen sind grundsätzlich betriebswirtschaftlich motiviert. Damit werden den Entscheidungsträgern optimale Grundlagen bereitgestellt, um sinnvolle Führungsvorgaben festlegen zu können, sei dies innerhalb der Verwaltung oder im politischen Prozess.
… Grenzen von Benchmarking im öffentlichen Bereich
Für die KdK – wie auch für den Bund – können in unserem föderalistischen Staat Feststellungen ineffizienten Verhaltens einzelner Kantone oder ein Effizienzranking unter den Kantonen allein keine Grundlage für regulatorisches Handeln sein, sind doch die 26 Kantone souveräne Teilstaaten mit eigener Kosten- und Leistungsverantwortung. Es entspricht unserem föderalistischen Verständnis, dass der Souverän in jedem Kanton frei ist, über sein Leistungsangebot zu entscheiden, was sowohl zu einem unterschiedlichen Leistungsangebot bezüglich Qualität und Quantität als auch hinsichtlich der Effizienz der geforderten Leistungserbringung führt. Ergebnisse von Benchmarking-Studien können deshalb für die Entscheidungsträger in den einzelnen Kantonen zwar eine wichtige Rolle spielen, haben aber keine normative Kraft. Bezogen auf die vorliegenden Studien: Es kann durchaus Gründe geben, andere Massstäbe für einzelne Leistungen politisch zu vereinbaren, weil die Verhältnisse unterschiedlich beurteilt werden. So dürfte die Papierflut – und damit der Altpapieranfall – in einem Briefkasten im Obergoms wohl kaum mit demjenigen in der Stadt Bern zu vergleichen sein.
Anwendungsbereich NFA-Sonderlasten
Das Föderalismusverständnis der autonomen Definition von Leistungen liegt auch der NFA zugrunde, indem die bisherige Abhängigkeit der Finanzausgleichszahlungen von der Höhe der Steuerbelastung aufgehoben und nur noch auf das Ressourcenpotenzial abgestellt wird. Mit dem Ersatz bisher zweckgebundener Transferzahlungen durch neu frei verfügbare Ausgleichzahlungen wird mit der NFA der Entscheidungsspielraum der einzelnen Kantone gestärkt. Benchmarking-Studien sind erforderlich für die Feststellung von Sonderlasten. Dabei geht es darum, den Einfluss nicht beeinflussbarer Faktoren auf die Kosten der Erbringung der Grundleistungen zu ermitteln und Spitzenbelastungen auszugleichen. Um für den Entscheidungsprozess sinnvolle Kennzahlen zu erhalten, mit denen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung gemessen werden kann, sind verschiedene Grundvoraussetzungen erforderlich: – Die Erfassung der nicht beeinflussbaren Kostenfaktoren und deren Einfluss auf die Kosten der Leistungserbringung; – die Festlegung bzw. Messung der Quantität und insbesondere der Qualität der erbrachten Leistung; – die Nachvollziehbarkeit der Studien sowie die Plausibilität der Ergebnisse. Die Feststellungen, dass etwa eine höhere Wirtschafts- und Finanzkraft zu höheren Ausgaben führt und dass die Westschweizer Kantone generell ein höheres Ausgabenniveau aufweisen als die Zentral- und Ostschweizer Kantone, mögen zwar interessant sein. Für die Beurteilung der Effizienz der Erbringung einer spezifischen Leistung dürfen solche Faktoren jedoch nicht als unbeeinflussbar betrachtet werden, weil sie ihrerseits das Resultat unterschiedlicher Präferenzen des Souveräns oder früherer Entscheidungsträger sind.
Fazit
In den meisten Bereichen der öffentlichen Verwaltung beginnen die Schwierigkeiten bereits bei der Messung der Quantität der erbrachten Leistung. Noch weitaus schwieriger ist die Kontrolle der Qualität. Nicht zu vergessen ist, dass im öffentlichen Bereich nicht so sehr die erbrachte Leistung, sondern vielmehr die damit erzielte Wirkung im Vordergrund steht. Insofern ist ein Benchmarking bestimmter öffentlicher Leistungen – wie z.B. des öffentlichen Personenverkehrs – erfolgversprechender als generelle Aussagen über die angemessene Höhe der Ausgaben von Kantonen und Gemeinden. Mit Benchmarking sollen Entscheidgrundlagen geliefert werden. Damit die Entscheidungsträger daraus die richtigen Schlüsse ziehen, ist es wichtig, dass sie die Kausalzusammenhänge verstehen. Dabei ist zu beachten, dass es – wie die Studie zur Altpapiersammlung zeigt – sehr wohl verschiedene Effizienzoptima geben und auch ein «schlechtes» Sammelergebnis optimiert werden kann. Benchmarking-Studien können ein wertvolles Element für Verbesserungen in verschiedenen öffentlichen Leistungsbereichen sein; allerdings nur ein Element. Es gilt, weitere – vor allem qualitative und allenfalls sogar emotionelle Elemente – zu berücksichtigen, um der politischen Willensbildung für effizientere Lösungen gerecht zu werden. Bei allen objektiven Kriterien muss die subjektive Beurteilung einer Leistung durch das Individuum berücksichtigt werden, entstehen doch politische Mehrheiten bekanntlich aus einem Mehr von ähnlichen subjektiven An- und Einsichten.
Zitiervorschlag: Braun, Canisius (2008). Das Messen öffentlicher Leistungen aus der Sicht der Kantone. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.