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Globale Finanzinstrumente für Ökosystemdienstleistungen

Die zunehmende Nutzung von natürlichen Ressourcen durch den weltweit wachsenden Konsum von Gütern und Dienstleistungen hat erhebliche ökologische Folgen. Um einen ökologischen Umbau der globalen Wertschöpfungsketten zu erreichen, müssen die bestehenden Instrumente zum ökologischen Monitoring und zur finanziellen Kompensation von negativen und positiven Umweltexternalitäten verbessert bzw. neue Instrumente entwickelt werden. Im folgenden Artikel werden zwei globale Finanzinstrumente zur Kompensation von Ökosystemdienstleistungen vorgestellt sowie Probleme des Designs und der Implementierung diskutiert.



Gemäss dem Millennium Ecosystem Assessment (MEA 2005) werden 60% der Ökosystemdienstleistungen degradiert bzw. nicht nachhaltig genutzt. Die prognostizierte Verdopplung des Nahrungsmittelkonsums innerhalb der nächsten 50 Jahre Vgl. Tilman D. et al. (2002): Agricultural Sustainability and Intensive Production Practices. Nature 418, S. 671-677. sowie die Nachfrage nach Biotreibstoffen und anderen biotischen Ressourcen stellen eine Herausforderung für das multifunktionale Management der Ökosysteme weltweit dar. Bisher werden ökologische Schäden häufig nicht in die Umweltentscheidungen entlang der globalen Wertschöpfungsketten, welche Konsumenten, Handel, Verarbeiter und Produzenten im Norden und dem Süden verbinden, einbezogen. Fairer Handel ist ein erster Schritt in diese Richtung. Die mangelnde Transparenz des globalen Welthandels lässt aber oft keine Rückschlüsse auf ökologische Folgekosten entlang der Wertschöpfungskette zu. Die wachsende Nachfrage nach Gütern aus dem primären Sektor ist eng mit einem Anstieg des Handelsvolumens und einer steigenden Komplexität von Zulieferketten verknüpft. So wird zum Beispiel Fischmehl für die Produktion von Crevetten in Thailand für den europäischen und nordamerikanischen Markt hauptsächlich aus Peru bezogen. Damit verbunden sind negative Folgen für die Meeresökosysteme im Pazifischen Ozean Vgl. Deutsch L. et al. (2007): Feeding Aquaculture Growth Through Globalization: Exploitation of Marine Ecosystems for Fishmeal. Global Environmental Change 17, S. 238-249. sowie ein hoher Energieaufwand für den Transport. Die Wertschöpfungskette der Crevetten zeigt, dass ökologische Schäden weit entfernt vom Ort des Konsums auftreten können. Die Schweiz hat im Jahr 2001 rund 4100 km² im Binnenland für Ackerbau genutzt. Gleichzeitig wurden weitere 6200 km² Ackerfläche aus dem Ausland „importiert“, um Getreide, Gemüse, Früchte, Öle, Fette, Zucker und nicht zuletzt Kaffee, Tee und Kakao zu produzieren. Vgl. Würtenberger, L., T. Koellner, and C. R. Binder. 2006. Virtual Land Use and Agricultural Trade: Estimating Environmental and Socio-Economic Impacts. Ecological Economics 57, S. 679-697. Insbesondere in Entwicklungsländern mit schwacher Umweltgesetzgebung und ungenügendem Vollzug haben die Aktivitäten des primären Sektors (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Aquakultur sowie Öl, Gas und Bergbau) zur grossflächigen Entwaldung beigetragen und verursachen weitere Schäden an Biodiversität und Ökosystemen. Schlussendlich werden deren Kapazität, Biomasse zu produzieren, Wasser und Luft zu reinigen, vor Hochwasser und Lawinen zu schützen usw., eingeschränkt. Kurz: Der funktionale Wert der Ökosysteme für die menschliche Gesellschaft nimmt ab.

Zwei unterschiedliche Finanzinstrumente: Kompensation und Zahlung


Gegenwärtig stehen im globalen Kontext zwei unterschiedliche Finanzinstrumente zur Disposition, um Ökosystemdienstleistungen – und auch Biodiversität – finanziell zu entschädigen (siehe Grafik 1): die internationale Kompensation für Ökosystemschäden und internationale Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen.

Kompensation für Schäden an Ökosystemen


Das Instrument der internationalen Kompensation will Schäden an Ökosystemen (negative Externalitäten), welche aufgrund ökonomischer Aktivitäten der Akteure entlang der internationalen Wertschöpfungsketten entstehen, monetär oder in Form von Sachmitteln abgelten. Pavan Sukhdev, Generaldirektor und Leiter der Abteilung Globale Märkte der Deutschen Bank AG in London und Direktor des Fonds Green Accountig for India, schlägt in diesem Sinn eine «Minderwertsteuer» in reichen Ländern vor, d.h. eine Abgeltung der vielen kleinen Umweltschäden, die durch Produktion, Handel und Konsum entstehen. Dieses Geld könnte für ökologische Projekte in armen Ländern eingesetzt werden. Besonders in Ländern mit schwacher Umweltgesetzgebung ist dies wichtig, da dort ökologische Schäden nicht selten auch negative Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Zum Beispiel führt unkontrollierte Entwaldung zur Einschränkung der Wasserreinigungskapazitäten oder des Schutzes gegen Überflutung. Die Kompensation erleichtert die Situation der Menschen, welche ehemals vom Nutzen der intakten Ökosysteme profitiert haben. Dieses Instrument folgt somit dem Prinzip «Polluter pays». Dies bedeutet aber nicht, dass sich Firmen von ihrer Verantwortlichkeit freikaufen können, wo und wann immer möglich, ökologische Schäden zu reduzieren oder zu vermeiden. Ein Beispiel für das Instrument der internationalen Kompensation ist das Business and Biodiversity Offset Programme (BBOP) von Forest Trends. Vgl. ten Kate K., Bishop J., Bayon R. (2004): Biodiversity offsets: Views, Experience, and the Business Case. IUCN, Gland, Schweiz, Cambridge, UK, und Insight Investment, London, UK. Es erlaubt international tätigen Firmen, Schäden an Biodiversität und Ökosystemen, die durch ihre Geschäftstätigkeit entstehen, freiwillig und «on-site» – d.h. in unmittelbarer Nähe – zu kompensieren. Dies ergänzt rechtlich bindende Instrumente, wie sie auf der Ebene der Europäischen Union (EU) durch die Environmental Liability Directive (Kompensation von Ökosystemschäden aufgrund von Unfällen) und die Environmental Impact Assessment Directive (Kompensation von Ökosystemschäden aufgrund von Infrastrukturprojekten) implementiert sind.

Internationale Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen


Das Instrument der internationalen Zahlungen folgt dem Prinzip «Beneficiary pays». Private oder öffentliche Akteure, welche aus Ökosystemdienstleistungen einen Nutzen ziehen, bezahlen die Anbieter für deren «Lieferung» (positive Externalität). Im Vergleich zu den gut entwickelten nationalen Zahlungsmechanismen verbinden internationale Mechanismen die Anbieter und Nutzniesser im globalen Kontext. Schon die Entwicklung eines Zahlungsmechanismus für den Erhalt von flussaufwärts liegenden Wäldern mit dem Ziel der besseren Wasserregulierung verlangt nach einer internationalen Lösung, wenn das Wassereinzugsgebiet nationale Grenzen überschreitet. Siehe Recommendations on Payments for Ecosystem Services in Integrated Water Resources Management durch die UNECE Convention on the Protection and Use of Transboundary Watercourses and International Lakes ( Im Rahmen des an der Klimakonferenz in Bali beschlossenen Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries (REDD). Besonders Regierungsorganisationen aus Europa – darunter auch die Schweiz im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Staatsekretariats für Wirtschaft (Seco) – und den USA finanzieren den Aufbau dieses Fonds. Der Handel mit Gutschriften, die im Gegenzug zu Schutzmassnahmen für den Tropenwald ausgestellt werden, soll dann möglichst über private Investoren abgewickelt werden. Ein anderes Beispiel ist der von der Katoomba Group entwickelte Infrastructure Fund for the Planet, mit dem bisher nicht beachtete und unbezahlte Ökosystemdienstleistungen kompensiert werden sollen. Vgl. Solche innovativen Instrumente in Finanzmärkten werden beim 9th International Sustainability Leadership Symposium mit dem Titel «Capitalising on Natural Resources: New Dynamics in Financial Markets» im September 2008 diskutiert (www.sustainability-zurich.org). Problematisch werden internationale Zahlungen, wenn finanzstarke Akteure aus den entwickelten Ländern biodiversitätsreiches Land im Süden im grossen Stil aufkaufen; lokalen Akteuren wird auf diese Weise Land entzogen, was die Landpreise beeinflussen kann. Douglas Tompkins, der Gründer und ehemalige Besitzer der Textillabel North Face und später Esprit, besitzt zusammen mit seiner Frau, die früher Geschäftsführerin und Anteilhaberin vom Textillabel Patagonia war, in Chile und Argentinien 12000 km unberührtes Land. (Für ihr Engagement erhielten sie kürzlich den höchstdotierten deutschen privaten Umweltpreis.) Die Stiftung Cool Earth, die selber in Brasilien und Ecuador riesige Landstücke aufgekauft hat, hat damit geworben, dass für nur 50 Mrd. US-Dollar der brasilianische Regenwald aufgekauft werden könne. Weite Kreise in Brasilien sind über solche und ähnliche Vorhaben entrüstet. Andererseits wurde an der Mitgliederversammlung der globalen Konvention zur biologischen Vielfalt (Conference of the Parties, COP9 CBD) im Mai 2008 in Bonn durch den brasilianischen Umweltminister die Öffnung eines privaten und internationalen Fonds zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes bekannt gegeben; skandinavische Unternehmen haben bereits 100 Mio. US-Dollar zugesagt. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel gab dort auch bekannt, ab 2012 jährlich 500 Mio. Euro mehr für den Schutz von tropischen Wäldern bereitzustellen. Vgl. NZZ Nr. 123, 29.5.2008, Seite 2, Nr. 124, 30.5.2008, Seite 7, und Nr. 125, 31.5.2008, Seite 2.

Verbesserungspotenzial bei Implementierung der Finanzinstrumente


Die ökologischen Folgen des Konsums können zwar mit Ökobilanzen bewertet werden. In einem durch die UNEP finanzierten Projekt mit dem Titel «Operational Characterization Factors for Land use Impacts on Biodiversity and Ecosystem Services in the Life-Cycle Impact Assessment» werden dazu unter der Federführung der ETH Zürich in Kooperation mit internationalen Partnern Grundlagen erarbeitet ( Vgl. Cederberg C., Mattsson B. (2000). Life cycle assessment of milk production – a comparison of conventional and organic farming. Journal of Cleaner Production 8, S. 49–60. Auch bei der Kompensation der ökologischen Folgen des Landverbrauchs ist es häufig nicht möglich, örtlich genau spezifizierte Projekte zu finanzieren.  Hingegen wäre es sinnvoll, aus einem globalen Kompensationsfonds nach definierten Regeln Biodiversitäts- und Ökosystemschutz auch «off-site» zu finanzieren. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Shell und IUCN diskutiert die Möglichkeit, dass die Entwicklung von Biodiversitäts-Offsets langfristig auch den internationalen Handel von Naturschutzkrediten einschliessen könnte, der ähnlich funktioniert wie der Markt für CO2-Kredite. Vgl. Bishop J. et al. (2008). Building Biodiversity Business, Shell International Limited and the International Union for Conservation of Nature: London, UK, und Gland, Schweiz, S. 75. Die besondere Herausforderung läge dabei darin, dass Biodiversität – im Gegensatz zu CO2 – kein homogenes Gut ist, sondern ein komplexes System.  Eine grosse Herausforderung bei der Entwicklung und Implementierung solcher globaler Kompensationsfonds ist der zielgerichtete Einsatz der Finanzmittel (Targeting), um den grösstmöglichen ökologischen bzw. sozioökonomischen Nutzen mit einem gegebenen Budget zu erreichen. Vgl. Engel S. et al. (2008): Designing Payments for Environmental Services in Theory and Practice: An Overview of the Issues. Ecological Economics 65 (4), S. 663-674. So haben Untersuchungen des costaricanischen nationalen Systems zum Beispiel einen geringen Einfluss von Zahlungen für Ökosystemdienstleistungen auf die Entwaldungsrate gezeigt. Die Wahl des Ortes, an dem negative oder positive Externalitäten kompensiert werden, ist für die vorgestellten Instrumente von unterschiedlicher Bedeutung. Da der Fluss von Ökosystemdienstleistungen mit dem Ort des Nutzniessers verknüpft ist, scheint es sinnvoll zu sein, Kompensationsleistungen räumlich zu beschränken. Wenn die Abholzung eines Waldes zu eingeschränkten hydrologischen Ökosystemdienstleistungen und weniger sauberem Wasser im Einzugsgebiet führt, hilft es den Bewohnern dort wenig, wenn in irgendeinem anderen Gebiet die Kompensation erfolgt.  Anders verhält es sich mit der Zahlung zum Schutz des globalen Gutes Biodiversität. Idealerweise würde die Entscheidung für den Ort und die Höhe der Kompensation auf Grundlage der Schadenshöhe, des erreichten Zusatznutzens und der entstandenen Kosten erfolgen. Jedoch ist wegen der Komplexität von Wertschöpfungsketten der genaue Ort des Schadens häufig gar nicht bekannt, und die Komplexität von Ökosystemprozessen erlaubt oft keine genaue Quantifizierung der gelieferten Dienstleistungen.

Grafik 1 «Beziehung zwischen Anbietern, Nutzniessern und Verschmutzern von Ökosystemdienstleistungen»

Kasten 1: Design der Finanzinstrumente
Wegen der eingeschränkten Datenverfügbarkeit auf globaler Ebene verlangt das Design der diskutierten Typen von Instrumenten nach einfach verfügbaren Daten, welche die Aktivitäten und Interessen der Akteure transparent machen. Vielversprechende Ansätze zur Umgehung der genannten Schwierigkeiten sind:- der Einbezug von Landnutzung und dessen Einfluss auf Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen in die Ökobilanzierung zur Bestimmung des ökologischen Schadens bzw. Nutzens entlang globaler Wertschöpfungsketten;a- die Entwicklung von einfachen Targeting-Tools auf der Basis von globalen GIS-Modellen mit ökologisch relevanten Fernerkundungsdaten (z.B. Entwaldungsrate) und sozioökonomischen Grundlagendaten (z.B. Bevölkerungsverteilung und Einkommen), ergänzt mit Felddaten zur Bestimmung des Ortes und die Höhe von Kompensationszahlungen;b- die Implementierung des Impact Assessments und des Targeting von Beginn an bei der Entwicklung eines Finanzinstruments. a Vgl. Koellner T., Scholz R. (2007). Assessment of Land Use Impacts on the Natural Environment. Part 1: An Analytical Framework for Pure Land Occupation and Land Use Change. International Journal of LCA 12, S. 16–23. b Vgl. Engel S., Wünscher T. (Entwurf). Chapter 5. Case Study: Criteria for Guiding Investors at the Interna-tional Level. In: UNEP (Hrsg.) International Payments for Ecosystem Services, Genf.

Zitiervorschlag: Thomas Koellner, Stefanie Engel, (2008). Globale Finanzinstrumente für Ökosystemdienstleistungen. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.