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Finanzanlagen – eine Herausforderung für KMU

Die zweckmässige Bewirtschaftung der flüssigen Mittel und der freien Mittel ist eine Grundfunktion des Finanzmanagements im Unternehmen. Für eine optimale Mittelbewirtschaftung sind sowohl Liquiditätsals auch Sicherheits- und Rentabilitätsziele gebührend zu berücksichtigen. Doch wie sieht die Praxis aus? In einer Studie kommen die Ökonomen der Credit Suisse zum Schluss, dass Unternehmen die verschiedenen Anlagemöglichkeiten insgesamt wenig nutzen, um ihre freien Mittel zu bewirtschaften.

Ausgangsfragen


In der Studie (siehe

Kasten 1
Credit Suisse Economic Research: Finanzanlagen – eine Herausforderung für KMU, Mai 2008. Die Studie kann per Mail an services.businesscenter@credit-suisse.com oder unter Telefon 0800 88 88 71 bezogen werden. Weitere Auskünfte: cesare.ravara@credit-suisse.com) wurde erstens untersucht, wie sich die flüssigen Mittel und die Wertschriften in den Unternehmen entwickelt haben und wie hoch deren an Bilanzsumme und am Umsatz gemessenen Anteile sind. Zweitens wurde analysiert, ob in Abhängigkeit zur Branchenzugehörig-keit, der Grösse und Rechtsform der Unternehmen besondere Unterschiede bei der Mittelbewirtschaftung auszumachen sind. Es wurde drittens der Frage nachgegangen, welche Anlagekategorien die Unternehmen nutzen und wie intensiv sie diese nutzen. Viertens wurde nach der Höhe und zeitlichen Verfügbarkeit von freien Mitteln gesucht. Die Studie stützt sich auf öffentlich zugängliche Statistiken zu Unternehmensbilanzen in der Schweiz und in Deutschland sowie auf eine bei Schweizer Unternehmen durchgeführte Marktumfrage ab.

Barliquidität steigt, Wertpapieranteil sinkt


Die flüssigen Mittel stellen – gemäss der dieser Studie zu Grunde liegenden Abgrenzung – die Barliquidität im Unternehmen dar (Kassa, Kontokorrentguthaben, Callgelder etc.). Sie dient in erster Linie der Erfüllung der unmittelbaren Zahlungsverpflichtungen, der Finanzierung des laufenden Geschäftsbetriebs und der anstehenden Investitionen. Freie Mittel werden – falls überhaupt – in Wertpapiere investiert. Freie Mittel stellen jene finanziellen Ressourcen im Unternehmen dar, die gemäss Liquidi-tätsplanung und unter Berücksichtigung einer Liquiditätsreserve kurzfristig nicht benötigt werden. Der Zweck solcher Wertpapieranlagen ist die Renditeoptimierung und nicht die dauerhafte Beteiligung mit strategischem Zweck an einem Drittunternehmen. Von 1997 bis 2005 sind in Schweizer Unternehmen gemäss Daten des Bundesamt für Statistik (BFS) Vgl. BFS (diverse Jahrgänge). die flüssigen Mittel im Durchschnitt um jährlich 9,5% gewachsen, mit einer markanten Beschleunigung ab Mitte des Beobachtungszeitraumes. Die Wertpapiere legten in der gleichen Zeit um durchschnittlich 5,2% pro Jahr zu, wobei das Wachstum lediglich bis 2000 stattfand. Nach einem Einbruch im Jahre 2001 stagnierten sie ab 2002 auf tieferem Niveau. Zwischen diesen beiden doch recht unterschiedlichen Verläufen der flüssigen Mittel einerseits und der Wertpapiere andererseits liegt die Entwicklung der Bilanzsumme (8,2% p.a.) und des Umsatzes (7,0% p.a.). Grafik 1 zeigt die Entwicklung der flüssigen Mittel und der Wertschriften im Verhältnis zur Bilanzsumme. Bis 2000 waren die relativen Anteile mit etwas über 6% in etwa gleich hoch. Danach begann sich eine Schere zu öffnen. Der Anteil der flüssigen Mittel kletterte auf über 8% und jener der Wertschriften fiel auf unter 5%. Ebenfalls eine Scherenbewegung – aber auf teils unterschiedlichen Niveaus – lässt sich feststellen, wenn die flüssigen Mittel und Wertpapiere an der Entwicklung des Umsatzes gemessen werden.

Grosse Spannweiten und erhebliche Unterschiede zwischen den Branchen


In den Jahren 2000 und 2005 haben sich die Börsen jeweils auf einem Höhenflug befunden. Es wurden diese beiden Jahre detailliert untersucht und dabei die durchschnittlichen Bilanz- und Umsatzanteile der flüssigen Mittel und der Wertschriften für 44 Schweizer Branchen berechnet. Beispielsweise zeigt die Streuung der durchschnittlichen Bilanzanteile (siehe Grafik 2), dass erstens Durchschnitt und Median bei den flüssigen Mitteln recht nahe beieinander liegen, während sie bei den Wertschriften beträchtlich voneinander abweichen. Zweitens ist die Spannweite zwischen den jeweiligen Extremwerten bei den flüssigen Mitteln bedeutend geringer als bei den Wertschriften. Drittens ist bei den Wertschriften die Spannweite von 2000 auf 2005 erheblich zurückgegangen. Die jeweiligen Anteile schwanken von Branche zu Branche teils beträchtlich. Im Jahre 2005 fällt beispielsweise auf der einen Seite die Branche «Herstellung von chemischen Erzeugnissen» mit dem tiefsten Bilanzsummenanteil bei den flüssigen Mitteln (1,3%) und dem dritthöchsten Anteil (10,0%) bei den Wertschriften auf. Auf der anderen Seite sticht die Branche «Herstellung von Automobilen und Automobilteilen» mit Anteilen von 10,2% bei den flüssigen Mitteln und von lediglich 0,1% bei den Wertschriften hervor. Die berechneten Werte sind Jahresdurchschnitte. Schwankungen innerhalb des Jahres – wie sie bei der Barliquidität infolge von saisonalen oder sonstigen geschäftlichen Einflussfaktoren oft vorkommen können – werden dadurch nicht ersichtlich.

Ausgeglichene Mittelbewirtschaftung bei umsatzstarken Unternehmen


Um die Frage nach grössen- und rechtsformspezifischen Unterschieden bei der Mittelbewirtschaftung zu beantworten, wurde auf deutsche Statistiken zurückgegriffen, Vgl. Deutsche Bundesbank (2008). da es in der Schweiz dazu keine öffentlich zugänglichen Statistiken gibt. Nützliche Zusatzinformationen aus den Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen lassen sich dennoch ableiten, verfügen doch die Schweiz und Deutschland über ähnlich strukturierte Branchen- und Unternehmenslandschaften. Vgl. Credit Suisse Economic Research (2007). Zudem sind in beiden Ländern das Einzelunternehmen, die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) die drei gebräuchlichsten Rechtsformen. Über alle Branchen und Rechtsformen hinweg betrachtet war im Jahre 2005 die Mittelbewirtschaftung in deutschen Unternehmen mit mehr als 50 Mio. Euro Umsatz sowie einem Bilanzanteil der flüssigen Mittel von rund 5% und von knapp 4% bei den Wertschriften in etwa ausgeglichen. Bei Unternehmen mit weniger Umsatz überstiegen die flüssigen Mittel mit einem Bilanzanteil von 8% bis 10% jenen der Wertschriften von rund 1% um ein Mehrfaches (siehe Grafik 3). Bei den AG und GmbH ergibt sich ein ähnliches Gesamtbild: eine ausgeglichene Mittelbewirtschaftung bei der höchsten Umsatzkategorie und eine hohe Diskrepanz zwischen den Anteilen an flüssigen Mitteln und an Wertschriften bei den übrigen Umsatzkategorien. In Einzelunternehmen – in Deutschland und in der Schweiz die häufigste Rechtsform – sind Wertpapiere als Mittel der Finanzanlage mit einem Anteil an der Bilanzsumme nahe der 0%-Marke praktisch inexistent. Dies gilt für alle Umsatzkategorien, also von jener unter 2 Mio. Euro bis jener von 50 Mio. Euro und mehr.

Produkte des Cashmanagements überwiegen


Die bisherigen Ergebnisse geben Auskunft über das Gewicht der flüssigen Mittel und der Wertschriften in den Unternehmensbilanzen, und zwar nach Sektor, Umsatzkategorie und Rechtsform. Sie sagen nichts darüber aus, welche für die Mittelbewirtschaftung den Unternehmen offen stehenden Produktkategorien in welcher Intensität genutzt werden. Um auf die Produktnutzung eingehen zu können, wurden die Ergebnisse einer Umfrage bei rund 8000 Schweizer KMU analysiert. Vgl. Link Institut (2006). In der Umfrage wurden die Produktkategorien Kontokorrent/Callgeld (KK/CG), Festgeld (FG), Obligationen, Aktien, Fonds und strukturierte Produkte gebildet. Gemäss Umfrage greifen 55% der Unternehmen auf die Produktgruppe Kontokorrent/Callgeld zurück. 13% nutzen Festgeld, 8% Obligationen, 14% Aktien, 11% Fonds und 5% strukturierte Produkte. Mehrfachnennungen sind möglich. Die Umfrage wurde im Jahre 2006 durchgeführt. Bei den strukturierten Produkten ist anzunehmen, dass der Bekanntheitsgrad mittlerweile gestiegen ist und entsprechend die Produktnutzung etwas höher liegt. Gesamthaft betrachtet, machen Kontokorrent/Callgeld 69% der genutzten Produkte aus (siehe Grafik 4). Wird der Festgeldanteil von 9% hinzugerechnet, so entfallen knapp 80% der Mittelbewirtschaftung auf Produkte, die dem Liquiditätsbeziehungsweise Cashmanagement zuzuordnen sind. Die verbleibenden 20% werden unter Finanzanlageprodukte aufgeteilt. Die geringe Nutzung von Anlageprodukten zieht sich durch alle an der Anzahl Beschäftigten gemessenen Unternehmensgrössen hindurch (siehe Grafik 5). Einzig Festgeld kommt bei mittelgrossen Unternehmen etwas häufiger zum Einsatz.

Zeitliche Verfügbarkeit der freien Mittel oft unbekannt


Im Durchschnitt verfügen Schweizer Unternehmen gemäss Umfrage über freie Mittel in der Höhe von rund 360000 Franken. Mit der Grösse nimmt das Volumen der freien Mittel zu. Beispielsweise verfügen Unternehmen mit 10 bis 19 Mitarbeitenden über freie Mittel in der Höhe von durchschnittlich 850000 Franken, solche mit 20 bis 99 Mitarbeitenden können auf durchschnittlich 1,8 Mio. Franken zurück greifen. Über sehr wenig freie Mittel zu verfügen, ist nicht zwingend mit einer Knappheit an liquiden Mitteln gleichzusetzen. So kann beispielsweise eine grössere Investition anstehen, wofür das Unternehmen rasch auf hochliquide Mittel zurückgreifen können muss. Je nach Volumen beträgt die zeitliche Verfügbarkeit der freien Mittel zu 32% bis 40% mindestens drei Jahre. Es folgt – mit Anteilen zwischen 20% und 27% – der Verfügbarkeitshorizont von einem bis drei Jahren. Relativ hoch ist der Anteil jener Unternehmen, welche nicht wissen, für wie lange ihre freien Mittel verfügbar sind: Je nach Volumen sind es zwischen 20% und 35% der Unternehmen.

Zusammenfassung der Resultate…


Die Resultate lassen sich folgendermassen zusammenfassen: – Von 2001 bis 2005 sind die flüssigen Mittel (Barliquidität) in den Unternehmen sowohl absolut wie auch gemessen an der Bilanz und am Umsatz angestiegen. Im gleichen Zeitraum stagnierten die Wertschriften auf tieferem Niveau. – Bei Unternehmen der höchsten Umsatzkategorie lag 2005 der Anteil der flüssigen Mittel klar tiefer als bei Unternehmen der tieferen Umsatzkategorien (Ausnahme Einzelunternehmen). – Bei Unternehmen der höchsten Umsatzkategorie erreichten 2005 die flüssigen Mittel und die Wertschriften annähernd gleich hohe Bilanzsummenanteile (Ausnahme Einzelunternehmen). – Nach Rechtsform betrachtet halten Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) mehr Wertpapiere in den Bilanzen als Einzelunternehmen. – Sowohl traditionelle als auch innovative Produkte der Mittelbewirtschaftung werden wenig genutzt. – Zu rund 60% beträgt die zeitliche Verfügbarkeit der freien Mittel ein Jahr oder mehr. – Oft kennen Unternehmen die zeitliche Verfügbarkeit ihrer freien Mittel nicht.

… und Interpretation


Für den hohen Anteil an flüssigen Mitteln (Barliquidität) gibt es zunächst grundsätzliche Erklärungsmöglichkeiten: – Die Liquidität sichert die überlebensnotwendige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens. Sie ist auch der Motor des Wachstums. – Flexibilität ist eine besondere Stärke von KMU. Um aber Opportunitäten gezielt ergreifen und auf sonstige Ereignisse im Geschäftsumfeld rasch reagieren zu können, brauchen Unternehmen ein Volumen an Barliquidität und sonstigen hochliquiden Mitteln, das über die üblicherweise betriebsnotwendigen Beträge hinausgeht. Beispielsweise kann sich spontan die Möglichkeit bieten, zusätzliche Betriebsmittel zu attraktiven Konditionen zukaufen zu können. Eine weitere Erklärung für den verhältnismässig hohen Liquiditätsbedarf von KMU lässt sich in den langen Zahlungsfristen und -verzügen finden. Oft müssen KMU lange auf die Zahlungseingänge warten, mussten aber vorher bereits fixe und variable Auslagen tätigen. – Für die meisten Unternehmen ist die effiziente Bewirtschaftung der freien Mittel mittels Finanzanlagen nicht eine Kernkompetenz. Für die unterschiedliche Entwicklung der flüssigen Mittel und der Wertschriften ab 2001 dürfen die Entwicklungen an den Kapitalmärkten und die Konjunktur als Erklärung herangezogen werden. – Unternehmen haben im Zuge des Börseneinbruchs im Jahre 2001 ihre Wertschriftenpositionen reduziert und den Verkaufserlös in der Folge nicht oder nur zögerlich wieder angelegt, sondern als Barliquidität gehalten. – Die in der Bilanz verbliebenen Wertschriftenpositionen wurden teilweise tiefer bewertet. – Die ab 2003 anziehende Konjunktur hat die Gewinne und Liquiditätspolster der Unternehmen gestärkt. Dass Unternehmen die zeitliche Verfügbarkeit ihrer freien Mittel oft nicht kennen, kann Ausdruck der schwierigen Marktverhältnisse sein, die eine sichere Liquiditätsplanung erschweren. Es kann aber auch Zeichen einer fehlenden oder nicht weitsichtigen Liquiditätsplanung sein.

Fazit


Die zweckmässige Anlage der freien Mittel ist eine Grundfunktion des Finanzmanagements. Hält das Unternehmen mehr Barliquidität bereit als betrieblich not-wendig, steht den Opportunitätskosten des Zinsausfalls kein angemessener Mehrnutzen – beispielsweise in Form von zusätzlich benötigter Sicherheit und Flexibilität – gegenüber. Doch nutzen Unternehmen die verschiedenen Instrumente der Finanzanlage insgesamt wenig, um ihre freien Mittel zu bewirtschaften. Die Grundsätze des Finanzmanagements gelten für grosse Unternehmen und – in angemessener Form – auch für KMU. Eine mit Planung und Weitsicht auf die Zielvorgaben zugeschnittene Mittelbewirtschaftung erhält dem Unternehmen die Zahlungsbereitschaft und Flexibilität, erhöht aber auch das Potenzial, zusätzlichen Ertrag zu generieren. Darauf sollte kein Unternehmen verzichten.

Grafik 1 «Flüssige Mittel und Wertschriften, alle Branchen, 1997-2005»

Grafik 2 «Alle Branchen: Flüssige Mittel und Wertschriften, 2000 und 2005»

Grafik 3 «Flüssige Mittel und Wertschriften, alle Branchen, nach Umsatzkategorien (in Mio. Euro), 2005»

Grafik 4 «In der Schweiz genutzte Produkte, alle Branchen, nach Anteilen (in %)»

Grafik 5 «Produktnutzung in der Schweiz, alle Branchen, Unternehmen nach Anzahl Mitarbeitende»

Kasten 1: Bezug der Studie und Auskunft
Credit Suisse Economic Research: Finanzanlagen – eine Herausforderung für KMU, Mai 2008. Die Studie kann per Mail an services.businesscenter@credit-suisse.com oder unter Telefon 0800 88 88 71 bezogen werden. Weitere Auskünfte: cesare.ravara@credit-suisse.com

Kasten 2: Quellen
– Bundesamt für Statistik (diverse Jahrgänge): Buchhaltungsergebnisse schweizerischer Unternehmen.- Deutsche Bundesbank (2008): Statistische Sonderveröffentlichung 6: Verhältniszahlen aus Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen von 2004 bis 2005.- Credit Suisse Economic Research (2007): International Issues, Rahmenbedingungen für KMU: Schweiz und Deutschland im Vergleich, Zürich.- Link Institut für Markt- und Sozialforschung (2006): Marktumfrage bei KMU in der Schweiz (unveröffentlicht), Zürich.

Zitiervorschlag: Cesare Ravara, Claude Vautier, (2008). Finanzanlagen – eine Herausforderung für KMU. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.