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Staatsfonds aus entwicklungsökonomischer Sicht

Regierungskontrollierte Investmentfonds - kurz Staatsfonds genannt - wecken protektionistische Reflexe in einigen OECD-Ländern. Die Abneigung gegen Staatsfonds hat Jim Cramer vom TV-Sender CNBC mit Hinblick auf deren Rekapitalisierung strauchelnder US-Banken plastisch ausgedrückt: «Do we want the Communists to own the banks, or the terrorists? I'll take any of it, I guess, because we're so desperate» (CNBC, 18. Januar 2008). Diesen Befürchtungen setzt der folgende Artikel elementare Einsichten der öffentlichen Finanzwirtschaftslehre, der Ressourcenökonomie und der Entwicklungsökonomie entgegen. Grundsätzlich sind die rohstoffbasierten Staatsfonds von den ostasiatischen zu unterscheiden: Die Ersteren stammen aus Ländern, die zu wenig sparen, die Zweiten aus Ländern, wo zugunsten zukünftiger Generationen zu viel gespart wird.

Staatsfonds aus entwicklungsökonomischer Sicht

 

Tabelle 1 zeigt, dass Staatsfonds mit Anlagen von mehr als 100 Mrd. US-Dollar entweder aus Ölausfuhrstaaten oder aus ostasiatischen Staaten stammen. Die Tabelle führt auch die Finanzierungsquellen, die konventionellen und die so genannt genuinen Sparquoten in Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf. Sofern erschöpfbare Rohstoffe nicht in Geld-, Sach-, Umweltoder Humankapital re-investiert werden, verringern die entsprechenden Ausfuhrländer ihr Gesamtkapital. Die genuine Sparquote stellt dies in Rechnung. Die von der Weltbank Vgl. World Bank (2006). errechneten genuinen Sparquoten sind negativ für die aufgeführten Ölförderländer; China und Singapur sparen dagegen zu viel. Vor diesem unterschiedlichen Hintergrund sind alternative makroökonomische Szenarien und Politikreaktionen denkbar. Die in Tabelle 1 erfassten Fonds sind alle aus volkswirtschaftlichen Sparüberschüs-sen – entweder Rohstofferlösen oder sehr hohen Ersparnissen der Unternehmen und Privathaushalte – finanziert. Griffith-Jones und Ocampo (2008) weisen zu recht darauf hin, das aus entwicklungspolitischer Perspektive nur die Finanzierung aus Leistungsbilanzüberschüssen Sinn macht. Wäre dies nicht der Fall, käme die Bildung eines Staatsfonds nur einer Intermediation geborgten Geldes gleich. Staatsfonds sollten auf Sparüberschüssen basieren. Nach der Quelle des Sparüberschusses können Staatsfonds unterteilt werden in: – Fonds, die aus den Rohstofferlösen gespeist werden und die dem Staat gehören oder von ihm besteuert bzw. verzollt werden;  – Fonds, die aus dem Transfer offizieller Devisenreserven aus der Zentralbank gespeist werden und nicht auf Rohstofferlösen basieren.

Was spricht für rohstoffbasierte Staatsfonds?


Wie rohstofflastige Staaten ihre Erlöse optimal verwenden, ist eine komplexe Entscheidung unter hoher Unsicherheit. Die Höhe der unentdeckten Rohstoffreserven, der Verlauf zukünftiger Rohstoffpreise, die Erträge aus der Explorationsverwendung und das Bevölkerungswachstum sind wesentliche Faktoren dieser Entscheidung. Der Entscheidungsbaum umfasst dabei folgende Fragen: Werden die erschöpflichen Bodenschätze gewonnen oder erhalten? Wird der Rohstofferlös verbraucht oder investiert? Erfolgt die Investition im Inland oder im Ausland? Wird im Ausland investiert, oder werden Schulden gegenüber dem Ausland abgebaut? Tabelle 2, welche dieses Entscheidungsmanagement abbildet, stützt sich auf die Literatur zur Theorie erschöpflicher Rohstoffe. Vgl. World Bank (2006); siehe auch Tabelle 1. hat vorgerechnet, dass viele Rohstoffländer die Hartwick-Regel verletzen. Die oft negative genuine Sparquote erklärt ganz wesentlich das unterdurchschnittliche Wachstum der Rohstoffländer im internationalen Ländervergleich, d.h. den Ressourcenfluch. Staatsfonds sind ein Mittel, diesem Fluch zu entgehen, da sie die Transformation der Erlöse in andere Vermögensanlagen erleichtern.  Die Ölförderländer müssten die Hotelling- und die Hartwick-Regel missachten, falls ölfinanzierten Staatsfonds freie Investitionen in den OECD-Ländern verwehrt würden. Die Hotelling-Regel warnt, dass eine durch Kapitalprotektionismus verursachte Verringerung der erwarteten Investitionserträge zu geringerer Ölförderung und somit zu höheren Ölpreisen führen kann. Würde dennoch Öl unvermindert gefördert, würde der Kapitalprotektionismus in den Ölexporteuren Verschwendung und Korruption intensivieren und das Verbrauchsniveau zukünftiger Generationen senken, möglicherweise mit negativen geostrategischen Konsequenzen. Tabelle 2 zeigt des Weiteren, dass es gute Gründe dafür gibt, einen Teil der Rohstoffbonanza im Ausland zu investieren: Die Erträge auf Inlandinvestitionen würden ansonsten unter das Niveau fallen, das im Ausland erzielt werden kann. Besser ist es, die Inlandinvestitionen zeitlich zu strecken und durch graduelle Repatriierung der Auslandanlagen zu finanzieren. Die Baukostenregel mahnt auch zur Verlangsamung der Inlandinvestitionen im Rohstoffboom. Die effiziente Aufteilung der Rohstofferlöse zwischen Inland- und Auslandinvestitionen dürfte indes politischem Widerstand ausgesetzt sein. Der vorzeitige Abbau von Staatsschulden wird dann eine Alternative zum Aufbau von Staatsfonds darstellen, solange die Zinskosten höher sind als der Investitionsertrag.

Ostasiatische Staatsfonds, dynamische Ineffizienz und Wechselkursprotektion


Im Gegensatz zu den ölreichen Staaten finanzieren sich die Staatsfonds aus China und Singapur aus Übertragungen von Teilen der offiziellen Devisenreserven. Devisenreserven sind die geronnenen Sparüberschüsse eines Landes. Grobe Daumenregeln für die optimale Höhe solcher Reserven orientieren sich entweder an der Leistungsbilanz (Deckung von drei Importmonaten) oder an der Kapitalverkehrsbilanz (so z.B. die Greenspan-Guidotti-Regel, dass zur Unterbindung von Investorenpanik die kurzfristigen Auslandsverbindlichkeiten nicht unterschritten werden sollten). Würde China beide Regeln gleichzeitig befolgen, reichten rund 500 Mrd. US-Dollar – also ein Drittel der Reserven beim Stand Mitte 2008 – aus. Seit dem Jahr 2000 sparen China und Singapur knapp die Hälfte und investieren etwa 40% ihres Inlandprodukts. Dies mag die Vermutung nahe legen, dass die Staatsfonds Kinder der «dynamischen Ineffizienz» dieser Staaten sind. Abel et al. (1989) definieren eine Wirtschaft als dynamisch effizient, wenn das Brutto-Kapitaleinkommen (aus Unternehmensgewinnen, Mieterträgen und Zinseinkünften) die Bruttoinvestitionen auf Dauer übertrifft. Nur unter dieser Voraussetzung führt der Finanzsektor dem Zukunftskonsum mehr Ressourcen zu, als er verbraucht; was ja auch seine Aufgabe sein sollte – auch wenn die wiederholten Finanzkrisen und fette Intermediationskosten der Finanzindustrie daran zweifeln lassen. Dynamisch ineffiziente Volkswirtschaften sparen heute zu viel und konsumieren morgen zu viel; die intergenerationelle Allokation der Ressourcen ist ineffizient. Zwar ist für Ostasien einzuräumen, dass die rasche Alterung der Bevölkerung und begrenzte Immigrationsbereitschaft hohe Ersparnisse erfordern, um den Zukunftsverbrauch zu stützen. Exzessive Ersparnisse und dynamische Ineffizienz drücken jedoch den Kapitalertrag unter die Jahresrate des Einkommenswachstums, sodass sich die Rentensicherung besser durch das Umlageverfahren als durch das Vorsorgesparen mit Kapitaldeckung erzielen liesse. Kasa (1997) und He et al. (2007) haben für Singapur und China dynamische Ineffizienz empirisch nicht falsifizieren können. Renten-Zwangssparen in Singapur und ein unterbewerteter Wechselkurs in China sind die tieferen Ursachen.  Zwangssparen bestimmt die Sparleistung Singapurs, mithin 47% des Inlandprodukts im Jahr 2007; der Leistungsbilanzüberschuss betrug 24%. Seit 1955 betreibt der Stadtstaat den Central Provident Fund, ein kapitalgedecktes Staatsrentensystem mit Beitragszusage. Sowohl die Unternehmen als auch die Beschäftigten müssen in die Fonds einzahlen. Die Beitragsrate ist zwar kontinuierlich abgestuft worden, lag aber 2008 immer noch bei durchschnittlich 20% für die Angestellten und 13% für die Unternehmen. Es erstaunt kaum, dass die exzessive Sparleistung nur sehr geringe Kapitalrenditen für die Rentenempfänger abgeworfen hat, nämlich 1,2% inflationsbereinigt im Zeitraum 1987-2004. Vgl. Kuijs (2006). Mattoo und Subramaniam (2008) sammeln Schätzungen zum realen Wechselkursniveau des chinesischen Yuan, die eine erhebliche Unterbewertung für den Zeitraum 2000-2006 in der Höhe von 20% bis 60% feststellen. Die Korrektur dieser Unterbewertung würde diesen Schätzungen zufolge den Leistungsbilanzüberschuss der Volksrepublik um 6 bis 12 Prozentpunkte des Inlandprodukts reduzieren.

Schlussfolgerungen


Aus Entwicklungsperspektive kann eine klare Unterstützung für rohstoffbasierte Staatsfonds abgeleitet werden. Dies gilt weniger für Staatsfonds aus China und Singapur. Zwar hat auch für diese Länder in gewissem Mass das wechselkurs- und geldpolitische sowie das portfoliotheoretische Motiv der Umwandlung eines Teils der offiziellen Devisenreserven in Staatsfonds Gültigkeit. Doch beide Länder sparen zu viel und belasten damit heutige Generationen übermässig zugunsten zukünftiger. Gerade in China, wo die öffentlichen Sicherungsnetze im Krankheitswesen zusammenbrechen, wäre ein interner Transfer der Ressourcen ihrer Anlage im Ausland vorzuziehen. Die unvermeidliche reale Aufwertung der Währungen – sei es durch Inflationsdifferenzen oder nominale Anpassung der Paritä-ten – in China, Singapur und den Golfstaaten wird zur Verringerung der globalen Ungleichgewichte und zur Dämpfung des Anlagewachstums der Staatsfonds beitragen. Wirtschaftspolitisch wünschenswert ist auch die Stimulation des Verbrauchs in den nichtrohstoffbasierten Ländern, in China durch einen Transfer aus dem Unternehmenssektor zu den (ruralen) Haushalten, in Singapur durch eine weitere Verringerung der Zwangsbeiträge an den Central Provident Fund. Während Staatsfonds in ihren Auslandsanlagen, solange sie Renditeziele verfolgen, generell nicht behindert werden sollten, könnte ein solcher Kapitalprotektionismus im Falle der ölbasierten Staatsfonds zu höheren Ölpreisen führen und dadurch die Ölimporteure schädigen.

Tabelle 1 «Länder mit den wichtigsten Staatsfonds, Stand Ende 2007»

Tabelle 2 «Rohstoffbasiertes Entscheidungsmanagement»

Kasten 1: Motive für Staatsfonds
Im Vergleich zur reinen Akkumulation von offiziellen Devisenreserven lassen sich aus ökonomischer Sicht folgende Hauptmotive für den Aufbau von Staatsfonds auflisten, sofern der reine Währungsfloat ausgeschlossen wird: – Dämpfung der Währungsaufwertung: Die zumeist in US-Staatsanleihen gehaltenen Devisenreserven werden als exzessiv beurteilt. Portfoliotheoretisch legen die impliziten Zins- und Dollarrisiken eine globale Streuung des staatlichen Geldvermögens nahe sowie seine teilweise Umwandlung in Sachvermögen. Geldpolitisch lassen sich die exzessiven Devisenreserven nicht mehr durch Sterilisierung der Devisenmarktinterventionen eindämmen, da illiquide lokale Finanzmärkte und Konjunktureffekte eine entsprechende Reduktion des Inlandskredits verbieten. Das impliziert eine reale Aufwertung der Währung, sei es durch nominelle Aufwertung oder Inflationsvorsprung. Investitionen im Ausland dämpfen die Realaufwertung.- Wirtschaftliche Diversifikation und Effizienzgewinne: Die Fonds dienen dem Diversifizierungsziel der Rohstoffländer durch Linderung des Aufwertungsdrucks, indem der «holländischen Krankheit» (d.h. Wettbewerbsdruck auf die übrigen Sektoren) begegnet wird. Die Golfregion bietet ein gutes Beispiel für die Unterstützung der Staatsfonds beim Aufbau neuer Wirtschaftszweige in den Bereichen Tourismus, Luftfahrt und Finanzen.- Förderung von Technologietransfer, Weltmarktzugang und Netzwerkverbindungen. Dies wiederum stimuliert die Produktionseffizienz als künftigen Wachstumstreiber gerade in den Ländern, die ihr Wachstum bislang vor allem durch Faktorakkumulation gespeist haben. – Vorsorge für alternde Gesellschaften und zukünftige Generationen: Dieses Motiv ist besonders in Ländern mit restriktiver Einwanderungspolitik wichtig. Dies setzt voraus, dass die politökonomischen Probleme des Ressourcenfluchs gelöst wurden, also eine transparente Erfassung der Rohstofferlöse und deren Verteilung.

Kasten 2: Literaturhinweise
– Abel, et al. (1989), Assessing Dynamic Efficiency: Theory and Evidence. Review of Economic Studies 56, S. 1-20.- Asher, Mukul G. und Amarendu Nandy (2006), Social Security Policy in an Era of Globalization and Competition: Challenges for Southeast Asia, National University of Singapore, Working Paper 6-2006.- Ferguson, Niall, and Moritz Schularick (2007), «Chimerica» and the Global Asset Market Boom, International Finance, Vol. 10, Nr. 3, S. 215-239.- Griffith-Jones, Stephanie und José Antonio Ocampo (2008), Sovereign Wealth Funds: A Developing Country Perspective, Columbia University ( www.policydialogue.org ), Februar.- He, Dong, Wenlang Zhang and Jimmy Shek (2007), How Efficient has been China’s Investment?, Pacific Economic Review Vol. 12.5, S. 597-617.- Kasa, Kenneth (1997), Does Singapore Invest Too Much?, FRBSF Economic Letter 15-1997. – Kern, Steffen (2007), Sovereign Wealth Funds – State Investments on the Rise, Deutsche Bank Research, Frankfurt/Main.- Kuijs, Louis (2005), Investment and Saving in China, World Bank Policy Research Working Paper Nr. 3633.- Mattoo, Aaditya und Arvin Subramanian (2008), Currency Undervaluation and Sovereign Wealth Funds, Peterson Institute for International Economics, Working Paper 2-2008.- Reisen, Helmut (2007), Neue Heuschrecken, Internationale Politik, Berlin, Oktober, S. 90-91.- Van der Ploeg,Frederick (2008), Challenges and Opportunities for Resource Rich Economies, OxCarre Research Paper 5-2008, Oxford University, Januar.- World Bank (2006), Where is the Wealth of Nations? Measuring Capital for the XXI Century, Washington DC.

Zitiervorschlag: Helmut Reisen (2008). Staatsfonds aus entwicklungsökonomischer Sicht. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.