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Grundzüge der Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse

Zahlreiche technische Handelshemmnisse tragen zu überhöhten Preisen in der Schweiz bei. Deshalb soll das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) revidiert werden. Der Bundesrat hat am 25 . Juni 2008 die Botschaft verabschiedet. Die Revision dürfte der Schweizer Volkswirtschaft einen Wachstumsimpuls von mehr als 0,5% des Bruttoinlandprodukts verleihen. Kern der Vorlage ist die Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips: Produkte, die in der EG rechtmässig in Verkehr sind, sollen grundsätzlich auch in der Schweiz ohne zusätzliche Kontrollen frei zirkulieren können. Weitere Änderungen betreffen Vereinfachungen bei Produktinformation und Zulassungsverfahren.



Aufgrund des Abbaus von Zöllen und Einfuhrquoten im Rahmen der europäischen Integration und der weltweiten Handelsliberalisierung hat die Bedeutung technischer Handelshemmnisse in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Technische Handelshemmnisse behindern den grenzüberschreitenden Austausch von Produkten und tragen damit zur Abschottung der inländischen Märkte bei. Dies schafft eine Reihe von Problemen. Dazu gehören höhere Preise und weniger Wettbewerb auf dem Inlandmarkt sowie eine verringerte internationale Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Produzenten.

Wichtiges Element der Wachstumspolitik des Bundesrates


Durch ihre marktabschottende und wettbewerbshindernde Wirkung tragen technische Handelshemmnisse massgeblich zum hohen Preisniveau in der Schweiz bei. Im Vergleich zu den umliegenden Ländern ist das schweizerische Preisniveau – trotz einiger Verbesserungen – noch immer sehr hoch. So sind beispielsweise die Preise im Nahrungsmittelbereich um 32% höher als im Durchschnitt der Nachbarländer. Im Baugewerbe beträgt die Differenz 35%, bei der Gesundheitspflege 30% und im Bereich Wohnungswesen, Wasser, Elektrizität, Gas und andere Brennstoffe sogar 57%. Analysen zeigen, dass der Einfluss von technischen Handelshemmnissen auf die Preise je nach Produkt 10% bis 25% ausmacht.   Die Wachstumsschwäche der schweizerischen Volkswirtschaft in den Neunzigerjahren führte zur Formulierung einer Wachstumspolitik des Bundes. Im Rahmen der Wachstumspolitik 2008-2011 hat der Bundesrat eine Senkung des hohen Kostenniveaus in der Schweiz zu einer Priorität gemacht. Die Vorlage zur Revision des THG ist ein Kernelement der bundesrätlichen Wachstumspolitik. Im Bericht des Bundesrates zur Wachstumspolitik 2008-2011 gehört sie denn auch zur Kategorie der wichtigsten wirtschaftspolitischen Vorhaben der laufenden Legislatur.

Bisherige Instrumente zum Abbau technischer Handelshemmnisse


Das THG wurde im Rahmen des Revitalisierungsprogramms des Bundes nach der Ablehnung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ausgearbeitet und ist am 1 . Juli 1996 in Kraft getreten. Es hat zum Ziel, bestehende technische Handelshemmnisse so weit wie möglich abzubauen und zu verhindern, dass beim Erlass oder der Änderung technischer Vorschriften neue technische Handelshemmnisse geschaffen werden. Gestützt auf das THG verfolgte der Bundesrat bis anhin zwei Strategien zum Abbau technischer Handelshemmnisse: die autonome Harmonisierung der schweizerischen Produktvorschriften mit dem EG-Recht sowie staatsvertragliche Vereinbarungen mit der EG 1 Die Bezeichnung Europäische Union (EU) hat in der Umgangssprache die Bezeichnung Europäische Gemeinschaft (EG) ersetzt. Gemäss (noch) geltendem Recht sind jedoch EU und EG juristisch unterschiedliche Begriffe. Nachfolgend wird ausschliesslich der Begriff Europäische Gemeinschaft bzw. EG verwendet. zum Abbau technischer Handelshemmnisse.

Autonome Harmonisierung


Gelten innerhalb der EG einheitliche technische Vorschriften (sog. harmonisierter Bereich; siehe Kasten 2 Der Grundsatz des freien Warenverkehrs bildet einen der Eckpfeiler des EG-Binnenmarkts. Er bedeutet, dass alle nationalen Beschränkungen des Warenverkehrs innerhalb der EG zu beseitigen sind.Viele Handelshemmnisse wurden im Rahmen der Rechtsharmonisierung beseitigt (sog. harmonisierter Bereich). Hierbei legt die EG in Verordnungen oder in Richtlinien einheitliche Produktvorschriften fest. Während Verordnungen im ganzen EU-Raum unmittelbar anwendbar sind, sind Richtlinien von den Mitgliedstaaten in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen. Ist eine Richtlinie in Kraft gesetzt und deren Umsetzungsprozess in den Mitgliedstaaten abgeschlossen, so gelten für die betroffenen Produkte im Binnenmarkt zwar je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts unterschiedliche, aber materiell vereinheitlichte Regeln. Für Produkte, die nicht Gegenstand der gemeinschaftlichen Harmonisierung sind (nichtharmonisierter Bereich), gelten die Artikel 28-30 des EG-Vertrags, die Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs verbieten. Diese Bestimmungen sind die Basis des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung. Dieser bedeutet, dass die Mitgliedstaaten in allen noch nicht angeglichenen Sektoren auf ihrem Gebiet Güter akzeptieren müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig vermarktet werden. Vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung können die Mitgliedstaaten nur in den in Artikel 30 EG-Vertrag genannten Fällen abweichen, insbesondere zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im nicht harmonisierten Bereich ist vor allem unter dem auf ein gleichnamiges Urteil des Europäischen Gerichtshofes zurückgehenden Begriff Cassis-de-Dijon-Prinzip bekannt. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof das Verbot der Vermarktung des französischen Likörs «Cassis de Dijon» in Deutschland zu beurteilen, welches von der deutschen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein damit begründet wurde, dass das fragliche Erzeugnis aus Frankreich den in der deutschen Gesetzgebung festgeschriebenen Mindestalkoholgehalt nicht erfüllea. Mit dem EWR-Abkommen wurde diese Regelung auch auf die dem EWR beigetretenen EFTA-Staaten ausgeweitet. ), so lassen sich technische Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und den EG-Staaten dadurch beseitigen, dass die schweizerischen Produktvorschriften an diejenigen der EG angepasst werden. Der Bundesrat verfolgt dieses Ziel seit den frühen Neunzigerjahren. Diese Strategie ist auch im THG verankert. So schreibt das THG vor, dass technische Vorschriften so auszugestalten sind, dass sie sich nicht als technische Handelshemmnisse auswirken. Zu diesem Zweck sind sie auf die Vorschriften unserer wichtigsten Handelspartner – d.h. in der Regel auf jene der EG – abzustimmen. Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur zulässig, soweit überwiegende öffentliche Interessen – insbesondere der Schutz der Gesundheit, der Umwelt oder der Konsumenten – dies erfordern. Da technische Vorschriften immer wieder an den technischen Fortschritt angepasst werden müssen, sind solche Vorschriften periodisch auf ihre Aktualität zu überprüfen. Der Bundesrat hat im Rahmen der Arbeiten zur THG-Revision eine umfassende Überprüfung der schweizerischen Produktvorschriften vorgenommen und sich dabei für eine konsequentere Harmonisierung der schweizerischen Produktvorschriften mit dem EG-Recht ausgesprochen. 2 Weitere Informationen zur Strategie der autonomen Harmonisierung und zur Überprüfung der schweizerischen Produktvorschriften sind im Artikel von Hertig und Wey auf S. 10ff zu finden

Abkommen mit der EG


Im Rahmen der Bilateralen Abkommen I zwischen der Schweiz und der EG von 1999 wurden zwei Abkommen ausgehandelt, die den gegenseitigen Abbau von technischen Handelshemmnissen beinhalten: das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen 3 Dieses Abkommen sieht die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Prüfungen, Zertifizierungen, Inspektionen) und teilweise auch der Produktezulassungen für gegenwärtig 16 Bereiche des Industriesektors vor. im Bereich der Industrieprodukte sowie das Abkommen über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrarabkommen). 4 Das Agrarabkommen verbessert den gegenseitigen Marktzugang zwischen der Schweiz und der EG nicht nur durch Zollkonzessionen, sondern vor allem auch durch den Abbau technischer Handelshemmnisse in zahlreichen Produktebereichen des Agrarsektors. Zum grössten Teil geschieht dies durch die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit der Gesetzgebungen sowie von gesundheitspolizeilichen oder pflanzenschutzrechtlichen Erfordernissen (Gesundheitszeugnisse, amtliche Kontrollen usw.).

Gründe für die Revision


Trotz dieser beiden Instrumente bestehen noch zahlreiche technische Handelshemmnisse, die zu überhöhten Preisen in der Schweiz beitragen. Insbesondere in Bereichen, in denen innerhalb der EG keine oder nur teilweise einheitliche Produktvorschriften bestehen, 5 Siehe Kasten 2. sind weder die autonome Harmonisierung noch die beiden oben genannten Abkommen ein geeignetes Instrument zum Abbau technischer Handelshemmnisse gegenüber der EG. Deshalb soll mit der Revision des THG das bestehende Instrumentarium zum Abbau technischer Handelshemmnisse durch das so genannte Cassis-de-Dijon-Prinzip erweitert werden (siehe Kasten 2 Der Grundsatz des freien Warenverkehrs bildet einen der Eckpfeiler des EG-Binnenmarkts. Er bedeutet, dass alle nationalen Beschränkungen des Warenverkehrs innerhalb der EG zu beseitigen sind.Viele Handelshemmnisse wurden im Rahmen der Rechtsharmonisierung beseitigt (sog. harmonisierter Bereich). Hierbei legt die EG in Verordnungen oder in Richtlinien einheitliche Produktvorschriften fest. Während Verordnungen im ganzen EU-Raum unmittelbar anwendbar sind, sind Richtlinien von den Mitgliedstaaten in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen. Ist eine Richtlinie in Kraft gesetzt und deren Umsetzungsprozess in den Mitgliedstaaten abgeschlossen, so gelten für die betroffenen Produkte im Binnenmarkt zwar je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts unterschiedliche, aber materiell vereinheitlichte Regeln. Für Produkte, die nicht Gegenstand der gemeinschaftlichen Harmonisierung sind (nichtharmonisierter Bereich), gelten die Artikel 28-30 des EG-Vertrags, die Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs verbieten. Diese Bestimmungen sind die Basis des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung. Dieser bedeutet, dass die Mitgliedstaaten in allen noch nicht angeglichenen Sektoren auf ihrem Gebiet Güter akzeptieren müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig vermarktet werden. Vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung können die Mitgliedstaaten nur in den in Artikel 30 EG-Vertrag genannten Fällen abweichen, insbesondere zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im nicht harmonisierten Bereich ist vor allem unter dem auf ein gleichnamiges Urteil des Europäischen Gerichtshofes zurückgehenden Begriff Cassis-de-Dijon-Prinzip bekannt. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof das Verbot der Vermarktung des französischen Likörs «Cassis de Dijon» in Deutschland zu beurteilen, welches von der deutschen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein damit begründet wurde, dass das fragliche Erzeugnis aus Frankreich den in der deutschen Gesetzgebung festgeschriebenen Mindestalkoholgehalt nicht erfüllea. Mit dem EWR-Abkommen wurde diese Regelung auch auf die dem EWR beigetretenen EFTA-Staaten ausgeweitet. ). Mit diesem Instrument soll sichergestellt werden, dass Produkte, die in der EG rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich auch in der Schweiz ohne zusätzliche Kontrollen frei zirkulieren können.   Das Cassis-de-Dijon-Prinzip ist nicht ein Ersatz, sondern eine Ergänzung zum Prinzip der Harmonisierung der schweizerischen Produktvorschriften mit denjenigen der EG. Der Harmonisierung des schweizerischen Produktrechts mit dem EG-Recht kommt somit auch weiterhin grosse Bedeutung zu. Ebenso wenig vermag das Cassis-de-Dijon-Prinzip die beiden im Rahmen der Bilateralen I abgeschlossenen Abkommen zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse zu ersetzen. Parallel zur Revision des THG sollen daher die Bestrebungen zur Erweiterung dieser Abkommen auf neue Produktbereiche weitergeführt werden. Vielmehr stellen diese drei Massnahmen komplementäre Instrumente zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse dar. Durch deren Zusammenwirken wird der Effekt jeder einzelnen Massnahme zusätzlich verstärkt.

Kern der Vorlage: Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips


Durch die Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips auf Importe aus der EG und dem EWR 6 Das Cassis-de-Dijon-Prinzip soll auch für Importe aus dem EWR gelten, was in den nachfolgenden Ausführungen nicht an jeder entsprechenden Stelle einzeln hervorgehoben wird. sollen auch solche Produkte in der Schweiz vermarktet werden können, die nach den in der EG oder dem EWR geltenden Vorschriften hergestellt und dort rechtmässig in Verkehr sind, auch wenn sie den schweizerischen technischen Vorschriften nicht oder nicht vollständig entsprechen. Voraussetzung ist, dass diese Produkte bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung kein erhebliches Risiko für überwiegende öffentliche Interessen darstellen. Diese überwiegenden öffentlichen Interessen sind der Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie der natürlichen Umwelt, die Sicherheit am Arbeitsplatz, der Konsumentenschutz sowie die Lauterkeit des Handelsverkehrs.   Nach erfolgter Revision des THG können Produkte, die in der EG rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich auch in der Schweiz ohne zusätzliche Kontrollen frei zirkulieren, sei es, weil die schweizerischen Produktvorschriften mit denjenigen der EG harmonisiert sind, sei es aufgrund von Abkommen mit der EG oder aufgrund der Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips in der Schweiz. Betroffen von der Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips sind vor allem Kosmetika, Textilien, Kleider, Lebensmittel sowie Wohnungseinrichtungsgegenstände.   Das Cassis-de-Dijon-Prinzip wird keine Anwendung finden für: 7 Für detaillierte Angaben siehe die beiden nachfolgenden Artikel.   – Produkte, die einer Zulassungspflicht unterliegen, und anmeldepflichtige Stoffe nach der Chemikaliengesetzgebung;   – Produkte, die einer vorgängigen Einfuhrbewilligung bedürfen oder einem Einfuhrverbot unterliegen;   – Produkte, für welche der Bundesrat Ausnahmen beschliesst.     Produkte, die aus diesen Gründen keinen Zugang zum schweizerischen Markt haben, werden auf einer speziellen Liste (Negativliste) aufgeführt. Diese wird sowohl für Vollzugsbehörden wie für Unternehmen ein wichtiges Hilfsmittel darstellen.   Zahlreiche technische Handelshemmnisse sind auf unterschiedliche Vorschriften betreffend die Produkteinformation zurückzuführen. Mit der Revision soll erreicht werden, dass importierte Produkte wenn möglich nicht umgepackt oder umetikettiert werden müssen. So soll für Produkte, die gestützt auf das Cassis-de-Dijon-Prinzip Zugang zum schweizerischen Markt haben, die Produktinformation nach den ausländischen Vorschriften, nach denen die Produkte hergestellt worden sind, ausreichen. Vorbehalten bleiben die Anforderungen bezüglich Schweizer Amtssprache(n) und Angabe des Herstellers oder einer verantwortlichen Person in der Schweiz.

Sonderregelung für Lebensmittel


Für Lebensmittel ist eine Sonderregelung zur Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips vorgesehen, die sich an einer in Deutschland seit über 20 Jahren geltenden Regelung orientiert. Lebensmittel, die nicht ausdrücklich nach den technischen Vorschriften der Schweiz hergestellt worden sind, aber die in der EG geltenden technischen Vorschriften erfüllen und dort rechtmässig in Verkehr sind, können auch in der Schweiz vermarktet werden. Sie bedürfen dafür einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit. Von dieser Bewilligungspflicht nicht betroffen sind Lebensmittel, die nach den schweizerischen technischen Vorschriften – d.h. spezifisch für den schweizerischen Markt – hergestellt worden sind. Für diese Produkte stellt sich die Frage einer Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips naturgemäss nicht.   Die Bewilligung wird erteilt, sofern das betreffende Lebensmittel die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet und die Anforderungen an die Produktinformation erfüllt sind. Die Bewilligung wird in Form einer Allgemeinverfügung erteilt. Diese gilt für gleichartige Lebensmittel aus der EG ebenso wie für gleichartige Lebensmittel aus der Schweiz, sofern das Lebensmittel die der Allgemeinverfügung zugrunde liegenden Produktvorschriften erfüllt.   Diese Sonderregelung für Lebensmittel ermöglicht die Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips auch im Lebensmittelbereich, wo der Gesundheitsschutz eine besonders hohe Bedeutung hat. Gleichzeitig wird dadurch eine Schlechterstellung inländischer Produzenten verhindert. So benötigen Lebensmittel aus der EG, die nicht allen schweizerischen technischen Vorschriften entsprechen, eine vorgängige Bewilligung. Liegt für ein Lebensmittel, das nach den in der EG geltenden Vorschriften hergestellt wurde, eine Allgemeinverfügung vor, so ist es auch jedem schweizerischen Hersteller möglich, nach diesen Vorschriften entsprechende Lebensmittel zu produzieren.

Inländerdiskriminierung


Mit der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips werden in der Schweiz künftig auch Produkte vermarktet werden können, die nicht vollumfänglich den schweizerischen, sondern den in der EG geltenden Produktvorschriften entsprechen. Um damit verbundene Kostennachteile für Schweizer Hersteller zu verhindern, werden folgende sich ergänzende Massnahmen getroffen:   – Die wichtigste Massnahme ist eine konsequente Harmonisierung der schweizerischen Produktvorschriften mit dem EG-Recht, wie sie der Bundesrat am 31 . Oktober 2007 beschlossen hat. 8 Siehe dazu ausführlich den Artikel von Bucher und Enderle auf S 15ff. Damit werden die Ursachen der Inländerdiskriminierung direkt bekämpft. Damit auch nach Abschluss der THG-Revision neu entstehenden Diskriminierungen aufgrund schweizerischer Sondervorschriften wirkungsvoll begegnet werden kann, wird beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) eine Kontaktstelle eingerichtet. Schweizerische Hersteller, die eine Benachteiligung aufgrund spezifischer schweizerischer Produktvorschriften feststellen, können dort Meldung erstatten. Solche Meldungen werden vom Seco in Zusammenarbeit mit den zuständigen Bundesstellen geprüft. Das Seco kann den zuständigen Behörden die Änderung oder die Aufhebung schweizerischer technischer Vorschriften empfehlen.   – Schweizerische Produzenten, die Produkte für den EG-Markt herstellen, sollen die nach in der EG geltenden Vorschriften hergestellten Produkte auch in der Schweiz vermarkten dürfen. Um Missbräuche zu verhindern, müssen die schweizerischen Produkte in der EG rechtmässig in Verkehr sein. Mit dieser Möglichkeit soll gewährleistet werden, dass die schweizerischen Hersteller künftig für den gesamten europäischen Markt nach den Vorschriften eines einzigen Landes produzieren und im Inland zu den gleichen Bedingungen Produkte in Verkehr bringen können wie ihre Konkurrenten aus der EG.   – Zur Verhinderung einer Schlechterstellung der nur auf den schweizerischen Markt ausgerichteten Hersteller ist vorgesehen, dass der Bundesrat ermächtigt wird, ein Bewilligungsverfahren für Härtefälle einzuführen. Damit sollen Schweizer Firmen, denen sonst unzumutbare Nachteile erwachsen würden, für den schweizerischen Markt bestimmte Produkte nach den gleichen Vorschriften herstellen dürfen, welche das Konkurrenzprodukt aus der EG zu beachten hatte. Im Lebensmittelbereich kann eine Diskriminierung inländischer Produzenten durch die oben dargelegte Sonderregelung zur Anwendung des Cassis-de-Dijon-Prinzips verhindert werden.

Vollzug


Im Gleichschritt mit der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips soll die Produktsicherheit ausgebaut werden. Dies geschieht einerseits im Rahmen der THG-Revision mit dem Ausbau der bestehenden Befugnisse der Vollzugsorgane und der Festlegung eines Verfahrens zur Marktüberwachung von Produkten, die nach ausländischen Vorschriften hergestellt worden sind. So können die Vollzugsorgane das weitere Inverkehrbringen eines Produkts verbieten, die Warnung vor den Gefahren eines Produktes, seine Rücknahme aus den Verkaufskanälen oder seinen Rückruf anordnen, die Ausfuhr eines Produktes, dessen weiteres Inverkehrbringen verboten worden ist, untersagen oder ein Produkt, von dem eine unmittelbare und ernste Gefahr ausgeht, einziehen und vernichten oder unbrauchbar machen. Ebenso soll es den Vollzugsbehörden möglich sein, ein Produkt, das aufgrund des Cassis-de-Dijon-Prinzips in Verkehr gebracht wird, zu beanstanden und nötigenfalls zu verbieten, wenn von diesem eine Gefahr ausgeht.   Andererseits werden mit dem Ausbau des Gesetzes über die technischen Einrichtungen und Geräte (STEG) zu einem umfassenden Produktsicherheitsgesetz (PrSG) das Schutzniveau angehoben und die Befugnisse der Behörden zum Ergreifen von Massnahmen erweitert. Aufgrund des engen inhaltlichen Bezugs der THG- und der STEG-Revision wurden die beiden Revisionsvorlagen nicht nur inhaltlich abgestimmt, sondern auch gleichzeitig ausgearbeitet und den eidgenössischen Räten unterbreitet.

Weitere Revisionspunkte


Wie bereits erwähnt, misst das THG der Vermeidung von technischen Handelshemmnissen oberste Priorität zu. Eine bedeutende Rolle fällt dabei den Prinzipien über den Erlass von Produktvorschriften zu. Viele technische Handelshemmnisse sind auf unterschiedliche Vorschriften über die Produktinformation (Anforderungen an Etikettierung, Kennzeichnung usw.) sowie auf die Zulassungspflicht für im Ausland bereits zugelassene Produkte zurückzuführen.   Die heute bestehenden Vorschriften betreffend Produktinformation sind teilweise sehr umfangreich und detailliert. Dies hat in der Praxis zu zahlreichen technischen Handelshemmnissen geführt. Mit der Revision werden daher Bestimmungen eingeführt, die gewährleisten sollen, dass sich die Vorschriften über die Produktinformation nicht mehr als unnötige Handelshemmnisse erweisen. So soll die Produktinformation – in Anlehnung an die heute bereits geltende Regelung für Lebensmittel – künftig nur in einer Schweizer Amtssprache abgefasst werden müssen. Einzig für Warn- und Sicherheitshinweise kann verlangt werden, dass diese in mehr als einer schweizerischen Amtssprache oder in der Sprache des Verkaufsorts abgefasst sein müssen.   Aus verschiedenen Umfragen geht hervor, dass Zulassungsverfahren besonders marktabschottend wirken und zu gegenüber dem Ausland erhöhten Preisen beitragen. Um den Marktzutritt von zulassungspflichtigen Produkten zu erleichtern, hat der Bundesrat im Rahmen der THG-Revision Vereinfachungen für im Ausland nach gleichwertigen Vorschriften bereits zugelassene Produkte beschlossen. Für detaillierte Informationen siehe den Artikel von Bucher und Enderle auf S. 15ff.

Grafik 1 «Marktzutrittskanäle in die Schweiz für Produkte aus der EG oder dem EWR»

Kasten 1: Wie aus technischen Vorschriften technische Handelshemmnisse werden Als technische Handelshemmnisse werden Behinderungen des internationalen Warenverkehrs bezeichnet, die auf unterschiedliche technische Vorschriften – auch Produktvorschriften genannt – zurückgehen. Bei technischen Vorschriften handelt es sich um verbindliche staatliche Regeln. Solche Vorschriften verknüpfen das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, die Verwendung oder die Entsorgung von Produkten mit dem Erfordernis, dass bestimmte technische oder qualitative Merkmale erfüllt sind. Solche Anforderungen betreffen beispielsweise Herstellung, Zusammensetzung, Masse, Gewicht, Form, Leistungen, Energieverbrauch, Emissionen, Bezeichnung oder Verpackung eines Produkts. Darüber hinaus können technische Vorschriften verlangen, dass das Produkt nach bestimmten Verfahren geprüft, dass seine Konformität mit den geltenden Vorschriften bewertet, dass es bei einer Behörde angemeldet oder von einer solchen formell zum Markt zugelassen wird. Mit dem Erlass von technischen Vorschriften werden in der Regel legitime Ziele verfolgt, die primär nicht handelspolitischer Natur sind. Insbesondere der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Arbeitnehmenden und die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bilden seit einiger Zeit Anlass zu zahlreichen solchen Regelungen. Andererseits können solche Produktvorschriften aber auch den Güteraustausch behindern oder sogar gezielt dazu dienen, einheimische Wirtschaftsinteressen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Zu einem technischen Handelshemmnis kommt es, wenn ein Hersteller zwar sämtliche für den Markt A erforderlichen Produktvorschriften erfüllt, für ein Produkt aber keinen Zugang zum Markt B findet, da auf diesem andere Anforderungen gelten, identische Anforderungen anders angewendet werden oder die im Land A durchgeführten Prüfungen, Konformitätsbewertungen, Anmeldungen oder Zulassungen im Land B nicht anerkannt werden.

Kasten 2: Abbau technischer Handelshemmnisse in der EG und im EWR Der Grundsatz des freien Warenverkehrs bildet einen der Eckpfeiler des EG-Binnenmarkts. Er bedeutet, dass alle nationalen Beschränkungen des Warenverkehrs innerhalb der EG zu beseitigen sind.Viele Handelshemmnisse wurden im Rahmen der Rechtsharmonisierung beseitigt (sog. harmonisierter Bereich). Hierbei legt die EG in Verordnungen oder in Richtlinien einheitliche Produktvorschriften fest. Während Verordnungen im ganzen EU-Raum unmittelbar anwendbar sind, sind Richtlinien von den Mitgliedstaaten in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen. Ist eine Richtlinie in Kraft gesetzt und deren Umsetzungsprozess in den Mitgliedstaaten abgeschlossen, so gelten für die betroffenen Produkte im Binnenmarkt zwar je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts unterschiedliche, aber materiell vereinheitlichte Regeln. Für Produkte, die nicht Gegenstand der gemeinschaftlichen Harmonisierung sind (nichtharmonisierter Bereich), gelten die Artikel 28-30 des EG-Vertrags, die Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs verbieten. Diese Bestimmungen sind die Basis des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung. Dieser bedeutet, dass die Mitgliedstaaten in allen noch nicht angeglichenen Sektoren auf ihrem Gebiet Güter akzeptieren müssen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig vermarktet werden. Vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung können die Mitgliedstaaten nur in den in Artikel 30 EG-Vertrag genannten Fällen abweichen, insbesondere zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung im nicht harmonisierten Bereich ist vor allem unter dem auf ein gleichnamiges Urteil des Europäischen Gerichtshofes zurückgehenden Begriff Cassis-de-Dijon-Prinzip bekannt. In diesem Urteil hatte der Gerichtshof das Verbot der Vermarktung des französischen Likörs «Cassis de Dijon» in Deutschland zu beurteilen, welches von der deutschen Bundesmonopolverwaltung für Branntwein damit begründet wurde, dass das fragliche Erzeugnis aus Frankreich den in der deutschen Gesetzgebung festgeschriebenen Mindestalkoholgehalt nicht erfüllea. Mit dem EWR-Abkommen wurde diese Regelung auch auf die dem EWR beigetretenen EFTA-Staaten ausgeweitet.

Zitiervorschlag: Julie-Antoinette Stadelhofer (2008). Grundzüge der Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.