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Geschichte wiederholt sich – Probleme sind lösbar!

Die geplatzte Spekulationsblase verursachte eine noch nie zuvor gesehene Finanzkrise. Innert kürzester Zeit wurden weltweit an den Börsen 27000 Mrd. US-Dollar an Werten vernichtet. Im globalen Finanzcasino ist mit dem Handel und der Spekulation von Kreditderivaten - an sich ein vernünftiges Instrument zur Risikoabsicherung - ein unübersichtlicher, explosiver Markt von 55 Bio. Euro entstanden. Das entspricht dem Bruttoinlandprodukt der Weltwirtschaft. Verbunden mit der Subprime-Krise ist daraus ein Debakel entstanden. Nebst der weltweiten Wertvernichtung gibt es Verlässlichkeit. Die Schweizer Regierung, das Parlament sowie die hervorragend arbeitende, international vernetzte und geachtete Nationalbank sorgen mit einem zurückhaltenden, gefassten Krisen- und Informationsmanagement für Stabilität.

 

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Banken ist enorm. Weltweit sind – allen streng liberalen politischen Überzeugungen bezüglich Staatsinterventionismus zum Trotz – Hilfspakete der Regierungen mit Steuergeldern geschnürt worden – allerdings glücklicherweise international konzertiert und koordiniert. Noch vor kurzem warnten US-Marktfundamentalisten lauthals vor der Einführung des Sozialismus. Heute leitet ausgerechnet ihr Präsident die Teilverstaatlichung der Wallstreet ein. Grossbritannien stellt 571, Deutschland 500 und selbst Österreich 100 Mrd. Euro als Geldspritze zur Verfügung. Noch nie haben Staaten so gigantische Rettungsaktionen auf die Beine gestellt.  Die für politische Entscheidungspro-zesse erstaunlich rasch aufgebrachten Mittel zur Rettung der Finanzmärkte belasten die Staatshaushalte. Investitionen in andere Staatsausgaben – wie Bildung, Forschung, Gesundheit, soziale Sicherheit und Infrastruktur – werden eingeschränkt; Pensionskassenvermögen und Renten sind betroffen. Unverständnis, Ärger und Verunsicherung der Bevölkerung rufen populistische Kräfte auf den Plan. Es ist heute unklar, wie viel an der öffentlichen Hand hängen bleiben wird.

Welche Lehren sind zu ziehen?


– Es ist entscheidend, Zusammenhänge, Wirkungen und Konsequenzen für Konjunktur, Arbeitsplätze und Bundesfinanzen glaubwürdig zu kommunizieren. Über volkswirtschaftliche Interdependenzen von Werk- und Finanzplatz in der exportorientierten Schweiz ist zu informieren. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, weshalb die Politik rasch und wirksam handeln konnte und musste, während andere Politikfelder vernachlässigt werden und im Reformstau stecken bleiben. – Wegen weniger massloser, Boni-getriebener, geldgieriger und abgehobener Vertreter von Grossbanken, die dieses Fiasko verursacht haben, darf das Bild des Bankers und des hiesigen Bankgewerbes nicht pauschal disqualifiziert werden. Die Schweiz verfügt über ein traditionsreiches, wegen vieler günstiger Rahmenbedingungen gewachsenes, international angesehenes Bankengewerbe mit strengsten gesetzlichen Grundlagen. Über 100000 Bankmitarbeitende erfüllen zuverlässig und professionell ihre beruflichen Aufgaben. Der Wirtschaftsstandort Schweiz braucht einen starken, vertrauenswürdigen Finanzplatz. Wir dürfen ihn nicht zusätzlich schwächen, zumal die aktuelle Krise von europäischen Finanzministern missbraucht wird, um den Finanzplatz Schweiz und unsere (noch) günstigen fiskalischen Bedingungen für ihre nun fehlenden Steuereinnahmen unter Druck zu setzen. – Gerade in der aktuellen Krise hat die Politik konsequent und selbstbewusst die Werte einer freiheitlichen sozialen Marktwirtschaft hochzuhalten. Es soll keine populistische Neiddebatte, sondern eine umfassende Wertediskussion geführt werden. Politik und Wirtschaft haben dafür zu sorgen, dass derartige Staatsinterventionen nie wieder nötig sein werden. Es wäre fatal, wenn der Staat auch in Zukunft Reparaturfelder dieser Grössenordnung aufzuräumen hätte und in anderen Bereichen staatliches Regelwerk und Eingriffe nötig würden.  – Hierzulande ist das Vertrauen in Wirtschaft und Politik nach wie vor vorhanden. Das ist die entscheidende Voraussetzung, um diese Krise zu meistern, auch wenn wir heute nicht genau abschätzen können, wie hoch die Kosten sind und welche Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu erwarten sind.

Realwirtschaft verdient Achtung und Respekt


Achtung und Respekt verdienen alle, die in unserer Realwirtschaft, am Industriestandort Schweiz in Fabriken produzieren und in Handel und Gewerbe pflichtbewusst und leistungsorientiert arbeiten. Unsere Infrastruktur, Strassen, SBB, Post, Dienstleistungen, Bildungs-, Sozial-, Energie- und Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Sozialpartnerschaft, politische Stabilität, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit sind dank unserer arbeitenden Bevölkerung noch intakt. So sind auch die bevorstehenden konjunkturellen Abschwünge überwindbar.

Zitiervorschlag: Johann N. Schneider-Ammann (2008). Geschichte wiederholt sich – Probleme sind lösbar!. Die Volkswirtschaft, 01. Dezember.