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SBB Cargo behauptet sich am Markt

Damit die Verkehrsverlagerung auch zukünftig greifen kann, braucht es stabile und marktgerechte Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr in der Schweiz und im benachbarten Ausland. Denn diese sind die notwendige Voraussetzung, damit die Schiene die geforderte Qualität anbieten und notwendige Produktivitätssteigerungen realisieren kann. Nur so kann die Schiene ihre Position gegenüber der Strasse ausbauen.

SBB Cargo behauptet sich am Markt


Der Schienengüterverkehr erlebte in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung in Europa. Allein in den westeuropäischen Ländern konnte die Verkehrsleistung in den vergangenen zehn Jahren um über 30% gesteigert werden. Die Entwicklung zeigt, dass der Schienengüterverkehr in den Ländern am stärksten gewachsen ist, in denen die Liberalisierung am konsequentesten umgesetzt wurde – allen voran Grossbritannien und die Niederlande mit Zuwächsen um über 80% seit 1995, gefolgt von der Schweiz, Österreich und Deutschland mit Zuwächsen von zum Teil deutlich über 50%.Dass die Schweiz in Sachen Liberalisierung eine Vorreiterrolle eingenommen hat, zeigt sich nicht nur in der starken Zunahme des Schienengüterverkehrs insgesamt. Ein weiterer Indikator ist die Wettbewerbsintensität, ausgedrückt durch den Marktanteil, den heute neu eingetretene Drittbahnen erreichen. Mit 25% ist dieser Anteil in keinem europäischen Land so hoch wie in der Schweiz. SBB Cargo ist dieser Herausforderung frühzeitig begegnet, indem konsequent auf Wachstum im Ausland entlang der Nord-Süd-Achse und hohe Qualität gesetzt wurde. Dadurch konnte der Mengenverlust im Inland kompensiert und ein massgeblicher Beitrag zur Verkehrsverlagerung geleistet werden.


Erfolgreiche Verkehrsverlagerung

SBB Cargo hat sich im liberalisierten Schienenverkehrsmarkt eine gute Ausgangslage geschaffen und positionierte sich auf der Nord-Süd-Achse als grenzüberschreitender Qualitätsanbieter. Bereits in den Jahren 2002 und 2003 wurden Tochtergesellschaften in Deutschland und Italien gegründet. Die Töchter operieren in den jeweiligen Ländern mit eigenen Lokomotiven und eigenem Personal. ChemOil ist auf die Logistik von Mineralöl und chemische Produkte spezialisiert. Mittlerweile produziert das Unternehmen 40% der Leistungen im Ausland. Das heutige internationale Transportnetz von SBB Cargo dehnt sich von den Nordseehäfen über Duisburg entlang des Rheins bis Basel und von dort nach Norditalien bis in die Emilia-Romagna aus. Seit 2007 ist mit Rotterdam eine wichtige niederländische Hafenanbindung Teil seines Netzes geworden. Dabei erlebt der konventionelle Wagenladungsverkehr im In- und Ausland eine Renaissance. Auch auf der Nord-Süd-Achse hat SBB Cargo das Angebot für Wagenladungs- und Haus-zu-Haus-Verkehr mit den norditalienischen Plattformen Lonato (seit 2007) und Lentate (seit 2008) kontinuierlich erweitert. Zusammen mit Partnern und Kooperationen will SBB Cargo in Europa weiter wachsen und sein Streckennetz ausbauen. In der Schweiz ist SBB Cargo Marktführerin im Schienengüterverkehr mit einem flächendeckenden Netz mit 323 Zustellpunkten und rund 200 flexiblen Transportkonzepten ausserhalb des Grundnetzes. Sie bietet ihren Kunden dabei die Zustellung einzelner Wagen in die Anschlussgleise, den Transport von Gütern über Nacht im Express-Netz oder die Beförderung grosser Mengen derselben Ware mit sogenannten Ganzzügen. Der Wagenladungsverkehr ist nicht nur der grösste regionalpolitische Beitrag von SBB Cargo, sondern hat für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Bedeutung. Das Netz hat eine hohe logistische Effizienz. Der Nachteil der kurzen Distanzen wird mit überdurchschnittlicher Produktivität wettgemacht. Die zunehmende Verflechtung mit dem Ausland bringt mehr Import-Export-Volumen ins Netz. Dank des Netzes für den Wagenladungsverkehr ist die Schweizer Wirtschaft hier optimal angebunden. Die Anbindung wird weiter verbessert, z.B. durch neue Terminals, die dafür sorgen, dass Container möglichst lange auf der Schiene bleiben. Zudem bekennen sich die massgebenden europäischen Bahnen verstärkt zum Wagenladungsverkehr. Das einst als Auslaufmodell bezeichnete Produkt erlebt zurzeit eine auch unternehmerisch motivierte Renaissance, von der auch das schweizerische Netz profitieren kann.


Stabile und marktgerechte Rahmenbedingungen

Die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind gefordert, ihre Qualität gegenüber den Kunden ständig zu verbessern und gleichzeitig die Produktivität deutlich zu steigern, um im Wettbewerb mit der Strasse die Stärke der Schiene ausspielen zu können. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass der Güterverkehr nicht nur genügend Trassen, sondern diese auch noch in der entsprechenden Qualität zur Verfügung gestellt bekommt. Der Personenverkehr und der Güterverkehr teilen sich das Schienennetz. In Folge der geltenden Prioritätenordnung hat dabei der Personenverkehr in den meisten Fällen den Vorrang bei der Trassenplanung und im Betrieb. Im immer dichter werdenden Taktfahrplan des Personenverkehrs muss der Güterverkehr mit Trassen planen, die mit langen Wartezeiten für Überholungen von Zügen des Personenverkehrs geprägt sind. Zusätzlich kommt es im täglichen Betrieb bei Störungen zu weiteren Wartezeiten für den Güterverkehr.


Ausbau: Berücksichtigung der Bedürfnisse des Güterverkehrs

Um die Produktivität weiter steigern und die prognostizierten Nachfragezuwächse effizient abwickeln zu können, müssen die zukünftigen Ausbauten der Bahninfrastruktur auch die Bedürfnisse des Güterverkehrs an die Kapazität und Qualität erfüllen. Denn der Güterverkehr darf nicht zu einer Restgrösse des Trassen- und Infrastruktursystems verkommen, wenn er ernsthaft gefördert werden soll. Mit Blick auf die Ausbauvorhaben in der Schweiz, welche in der Botschaft zur zukünftigen Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) und darauf aufsetzenden Folgebotschaften geplant werden, setzt der Güterverkehr auf einen integralen Gütertakt. Dies beinhaltet z.B. ein Trassenschema von gleichmässig über den Tag wiederkehrender Trassen in gleicher Qualität, welche ungebrochen die Knoten des Güterverkehrs verbinden und dort freizügige Übergänge zwischen den Güterverkehrs-Trassen ohne unnötige Wartezeiten ermöglichen. Ebenso müssen sämtliche Anlagen gewisse Mindeststandards hinsichtlich Zug- und Infrastrukturparametern erfüllen, wie beispielsweise eine Zuglänge von mindestens 750 m. Eine weitere Voraussetzung ist die Bereitstellung leistungsfähiger und flexibler Zugangs-, Umschlags- und Rangieranlagen in ausreichender Kapazität und an den richtigen Orten. All dies muss in enger Abstimmung mit den Netzwerken der Nachbarbahnen erfolgen.


Kapazitätserhöhung im kombinierten Verkehr

Im Bereich der Umschlagsanlagen sind vor allem die Terminalinfrastrukturen für den kombinierten Verkehr (KV) zu erwähnen. Dieser Markt wächst mit der Globalisierung sehr stark. Sämtliche Prognosen bestätigen, dass das Wachstum in den kommenden Jahren anhalten wird. Die aktuelle Rezession wird das Marktwachstum zwar kurzfristig massiv abschwächen. Langfristig wird der Trend des internationalen Warenaustausches aber weiter anhalten. Das grösste Marktvolumen des KV liegt im maritimen Verkehr mit den Seehäfen. Mit dem Marktwachstum des internationalen KV steigt auch die Nachfrage nach Umschlagkapazitäten. Heute gibt es in der Schweiz mittlere und kleinere Terminals, die ausgelastet sind und die eine zukünftige Nachfragesteigerung nicht mehr aufnehmen können. Aus diesem Grund sind ein Ausbau der Terminalkapazitäten und eine bessere Verknüpfung der bestehenden Anlagen dringend erforderlich. SBB Cargo hält daher die Realisierung der beiden Terminalprojekte Gateway Limmattal (in Dietikon) und Basel-Nord als notwendig für die Verkehrsverlagerung.


Anpassung des Trassenpreissystems

Neben der Kapazität und der Qualität der Trassen und der Infrastrukturanlagen ist der Trassenpreis eine entscheidende Rahmenbedingung für die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn im Transportmarkt. Nach dem heutigen Preissystem bezahlt der Güterverkehr im Durchschnitt einen höheren Preis für die Trasse als der Personenverkehr. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass der Trassenpreis massgeblich durch das Zuggewicht bestimmt wird. Heute wird dieses System zwar zum Teil durch Subventionen aufgefangen. Das ist aber keine marktwirtschaftliche Lösung für die Zukunft. Im Rahmen der Bahnreform 2 soll das Trassenpreissystem in der Schweiz nun überarbeitet werden (siehe Kasten 2).


Partnerschaften und Kooperation

Ein Blick ins Ausland zeigt: Das Umfeld im Schienengüterverkehr hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Viele neue Bahnen sind entstanden; die ehemaligen Staatsbahnen entwickeln sich weiter. Die letzten Monate sind geprägt vom Verkauf und von der Integration von Bahnen und Logistikern. Auf jede Liberalisierung folgt eine Konsolidierung. Im Schienengüterverkehr sind die ersten Schritte dazu bereits erfolgt. Das betrifft auch SBB Cargo. Angesichts der sich konsolidierenden europäischen Güterbahnlandschaft will die SBB ihre Position mit Partnerschaften ausbauen. Damit soll die Erreichung der Vorgaben des Bundes gesichert und das Geschäft nach den Bedürfnissen der Kunden und den Erfordernissen der Märkte weiterentwickelt werden. Dabei suchen wir primär Partner für die Positionierung im internationalen Geschäft. Ziel des im September 2008 gestarteten Auswahlprozesses sind die langfristige Ausrichtung des Güterverkehrsgeschäfts und die nachhaltige Verbesserung der Profitabilität. Mit Partnerschaften sollen attraktive Angebote für die Kunden geboten und die Wettbewerbsfähigkeit bei der Verlagerung von der Strasse auf die Schiene (intermodale Wettbewerbsfähigkeit) erhöht werden. Daneben erwarten wir auch eine bessere Auslastung der Angebote und Ressourcen sowie Synergien für die Produktion, den Einkauf und die Informatik. Die aktuelle Ergebnissituation auch anderer Bahnen erfordert solche Schritte gerade im internationalen kombinierten Verkehr, um langfristig die Verlagerung auf die Bahn nachhaltig zu sichern.


Nicolas Perrin

Dipl. Bauingenieur ETH, CEO SBB Cargo AG, Basel, Mitglied der Geschäftsleitung SBB


Eckdaten zu SBB Cargo

SBB Cargo ist mit rund 4400 Mitarbeitenden die für den Güterverkehr zuständige Tochter der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und Marktleaderin im Schweizer Schienengüterverkehr. Der Hauptsitz ist in Basel. 2007 realisierte die SBB-Tochter eine Verkehrsleistung von 13,37 Mrd. Nettotonnen-Kilometern und transportierte insgesamt 53,7 Mio. Nettotonnen. Den Löwenanteil produziert SBB Cargo im alpenquerenden Verkehr auf der Nord-Süd-Achse durch die Schweiz. In der Schweiz werden jeden Tag über 9000 Wagen befördert.

Quelle: SBB Cargo Geschäftsbericht 2007

Wettbewerbsfähigkeit und Trassenpreissystem

Für die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs sind zwei Aspekte entscheidend:– Erstens ist der Schienengüterverkehr auf stabile und planbare Rahmenbedingungen angewiesen. Schrittweise Veränderungen des Trassenpreises – wie derzeit noch vor Inkrafttreten einer Reform geplant – verunmöglichen eine vorausschauende Planung mit den Kunden und bergen das Risiko, dem Güterverkehr im Übergang erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen aufzubürden.– Zweitens muss man sich vom heute stark gewichtsbezogenen Ansatz verabschieden, will man mit einem neuen Trassenpreissystem Anreize setzen, um die Infrastruktur besser auszulasten.


Das heutige internationale Transportnetz von SBB Cargo dehnt sich von den Nordseehäfen über Duisburg entlang des Rheins bis Basel und von dort nach Norditalien bis in die Emilia-Romagna aus. Mittlerweile produziert das Unternehmen 40% der Leistungen im Ausland. Bild: Keystone


Zitiervorschlag: Nicolas Perrin (2009). SBB Cargo behauptet sich am Markt. Die Volkswirtschaft, 01. Januar.