Arbeitsmarktpolitik in schwierigen Zeiten
Die Arbeitsmarktlage verschlechtert sich rasch
Während das Beschäftigungswachstum im 3. Quartal 2008 noch robust war, mehrten sich im 4. Quartal die negativen Tendenzen. In den letzten Monaten war in einigen Branchen eine Zurückhaltung bei Neueinstellungen und damit einhergehend eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zu beobachten. Am deutlichsten war dies in der Metall-, Maschinen-, Elektro-, Kunststoff- und Uhrenindustrie der Fall. Ebenfalls leicht überdurchschnittlich fiel der Anstieg im Baugewerbe sowie bei den Banken aus. In den Monaten Dezember und Januar hat die Arbeitslosigkeit – auch bereinigt um saisonale Effekte – mit einer Zunahme von rund 5000 Personen pro Monat rasch zugenommen.Vor allem betroffen von der wirtschaftlichen Abschwächung war in diesem Winter die Industrie. Das zeigt sich besonders an der raschen Zunahme der Kurzarbeit. Rund 700 Firmen haben im Dezember 2008 Kurzarbeit (siehe Kasten 1) angemeldet; im Januar 2009 waren es mehr als 800. Die abgerechnete Kurzarbeit im November 2008 zeigt einen sehr starken Anstieg im Vorjahresvergleich. Dass die Firmen Kurzarbeit beantragen, gibt aber auch Anlass zu etwas Hoffnung. Da sie einen Teil der Kosten der Kurzarbeitsentschädigung selber tragen müssen, bedeutet dies, dass sie eine baldige Besserung der Lage nicht ausschliessen und versuchen, das Personal während der Konjunkturschwäche zu halten. Insgesamt bestätigen die neusten Entwicklungen unsere Prognose, welche bis zum Jahresende einen Anstieg auf rund 4% erwartet. Im Jahresverlauf 2010 rechnen wir mit einer sukzessiven Abflachung der Zunahme, womit die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt auf 4,3% (170000) zu liegen käme. Natürlich hängt die Arbeitsmarktentwicklung direkt von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung ab. Dass im gegenwärtigen Umfeld besondere Unsicherheit herrscht, ist offensichtlich. Ein latentes Prognoserisiko betrifft die Tiefe und Länge der Rezession. Sollte diese erheblich tiefer und/oder länger ausfallen, müsste die hier präsentierte Prognose deutlich nach oben angepasst werden.
Langfristigen Ausschluss von Menschen aus dem Arbeitsmarkt verhindern
Der Umschwung am Arbeitsmarkt trifft den Schweizer Arbeitsmarkt unvermittelt nach einer Phase mit starkem Beschäftigungswachstum. Damit verschieben sich die Akzente der Arbeitsmarktpolitik. In den letzten Jahren standen zwei Fragen im Vordergrund: Wie können Personen mit persönlichen oder gesundheitlichen Handicaps in den Arbeitsmarkt integriert werden? Dabei ging es einerseits darum, den Personen möglichst zu helfen, wieder eine Stelle zu finden. Wir mussten aber auch die Anreize untersuchen, die von unseren Sozialversicherungen ausgingen, damit Personen nicht zu lange ausserhalb der Erwerbswelt bleiben. Zweitens mussten wir sicherstellen, dass die rasche Öffnung des Arbeitsmarktes nach der Einführung der Personenfreizügigkeit und der in der Folge starken Einwanderung nicht zu einem übermässigen Druck insbesondere auf die Löhne der unteren Hälfte der Lohnverteilung führte. Fragen der Gesamtarbeitsverträge und der flankierenden Massnahmen wurden deshalb auch in der Öffentlichkeit stark diskutiert. Mit dem Übergreifen der weltwirtschaftlichen Krise auf die Schweiz sind die traditionellen beschäftigungspolitischen Probleme in den Vordergrund gerückt. Wie könnten wir verhindern, dass zehntausende von Personen längerfristig aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden und später nur mit Mühe oder gar nicht mehr in die Erwerbswelt zurückfinden?Es besteht heute weitgehend Konsens darüber, welche Politikbereiche zur längerfristigen Sicherung der Vollbeschäftigung von Bedeutung sind:− Eine stabilitätsorientierte Makropolitik, welche darauf hinwirkt, dass Rezessionen nicht zu lange dauern und es in einem Abschwung nicht zu einer Ausgrenzung von zehntausenden von Personen aus der Erwerbswelt kommt. Kurz: Die Phase der Rezession und der hohen Arbeitslosigkeit darf nicht zu lange dauern; − ein Aus- und Berufsbildungssystem, welches der Jugend auch in schwierigen Zeiten den Anschluss an die Arbeitswelt ermöglicht;− eine Arbeitslosenversicherung (ALV) und Sozialversicherungen, welche einen guten Schutz gegen den Einkommensausfall gewähren und gleichzeitig Anreize setzen, dass Personen nicht länger als nötig ausserhalb der Erwerbswelt verbleiben.
Stabilitätsorientierte Makropolitik
Eine das Wirtschaftswachstum stabilisierende Finanz- und Geldpolitik gehört zu den Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik. Dauern Perioden ohne Wirtschaftswachstum mit rückläufiger Beschäftigung zu lange, werden viele Personen so lange aus der Erwerbswelt ausgeschlossen, dass sie später auch bei wieder besserer Konjunkturlage nur mit Mühe oder nicht mehr in diese zurückfinden. Auch droht in langen Rezessionsphasen die Gefahr, dass zur Verhinderung von sozialer Not Sozialversicherungen derart ausgestaltet werden, dass sie in einer künftigen besseren Wirtschaftslage den raschen Abbau der Arbeitslosigkeit oder der Unterbeschäftigung eher behindern als begünstigen. So wurden in vielen Ländern in Zeiten mit sehr hoher Arbeitslosigkeit Frühpensionierungsmodelle geschaffen, die sich später auch bei besserer Wirtschaftslage als nicht bezahlbar erwiesen haben. Die Orientierung der schweizerischen Stabilitätspolitik wird an anderer Stelle in diesem Heft ausführlich diskutiert.1 In einer kleinen offenen Volkswirtschaft mit einer eigenständigen Währung ist die Geldpolitik das wichtigste Instrument der Konjunkturstabilisierung. Trotzdem wird in den letzten Jahren auch der Finanzpolitik wieder eine etwas grössere Bedeutung beigemessen. Die Schweiz setzt dabei in erster Linie auf sogenannte automatische Stabilisatoren, die in den letzten 10 Jahren ausgebaut wurden. Nicht nur wurde die Schuldenbremse so ausgestaltet, dass sie der Konjunkturlage Rechnung trägt. Auch die Finanzierung der ALV wurde so konzipiert, dass diese die konjunkturelle Entwicklung stabilisiert und nicht wie früher in Rezessionszeiten ständig die Beiträge erhöht werden müssen. Die Grundidee besteht darin, den Beitragssatz so festzulegen, dass die Leistungen im Durchschnitt eines Konjunkturzyklus finanziert werden können. Die Einnahmen entwickeln sich im Gleichschritt mit der wirtschaftlichen Entwicklung, während die Ausgaben in wirtschaftlich schlechten Zeiten steigen und in guten Zeiten fallen. Daraus ergeben sich in Rezessionszeiten Fehlbeträge und steigende Schulden, die in der Hochkonjunktur dank Überschüssen zurückbezahlt werden sollten. Auf diese Weise wirkt die ALV wie eine fiskalpolitische Stabilisierungsmassnahme, wobei Zeitpunkt und Dosierung direkt vom Ausmass der konjunkturellen Schwankung bzw. deren Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit abhängen. Deshalb sprechen wir von automatischen Stabilisatoren.
Schulden in Hochkonjunktur abbauen
Wie bereits erwähnt, dürfte die Arbeitslosigkeit von 2,6% im letzten Jahr auf rund 4,3% im Jahr 2010 ansteigen. Während 2008 in der ALV ein Überschuss von 600 Mio. Franken resultierte, ist 2009 mit einem Defizit im ALV-Fonds in der Grössenordnung von knapp 1,1 Mrd. Franken zu rechnen. Der fiskalische Impuls beträgt gegenüber 2008 rund 1,7 Mrd. Franken. 2010 würde das Defizit des ALV-Fonds gemäss aktuellen Prognosen auf 2,7 Mrd. Franken. anwachsen, womit gegenüber dem Vorjahr ein erneuter positiver Impuls von 1,6 Mrd. Franken resultiert. Die beiden Impulse entsprechen je rund 0,3 BIP-Prozentpunkten. Sollte sich die Arbeitsmarktentwicklung deutlicher verschlechtern, als dies die aktuellen Prognosen besagen, würde sich der Impuls verstärken.Automatische Stabilisatoren sind dann besonders wirksam, wenn in Hochkonjunkturphasen die politische Bereitschaft besteht, die in der Rezession angehäuften Schulden wieder abzubauen bzw. zurückzuzahlen. Leider ist dies bei der ALV in den letzten Hochkonjunkturjahren nicht gelungen. Zu Beginn des Jahrzehnts wurden die Beiträge von drei auf zwei Lohnprozente gesenkt. Man glaubte damals, die durchschnittliche Arbeitslosenquote würde in der Schweiz langfristig lediglich 2,5% betragen. Das war zu optimistisch. Deshalb geht die ALV mit einer Darlehensschuld von 4,1 Mrd. Franken in diese Rezession. Diese dürfte in den nächsten drei Jahren auf rund 10 Mrd. Franken steigen. Das zeigt, dass die ALV finanziell nicht im Gleichgewicht ist. Das Arbeitslosenversicherungsgesetz (Avig) muss deshalb rasch revidiert werden. Der Bundesrat hat eine entsprechende Botschaft bereits verabschiedet. Wenn das Parlament das neue Gesetz rasch berät, könnte es gerade rechtzeitig in Kraft treten, damit im nächsten Konjunkturaufschwung die Schulden zurückbezahlt werden können.
Genügend Ausbildungsplätze bereitstellen
In der Schweiz schliessen heute rund 90% der Jugendlichen mindestens eine Matur oder eine berufliche Grundausbildung ab (Sekundarstufe II). Dank dem dualen Berufsbildungssystem ist es der Schweiz in der Vergangenheit gelungen, die Jugendarbeitslosigkeit tief zu halten. Mittelfristiges Ziel des Bundes und der Kantone ist es, diesen Wert auf 95% zu steigern. Leider ist wohl damit zu rechnen, dass der bevorstehende Beschäftigungsrückgang nicht ohne Folgen für das Lehrstellenangebot bleiben wird, womit das Ziel von 95% kurzfristig gefährdet sein könnte. Allerdings hat die Vergangenheit auch gezeigt, dass mit gezielten Gegenmassnahmen eine Stützung des Lehrstellenangebots möglich ist. Als Glücksfall muss heute bezeichnet werden, dass die Kantone in der vergangenen Hochkonjunktur mit ihren Anstrengungen im Lehrstellenmarketing nicht nachgelassen haben. Es wird in den nächsten zwei Jahren grosse Anstrengungen brauchen, um die Zahl der Ausbildungsplätze zu stabilisieren. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass es gelingt, die Zahl der Attestausbildungen weiter zu erhöhen (vgl. Kasten 2). Zudem sind die Kantone daran, die Betreuung der jugendlichen Schulabgänger ohne Anschlusslösung im Rahmen des Case-Managements systematisch zu verbessern. Jugendlichen mit Schwierigkeiten in der Schule sollen die Suche einer Lehrstelle und der Einstieg in die Berufswelt durch eine individuelle Unterstützung erleichtert werden. Schliesslich werden die Kantone im Rahmen der Arbeitslosenversicherung bei Bedarf das Angebot an Praktikumsplätzen und sogenannten Motivationssemestern ausbauen.Insgesamt ist die Berufsbildung in der Schweiz – trotz konjunktureller Schwankungen im Bildungsangebot – eine Erfolgsgeschichte. Die Jugendarbeitslosigkeit ist im internationalen Vergleich tief und die berufliche Flexibilität der Berufsabgänger hoch.
Soziale Absicherung durch die Arbeitslosenversicherung
Die rasche konjunkturelle Wende, der dramatische Einbruch der Auftragseingänge und der daraus folgende Einstellungsstopp bzw. die Entlassungen bei einzelnen Unternehmungen sowie der starke Rückgriff auf die Kurzarbeit zeigen, wie bedeutsam eine gut ausgebaute ALV ist. Sie gewährt den betroffenen Personen ein angemessenes Ersatzeinkommen und stellt ihnen mit den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) eine Hilfe bereit, um möglichst rasch wieder eine Stelle zu finden. Das Grundprinzip der schweizerischen Arbeitslosenversicherung kann als grosszügig und streng bezeichnet werden. Der Einkommensersatz liegt in der Schweiz zwischen 70% und 80% des Bruttolohns. Das ist im europäischen Vergleich ein relativ hoher Wert. Da auch der maximal versicherte Verdienst mit 10500 Franken pro Monat vergleichsweise hoch angesetzt ist, profitieren auch Bezüger von mittleren bis hohen Einkommen von einem guten Versicherungsschutz. Umgekehrt erwartet die ALV von den Versicherten, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um die Arbeitslosigkeit zu verkürzen. Wer freiwillig kündet oder zumutbare Stellen nicht antritt, erhält bis zu 60 Tagen kein Taggeld, muss aber dennoch dem RAV zur Verfügung stehen.Die ALV ist auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit gut vorbereitet. Das Gesetz und die entsprechenden Weisungen geben den Kantonen die Möglichkeit, das Personal der RAV rasch an die Entwicklung der Arbeitslosigkeit anzupassen. Gleichzeitig steht für dieses Jahr ein Budget von 610 Mio. Franken für arbeitsmarktliche Massnahmen zur Verfügung. Dieses wird auf das nächste Jahr – in Abhängigkeit von der Entwicklung der Arbeitsmarktlage – noch vergrössert. Damit können für die Stellensuchenden Ausbildungen, Beschäftigungsprogramme, Einarbeitungszuschüsse und für Jugendliche Praktika und Motivationssemester bereitgestellt werden, wo solche Massnahmen geeignet sind, die Chancen auf eine neue Stelle zu erhöhen. Als Vorteil erweist es sich, dass das Arbeitslosenversicherungsgesetz dezentral vollzogen wird. Private und öffentliche Kassen kämpfen in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit um «Marktanteile», was eine rasche Anpassung der Kapazitäten erleichtert. Das Angebot an arbeitsmarktlichen Massnahmen wird von den Kantonen bereitgestellt, die auf regionale Besonderheiten Rücksicht nehmen können.Auch in Rezessionszeiten muss das Hauptziel der RAV und der arbeitsmarktlichen Massnahmen darin bestehen, die Perioden der Arbeitslosigkeit möglichst kurz zu halten. Das bedeutet, dass Ausbildungsprogramme bestehende Lücken in der Ausbildung oder Erfahrung schliessen helfen. Nur in Ausnahmefällen zielen sie auf eine berufliche Neuorientierung. Mit den Beschäftigungsprogrammen im Rahmen der ALV soll vermieden werden, dass ein «zweiter Arbeitsmarkt» schaffen wird. Vielmehr sollen diese Programme einen möglichst direkten Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. Die Erfahrung zeigt, dass Personen, die zu lange ausserhalb des ersten Arbeitsmarktes verweilen, später nur mit Mühe in diesen zurückfinden. Deshalb ist die enge Zusammenarbeit der RAV mit den Unternehmen von zentraler Bedeutung. Letztere müssen bereit sein, Personen einzustellen, die in der Schweiz ohne Arbeit sind. Ob die Schweiz längerfristig eine tiefe Arbeitslosigkeit haben wird, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die Unternehmen in wirtschaftlichen Schwächeperioden bereit sind, auch durch ausserordentliche Massnahmen einen Beitrag zur Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit im Inland zu leisten.
Fazit
Heute kann niemand sagen, wie lange die Phase mit rückläufigem oder schwachem Wirtschaftswachstum dauern wird. Die Wirtschaftspolitik hat dieses Mal rasch auf den Einbruch der Konjunktur reagiert. Da der Arbeitsmarkt aber erst mit Verzögerung auf die konjunkturelle Erholung reagieren wird, müssen wir uns bis ins Jahr 2010 hinein auf steigende Arbeitslosenzahlen einstellen. Die ALV ist auf die zusätzlichen Belastungen vorbereitet. Hingegen braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen den Behörden, Unternehmen und Sozialpartnern, damit in den nächsten zwei Jahren genügend Ausbildungs- und Praktikumsstellen sowie Arbeitsplätze für Arbeitslose zur Verfügung gestellt werden. Die ALV wird am Ende dieser Rezession mit Schulden belastet sein, die 10 Mrd. Franken übersteigen dürften. Deshalb muss die Revision des Gesetzes rasch an die Hand genommen werden, damit in der nächsten konjunkturellen Erholung das finanzielle Gleichgewicht wieder hergestellt werden kann.
Dr. Serge Gaillard
Leiter der Direktion für Arbeit, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern
Bernhard Weber
Stv. Leiter Ressort Arbeitsmarktanalyse und Sozialpolitik, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern
1 Vgl. Art. Brunetti auf S. 14 in dieser Ausgabe.
Kurzarbeitsentschädigung
Die Kurzarbeitsentschädigung (KAE) ist eine präventive Massnahme zur Verhinderung von Entlassungen bei konjunkturbedingten Nachfragerückgängen. Sie reduziert die Kosten zur «Hortung» von Arbeitskräften für die Unternehmen, womit dieses Verhalten gefördert werden soll. Der Einsatz von Kurzarbeit ist für alle beteiligten Akteure – d.h. Unternehmen, Arbeitnehmende und ALV – mit gewissen Kosten verbunden. Gelingt es, Arbeitsplätze über eine konjunkturelle Schwächephase hinweg zu erhalten, können auch alle Beteiligten von der Regelung profitieren.Die Wirkung der KAE wurde letztmals im Jahr 2005 durch die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) im Auftrag des Seco untersucht.a Die Studie kam zum Schluss, dass die KAE Entlassungen häufig nicht verhindert, aber auch in diesem Fall zeitlich erstreckt. Dieses Ergebnis dürfte u.a. mit der Länge der Rezessionen zu erklären sein. Mit der Kurzarbeit lassen sich Einbrüche der Nachfrage dämpfen, die nicht viel länger als 1 Jahr dauern. Die letzten zwei rezessiven Phasen dauerten jedoch ausserordentlich lange. Entscheidend für die Frage, ob mit Kurzarbeit die Arbeitsplätze längerfristig gesichert werden können, ist auch die strukturelle Entwicklung der Märkte. Heute kann nicht vorausgesagt werden, wie lange die Periode mit einer geringen Exportnachfrage dauern wird. Um wenigstens bezüglich der Kurzarbeit den Unternehmungen mehr Planungssicherheit zu gewähren, hat der Bundesrat bereits jetzt die maximale Bezugsdauer für Kurzarbeit von 12 auf 18 Monate erhöht. Diese Verlängerung ist bis zum 31.März 2011 befristet. Gleichzeitig wurden die Kosten, welche die Unternehmen in Form eines monatlichen Selbstbehalts (sog. Karenztage) zu tragen haben, auf einen Tag pro Monat reduziert. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Unternehmen neben diesen direkten Kosten auch organisatorische Aufwendungen haben und für die Ausfallstunden Beiträge in die Pensionskasse leisten. In gewissen Fällen kompensieren sie auch den Lohnausfall der Arbeitnehmenden auf freiwilliger Basis. Damit bleibt der Einsatz von KAE für die Unternehmen mit Kosten verbunden, was angesichts der Vorteile, welche den Unternehmen daraus erwachsen (Erhalt des firmenspezifischen Wissens, Einsparung späterer Einstellungskosten), auch gerechtfertigt ist. Der Einsatz von KAE ist für die ALV in finanzieller Hinsicht verkraftbar. Bei restriktiverer Handhabung der KAE wäre mit einem schnelleren Stellenabbau und damit mit zusätzlichen Kosten bei der ALV in Form von Arbeitslosenentschädigung zu rechnen. Die Kosten des Arbeitsausfalls würden in diesem Fall vollumfänglich von der ALV und den Arbeitnehmern getragen.
a Frick, Andres und Aniela Wirz (2008), Hilft die Kurzarbeitsentschädigung, Arbeitsplätze zu erhalten?, in: Die Volkswirtschaft 1/2-2008, S. 48–51.
Lehrstellenmarketing
Auf dem Lehrstellenmarkt treffen sich die Angebote der Unternehmungen und die Nachfrage der Jugendlichen. Der Staat hat eine Mittlerrolle: Er sorgt für optimale Rahmenbedingungen für die Unternehmungen, fördert das Lehrstellenangebot und unterstützt die Jugendlichen im Berufswahlprozess. Dabei ist das Lehrstellenmarketing eine kantonale Aufgabe: Die kantonalen Berufsbildungsämter sind mit den Verhältnissen in den Regionen vertraut und pflegen den Kontakt mit den Unternehmen vor Ort. Sie können dadurch die Entwicklung des Lehrstellenangebots am besten abschätzen, rechtzeitig geeignete Massnahmen ergreifen und die Jugendlichen bei der Lehrstellensuche individuell unterstützen. Ist die Lehrstellensituation angespannt, kann der Bund zusätzliche finanzielle Unterstützung bieten. Die wichtigsten Lehrstellenmarketing-Massnahmen sind:− Berufsinformation und -beratung;− Lehrstellennachweise;− Aufbau von Lehrbetriebsverbünden;− Bereitstellen von staatlichen Übergangslösungen (vor allem Brückenangebote);− Einsatz von Lehrstellenförderinnen und -förderern, die bei Unternehmungen direkt vorsprechen und für die Schaffung von Ausbildungsplätzen werben;− Vermittlung und individuelle Begleitung (Mentoring) von Jugendlichen ohne Lehrstelle.Mit dem Lehrstellenmarketing sollen auch die Attestausbildungen gefördert und weiter ausgebaut werden. Bei dieser zweijährigen beruflichen Grundausbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) bilden Betriebe vorwiegend praktisch interessierte Jugendliche zu qualifizierten Mitarbeitenden aus. Das EBA bescheinigt klar definierte Qualifikationen in einem standardisierten Beruf und ermöglicht den Einstieg ins Erwerbsleben. Über eine verkürzte Lehre können motivierte Lernende später die Ausbildung bis zum eidgenössischen Fähigkeitszeugnis im jeweiligen Berufsfeld fortsetzen. Die entsprechende Bildungsverordnung und der Bildungsplan beschreiben, welche Berufstätigkeiten und Kenntnisse in Praxis und Schule vermittelt werden. Das Ausbildungsprofil umfasst in der Regel Teilaspekte der drei- oder vierjährigen Grundbildung im entsprechenden Berufsfeld. Momentan sind in über 20 Berufen Attestausbildungen vorgesehen, die Liste der entsprechenden Ausbildungen wird jedoch laufend ausgebaut.
Weitere Informationen rund um die Berufsbildung sind verfügbar unter www.berufsbildungplus.ch.
Gemäss den Prognosen des Seco ist mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf rund 4% bis Ende 2009 und 4,3% im Jahresdurchschnitt 2010 zu rechnen. Sollte die bevorstehende Rezession erheblich tiefer und/oder länger ausfallen als gegenwärtig erwartet, müsste die Prognose nach oben angepasst werden.Bild: Keystone
Zitiervorschlag: Gaillard, Serge; Weber, Bernhard (2009). Arbeitsmarktpolitik in schwierigen Zeiten. Die Volkswirtschaft, 01. März.