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Die Rolle der Kantone in der Konjunkturkrise

In der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK) ist man sich der konjunkturpolitischen Rolle der Kantone bewusst. Die Kantone sind direkt mit den Folgen des konjunkturellen Abschwungs konfrontiert, indem sie mit der Umsetzung der Arbeitslosenversicherung und den arbeitsmarktlichen Massnahmen betraut sind. Rückmeldungen aus den Kantonen zeigen, dass ihre Ausgabenpolitik im Jahr 2009 konjunkturell stimulierend ausfällt. Für Aussagen zu den Folgejahren ist es noch zu früh. Die VDK hat sich aber im Hinblick auf weitere Massnahmen für eine verstärkte Kooperation – sowohl unter den Kantonen als auch mit dem Bund – ausgesprochen.
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Die VDK hat sich bereits anlässlich der Jahresversammlung vom 23.Oktober 2008 mit den konjunkturellen Auswirkungen der Finanzkrise befasst. Obschon damals die Prognosen noch deutlich günstiger ausgefallen waren als im Januar 2009, blieb der Appell der Vorsteherin des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) zu einem antizyklischen Verhalten unwidersprochen. Die Kantone sind sich ihrer konjunkturpolitischen Rolle bewusst.


Antizyklisches Verhalten der Kantone im Jahr 2009

Gemäss einer Umfrage der VDK im Dezember 2008, an der sich 20 Kantone beteiligten, haben 8 Kantone bereits Massnahmen als Reaktion auf die konjunkturellen Auswirkungen der Finanzkrise beschlossen. Weitere 9 Kantone wiesen darauf hin, dass sie im Rahmen des Voranschlags 2009 ohnehin ein zum Teil bedeutend höheres Investitionsvolumen gegenüber dem Vorjahr veranschlagen. Namentlich in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Hochbauten (Schulen, Spitäler), Strassenbau, Wasserbau und Hochwasserschutz lösen die Kantone im Jahr 2009 teilweise erhebliche Investitionen aus. Ausserdem werden in verschiedenen Kantonen im Jahr 2009 Steuergesetzrevisionen zugunsten der privaten Haushalte wirksam. Zum Tragen kommen sodann in einem Teil der Kantone zusätzliche Massnahmen, die wenigstens einen Teil der Bevölkerung entlasten (u.a. Reallohnerhöhungen für das Staatspersonal, Erhöhung der Verbilligung der Krankenkassen, Abfederung von Strompreiserhöhungen durch Verzicht auf Gewinnablieferungen). Eine Umfrage der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) im Januar 2009 bei den Kantonen, Städten und Kantonshauptorten bestätigt diese Aussagen (siehe Tabelle 1). Zusammenfassend verhalten sich die Kantone im Jahr 2009 dem Konjunkturverlauf entsprechend antizyklisch, wenn auch nur teilweise als Reaktion auf die aktuelle konjunkturelle Entwicklung. Ein Teil der zusätzlichen Ausgaben sowie der grössere Teil der Mindereinnahmen wurden bereits früher im Jahr 2008 beschlossen und sind auf die gute Finanzlage der Kantone aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in der Vergangenheit zurückzuführen. Zahlreiche Kantone erwirtschafteten in den Jahren der Hochkonjunktur hohe Überschüsse. Zudem profitierten insbesondere die ressourcenschwachen Kantone vom Verkauf der Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und von höheren Ausgleichszahlungen im Rahmen des neuen Finanzausgleichs.


Handlungsoptionen der Kantone im weiteren Konjunkturverlauf

Aufgrund der sich laufend verdüsternden Prognosen besteht seitens der kantonalen Volkswirtschaftsdirektorinnen und -direktoren kein Zweifel, dass die Krise im Jahr 2009 nicht ausgestanden sein wird. Sorgen bereitet namentlich der prognostizierte Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Verschlechterung der Beschäftigungslage zeichnete sich bereits im 2.Semester 2008 ab. Gegen Ende 2008 und Anfang 2009 stiegen die Arbeitslosenzahlen markant. Ebenso sind die Gesuche für Kurzarbeit Anfang 2009 zum Teil dramatisch gestiegen. Der konjunkturpolitische Handlungsbedarf konkretisiert sich zunehmend. Allerdings ist der Handlungsspielraum der Kantone begrenzt: Sie sind Teil der Schweizer Volkswirtschaft und haben nicht die konjunkturpolitischen Kompetenzen des Bundes und seiner Institutionen. Die Kantone können ausschliesslich im Bereich der Fiskalpolitik – d.h. bei der staatlichen Ausgaben- und Steuerpolitik – Akzente setzen. Gemäss der Rückmeldungen auf die Umfrage der VDK planen mehrere Kantone weitere Steuererleichterungen, oder es sind bereits Steuergesetzrevisionen beschlossen, die auf eine Entlastung der Haushalte abzielen und in den Jahren 2010 oder 2011 wirksam werden. Fünf Kantone sehen ab 2010 den Ausgleich der kalten Progression vor. Bei der Ausgabenpolitik steht ein Vorzug ausführungsreifer Investitionsvorhaben im Vordergrund. Hier sehen die Kantone namentlich in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Strassenbau, Wasserbau und Hochwasserschutz Projekte, die früher als vorgesehen realisiert werden könnten. Soweit es sich um Projekte handelt, welche die Kantone im Rahmen einer Verbundaufgabe mit einer finanziellen Beteiligung des Bundes realisieren, ist ausschlaggebend, dass die finanziellen Mittel von beiden Seiten vorliegen. Verschiedene Kantone weisen darauf hin, dass zwar von Seiten des Bundes Finanzierungszusagen bestehen, die dafür erforderlichen Mittel aber nicht verfügbar sind. Wenn die Kantone die fehlenden Bundesmittel vorfinanzieren, fehlen diese für die Umsetzung anderer Projekte. Im Bereich des Hochwasserschutzes hat der Bund mit dem ersten Massnahmenpaket entsprechend reagiert und die erforderlichen Mittel bereitgestellt.


Finanzhaushaltsrechtliche Vorgaben einhalten

Wie der Bund bewegen sich auch die Kantone innerhalb finanzhaushaltsrechtlicher Vorgaben. Die Mehrheit der Kantone kennt Regelungen, die in irgendeiner Weise eine ausgeglichene Rechnung sichern oder eine Neuverschuldung verhindern sollen. Aufgrund der Rückmeldungen aus den Kantonen im Rahmen der VDK-Umfrage ist davon auszugehen, dass die meisten Kantone über einen gewissen konjunkturpolitischen Handlungsspielraum verfügen. Einige Kantone weisen jedoch darauf hin, dass sie diesen Spielraum bereits ausgeschöpft haben. Ohnehin erscheint es aus heutiger Sicht schwierig, die Reaktionsfähigkeit der Kantone für die kommenden Jahre abzuschätzen. Wie die Umfrage gezeigt hat, sind allein schon die Einnahmeausfälle aufgrund der Finanzkrise, die vorab den Bankensektor betrifft, schwierig abzuschätzen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Entwicklung auf der Einnahmeseite das Verhalten der Kantone auf der Ausgabenseite beeinflussen wird. Die Bereitschaft, sich angesichts der drohenden Verschuldung konjunkturpolitisch zu engagieren dürfte mit zunehmend niedrigeren Einnahmen sinken. Der Entscheid liegt letztlich bei den kantonalen Parlamenten, welche die Budgethoheit innehaben. Um die notwendige antizyklische Fiskalpolitik allenfalls auch unter erschwerten Bedingungen fortsetzen zu können, braucht es überzeugende Argumente und eine sorgfältige Auswahl der Massnahmen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die angestrebten konjunkturellen Effekte wegen der zu erwartenden Kompensationsmassnahmen nicht im gewünschten Mass erzielt werden können.


Nachhaltige Wirkung durch Koordination

Die Erfahrungen mit dem Investitionsprogramm des Bundes in den Jahren 1997-1999 haben gezeigt, dass die Konjunktur nur bedingt stimuliert werden kann. Um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, erscheint eine Koordination der Massnahmen von Bund und Kantonen angezeigt. Die kantonalen Volkswirtschaftsdirektorinnen und -direktoren haben anlässlich ihrer Tagung vom 22.Januar 2009 erstmals von den Massnahmen der Stufe II des Bundes Kenntnis genommen. Ein Teil dieser Massnahmen erfordern eine kantonale Beteiligung in der gleichen Höhe, um die zur Verfügung stehenden Bundesmittel auszulösen. Die VDK hat sich dafür ausgesprochen, die Massnahmen sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene mit dem Bund zu koordinieren. Hierbei wird es primär darum gehen, Transparenz zu schaffen und die getroffenen Massnahmen bei Bedarf aufeinander abzustimmen. Letztendlich ist es aber an jedem Kanton selber, die aus seiner Warte erforderlichen Schritte einzuleiten. ·


Thomas Unseld

Sekretär der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren, c/o Volkswirtschafsdepartement des Kantons St.Gallen


Zitiervorschlag: Unseld, Thomas (2009). Die Rolle der Kantone in der Konjunkturkrise. Die Volkswirtschaft, 01. März.