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PMI – aktuelles Konjunkturbarometer der Schweiz

Der Purchasing Managers’ Index (PMI) ist seit 1995 ein unmittelbarer und repräsentativer Vorlaufindikator für die Schweizer Wirtschaft. Er wird als Gemeinschaftswerk des Schweizerischen Verbandes für Materialwirtschaft und Einkauf (SVME) und der Credit Suisse erstellt. Der Prognosevorlauf beträgt mindestens ein Quartal. Das Konzept des PMI wurde 1948 in den USA entwickelt und Mitte der Neunzigerjahre nach den Standards der International Federation of Purchasing and Materials Management (IFPMM) auch in Europa eingeführt. Mittlerweile wird der PMI in mehr als 26 Ländern – darunter seit kurzem auch China – veröffentlicht, die zusammen rund 83% der weltweiten Industrieproduktion abdecken. Diese internationalen Vergleichsmöglichkeiten machen den PMI weltweit zu einem unverzichtbaren Instrument der Konjunkturanalyse.

Einkaufsmanager stehen am Anfang des Produktionsprozesses. Entsprechend spüren sie Nachfrageschwankungen, bevor diese in den Produktions- oder Umsatzzahlen sichtbar werden. Der PMI nutzt diesen Vorlauf zur Prognose der Konjunktur. Er basiert auf den Resultaten einer monatlichen Umfrage, die der SVME auf der Online-Plattform der Internetfirma www.2ask.ch durchführt. Dabei werden rund 200 Einkaufsmanagern von Schweizer Industrieunternehmen qualitative Fragen zu folgenden acht Sparten gestellt: Produktion, Auftragsbestand, Einkaufsmenge, Einkaufspreis, Lieferfristen, Einkaufslager, Verkaufslager und Beschäftigung.Die Einkaufsmanager müssen jeweils einschätzen, ob die Aktivitäten in der jeweiligen Sparte höher, gleich oder tiefer als im Vormonat ausgefallen sind. Aus den prozentualen Anteilen der Antworten, die «höher» und «gleich» lauten, werden die Subindizes berechnet, wobei der Anteil der «gleich»-Antworten nur zur Hälfte einfliesst (vgl. Kasten 1). Um saisonale Schwankungen auszuschalten, werden die einzelnen Subindizes saisonbereinigt. Die Saisonbereinigungsfaktoren werden jeweils Anfang Jahr mit dem Verfahren ARIMA-X-12 neu berechnet. Der Wert des PMI bzw. der acht Subindizes liegt definitionsgemäss zwischen 0 und 100, wobei ein Wert über 50 eine expandierende Aktivität im Vergleich zum Vormonat bedeutet. Weist also zum Beispiel der PMI im Juni einen Wert von 60 und im Juli einen Wert von 55 auf, bedeutet das, dass die schweizerische Industrieaktivität im Juli weiter expandiert hat, jedoch mit einer geringeren Dynamik als noch im Vormonat. Im Gegensatz zu anderen Konjunkturindikatoren, die sich mit den Erwartungen, Ängsten oder Hoffnungen der Leute beschäftigen und als komplexe, mathematische Konstrukte schwer zu verstehen sind, beschränkt sich das Erhebungsverfahren des PMI auf tatsächliche wirtschaftliche Aktivitäten und eine einfache, nachvollziehbare Erstellung. Zudem muss der PMI nicht nachträglich revidiert werden. Der direkte und unverfälschte Bezug zur Realwirtschaft ist somit garantiert.


Gesamtwirtschaftliche Konjunktur

Seit Beginn der Erhebung 1995 hat sich der PMI als Vorlaufindikator für die Schweizer Wirtschaft etabliert. Der Prognosevorlauf des PMI beträgt dabei mindestens ein Quartal. Der PMI prognostiziert aber nicht nur die Industrieaktivitäten, sondern eignet sich ebenso als Indikator der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur, und dies aus folgenden Gründen:− Die Industrie beeinflusst direkt die Schweizer Wirtschaftsentwicklung, wird doch knapp ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung in diesem Sektor erwirtschaftet. − Der Industriesektor produziert zahlreiche Investitionsgüter, die in den anderen Sektoren eingesetzt werden und somit die gesamtwirtschaftliche Kapazität erhöhen. − Der Industriesektor ist auf viele Dienstleistungen angewiesen, wie etwa Werbung oder Unternehmensberatung. Eine Veränderung im Industriesektor hat dadurch auch einen Einfluss auf die Entwicklung des Dienstleistungssektors.Hohe PrognosegüteDie Grafik 1 veranschaulicht die Prognosegüte des PMI für die gesamtwirtschaftliche Konjunkturentwicklung, indem der Verlauf des PMI dem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) gegenübergestellt wird. Als Faustregel signalisiert ein über eine längere Zeitspanne registrierter Indexwert von über 44 tendenziell ein positives Wachstum der Gesamtwirtschaft. Um temporäre Ausreisser zu nivellieren und die Zeitreihe mit den BIP-Quartalsdaten vergleichbar zu machen, bietet sich ein Rückgriff auf einen gleitenden 3-Monats-Durchschnitt an. Sank der Wert des PMI in einem Quartal unter die kritische Wachstumsgrenze von 50 Punkten, lag das durchschnittliche BIP-Wachstum des darauffolgenden Quartals im Vergleich zum Vorjahr bei 0,1%. Lag der Wert jedoch über 50 Punkte, folgte ein Wachstum von durchschnittlich 2,8%. Das ergibt eine beträchtliche Differenz von 2,7 Prozentpunkten, je nachdem ob sich der PMI unter- oder oberhalb der Wachstumsgrenze von 50 Zählern bewegte. Einem Wert von über 50 Punkten folgte ohne Ausnahme ein positives BIP-Wachstum, während mit einem Wert von unter 50 Zählern nicht zwingend eine Kontraktion der Gesamtwirtschat einherging. Ähnliche Resultate ergeben sich bei einer umgekehrten Betrachtungsweise. Wies das BIP für ein Quartal ein negatives Wachstum aus, betrug der durchschnittliche Wert des PMI des Vorquartals 47,1 Punkte, im Vergleich zu 55,5 bei positivem BIP-Wachstum. Diese Zahlen werden noch untermauert durch eine Korrelation von 0,74 zwischen den um ein Quartal verschobenen Zeitreihen des PMI und des BIP (eine Korrelation in der Höhe von eins entspräche einem perfekten Zusammenhang).In der Grafik 2 sind die Veränderungen des Wachstumstempos abgetragen. Die durch den PMI geschätzten Veränderungen der Wachstumsraten des realen BIP werden den effektiven Veränderungen gegenübergestellt. Die Grafik ist in vier Quadranten unterteilt. Die Punkte, die im ersten oder im dritten Quadranten liegen, weisen darauf hin, dass die Schätzung der Wendepunkte korrekt war. Die in den beiden restlichen Quadranten liegenden Punkte betreffen hingegen Schätzungen, bei welchen die Wachstumsdynamik falsch ermittelt wurde. Prozentual liegt die Anzahl aller Schätzungen, welche die Dynamik des BIP richtig prognostizieren, nahe bei 75%, was insgesamt als stabil gilt.


Subindizes: Detaillierte Informationen

Auch aus den Subindizes des PMI lassen sich konjunkturrelevante Informationen gewinnen. So prognostiziert der PMI-Subindex «Produktion» relativ genau den Produktionsindex aus der Produktion-Auftrags-Umsatz- und Lagerstatistik (Paul) des Bundesamts für Statistik (BFS). Unter Berücksichtigung eines Vorlaufes von zwei Quartalen beträgt der Korrelationskoeffizienten zwischen dem PMI-Subindex «Produktion» und der Paul-Statistik 0,6. Zudem erscheint der PMI-Subindex «Produktion» monatlich (Paul: quartalsweise) und ist ohne Verzögerung verfügbar. Der PMI-Subindex «Beschäftigung» wiederum hilft bei der Beschäftigungsprognose. Der Vorlauf auf die Industriebeschäftigtenzahl aus der Beschäftigungsstatistik des BFS (Besta) beträgt rund ein halbes Jahr. Der PMI-Subindex Einkaufspreise, welcher nicht in die Berechnung des PMI einfliesst, hat bezüglich der Beobachtung inflationärer Tendenzen durchaus Bedeutung. Zwischen dem PMI-Subindex Einkaufspreise und dem vom BFS erhobenen Produzenten- und Importpreisindex (PPI) besteht eine ziemlich gute Übereinstimmung, wobei der PMI-Preisindex einen Vorlauf von rund drei Monaten aufweist.


Claude Maurer

Senior Economist, Credit Suisse, Zürich


Micha Zeller

Die fünf Subinizes des PMI und deren Gewichtung

Der PMI wird durch das Economic Research der Credit Suisse erstellt und ausgewertet. In den PMI fliessen fünf der acht Subindizes mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung ein: Produktion (Gewicht: 0.25), Auftragsbestand (0.30), Lieferfristen (0.15), Einkaufslager (0.10), Beschäftigung (0.20).

Vermeidung von Fehlinterpretationen

Der häufigste Interpretationsfehler besteht darin, dass ein Rückgang des PMI oder eines Subindizes gegenüber dem Vormonat generell als Rückgang der jeweiligen Aktivität gewertet wird. Solange der Indexstand jedoch über der relevanten Marke von 50 Zählern zu liegen kommt, besteht weiterhin ein Wachstum gegenüber dem Vormonat. Des weiteren ist zu beachten, dass einzelne Branchen infolge Überkapazitäten, Verlust von Marktanteilen oder neuen Wettbewerbern Wachstumsprobleme verzeichnen können, auch wenn der Schweizer Industriesektor gesamthaft gesehen wächst.


Zitiervorschlag: Claude Maurer, Micha Zeller, (2009). PMI – aktuelles Konjunkturbarometer der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 01. März.