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Finanzierungsinstrumente müssen sich an verkehrspolitischer Zielsetzung orientieren

Finanzierungsinstrumente müssen sich an verkehrspolitischer Zielsetzung orientieren

Gut 10% der Ausgaben von Bund, Kantonen und Gemeinden fliessen heute in den Verkehr. Die privaten Haushalte verwenden 8,5% des Bruttoeinkommens für ihre Verkehrsbedürfnisse. Auch bei den Unternehmen sind die Verkehrsaufwendungen je nach Branche eine nicht zu vernachlässigende Grösse. Bau, Unterhalt und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen werden wegen wachsenden Komfortansprüchen und Sicherheitsanforderungen immer anspruchsvoller und teurer. Es wird immer schwieriger, für neue Verkehrsträger Platz zu finden und sie in bestehende Strukturen sowie die Umwelt einzupassen. Trotzdem lassen Staus auf der Strasse und überfüllte Pendlerzüge, verspätete Lieferung von Waren etc. beständig neue Wünsche für die Weiterentwicklung des Verkehrssystems entstehen. Denn wegen fehlender Verursacherfinanzierung ist die Verkehrsnachfrage grösser als volkswirtschaftlich sinnvoll.

Angesichts der finanziellen und ökologischen Belastung ergeben sich drei grundsätzliche Ziele der Verkehrspolitik: Erstens muss die Verkehrsnachfrage auf das volkswirtschaftlich sinnvolle Mass begrenzt werden; zweitens sind die vorhandenen Verkehrsanlagen möglichst optimal auszunutzen; und drittens muss der Modalsplit zugunsten der umweltfreundlicheren und volkswirtschaftlich günstigeren Verkehrsmittel (Langsamverkehr, öffentlicher Verkehr) verschoben werden.  An diesen Zielsetzungen sind auch die Kriterien für die Wahl der Finanzierungsinstrumente abzuleiten: – Das Geld für die Finanzierung muss möglichst nahe bei den Verursachenden erhoben werden, damit die Finanzierung Lenkungswirkung hat. Der Verkehr darf auf keinen Fall von andern Sektoren mitfinanziert werden; die Kosten für den unverzichtbaren Service Public sind durch die Gesamtheit der Verkehrsteilnehmenden und nicht durch die öffentliche Hand zu decken. – Das Geld ist primär bei jenen Verkehrsteilnehmenden zu holen, die man zu weniger Verkehrskonsum und zur Wahl eines umweltfreundlicheren Verkehrsmittels motivieren will. – Benützungsgebühren müssen leistungsabhängig erhoben werden und dazu beitragen, dass die Verkehrsinfrastruktur gleichmässig ausgelastet wird. – Damit die Steuerung auch ausgabenseitig möglich ist, muss das Geld in einen gemeinsamen Topf aller Verkehrsträger fliessen oder für Massnahmen im Sinne der politischen Zielsetzung zweckgebunden werden.

Möglichkeiten nachfragesteuernder Benutzungsgebühren


Idealerweise müsste die zielorientierte Verkehrsfinanzierung also aus leistungs- und nachfrageabhängigen Benutzungsgebühren erfolgen. Road-Pricing für die Strasse und nachfrageabhängige Trassenpreise beim Schienenverkehr wären die Idealfälle. In der Praxis sind leider nur Annäherungen an dieses Ziel möglich. Es bieten sich zurzeit folgende drei Möglichkeiten an: – Bei den Steuern ist der Pendlerabzug für den Arbeitsweg zu eliminieren. Bund und Kantonen zusammen würde dies Mehreinnahmen von über 1 Mrd. Franken bringen. Die zusätzlichen Einnahmen könnten durch allgemeine Steuersenkungen kompensiert oder gezielt dazu eingesetzt werden, um den Langsamverkehr und den öffentlichen Verkehr auf Pendlerstrecken auszubauen. Flankierend könnten die Arbeitgeber verpflichtet werden, die Arbeitswegkosten ihrer Mitarbeitenden zu übernehmen; die Arbeitnehmenden hätten kurzfristig keine Verluste, die Arbeitgeber hingegen einen längerfristig wirkenden Anreiz, die Arbeit zu den Menschen zu bringen, statt die Menschen zur Arbeit zu holen. – Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) könnte im Sinne eines Schrittes hin zu einem allgemeinen Road-Pricing auf Lieferwagen ausgedehnt werden. Die Fahrleistung der Lieferwagen hat in den letzten Jahren erheblich mehr zugenommen als jene des Schwerverkehrs, während die von ihnen transportierte Gütermenge zurückging. Zudem ist ihre Umweltbilanz weit schlechter. Die neue Abgabe brächte gegen 200 Mio. Franken ein. Flankierend wären die Kantone zu verpflichten, ihren Erlösanteil im Sinne der Zielsetzung für Langsamverkehr und öffentlichen Verkehr einzusetzen. Damit könnten 200 bis 400 Mio. Franken zusätzlich in den öffentlichen Verkehr geleitet werden. – Ein kilometerabhängiger Preiszuschlag beim öffentlichen Verkehr wäre mit einer mindestens analogen Erhöhung der Mineralölsteuer und einer Ausdehnung des Erlösanteils des öffentlichen Verkehrs so zu verbinden, dass keine negativen Effekte auf die Verkehrsteilung Strasse/Schiene entstehen.  Damit Infrastrukturausgaben möglichst wenig neuen Verkehr erzeugen, sind sie primär für Massnahmen zur besseren Ausnutzung der vorhandenen Verkehrswege und zur Schaffung verkehrssparender Raumstrukturen einzusetzen, hat doch die Raumplanung wesentlichen Einfluss auf die Entstehung von Verkehrsbedürfnissen.

Zitiervorschlag: Alf Arnold (2009). Finanzierungsinstrumente müssen sich an verkehrspolitischer Zielsetzung orientieren. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.