Finanzierung der schweizerischen Verkehrsinfrastrukturen:Erfahrungen und Perspektiven
Für eine kleine, offene Volkswirtschaft wie die Schweiz sind gute Verkehrsinfrastrukturen eine wichtige Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität. Empirische Studien bestätigen, dass zwischen Investitionen in den Verkehrsbereich und Wachstum ein signifikanter Zusammenhang besteht. Die kursierenden verkehrspolitischen Wunschlisten übersteigen die finanziellen Möglichkeiten des Bundes aber bei Weitem. Eine rigorose Priorisierung und realistische Finanzierung – unter Einschluss der hohen Folgekosten für Staat und Verkehrsunternehmen – sind daher unerlässlich. Gebaut werden darf nur, was verkehrsmässig und volkswirtschaftlich einen erwiesenen Nutzen abwirft und von den öffentlichen Haushalten dauerhaft verkraftet werden kann.
Wachsende Bedeutung des Verkehrs in den öffentlichen Haushalten
In den öffentlichen Haushalten der Schweiz – allen voran demjenigen des Bundes – hat der Verkehr seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend ein hohes Gewicht. Die vier nachfolgenden Feststellungen untermauern diese Aussage:
Der Verkehr gehört zu den ausgabenstärksten öffentlichen Aufgaben
Die öffentlichen Haushalte der Schweiz gaben 2006 insgesamt über 14 Mrd. Franken für den Verkehr aus. Das entspricht 10% der Gesamtausgaben. Ein grösseres Gewicht haben nur die Aufgabenbereiche Soziale Wohlfahrt/Gesundheit sowie Bildung/Forschung. Im Bundeshaushalt nimmt der Verkehr mit 8,7 Mrd. Franken 2009; inkl. Bevorschussung des Fonds für Eisenbahngrossprojekte und Abbau der Ersteinlage des Infrastrukturfonds. bzw. einem Anteil von 15% an den Gesamtausgaben gar den zweiten Rang ein.
Die Verkehrsausgaben wuchsen seit 1990 schneller als die Wirtschaft
Während das schweizerische Bruttoinlandprodukt (BIP) im Zeitraum 1990-2006 pro Jahr um durchschnittlich 2,4% (nominal) zugenommen hat, stiegen die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für den Verkehr um durchschnittlich 2,9% pro Jahr (siehe Grafik 1). Einen stärkeren Anstieg verzeichnen bei den namhaften Aufgaben nur die Soziale Wohlfahrt/Gesundheit (+4,6% p.a.) sowie Bildung/Forschung (+3,3% p.a.).
Der Bund trug den Löwenanteil dieses Ausgabenanstiegs
Hauptträger dieses Wachstums war der Bund. In seinem Haushalt haben die Verkehrsausgaben seit 1990 um durchschnittlich 3,3% pro Jahr zugenommen. Vom Anstieg der Verkehrsausgaben um insgesamt 5,3 Mrd. Franken (1990-2006) entfallen mit anderen Worten 3,2 Mrd. Franken auf den Bund, während die Ausgaben der Kantonen und Gemeinden lediglich um 2,1 Mrd. Franken wuchsen.
Hauptnutzniesser dieses Zuwachses ist die Infrastruktur
Zwischen 1990 und 2006 haben sich die Investitionen des Bundes in die Verkehrsinfrastrukturen mehr als verdoppelt (von 2,1 auf 4,5 Mrd. Fr.). Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von beinahe 5%. Diese Dynamik ist insbesondere auf die Eisenbahngrossprojekte Bahn 2000 und die Neue Alpentransversale (Neat) zurückzuführen, die ausschliesslich durch den Bund finanziert werden. Zu diesem Zweck wurde der Fonds für Eisenbahngrossprojekte (FinöV-Fonds) eingerichtet, mit neuen Steuermitteln alimentiert (Schwerverkehrsabgabe, Mehrwertsteuer-Promille, Mineralölsteueranteil) und zusätzlich mit bis heute rund 8 Mrd. Franken aus dem Bundeshaushalt bevorschusst.
Fazit
Die Verkehrsinvestitionen nehmen im Bundeshaushalt eine hohe Priorität ein. Ein Ende dieses Wachstums ist nicht abzusehen – im Gegenteil: Seit 2008 leistet der Bund auch Beiträge in der Höhe von jährlich rund 450 Mio. Franken an Verkehrsinvestitionen in den Agglomerationen. Forderungen nach weiteren Investitionen in der Höhe von Dutzenden von Mrd. Franken stehen im Raum.
Finanzierung der Verkehrsausgaben
Der Bedeutung des Verkehrs trägt der Bund auch durch die Art der Finanzierung Rechnung. Zweckgebundene Mittel und Fonds schaffen die notwendige Finanzierungssicherheit. Die Kehrseite dieser Instrumente besteht allerdings darin, dass sie die ausgabenpolitische Prioritätensetzung erschweren, eine ineffiziente Mittelverwendung begünstigen können und die Transparenz beeinträchtigen. Trotz hoher Finanzierungssicherheit besteht heute zudem die Gefahr, dass die geforderten Infrastrukturausbauten den Rahmen der verfügbaren Mittel zu sprengen drohen. Auch dazu vier Feststellungen:
Der Verkehr wird vorwiegend durch zweckgebundene Mittel finanziert
Rund 60% der vom Bund für den Verkehr verwendeten Mittel stammen aus zweckgebundenen Einnahmen (siehe Grafik 2). Darunter finden sich nahe liegende, aber auch eher problematische Zweckbindungen. Mit 3,8 Mrd. Franken (45%) entfällt der Löwenanteil auf die Mineralölsteuer sowie die Autobahnvignette. Dieser Benutzerfinanzierung ist eine relativ hohe Verursachergerechtigkeit nicht abzustreiten. Andere Vorteile von Benutzergebühren (optimale Ausschöpfung der Zahlungsbereitschaft; nachfragegerechte Mittelverwendung; Steuerung der Nachfrage z.B. durch Abgabendifferenzierung nach Strecke und Zeit) lassen sich mit der Mineralölsteuer aber nicht erschliessen. Vielmehr begünstigt sie wie andere Steuern das sogenannte «Rent Seeking»: Jeder sucht sich einen möglichst grossen Teil der knappen Mittel zum eigenen Vorteil zu sichern. Das Resultat ist Anspruchsinflation statt Nutzenmaximierung. Knapp 1 Mrd. Franken (11%) trägt die Schwerverkehrsabgabe (LSVA) bei. Sie wird hauptsächlich für Investitionen in die Eisenbahngrossprojekte verwendet. Geht man vom Verfassungsziel der Verlagerung des grenzüberschreitenden Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit aus, das Schienennetz zu erweitern, wird durch diese Finanzierung sowohl das Verursacherprinzip eingehalten als auch ein Lenkungseffekt erzielt. Schliesslich stammen 300 Mio. Franken (4%) aus dem für den FinöV-Fonds zweckgebundenen Mehrwertsteuerpromille. Grundsätzlich sollte die Mehrwertsteuer dem allgemeinen Haushalt für die Finanzierung des Grundbedarfs zur Verfügung stehen. Diese Zweckbindung ist daher problematisch.
Die Infrastrukturfinanzierung ist weitgehend in Fonds ausgelagert worden
Von den geplanten Verkehrsinvestitionen des Bundes von 5,8 Mrd. Franken im Jahr 2009 laufen über die Hälfte über Fonds, nämlich gut 1,6 Mrd. Franken über den FinöV-Fonds und knapp 1,5 Mrd. Franken über den Infrastrukturfonds. Neben diesen beiden Fonds bestehen drei grössere Finanzierungsgefässe für Verkehrsinvestitionen innerhalb des Bundeshaushalts: ein vierjähriger Zahlungsrahmen für die SBB für Ersatzinvestitionen und kleinere Neuinvestitionen (2009: 1 Mrd. Fr. p.a.), ein ebenfalls mehrjähriger Rahmenkredit für Investitionsbeiträge an die Privatbahnen (2009: 350 Mio. Fr. p.a.) sowie der Investitionskredit für den Ausbau und Unterhalt der Nationalstrassen (2009: 1,2 Mrd. Fr. p.a.). Aus Sicht der Verkehrsfinanzierung weisen die Fonds auf den ersten Blick unübersehbare Vorteile auf. Dank einer Bevorschussung von bis zu 12 Mrd. Franken via Bundestresorerie (FinöV-Fonds) bzw. einer Ersteinlage von 2,6 Mrd. Franken via ausserordentlichen Haushalt konnten und können Investitionsspitzen (Neat, beschleunigte Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, dringliche Agglomerationsverkehrsprojekte) ohne Verletzung der geltenden Ausgabenregeln (Schuldenbremse) finanziert werden. Budgetkürzungen durch das Parlament sind auch in finanziell schwierigen Zeiten engere Grenzen gesetzt als im ordentlichen Haushalt. Zudem bleiben Kreditreste am Ende des Jahres den beiden Fonds erhalten. Allerdings hat heute die Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen eine Komplexität erreicht, die für Aussenstehende oft nicht mehr nachvollziehbar ist. So wird beispielsweise die Durchmesserlinie (DML) Zürich (Projektkosten: 2 Mrd. Fr.) aus vier Kassen bezahlt: – Rund 10% sollen aus dem FinöV-Fonds beglichen werden. – Knapp 25% werden über einen Zeitraum von 15 Jahren über insgesamt vier Zahlungsrahmen der SBB bezahlt. – Den dem Agglomerationsverkehr zugerechneten Teil der DML, der rund zwei Drittel der Gesamtkosten ausmacht, finanzieren je zur Hälfte der Kanton Zürich und der Infrastrukturfonds. Diese komplexe Finanzierung wird damit auch aus Sicht des Verkehrs zunehmend nachteilig. Die eingeschränkte Transparenz erschwert die Planung und vermindert die Sicherheit. Ausserdem droht der ausgabenpolitische Grundsatz, neue Aufgaben nur in Angriff zu nehmen, wenn sie auch finanziert sind, im Ringen um knappe Mittel über Bord gekippt zu werden (siehe DML). Damit einher geht die Gefahr zusätzlicher Verschuldung.
Die Finanzierungsverantwortung geht immer mehr an den Bund über
Folgende zusätzlichen Finanzierungsverantwortungen sind in den vergangenen Jahren an den Bund überwälzt worden bzw. sollen noch überwälzt werden: – Vollständige Übernahme von Bau, Unterhalt und Betrieb des heutigen Nationalstrassennetzes: Diese Reform wurde im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) beschlossen und ist für den Bund durch Verrechnung mit den Finanzausgleichszahlungen finanziert. – Agglomerationsverkehr: Im Rahmen der NFA wurde dem Bund hier eine neue Aufgabe zugewiesen. 6 Mrd. Franken an Bundesgeldern sollen über die kommenden 20 Jahre den Kantonen zufliessen. Das sind im Durchschnitt 300 Mio. Franken pro Jahr (Preisstand 2005). – Neuer Netzbeschluss: Schliesslich fordern die Kantone, dass der Bund rund 400 Kilometer kantonale Strassen ins Nationalstrassennetz übernimmt und für deren Ausbau, Unterhalt und Betrieb sorgt. Fixfertige Ausbaupläne sind bereits in den Schubladen. Auf Bundesseite wird mit jährlichen Mehrausgaben von bis zu 350 Mio. Franken gerechnet. Diese Entwicklung ist somit zum Teil gewollt und finanziert (NFA), zum Teil aber auch Ergebnis einer von den Kantonen geforderten Zentralisierungstendenz in ausgabenintensiven Bereichen, die mit einer Intensivierung des kantonalen Steuerwettbewerbs einher geht.
Die steigenden Investitionsausgaben für den Verkehr wirken dem konjunkturellen Abschwung entgegen
Die Schweiz steht wirtschaftlich am Beginn einer Rezession. Kurzfristig betrachtet sind daher die hohen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur politisch positiv zu werten. Die beachtlichen Zuwachsraten 2008 und 2009 (+989 Inkl. Mehrausgaben aufgrund NFA. bzw. +534 Inkl. Konjunkturelle Stabilisierungsmassnahmen der 2. Stufe (+395 Mio. Fr.). Mio. Fr. gegenüber jeweiligem Vorjahr) ergeben einen spürbaren Impuls, welcher dem Abschwung entgegenwirkt (siehe Grafik 3). Eindrücklich lang ist denn auch die Liste neuer Infrastrukturprojekte auf der Strasse wie auch der Schiene. Mittelfristig wird sich aber auch der Verkehrsbereich an ein etwas knapper geschneidertes Kleid anpassen müssen: Aufgrund der neuesten Konjunkturschätzungen ist gegenüber dem Finanzplan bis 2013 mit Mindereinnahmen von mehreren Mrd. Franken jährlich zu rechnen. Auf der Einnahmeseite sind vom Parlament zudem grössere Reformen gefordert und angestossen worden, die im Haushalt milliardentiefe Spuren hinterlassen könnten: der sofortige Ausgleich der kalten Progression, eine Reform der Familienbesteuerung, eine weitere Unternehmenssteuerreform. Zwischen den Erwartungen an die Bundeskasse und ihren Möglichkeiten öffnet sich eine Schere, die von jedem Aufgabenbereich – auch vom Verkehr – Priorisierungen und Entlastungen abverlangen wird.
Fazit
Der Verkehr verfügt in der Bundeskasse über verschiedene Finanzierungsvorteile. Zur Sicherung dieser guten Voraussetzungen sind Reformen aber unumgänglich: Die Steuerung muss einfacher und transparenter werden; ohne neue Finanzierungen ist die Übernahme neuer Lasten nicht möglich. Immerhin fallen die derzeit steigenden Ausgaben zeitlich günstig und dürften den konjunkturellen Abschwung dämpfen.
Thesen zur künftigen Verkehrsfinanzierung
Die Finanzierung des Verkehrs steht vor grossen Herausforderungen. Die Erwartungen wachsen beinahe ins Unermessliche (siehe Tabelle 1). Nur schon um einen kleinen Teil davon abzudecken, sind neue Finanzierungen nötig. Dabei ist durch eine klare Priorisierung darauf zu achten, dass Kosten neuer Infrastrukturen nicht höher zu liegen kommen als deren Nutzen, dies unter Einschluss der Folgekosten für Staat und Verkehrsunternehmen.
Die Bedürfnisse nach neuen Verkehrsinfrastrukturen sind grenzenlos
Seit einem Jahr ist der neue Infrastrukturfonds in Funktion, über den die Fertigstellung des Nationalstrassennetzes sowie die Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassennetz finanziert und Beiträge an Verkehrsprojekte in den Agglomerationen geleistet werden. Für 20 Jahre stehen dafür im Durchschnitt jedes Jahr 1 Mrd. Franken zur Verfügung (Preisstand 2005). Soeben hat das Parlament auch die Vorlage Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB 1) zu Ende beraten. Mit gezielten Engpassbeseitigungen auf dem gesamten Schienennetz sollen flächendeckend weitere Reisezeitverkürzungen und bessere Umsteigebedingungen realisiert werden. Das Parlament hat dafür einen Kredit von 5,4 Mrd. Franken gesprochen. Der mit FinöV gesetzte Rahmen von 30,5 Mrd. Franken wird damit um gut 1 Mrd. Franken überschritten. Mit ZEB 1 wird der Bundesrat zugleich beauftragt, dem Parlament 2010 einen weiteren Ausbau des Schienennetzes (Bahn 2030) zu unterbreiten. Diese beiden Vorlagen haben einen eigentlichen Projekt-Wettlauf in Gang gesetzt. Würden alle Ausbauwünsche realisiert, hätte der Bund Investitionsausgaben von rund 60 Mrd. Franken Ohne Doppelzählungen: Wird beispielsweise das Nationalstrassennetz mit einer neuen Strecke/Umfahrung ergänzt, entfällt die eine oder andere Engpassbeseitigung auf dem bestehenden Netz. zu tragen: – Allein schon die vom Parlament im ZEB-1-Gesetz in den Wunschkatalog aufgenommenen Projekte erfordern Investitionen von rund 21 Mrd. Franken. Damit sind indessen keinesfalls sämtliche Wünsche abgedeckt. Eine gesicherte Finanzierung besteht bis heute nicht. Grundsätzlich soll sie über den FinöV-Fonds erfolgen. In grösserem Umfang werden hier aber erst nach 2020 Mittel frei, da der Fonds nach Fertigstellung der Neat mit mindestens der Hälfte der zweckgebundenen Einnahmen die Vorschüsse des Bundes zurückzahlen muss. – Für die Ausbauten in den Agglomerationen haben die Kantone Projekte in der Höhe von 17 Mrd. Franken eingereicht. Der Bund bezahlt daran maximal 50%. 2,5 Mrd. Franken sind bereits für dringliche Projekte verpflichtet. Somit stehen noch maximal 3,5 Mrd. Franken zur Verfügung. – Für die Engpassbeseitigung auf den Nationalstrassen verlangen die Kantone 15 Mrd. Franken. 5,5 Mrd. Franken stehen im Infrastrukturfonds zur Verfügung. – Gemäss Bundesamt für Strassen (Astra) lassen sich nicht alle Engpässe auf den Nationalstrassen mit Fahrstreifenergänzungen beseitigen. In der Vorlage zu den Engpassbeseitigungen soll deswegen auch bereits das Terrain für einen neuen Netzbeschluss (NEB+) sondiert werden. Insgesamt stehen Projekte in der Höhe von 17 Mrd. Franken zur Diskussion. Zwei Projekte für zusammen 5,4 Mrd. Franken erachtet das Amt als vordringlich (Umfahrung Morges, neue NS im Glattal). – Schliesslich verlangen die Kantone einen neuen NEB, um 400 km kantonale Strassen ins Bundesnetz abzutreten. Damit geht die Forderung nach Ausbauten von 10 Mrd. Franken einher.
Eine rigorose Priorisierung und eine realistische Finanzierung sind unerlässlich
Es ist offensichtlich, dass dieser Wunschkatalog nicht integral finanzierbar ist. Eine Beschränkung auf das verkehrspolitisch Prioritäre ist zwingend. Gebaut werden darf nur, was einen erwiesenen volkwirtschaftlichen Nutzen abwirft. Für regionalpolitische Sonderwünsche muss gelten: Wer bestellt, zahlt. Unbedingt zu stärken ist der Gedanke eines koordinierten Ausbaus von Schiene und Strasse: Keine Volkswirtschaft der Welt kann es sich leisten, zwei parallele Verkehrsnetze auf praktisch den gleichen Ausbaustand zu bringen. Auch sollte nicht vergessen gehen, dass jede neue Verkehrsinfrastruktur neue Mobilitätsbedürfnisse weckt. Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten, gilt heute verkehrsträgerübergreifend. Was am Ende dieses Priorisierungsprozesses gebaut wird, muss sodann finanziert sein. Ein kleiner Überblick über die zur Diskussion stehenden Finanzierungsmassnahmen (siehe Grafik 4): – Für die Sicherstellung des Nationalstrassenunterhalts und -betriebs sowie die ausreichende Alimentierung des Infrastrukturfonds hat der Bundesrat vor Kurzem eine Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags um 6-7 Rappen zur Diskussion gestellt. Denn schon mit diesen Ausgaben wird die Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) ab etwa 2010 Defizite zu schreiben beginnen, weil einerseits die Einnahmen stagnieren und andererseits der Aufwand für Unterhalt und Betrieb des Nationalstrassennetzes kontinuierlich ansteigt. – Sollen auch die Netzerweiterungen finanziert werden (NEB und NEB+), wird ab 2015 eine Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags um weitere 7 Rappen fällig. – Geht man davon aus, dass die gegen 2020 eigentlich auslaufenden Beiträge der SFSV zugunsten der Neat (ein Viertel der Kosten) für die Bahn 2030 weitergeführt werden sollen, braucht es gegen 2020 noch einmal 3-4 Rappen. – Von diesen Steuererhöhungen ist zu erwarten, dass sie einen Einfluss auf den Konsum, namentlich den Tanktourismus aus dem Ausland haben. Um diese Einnahmenausfälle auszugleichen, wird eine weitere Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags um mindestens 2-4 Rappen erforderlich werden. – Bahn 2030 ist damit erst teilweise finanziert. Nimmt man an, dass die bisherigen FinöV-Mittel weiter fliessen (LSVA, Mineralölsteuer, Mehrwertsteuerpromille), braucht es in der Periode 2017-2027 weitere 300 Mio. Franken jährlich, schon nur um ein abgespecktes Investitionsprogramm von 12 Mrd. Franken zu finanzieren. Insgesamt sprechen wir also von Steuererhöhungen von jährlich bis zu 2 Mrd. Franken. Damit liesse sich – unter Berücksichtigung der Teuerung – in den kommenden 20-25 Jahren nur gerade gut die Hälfte der Ausbauwünsche von 60 Mrd. Franken finanzieren.
Ebenfalls nötig: Mehr Transparenz und eine umfassende Gesamtsicht
Mit der Finanzierung der Bauinvestitionen ist es noch lange nicht getan. Jede neue Verkehrsinfrastruktur zieht hohe Folgekosten nach sich. Zunächst einmal steigt der Betriebs- und Unterhaltsaufwand für Strasse und Schiene, auch weil die Netze immer älter werden und zugleich immer stärker befahren sind. Die Bahnen sind sodann nicht in der Lage, die Ersatzinvestitionen aus den Verkehrserträgen zu finanzieren. Sobald ein neuer Netzteil in Betrieb geht, bezahlt der Bund über seine Abgeltungen den gestiegenen Abschreibungsaufwand. Neue Schienen rufen nach neuen Angeboten: Wo diese – wie im regionalen Personenverkehr – nicht selbsttragend sind, erhöhen sich die Abgeltungen des Bundes ebenfalls, wobei Bund und Kantone im Durchschnitt je 50% der ungedeckten Kosten der neuen Angebote finanzieren. Schliesslich erwachsen auch den Bahnen hohe Folgekosten, indem sie für die neuen Angebote Milliardenbeträge in neues Rollmaterial investieren müssen. Je rascher der Ausbau, desto höher ihr Investitions- und Liquiditätsbedarf. Das geht teilweise schon heute an die Grenzen des für sie Verkraftbaren. Es ist daher unabdingbar, dass in den Finanzierungsvorlagen für neue Verkehrsinfrastrukturen umfassende Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnungen präsentiert werden, die diese Folgekosten integral darstellen. Wer über A zu beschliessen hat, muss auch über B Bescheid wissen. Mehr Transparenz heisst schliesslich auch, dass die Zahl der Fonds nicht weiter erhöht wird und dass die einzelnen Finanzierungsgefässe konsequent entflochten werden. Grossprojekte sind aus dem FinöV- und dem Infrastrukturfonds zu finanzieren. Aus den ordentlichen Finanzierungsgefässen sollen primär Unterhalt, Ersatzinvestitionen sowie kleinere Neuinvestitionen finanziert werden. Mischfinanzierungen – wie bei der DML – müssen die Ausnahme bleiben.
Neue Finanzierungsmöglichkeiten müssen konsequent genutzt werden
Neben dem blossen Drehen an der Steuerschraube – was teils mit obligatorischen, teils mit fakultativen Referenden mit jeweils ungewissem Ausgang verbunden ist – sind auch alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Drei davon seien hier knapp skizziert: – Verstärkte Benutzerfinanzierung: Gerade im Bahnbereich besteht noch Spielraum, das Verursacherbzw. Nutzniesserprinzip vermehrt zum Tragen zu bringen. Die Zahlungsbereitschaft der Bahnpassagiere scheint auf den gut befahrenen Strecken noch nicht ausgereizt zu sein. Tageszeit- und streckenabhängige Zuoder Abschläge können zudem eine gewisse Lenkungswirkung entfalten und sowohl bei den Investitionen als auch im Betrieb kostendämpfend wirken. Ein Ausbau der Infrastruktur und des Rollmaterials auf den Spitzenbedarf ist fast nicht finanzierbar. – Verstärkte Mitfinanzierung durch die Kantone: Schon heute leisten die Kantone Vorschüsse an gewisse Investitionsvorhaben. Bei den Investitionen in den Regional- und den Agglomerationsverkehr tragen sie zudem mindestens die Hälfte der Kosten. Angesichts der von ihnen geäusserten weiteren Ausbauwünsche und der für die Befriedigung sämtlicher Anliegen nicht ausreichenden Mittel des Bundes stellt sich die Frage, ob die Kantone nicht zusätzliche Lasten übernehmen könnten. Denkbar wäre etwa, das Kantonsdrittel der LSVA teilweise für ein Bahn-2030-Zusatzpaket zu verwenden. – Private-Public-Partnership: Zu den neuen Finanzierungsformen gehören nicht zuletzt Partnerschaften zwischen privaten und öffentlichen Akteuren. Dabei darf es nicht einfach darum gehen, Finanzierungsengpässe der öffentlichen Hand durch private Kredite zu überbrücken. Im Vordergrund steht vielmehr, dass durch den Beizug von privatwirtschaftlichem Know-how die Wirtschaftlichkeit von Projekten zum Nutzen beider Seiten verbessert wird.
Fazit
Es ist nötig und möglich, die verkehrsmässige Standortgunst der Schweiz weiter zu stärken. Aber dazu braucht es den Mut, nur das zu bauen, was verkehrsmässig und volkswirtschaftlich einen erwiesenen Nutzen abwirft. Schliesslich sind intelligente Finanzierungen zu finden und so auszugestalten, dass sie gleichzeitig zu einer verbesserten Transparenz und Effizienz des Verkehrssystems beitragen.
Grafik 1 «Wachstumsraten namhafter öffentlicher Ausgaben, 1990-2006»
Grafik 2 «Mittelherkunft der Verkehrsausgaben des Bundes, Voranschlag 2009»
Grafik 3 «Eigendynamik der Investitionsausgaben des Bundes für den Verkehr, 1991 und 2006-2012»
Grafik 4 «Nötige Erhöhung des Mineralölsteuerzuschlags auf Treibstoffen»
Tabelle 1 «Überblick des angemeldeten Finanzierungsbedarfs (in Mrd. CHF)»
Zitiervorschlag: Schwaar, Karl; Siegenthaler, Peter (2009). Finanzierung der schweizerischen Verkehrsinfrastrukturen:Erfahrungen und Perspektiven. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.