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Vom Seco unterstützte Länder in der aktuellen Krise

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise hat ein globales Ausmass erreicht. Trotzdem sind nicht alle Länder gleich stark davon betroffen. Siehe den vorangehenden Artikel von Michael Klein. Dies gilt auch für die Partnerländer der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Von den Schwerpunktländern der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Seco gehören sieben zum «Süden» (Kolumbien, Peru, Ägypten, Ghana, Südafrika, Indonesien und Vietnam) und neun zum «Osten» (Serbien, Bosnien und Herzegowina, FYR Mazedonien, Albanien, Kosovo, Ukraine, Aserbaidschan, Kirgisische Republik und Tadschikistan). Das Ausmass der Schwierigkeiten der einzelnen Länder hängt insbesondere davon ab, wie stark sie in die globalen Finanz- und Handelsströme eingebunden sind, wie abhängig sie von den Rohstoffkursen oder den Rücküberweisungen ausgewanderter Landsleute sind und in welcher wirtschaftlichen Verfassung sich das Land vor der Krise befand. Eine effiziente Wirtschaftspolitik sieht deshalb nicht in allen Ländern gleich aus. Koordinierte Massnahmen sind aber sowohl auf multilateraler als auch auf bilateraler Ebene notwendig.

Gewisse Länder sind stärker betroffen…


In fast allen Partnerländern des Seco hat die Krise tiefe Spuren hinterlassen, selbst wenn Ursachen und Auswirkungen nicht überall gleich sind. Gemäss dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sind Osteuropa und Zentralasien besonders stark betroffen. In der Ukraine zum Beispiel geriet der bereits angeschlagene Bankensektor noch mehr aus dem Gleichgewicht. Die Folgen für den Staatshaushalt sind schwerwiegend: Während ursprünglich ein ausgeglichenes Budget angestrebt wurde, ist nun mit einem Defizit in Höhe von 4% des BIP zu rechnen. Zur Deckung dieser Lücke musste die Hilfe des IWF in Anspruch genommen werden. Auf dem afrikanischen Kontinent stand das neue Jahrtausend im Zeichen einer vermeintlich dauerhaften Rückkehr auf den Wachstumspfad. Nach einem ersten Rückschlag im Zusammenhang infolge der Preiserhöhungen für fossile Energieträger und Lebensmittel im Jahr 2008 riss die Wirtschaftskrise den Kontinent jedoch in einen Abwärtsstrudel. Gemäss IWF befindet sich die Hälfte der Länder in einer sehr prekären Lage. In Südafrika äusserte sich dies in einem Einbruch sowohl bei den Exporten – namentlich den Rohstoffen – als auch bei der Binnennachfrage, die durch den schwierigeren Zugang zu Bankkrediten geschwächt wurde. Diese Situation ist umso beunruhigender, als Südafrika bisher als regionaler Wirtschaftsmotor wirkte. In Ghana sind die Folgen noch begrenzt; eine sinnvolle Reaktion wird indes dadurch erschwert, dass die Verhältnisse bereits vor der Krise ungünstig waren.

…als andere


Südostasien ist global gesehen die am wenigsten gefährdete Region. Dennoch sind die Länder, mit denen das Seco am engsten zusammenarbeitet, ebenfalls betroffen. In Vietnam zum Beispiel trug das spektakuläre Wachstum in den vergangenen zehn Jahren zu einer wesentlichen Reduktion der Armut bei. Wegen der starken Ausrichtung der Wirtschaft auf den Weltmarkt macht die Krise dem Land aber schwer zu schaffen. Hinzu kommen bestehende wirtschaftliche Ungleichgewichte, insbesondere eine hohe Inflation, was den Handlungsspielraum der Behörden – speziell im Bereich der Geldpolitik – stark einengt. Zusätzlich erschwert wird die Finanzierung der Produktionstätigkeit durch Verzögerungen bei der Reform des Finanzsektors. In Indonesien ist die Krise bisher noch etwas weniger spürbar, da die Inflationsproblematik zuvor in erster Linie den explodierenden Erdölpreisen Anfang 2008 – und nicht wie in Vietnam einer grosszügigen Kreditvergabe – zuzuschreiben war. Latein- und Mittelamerika wird vom IWF als zweitverletzlichste Region eingeschätzt. Die Perspektiven sind allerdings in den Schwerpunktländern des Seco weniger düster als auf dem übrigen Kontinent. So hat Kolumbien in den zehn Jahren vor der Krise eine wirtschaftliche Stabilität erreicht, die das Land widerstandsfähiger macht (kräftiges Wachstum bei mässiger Inflation und Verschuldung). Dank einer relativ strengen Bankenaufsicht scheint die Finanzbranche in einer soliden Verfassung. Der globale Nachfrageeinbruch hat sich zwar auf die Exporte niedergeschlagen; ein Teil des Schocks wurde jedoch durch flexible Wechselkurse aufgefangen. In Peru sorgten die Reformen vor der Krise für eine noch spektakulärere Entwicklung. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gehörte das Land beim Wirtschaftswachstum zur Spitzengruppe der Schwellenländer und beeindruckte auch bezüglich Inflationswerte und Budgetsaldo. Zu befürchten war, dass die Finanzbranche von der Krise stärker in Mitleidenschaft gezogen würde als im benachbarten Kolumbien. Es gelang jedoch, den Zugang der Wirtschaft zu Krediten aufrecht zu erhalten. Die Bilanzen der Banken sehen solide aus. Angriffspunkte bieten hingegen die starke Dollarisierung der Wirtschaft und die Abhängigkeit von gewissen Rohstoffkursen. Die Behörden legen den Schwerpunkt auf die Weiterführung oder gar die Ausweitung von öffentlichen Investitionsprogrammen zur Verringerung der sozialen und regionalen Ungleichheiten.

Unterschiedliche Handlungsspielräume


Unabhängig von der Herkunft der Finanzierungsmittel zur Überwindung der Krise – eigene Budgetressourcen, Aufnahme an den Kapitalmärkten oder multilaterale Ressourcen – wird die Wirkung der Massnahmen vor allem davon abhängen, ob die Stabilisierungspolitik eines Landes greift und ob die dringendsten strukturellen Reformen fortgeführt werden. Der Handlungsspielraum der Regierungen hängt dabei von der Situation vor der Krise ab. Kolumbien konnte nur deshalb einen expansiveren geldpolitischen Kurs einschlagen, weil es die makroökonomischen Grössen unter Kontrolle hatte und die automatischen Budgetstabilisatoren spielen. Eine direktere Massnahme der Behörden war die Stützung der Kreditvergabe für den Aussenhandel, da es hier an Liquidität fehlte. Umgekehrt ist der Handlungsspielraum in Ghana sehr klein. Weil parallel zum hohen Wachstum in den Jahren vor der Krise auch das Staats- und Aussendefizit stieg, reicht die inländische Sparquote im aktuellen Umfeld für einen antizyklischen Kurs nicht aus. Die mittelfristigen Aussichten bleiben aber ansprechend, namentlich aufgrund der Erdölvorkommen, die vermutlich ab 2012 ausgebeutet werden können. Zuerst dürfte jedoch eine Budgetkonsolidierung bevorstehen, was die Wirtschaft weiter bremsen könnte. Die Situation in der Ukraine ist ähnlich komplex. Hier haben die Behörden der Sanierung der Bankbilanzen Priorität eingeräumt. Die längerfristig ausgerichteten Strukturreformen – insbesondere im Fiskal- und Vorsorgebereich – dürfen dadurch nicht vernachlässigt werden, da sie für eine nachhaltige finanzielle Unabhängigkeit zentral sind. Angesichts des komplexen politischen Kontexts, in dem die Vorbereitung allgemeiner Wahlen im Vordergrund steht, ist die Umsetzung solcher Reformen nicht garantiert.

Es braucht ein konzertiertes multilaterales Engagement


Die politischen Möglichkeiten hängen stark von den lokalen Bedingungen und den verfügbaren Mitteln ab. Mit substanzieller Finanzhilfe – diese wird im Wesentlichen von internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF, der Weltbankgruppe und den regionalen Entwicklungsbanken gewährt – kann Spielraum für Konjunkturprogramme geschaffen werden, namentlich für Länder in einer angespannten finanziellen Situation. Entsprechende umfangreiche Unterstützungsprogramme wurden vom IWF mit der Ukraine (16,5 Mrd. US-Dollar) und Serbien vereinbart. Aber auch für Länder in einer weniger schwierigen Lage kann eine multilaterale Unterstützung in Form einer «Versicherung» wertvoll sein. Kolumbien zum Beispiel profitiert von einer «flexiblen Kreditlinie», einer neuen Fazilität beim IWF, die Ländern mit einer kohärenten Wirtschaftspolitik zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellt, falls sich die Krise verschlimmert. Zu den neu geschaffenen Instrumenten gehören neuartige Fazilitäten der International Finance Corporation (IFC) für Mikrofinanzinstitutionen zur Finanzierung des internationalen Handels, zur Sanierung von Finanzinstitutionen oder zur Finanzierung öffentlich-privater Infrastrukturprojekte. Auch die übrigen Bereiche der Weltbankgruppe engagieren sich: Geplant ist eine Verdreifachung des Volumens an nicht konzessionären Darlehen für Länder mit mittleren Einkommen sowie eine sofortige Konzentration der konzessionären Ressourcen auf die ärmsten Länder. Die multilateralen Institutionen haben recht flexibel und schnell reagiert, indem sie ihre Instrumente anpassten und die verfügbaren Ressourcen erhöhten. Dabei haben sie entweder ihren finanziellen Spielraum ausgenützt oder Kapitalerhöhungen vorgenommen, wie etwa die Asiatische Entwicklungsbank, die kürzlich ihre Kapitalbasis verdoppelt hat. Die antizyklische Rolle dieser Institutionen ist also nicht zu bestreiten. Eine Unterstützung der Initiativen sollte sich jedoch an vier Grundsätzen orientieren: – Zusatzfinanzierungen sind an die Wahrung der langfristigen finanziellen Stabilität der Institutionen zu binden. – Krisenpakete müssen zeitlich begrenzt sein, damit das Kreditvolumen bei einem Aufschwung wieder angepasst wird. – Die Grundsätze, auf die sich die multilateralen Aktionen stützen, dürfen nicht relativiert werden (namentlich muss die Verschuldung für die Empfängerländer tragbar bleiben). – Die strukturellen Bedingungen, die diese Unterstützung begleiten, müssen gewahrt bleiben, um die Nachhaltigkeit der Stabilisierungsbemühungen zu gewährleisten.

Gezielte bilaterale Beihilfe des Seco


Das multilaterale Engagement kann durch gezielte bilaterale Unterstützung ergänzt werden. Das Seco ist dabei mit seinen Instrumenten – makroökonomische Unterstützung, Handelsförderung, Privatsektorförderung und Infrastrukturfinanzierung – für den Kontext einer Wirtschaftskrise grundsätzlich gut positioniert. Die lancierten innovativen Programme zielen auf die Stärkung der Institutionen, eine Erhöhung ihrer Krisenresistenz, die Finanzierung nachhaltiger Handelstätigkeiten sowie die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Neue Strategien, die den Folgen der Krise Rechnung tragen, sind zudem für die sieben Länder des «Südens» geplant.

Zitiervorschlag: Jean-Luc Bernasconi (2009). Vom Seco unterstützte Länder in der aktuellen Krise. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.