Interview mit Bundespräsident Hans-Rudolf Merz über Bankgeheimnis und OECD-Musterabkommen
Noch bis vor wenigen Monaten war die Position des Bundesrates bezüglich Bankgeheimnis klar: Sie galt als nicht verhandelbar. Aufgrund des im Zuge der Finanzkrise wachsenden internationalen Drucks – insbesondere seitens der G20 und der OECD – hat sich der Bundesrat entschieden, einen Schritt zu machen. Um wieder von der ominösen Liste gestrichen zu werden, erklärte er sich bereit, den Vorbehalt zum Artikel 26 des OECD-Musterabkommens aufzugeben und den OECD-Standard zum Informationsaustausch vollständig anzuwenden. Im Interview erläutert der Bundespräsident und Finanzminister Hans-Rudolf Merz die Beweggründe des Bundesrates für diesen Entscheid.
Die Volkswirtschaft: Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Wahl von Barack Obama zum US-Präsident wurde weltweit ein Paradigmawechsel vollzogen: Die Rolle des Staates wurde aufgewertet. Wie sehen Sie die Bedeutung dieses Paradigmawechsels beim Kampf gegen Steuerparadiese? Merz: Es geht hier nicht primär um eine Aufwertung des Staates, sondern darum, dass sich grosse Staaten in hohem Masse verschuldet haben und noch weiter verschulden. Sie brauchen deshalb neue Geldquellen. Das ist des Pudels Kern. Der Ruf nach dem Staat erfolgte vor allem im Zuge der Finanzkrise und der Stabilisierung des Finanzsystems. Hier musste auch der Staat Schweiz eingreifen. Und gleich zu Beginn mein centerum censeo: Die Schweiz ist kein Steuerparadies. Die Volkswirtschaft: Der Streit um das Bankgeheimnis ist auch ein Streit um die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -betrug – und damit auch ein Streit um Ethik und Moral. Wie steht es damit in der Schweiz? Merz: Das Steuerverhalten hat immer auch mit Ethik und Moral zu tun. Wir Schweizerinnen und Schweizer haben traditionell eine sehr hohe Steuermoral. Diese Moral wollen wir auch in Zukunft hochhalten. Selbstverständlich müssen Steuerdelikte bestraft werden. Auch Steuerhinterziehung ist in der Schweiz kein Kavaliersdelikt: Wer dabei erwischt wird, wird administrativ bestraft. Steuerbetrug wird nach Strafgesetz geahndet. Bei den Staaten, die das Bankgeheimnis bekämpfen, geht es nur vordergründig um Ethik und Moral. Materiell geht es um den Zugriff auf Steuersubstrat, das in der Schweiz vermutet wird. Diese Staaten wollen Steuerhinterziehung als Delikt im Sinne des Strafrechts behandeln, um die daraus fälligen Erträge als Steuermittel ins Land führen zu können. Die Volkswirtschaft: Die Kritik an der Schweiz lautet, sie würde unter dem Deckmantel des Bankgeheimnisses im grossen Stil Ausländer zu Steuerhinterziehung einladen. Das muss Ihnen als Finanzminister – mit Blick auf die alte Devise «Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist» – doch ein Dorn im Auge sein. Oder sehen Sie das anders? Merz: Gegen die Devise habe ich nichts einzuwenden. Tatsache ist, dass es verschiedene Finanzplätze gibt, die eine andere Betrachtungsweise haben. Dazu gehört auch die Schweiz. Auf das Bankgeheimnis hat es immer wieder Druck gegeben, weil vermutet wurde, dass unter dem Schutz des Bankgeheimnisses illegale Geschäfte abgewickelt werden. Um genau das zu verhindern, hat die Schweiz eine führende Rolle bei der Bekämpfung der Geldwäscherei übernommen. Wir waren auch bei den ersten, die Hand geboten haben zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Alle diese zwielichtigen Geschäfte sind in der Schweiz nicht akzeptiert und werden bekämpft. Aber gleichzeitig wollen wir die Privatsphäre des ehrlichen Bürgers schützen. Die Volkswirtschaft: Die Schweiz hat eine Rechtstradition in Steuerfragen, die international immer weniger verstanden wurde, sei es mit dem Bankgeheimnis oder mit der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Merz: Zum ersten Punkt: Die Schweiz hat das Bankgeheimnis vor dem Zweiten Weltkrieg ins Bankengesetz aufgenommen, in erster Linie um die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Der Schutz des Privaten ist bei uns tief verwurzelt. Aus dieser Tradition heraus ist das Bankgeheimnis entstanden und heute in der Schweiz in einer Vielzahl von Gesetzen verankert, in erster Linie im Bankengesetz. Zum zweiten Punkt: Von Anfang an hielten es andere Länder für falsch, Steuerhinterziehung nicht als kriminellen Akt zu betrachten. Deshalb – und weil wir sehr zurückhaltend waren bezüglich Amtshilfe in Steuersachen – wurde der Druck auf das Bankgeheimnis verstärkt. Hinzu kam nun die Finanzkrise und deren Bewältigung. Viele Staaten halten also nach neuen Einnahmequellen Ausschau. So ist der Druck auf uns kumuliert. Die Volkswirtschaft: Mit der Durchsetzung der «Legal Compliance», d.h. dem Gebot nach Einhaltung aller Gesetze, verhält es sich dem Anschein nach nicht an allen Finanzplätzen gleich. Was kann und muss Ihrer Ansicht nach international unternommen werden, um eine verbesserten Durchsetzung des internationalen Regelwerks zu erreichen? Merz: In diesem Zusammenhang sind internationale Organisationen besonders wichtig, im Steuerbereich speziell die OECD, die sich primär an die wirtschaftlich starken Länder richtet. Es geht darum, den Standard der OECD durchzusetzen. Wir haben uns dem nicht widersetzt und werden nun das OECD-Musterabkommen bei der Amtshilfe in Steuersachen ohne Vorbehalt anwenden. Wir verlangen jedoch, dass gleich lange Spiesse herrschen und alle Finanzplätze diese Normen anwenden – und diese Anwendung sollte auch bei allen überprüft werden. Die Volkswirtschaft: Die G20 hat am 2.April 2009 beschlossen, die Schweiz auf die graue Liste der noch nicht voll kooperierenden Staaten in Steuersachen zu setzen, obwohl sich der Bundesrat am 20. März dieses Jahres bereit erklärt hat, bei der internationalen Amtshilfe in Steuersachen den Standard von Art. 26 des OECD-Musterabkommens vollumfänglich zu übernehmen. Die Liste wurde im Auftrag der G20 vom OECD-Generalsekretariat erstellt. Was stört Sie besonders an diesem Entscheid? Merz: Mich stört die Art und Weise, wie die OECD den Druck in Massnahmen verwandelt hat. Das war weder korrekt noch politisch klug. Die Liste wurde erstellt, ohne uns – und die Schweiz ist immerhin Gründungsmitglied der Organisation – zu konsultieren. Der Auftrag der G20 an die OECD wurde uns nie kommuniziert. Wir haben es im Nachhinein zufällig via OECD-Sekretariat erfahren. Auch über die Kriterien, die zu dieser Liste führten, wurde mit den betroffenen Staaten nicht diskutiert. In einer globalisierten Welt, wo sich die Länder immer wieder in verschiedenen Organisationen zusammenfinden und wo auch Berechenbarkeit herrschen muss, ist ein solches Vorgehen mehr als aussergewöhnlich. Das darf sich nicht wiederholen. Ich kenne z.B. die jährliche Länderbeurteilung der Schweiz durch den Internationalen Währungsfonds IWF. Er führt diese sehr kooperativ durch. Kritisch natürlich auch. Das ist seine Aufgabe. Nach seinen Gesprächen mit verschiedensten Schweizer Organisationen erstellt das IWF-Team einen Berichtsentwurf mit Empfehlungen. Dieser Entwurf wird gemeinsam besprochen. Im konstruktiven Dialog können wir so im einen oder anderen Fall Empfehlungen beeinflussen, und bei gewissen Empfehlungen lernen wir etwas dazu. Davon war bei der OECD nie die Rede, im Gegenteil: Vor dem G20-Meeting haben wir einzelne hochrangige Politiker getroffen, die uns versicherten, dass sie von einer solchen Liste Abstand nehmen möchten. Und was geschah? Die Liste wurde trotzdem, auf Druck des französischen Präsidenten hin, veröffentlicht. Die Volkswirtschaft: Weshalb ist aus Ihrer Sicht die graue Liste für den Werkplatz Schweiz schädlich? Merz: Sie ist schädlich, weil mit der Liste Sanktionen im Raum stehen. Diese Sanktionen treffen primär die international tätigen Unternehmen. Dazu zwei Beispiele: Wenn Quellensteuern auf Beteiligungserträgen nicht mehr im Ursprungsland freigestellt werden, verliert eine Holdinggesellschaft ihren Sinn, da die Mehrfachbelastung nicht vermieden wird. Und wenn die Vorschriften zur Eigenkapitalunterlegung für Geschäfte mit Banken in Ländern, die auf dieser Liste sind, verschärft werden, dann werden die Kredite teuer, und es lohnt sich nicht mehr zu exportieren. Damit verbunden wären gewaltige Schäden für unseren Werkplatz. Die Volkswirtschaft: Den Kanalinseln ist es gelungen, sich rechtzeitig aus dem Schussfeld zu nehmen. Warum? Merz: Diese Länder haben bisher gar keine Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) gehabt. Deshalb konnten sie einfach ein so genanntes Tax Information Exchange Agreement (TIEA) abschliessen, das sich auf den Informationsaustausch beschränkt und kein ganzheitliches Wirtschaftsabkommen ist. Ein TIEA kann quasi über Nacht der ganzen Welt angeboten werden. Wir hingegen haben ein ausgebautes Netz von über 70 DBA. Diese sind unterschiedlichen Inhalts und müssen gesondert neu ausgehandelt werden. Die Volkswirtschaft: Wie geht der Bundesrat bei der Neuaushandlung der DBA vor? Merz: Die Schweiz muss mindestens 12 neue solche DBA-Musterabkommen abschliessen. Das ist offensichtlich ein Kriterium der G20, um von der Liste zu kommen. Das Kriterium erscheint mir willkürlich; aber es lohnt sich nicht mehr, dieses zu hinterfragen. Innerhalb weniger Tage nach Bekanntgabe des Entscheides des Bundesrates, den Vorbehalt zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens zurückziehen zu wollen, haben sich bereits 23 Länder gemeldet, die daran interessiert sind, ihr DBA mit uns nach OECD-Standard zu revidieren. Wir möchten nun prioritär DBA mit OECD-Staaten abschliessen, weil das Musterabkommen ja von dieser Organisation entwickelt worden ist. Wann wir diesen Prozess abgeschlossen haben, lässt sich allerdings nicht vorhersagen. Die Volkswirtschaft: Der Bundesrat möchte direkt mit den einzelnen EU-Ländern DBA aushandeln und lehnt direkte Verhandlungen mit der EU ab. Warum? Merz: Die von uns gewählte Strategie ist durchaus sinnvoll – und zwar aus drei Gründen. Erstens: DBA sind in erster Linie Wirtschaftsabkommen. Sie regeln die Besteuerungsrechte von Zinsen, Dividenden und anderen wirtschaftlichen Sachverhalten zwischen zwei Staaten, die von Land zu Land unterschiedlich sind. Mit den USA gilt es z.B. die Frage der Säule 3a zu lösen. Allein schon deshalb ist es sinnvoll, die DBA wie bisher bilateral zu verhandeln. Zweitens ist der Informationsaustausch in Steuerfragen im Art. 26 des OECD-Musterabkommens im Detail geregelt. Dieser multilaterale Standard gilt sowohl für die EU wie auch für die Schweiz. Wir müssen diesen Standard im europäischen Rahmen also nicht noch einmal festschreiben. Drittens: Wir wollen in den laufenden DBA-Revisionen neben dem Informationsaustausch je nach Land auch andere Fragen regeln. Das wäre in einem EU-Rahmen nicht möglich. Klar ist, dass die EU in Steuerfragen Einigkeit aufweisen muss. Die Volkswirtschaft: Der Druck, der seitens USA auf der Schweiz lastet, ist gross. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Angelegenheiten in den USA zu einem befriedigenden Abschluss des DBA und einem Rückzug der zivilrechtlichen Klagen auf Herausgabe der 52’000 UBS-Kundendaten führen wird? Merz: Dieses Problem muss gelöst werden; es fragt sich nur auf welchem Weg. Entweder gibt es eine Einigung, um im Sinne des Schutzes der Kunden sowie des Fiskus in den USA zum Ziel zu kommen. Oder dann wird der Rechtsweg beschritten, der mit einem Gerichtsurteil endet. Meine Haltung ist dabei die folgende: Da wir bereit sind, künftig erleichterte Amtshilfe zu gewähren, erwarten wir, dass sich die USA bei den UBS-Kundendaten bewegen und die zivilrechtliche Klage zurückziehen. Es ist absurd anzunehmen, die 52’000 Kunden seien alle Steuerhinterzieher. Eine solche Fishing Expedition ist schlicht unakzeptabel und widerspräche auch dem OECD-Standard. Das habe ich meinem US-amerikanischen Kollegen Timothy Geithner gesagt. Es gilt nun hier auf allen Ebenen, unsere Argumente vorzubringen und gute Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Volkswirtschaft: Der Bundesrat stand in der ganzen Auseinandersetzung um Bankgeheimnis und Preisgabe des Vorbehalts verschiedentlich in der Kritik. Wie beurteilen Sie aus einer gewissen Distanz die Entscheidungen des Bundesrates? Merz: Es war der richtige Entscheid zur richtigen Zeit. Ohne diesen Entscheid hätte die G20 mit Sicherheit Sanktionen gegen uns ergriffen – mit all den bereits erwähnten Konsequenzen. Hätten wir den Weg nicht beschritten, wäre die Kritik also einfach von anderer Seite gekommen. Mit anderen Worten: Ich stand zwischen Skylla und Charybdis. Ein wesentlicher Teil der Kritik im Inland lautete, dass wir das Bankgeheimnis geopfert hätten. Dem ist aber nicht so. Mit der Übernahme des OECD-Standards gewähren wir einzig in einzelnen, begründeten Fällen erleichterte Amtshilfe für ausländische Behörden, was wir bisher nur bei Steuerbetrug getan haben. Das ist alles. Für Steuerpflichtige in der Schweiz ändert sich hingegen gar nichts. Da bleibt auch der Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug bestehen. Die Volkswirtschaft: Dann lassen Sie also nicht gelten, dass der Bundesrat – wie Ihnen zum Teil vorgeworfen wurde – international zu wenig vernetzt sei? Merz: Im Gegenteil: Der Bundesrat ist international gut vernetzt, und seine Mitglieder pflegen intensive Kontakte mit ihren ausländischen Kollegen. Wir sind u.a. Mitglied der UNO mit all ihren Unterorganisationen, der OECD, des IWF sowie des Financial Stability Board, einer wichtigen Organisation, die sich mit der Stabilität des weltweiten Finanzsystems beschäftigt. Nur in der EU sind wir nicht. Aber auch mit ihr sind wir durch viele Verträge bilateral eng verbunden. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Was hat die EU-Mitgliedschaft Österreich und Luxemburg gebracht? Nichts. Ich war sehr erstaunt zu sehen, wie meine Kollegen in Wien und Luxemburg von ihren EU-Kollegen in der G20 und in der OECD übergangen wurden und genau so wenig informiert waren wie wir. Dass die grossen Länder in der EU einfach über die Kleinstaaten hinweg rollen und über sie verfügen, hat auch dort grosse Irritationen hervorgerufen. Wir mussten alle schmerzlich lernen, dass sich in der Folge der Finanzkrise die Situation vieler Länder verschärft hat und nicht nur die Begehrlichkeiten grösser geworden sind, sondern auch die Spielregeln nicht mehr überall eingehalten werden. Die Volkswirtschaft: Eine Kritik, die immer wieder geäussert wird, ist, dass die Schweiz keine proaktive Kommunikation geführt hat und beispielsweise im Oktober 2008 beim Global Forum on Taxation in Paris nicht teilgenommen hat. Wäre eine Teilnahme rückblickend nicht von Vorteil gewesen? Und sollte sich die Schweiz nicht auch an der Sitzung in Berlin vom Juni 2009 beteiligen? Merz: Bei der Tagung von letztem Oktober in Paris handelte es sich um ein informelles Treffen auf Einladung von Deutschland und Frankreich – jener Staaten also, die den Druck auf die Schweiz in besonderem Masse erhöht haben. Es war keine offizielle Tagung der OECD. Natürlich hätte man eine Teilnahme in Betracht ziehen können. Wir wären aber als reine Befehlsempfänger nach Paris gereist. Frankreich und Deutschland wollten nicht mit den anderen Staaten über Wege zur Problemlösung diskutieren, sondern einzig und allein – und das hat sich im Nachhinein auch bestätigt – den «Schuldigen», in ihrer Wahrnehmung also auch der Schweiz, den Tarif durchgeben. Sinnvoller wäre es gewesen, schon dazumal alle Finanzplätze zu versammeln, die im Februar/März 2009, entschieden haben, den Vorbehalt zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens zurückzuziehen. Die Volkswirtschaft: Dann wollen Sie also auch nicht zum nächsten Treffen des Forums im Juli nach Berlin gehen? Merz: Es liegt nun zwar eine persönliche Einladung der Minister Steinbrück und Woerth auf dem Tisch. Aber es ist wiederum keine offizielle Einladung der OECD. Das Meeting soll ein bis zwei Stunden dauern. In dieser Zeit kann man keinen echten Meinungsaustausch unter so vielen Staaten führen. Im Anschluss an das Treffen ist dann eine Medienkonferenz mit Herrn Steinbrück vorgesehen. Wir werden aber in Berlin dabei sein, allein schon um die Stimmung aufzunehmen. Ich habe den Eindruck, dass die grossen Staaten daran sind, eine Kultur etablieren zu wollen, die letztlich die internationale Zusammenarbeit in Frage stellt. Man kann weder völkerrechtlich noch politisch auf Dauer mit kleinen Staaten umspringen, wie dies in letzter Zeit Mode geworden ist. Das ist ein grundsätzliches Problem, das international auf die Traktandenliste gehört. Die Volkswirtschaft: Eine letzte Frage: Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Finanzplatz Schweiz die grossen Stürme der Finanzkrise und des Bankgeheimnisses gut überstehen wird? Merz: Ich bin sehr zuversichtlich. In letzter Zeit hatte ich verschiedene Kontakte mit führenden Bankpersönlichkeiten, die alle, wie ich, der Überzeugung sind, dass der Finanzplatz Schweiz eine Anzahl grosser Vorteile besitzt: politische Stabilität etwa, Rechtssicherheit, gute Infrastrukturen sowie hochqualifiziertes Personal – auf Kaderstufe wie bei den Mitarbeitenden. Hinzu kommen Werte wie Zuverlässigkeit, die in der Finanzbranche besonders wichtig sind. Die Schweiz hat zudem eine eigene Börse und eine eigene, starke Währung, die sich als Diversifikation eignet. Zudem sind wir international hervorragend vernetzt. Es wird jetzt darum gehen, den Finanzplatz Schweiz strategisch neu zu positionieren. Nach dem Entscheid, das OECD-Musterabkommen beim Informationsaustausch zu übernehmen, müssen Anpassungen vorgenommen werden. Daran arbeiten wir, zusammen mit allen Sparten der Finanzbranche. Bis Ende 2009 wollen wir dem Finanzplatz eine Zukunftsperspektive mit auf den Weg geben: Der Finanzplatz Schweiz wird wichtig bleiben – für unsere Wirtschaft und für unsere gesamte Volkswirtschaft. Die Volkswirtschaft: Herr Bundespräsident, besten Dank für das Gespräch.
Interview und Redaktion:Geli Spescha, Chefredaktor «Die Volkswirtschaft» Abschrift:Simon Dällenbach, Redaktor «Die Volkswirtschaft»
Zitiervorschlag: Spescha, Geli (2009). Interview mit Bundespräsident Hans-Rudolf Merz über Bankgeheimnis und OECD-Musterabkommen. Die Volkswirtschaft, 01. Juni.