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Alleingang der Schweiz und harter Franken schaden der Schweizer Hotellerie – in der Krise mehr denn je

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Die Banken akkumulierten auf Kosten der realen Wirtschaft zu lange zu hohe Gewinne. Die Einkommen und Vermögen wurden und werden immer ungleicher verteilt. Auch der ökologische Umbau kam und kommt nicht vom Fleck. Im letzten Herbst sah Bundesbern noch keine Wolken am Konjunkturhimmel. Dabei war die Krise, deren Ende wir nicht absehen, längst unterwegs. Die wesentlichen Ursachen dieser Krise: Zu viele Waren finden zu wenig Käufer; zu viel Kapital findet zu wenige Anlagemöglichkeiten. Überproduktion und Überakkumulation prägen nicht nur die Automobilbranche. In der Krise können und müssen Staaten handeln. Und zwei Dinge kombinieren: erstens antizyklisch sinnvolle Investitionen auslösen und zweitens den Strukturwandel beschleunigt voranbringen. Die Schweiz verzichtet – wie das Beispiel Hotellerie lehrt – auf jede notwendige Bewegung.

Im Folgenden werden die schwierigen Rahmenbedingungen der Schweizer Hotellerie kurz skizziert und pointiert kommentiert.

Harter Franken


Die Schweizer Hotellerie war, ist und bleibt – wie Studien beklagen – im Wettbewerb der Standorte zu teuer. Sie konnte zwar in den Jahren 2000 bis 2007 ihre Position leicht verbessern. Doch dieser Vorteil ist weg: Der Franken ist heute – im Verhältnis zum Euro – um 8% härter als vor einem Jahr. Die Schweizerische Nationalbank hat ihre Zinsen zu lange nicht gesenkt – und lässt sich für dieses offensichtliche Versagen gar noch über allen Klee loben. Die Kosten trägt die reale Wirtschaft, d.h. die Lohnabhängigen und die Unternehmen der Exportwirtschaft. Davon betroffen ist auch die Hotellerie, die nichts anderes ist als eine Exportindustrie mit Standort Schweiz. Wenig würde der Schweizer Hotellerie mehr helfen als die Einführung des Euro oder eines Systems international geregelter fester Wechselkurse, damit Währungen – wie dies der Ökonom Heiner Flassbeck fordert – nicht länger Spielbälle im internationalen Finanz-Casino bleiben.

Hohe Zinsen


Die reale Zinslast – und nur auf diese kommt es an – pro Hotelbett ist in Österreich tiefer als in der Schweiz. Diese hohe Zinslast hat zwei Gründe: Die Zinsmarge der Schweizer Banken ist im internationalen Vergleich zu hoch. Zu hoch sind auch die Investitionskosten pro vergleichbarem Hotelbett, weil wir stark überhöhte Bodenpreise und leicht überhöhte Baukosten haben. Die realen Zinsen dürften nicht höher sein als das reale Wachstum pro Jahr. Sie liegen jedoch heute – angesichts sinkender Preise – weit darüber.

Sonderzonen für wen?


Die Hotellerie ist in den Städten auf zentrale und in den Alpen auf einmalige Standorte angewiesen. Nirgends sind die Bodenpreise in der Schweiz höher als in Zürich, Genf, Verbier, Zermatt und St.Moritz. Die hohen Bodenpreise verteuern den Neubau von Hotels und fördern die Umwandlung von Hotels in Luxus-Zweitwohnungen. Aus warmen Betten in besten Lagen werden kalte Betten in besten Lagen. In Ferienorten wie Zermatt will die Bevölkerung den Zubau von Zweitwohnungen drastisch beschränken. Trotzdem waren noch nie so viele Bagger und Lastwagen im Einsatz wie im Frühling 2009. Die Umgehungsbürokratie hat ein neues Ventil geöffnet: Ausländische Steuerflüchtige nehmen Wohnsitz in den alpinen Adlerhorsten und lassen sich diese steuerlich mit Pauschalabkommen vergolden. Noch einen Schritt weiter geht Obwalden: Es will Sonderzonen für Reiche schaffen statt Sonderzonen für seine Hotellerie.

Strafzölle für den Tourismus


In den eidgenössischen Räten haben die Hotellerie und der Tourismus – ganz im Gegensatz zu den Bauern – kaum Vertreter. Dieses strukturelle Ungleichgewicht hat Folgen: Zölle auf Lebensmittel sind nichts anderes als unsoziale Steuern, weil Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen proportional einen grösseren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden.  Eigentlich möchte der Bundesrat für landwirtschaftliche Produkte ein Freihandelsabkommen mit der EU abschliessen. Doch dieses Dossier kommt nicht voran, weil die Angst vor den Ruralen in der Schweiz den notwendigen Strukturwandel verhindert. Unter dem Strich bedeutet dies für den Tourismus und seine Beschäftigten mehr als 1 Mrd. Franken Mehrkosten im Wettbewerb der Standorte.

Steigende Strompreise


In der Schweiz sind Produktion und Verteilung von Strom in staatlichen Händen, vorab in den Händen jener Kantone, die bisher die Überlandwerke kontrollierten. Die Elektrizitätsunternehmen konnten in den letzten Jahren ihre Kosten senken und gleichzeitig mit dem Handel von Strom über die Grenzen hinweg ihre Gewinne vervielfachen. Investiert wurde wenig bis nichts, schon gar nicht in den ökologischen Umbau. Noch ist die Hotellerie energieintensiv. Die Politik versprach der Wirtschaft – und somit der Hotellerie – günstigere Strompreise dank Strommarktöffnung. Das Resultat unter dem Strich sind massiv höhere Strompreise dank mehr staatlichen und parastaatlichen Bürokratien. Politisch verantwortlich ist niemand und etwas verändern wollen ebenso wenige.

Marktabschottung


Die Schweiz importiert für mehr als 100 Mrd. Franken pro Jahr Waren. Diese Importe sind im Durchschnitt 30% zu teuer. Der Grund dafür ist, dass der Schweizer Markt abgeschottet ist, und zwar wegen des Verbots von Parallelimporten, dem fehlenden Cassis-de-Dijon-Prinzip, zahnlosen Kartellbehörden und intakten vertikalen Kartellen. Die Hotellerie ist investitionsintensiv. Praktisch jede Maschine ist in der Schweiz 30% bis 40% teurer als im nahen Ausland. Dank dem Internet fällt der mehrwertsteuerkorrigierte Preisvergleich heute leicht. Schwieriger ist – wegen der teuren Zollbürokratie – der Direktimport von Maschinen. Wer es trotzdem wagt, muss mit Nachteilen rechnen. Die Importeure drohen – diskret und rechtswidrig zugleich – beim Service und bei Reparaturen direktimportierter Maschinen mit Verzögerungen.

Die Löhne


Mit ihrem Lohn müssen die Beschäftigten zwecks Reproduktion der Arbeitskraft ihre Kosten decken. Jede und jeder braucht eine Wohnung, eine Krankenversicherung, Essen auf dem Tisch sowie Geld für die Ausbildung der Kinder, die Ferien und das Auto. Die Mieten sind zu hoch, weil die Bodenpreise zu hoch sind. Die Prämien der Krankenversicherungen explodieren, weil die Politik notwendigen Strukturwandel nicht angeht. Die hohen Lebensmittelpreise belasten die weniger Kaufkräftigen überproportional. Selbst die Autos sind im internationalen Vergleich zu teuer. Kinder werden nicht billiger. Und ob es für anständige Ferien reicht, ist offen. Die nominalen Löhne im Gastgewerbe sind in den letzten zehn Jahren um durchschnittlich fast 20% gestiegen und werden absehbar weiter steigen. Die Lohnkosten sind in der Schweizer Hotellerie denn auch doppelt so hoch wie in Österreich. Trotzdem bleibt in der Schweiz real unter dem Strich zu wenig Lohn, weil fehlende Strukturreformen nicht nur den Unternehmen des Tourismus schaden, sondern auch den Lohnabhängigen dieser Branche.

Keine Innovation


Die Summe dieser strukturellen Nachteile wird nur durch die unbeweglichen Tourismus-Bürokratien übertroffen. Dazu ein Beispiel: Immer mehr Hotelbetten werden über Internet vermarktet. Eine zunehmend wichtigere Rolle spielen dabei internationale Buchungssysteme, über welche die Zimmer gebucht und die Hotels durch ihre Gäste bewertet werden können. Der Nachteil: Alle diese Reservierungssysteme kassieren bei den Hoteliers massiv ab. Bund und Kantone investieren jedes Jahr Dutzende von Millionen in den Tourismus. Sie haben es bisher verpasst, einen Teil dieser Mittel zu verwenden, um die Zimmer der 5000 Schweizer Hotels über eine eigene Plattform, die nicht mehr als 3% Marge verlangt, mit anzubieten.

Beschleunigter Strukturwandel


Das Mass ist offenbar noch nicht voll: Die Exportindustrie zahlt keine Mehrwertsteuer. Die Hotellerie ist eine standortgebundene Exportindustrie. Trotzdem soll der Sondersatz für die Hotellerie 2013 fallen. Dies alles wird Arbeitsplätze zerstören und den Strukturwandel in der Branche massiv beschleunigen. Eine Wende wird es nur unter zwei Bedingungen geben:  – Erstens braucht die Hotellerie EU-kompatible Rahmenbedingungen – je schneller, desto besser. – Zweitens müssen jene Regionen der Schweiz, die von und mit dem Tourismus leben, auf die Hotellerie und nicht auf den Zweitwohnungsbau setzen, so wie dies Zermatt versucht.  Kurzfristig am heilsamsten wäre die Annahme der Volksinitiative von Franz Weber, der die Zahl der Ferienwohnungen pro Gemeinde auf 20% begrenzen will.

Zitiervorschlag: Bodenmann, Peter (2009). Alleingang der Schweiz und harter Franken schaden der Schweizer Hotellerie – in der Krise mehr denn je. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.