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Ursachentherapie statt Milliardenpakete

Ursachentherapie statt Milliardenpakete

Die Schweiz befindet sich unbestrittenermassen in einer tiefen Rezession. Die Arbeitslosigkeit steigt und verständlicherweise mit ihr auch die Sorgen der Bevölkerung. Gezielte, befristete Massnahmen zur Abfederung der Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt und zur Unterstützung der Umschulung sind daher angemessen. Der Versuchung, zusätzliche milliardenschwere Konjunkturpakete zu beschliessen, muss hingegen widerstanden werden. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass traditionelle Konjunkturprogramme in der Schweiz nur geringe Impulse auslösen. Der Grund liegt in der ausgeprägten wirtschaftlichen Offenheit unseres Landes und in unserer hohen Sparquote. Umso mehr muss eine langfristig ausgerichtete Wachstumspolitik im Zentrum bleiben.

Die in anderen Ländern gesprochenen rekordhohen Konjunkturprogramme beinhalten vor allem vier ernst zu nehmende Gefahren:  – Massgebliche Staaten werden wegen der massiven Verschuldung in den kommenden Jahren bis zu 20% der Staatseinnahmen für den Zinsendienst aufwenden müssen. Die Finanzierung zukunftsträchtiger Aufgabenbereiche wird darunter massiv leiden. Der latente Steuererhöhungsdruck bremst die Investitions- und Konsumneigung. Nicht nachhaltig finanzierbare Konjunkturprogramme von heute werden somit übermorgen die Wachstums- und Beschäftigungsaussichten massiv beschneiden. – Die latente Befürchtung, Staaten könnten mittels einer lockeren Geldpolitik die Schuldenlast «weginflationieren» wollen, stellt eine weitere Verunsicherung dar, die das Wachstum belastet.  – Massive Staatsinterventionen, insbesondere die Stützung von Unternehmen, bergen die Gefahr in sich, dass der notwendige Strukturwandel hinausgeschoben wird.  – Wachsende Staatsinterventionen haben zudem einen bremsenden Effekt auf die internationale Handelsliberalisierung. Je grösser die Staatsengagements sind, desto höher ist auch der innenpolitische Druck, Marktöffnungen zu erschweren.

Drei Grundpfeiler der Stabilisierungspolitik


Die Schweiz hat ihre eigenen Mittel, um der Wirtschaftskrise zu begegnen. Kaum ein zweites Land verfügt über so stark ausgeprägte automatische Stabilisatoren wie unser Land. Die Arbeitslosenversicherung sowie das Steuersystem wirken gezielt antizyklisch. Aus fiskalpolitischer Sicht muss zudem die Vermeidung oder zumindest Verschiebung von Zusatzbelastungen der Wirtschaftsakteure im Zentrum stehen. Dies gilt vor allem für geplante oder bereits beschlossene Steuer- und Abgabenerhöhungen, und zwar auf allen drei Staatsebenen. Die von Bundesrat und Parlament beschlossene Verschiebung der Mehrwertsteuer-Erhöhung zugunsten der Invalidenversicherung ist in diesem Zusammenhang richtig. Unverständlich sind demgegenüber die auf den 1. Januar 2010 vorgesehene Verdreifachung der CO2-Abgabe sowie die Erhöhung der Wasserzinsen. Als drittes Element ist die Geldpolitik hervorzuheben. Die Nationalbank leistet mit ihrer Niedrigzinspolitik einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der schweizerischen Volkswirtschaft.

Zurückhaltende Konjunkturpakete des Bundes


Der Bundesrat hat mit seinem stufenweisen Vorgehen bisher angemessen auf die wirtschaftliche Situation reagiert und den Besonderheiten der schweizerischen Volkswirtschaft Rechnung getragen. Er hat mit dem dritten Stabilisierungsprogramm die für unser Land wichtige finanzpolitische Solidität berücksichtigt und die Vorgaben der Schuldenbremse eingehalten. Die – nach der bereits beschlossenen Verlängerung der Kurzarbeit – weiteren Massnahmen auf dem Arbeitsmarkt erscheinen zweckmässig. Sie sind weitgehend zielorientiert und zeitgerecht. Es gilt sicherzustellen, dass sie zudem zeitlich befristet sind und bei der Erholung der Konjunktur bald wieder rückgängig gemacht werden. Zu bedauern ist das Festhalten an den 200 Mio. Franken für die Verbilligung der Krankenkassenprämien. Damit wird ein weiteres Mal von den grundlegenden Problemen des Gesundheitswesens abgelenkt.

Nachhaltige Wachstumspolitik


Die Schweiz hat bisher den Pfad der Tugend eingehalten und dem konjunkturpolitischen Aktionismus eine Absage erteilt. Bei allem Respekt gegenüber den wachsenden Sorgen aufgrund steigender Arbeitslosenzahlen darf nicht auf riesige Konjunkturprogramme ausgewichen werden. Im Zentrum hat vielmehr eine langfristig orientierte Wachstumspolitik zu stehen. Die entsprechenden Reformprojekte müssen angegangen bzw. weitergeführt werden. Nur so stehen wir bei einer Erholung der Weltwirtschaft in einer konkurrenzfähigen Position. Diese ist unabdingbar, um bezüglich Wachstum und Arbeitsplätzen punkten zu können.

Zitiervorschlag: Gerold Buehrer (2009). Ursachentherapie statt Milliardenpakete. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.