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Mit zusätzlichen Massnahmen den Arbeitsmarkt gezielt stützen

Die Schweizer Wirtschaft befindet sich gegenwärtig in einer schweren Rezession. Die Arbeitsmarktlage verschlechtert sich rasch, und eine deutliche Erholung der Beschäftigung ist wohl erst 2011 zu erwarten. Unter dieser Perspektive rücken zunehmend Massnahmen zur Stützung des Arbeitsmarktes in den Fokus der Stabilisierungspolitik. Diese können den rezessionsbedingten Mangel an Arbeitsplätzen nicht verhindern. Sie sollen aber helfen, die Dauer der Arbeitslosigkeit möglichst kurz zu halten und die Rückkehr zu einer tiefen Arbeitslosenzahl im kommenden Aufschwung rasch zu erreichen. In diesem Artikel wird dargestellt, welchen Beitrag die Arbeitslosenversicherung (ALV) leisten kann und welche Massnahmen darüber hinaus zur Unterstützung der Erwerbslosen in Betracht gezogen werden können.

Gemäss aktueller Konjunkturprognose dürfte sich die Wirtschaftsentwicklung nach einer tiefen Rezession 2009 mit einem Rückgang des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) um 2,7% nur langsam erholen. Diese düstere Konjunkturprognose lässt eine weitere deutliche Verschlechterung der Arbeitsmarktentwicklung für 2009 und 2010 erwarten. Erst ein robuster, über einige Quartale anhaltender Aufschwung wird auf dem Arbeitsmarkt wieder eine Wende zum Besseren bringen.  Gemäss Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes könnte die Arbeitslosenquote 2010 bei durchschnittlich 5,5% zu liegen kommen, was einem Bestand von 217000 arbeitslosen Personen entspräche. Damit würde der bisherige Höchststand aus dem Jahr 1997 noch übertroffen.

Arbeitsmarkt- und konjunkturpolitische Herausforderung


In arbeitsmarkt- und konjunkturpolitischer Hinsicht stellen sich zwei grosse Herausforderungen: Einerseits geht es darum, mit den einer kleinen Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Instrumenten die Konjunktur soweit möglich zu stabilisieren und damit den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu bremsen. Zweitens gilt es, eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit zu verhindern und die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Arbeitslosenquote im nächsten Aufschwung wieder rasch deutlich unter 3% gesenkt werden kann.

Rascher Anstieg der Arbeitslosenzahlen


Zwischen Januar und Juni 2009 nahm die Arbeitslosenzahl saisonbereinigt um monatlich durchschnittlich 6500 zu. Dieser rapide Anstieg der Arbeitslosigkeit fordert die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) heraus und bedingt eine rasche Aufstockung ihrer Kapazitäten.  Mit der Zunahme der Arbeitslosigkeit ergibt sich eine qualitative Veränderung des Bestands von Stellensuchenden. Während der Fokus in Zeiten der Hochkonjunktur auf relativ schwer vermittelbare Stellensuchende – allenfalls solche mit gewissen Handicaps – gerichtet war, gelangen heute vermehrt auch viele gut qualifizierte Arbeitskräfte zu den RAV. Daneben wird erfahrungsgemäss die Zahl jugendlicher Arbeitsloser überproportional anwachsen. Sie sind konjunkturellen Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt in besonderem Masse ausgesetzt (vgl.

Kasten 1
Konjunkturelle Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt wirken sich in besonderem Masse auf Jugendliche aus. Die Hauptursache dafür liegt darin, dass sich junge Leute häufig in Übergangssituationen zwischen dem Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt befinden und daher von Einstellungsstopps besonders häufig betroffen sind. Zweitens haben sich nicht alle Jugendlichen im Arbeitsmarkt fest etablieren können; so ist z.B. ihr Anteil bei den Temporärarbeitskräften überproportional hoch. Entsprechend höher liegt auch das Risiko, in der Krise freigestellt zu werden. Drittens ist das Qualifikationsniveau von Jugendlichen unter 25 Jahren, die sich bereits auf dem Arbeitsmarkt befinden, unterdurchschnittlich. Dies hat damit zu tun, dass Personen, welche eine tertiäre Ausbildung verfolgen, oft erst mit mehr als 25 Jahren auf den Arbeitsmarkt treten. Die genannten Faktoren implizieren, dass der Anteil von Jugendlichen im Bestand der Stellensuchenden in diesem und im nächsten Jahr deutlich anwachsen wird. Spezifische Massnahmen für diese Gruppe – wie Motivationssemester für Lehrstellensuchende oder Berufspraktika für Absolventen von Berufsausbildungen – werden deutlich ausgebaut werden müssen. Ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewältigung der Problematik wird zudem erfahrungsgemäss in einer engen Zusammenarbeit zwischen Bildungs-, Berufsberatungs- und Arbeitsmarktinstitutionen liegen. Zwischen Juni 2008 und Juni 2009 stieg die Zahl der 15- bis 24-jährigen Arbeitslosen um 71%, während der Anstieg der Gesamtarbeitslosigkeit 53% betrug. Damit bestätigte sich die hohe Konjunktursensitivität der Jugendarbeitslosigkeit bereits. Für eine bessere Beurteilung der Situation sind allerdings die Sommermonate abzuwarten, in welchen die Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt treten und mit der aktuellen Krisensituation konfrontiert werden. Bezüglich der Lehrstellensituation gibt es bislang noch keine Anzeichen für eine Anspannung der Lage. Dies ist erfreulich und zeigt, dass das duale Bildungssystem einen wichtigen Erfolgsfaktor der Arbeitsmarktpolitik darstellt. Das Verhältnis zwischen dem Lehrstellenangebot (78 500) und der Anzahl Jugendlicher mit Interesse an einer Lehrstelle (79 000) war wie im Vorjahr in etwa ausgeglichen. Allerdings verhinderte die Wirtschaftskrise auch eine weitere Entspannung der Situation. Leider ist zu befürchten, dass die Lage im nächsten Jahr kritischer sein wird. ). Insgesamt bedeuten die Veränderungen, dass sich auch die Bedürfnisse zur Unterstützung bei der Stellensuche in ihrer Art verändern. Die dezentrale Vollzugsorganisation hilft den RAV, auf Veränderungen rasch zu reagieren und allenfalls auf regionale Gegebenheiten Bezug zu nehmen.  Durch das Instrument der Kurzarbeitsentschädigung soll der Verlust von Arbeitsstellen – in Fällen eines temporären Nachfrageeinbruchs – möglichst abgewendet werden. Erfolgversprechend ist dieses Instrument dann, wenn der Nachfrageeinbruch nicht zu lange anhält und die Hortung von Arbeitskräften für die Unternehmen finanziell tragbar bleibt. Im April 2009 erhielten bereits 69 000 Arbeitnehmende Kurzarbeitsentschädigung, so viele wie seit den frühen 1990er-Jahren nicht mehr. Das ausgefallene Arbeitsvolumen belief sich auf ein Äquivalent von rund 16 000 Vollzeitarbeitskräften. Um die Unternehmen, die auf die Kurzarbeit zurückgreifen, zu unterstützen, hat der Bundesrat bereits im Februar die Zahl der Karenztage (Selbstbehalt) reduziert und die Bezugsdauer von zuvor 12 auf heute 18 Monate erhöht.

Anstieg von Langzeitarbeitslosigkeit und Aussteuerungen ab 2010


Ab Mitte 2010 ist damit zu rechnen, dass die Zahl der Personen, welche ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verlieren (sog. Aussteuerungen), ansteigen wird. Dies ergibt sich daraus, dass die Frist für den Bezug von Arbeitslosenentschädigung eineinhalb bis zwei Jahre beträgt. Angesichts der Schärfe und der voraussichtlich relativ langen Dauer der Krise dürfte die Zahl der Personen, welche innerhalb dieser Frist keine neue Stelle finden, anwachsen. Mit der Zunahme der Aussteuerungen werden vermehrt Kosten auf die Sozialhilfe – und damit auf Gemeinden und Kantone – zukommen. Auch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht wird die wachsende Zahl von Langzeitarbeitslosen ein Problem darstellen, weil viele davon betroffene Personen ihr Selbstvertrauen verlieren oder von Unternehmen nur zaghaft wieder eingestellt werden. Damit droht die Zahl von Ausgrenzungen aus dem Arbeitsmarkt zuzunehmen.

Fiskalischer Impuls der ALV…


Um Beitragserhöhungen in Rezessionszeiten zu vermeiden, wird der Beitragssatz für die ALV aufgrund einer Schätzung der durchschnittlichen Arbeitslosenzahl für einen Konjunkturzyklus festgelegt. Die ALV nimmt in Krisenzeiten hohe Defizite und Schulden in Kauf, die in der Hochkonjunktur wieder zurückbezahlt werden müssen. Dadurch geht von der ALV eine hohe konjunkturstabilisierende Wirkung aus. Gemäss gegenwärtigen Prognosen beläuft sich der fiskalische Impuls der ALV in diesem Jahr auf 2,7 und im nächsten Jahr auf 2,9 Mrd. Franken, was je gut einem halben Prozentpunkt des BIP entspricht. Diese Wirkungsweise setzt aber voraus, dass die Beiträge und Leistungen periodisch an neue Schätzungen für die durchschnittliche Arbeitslosigkeit angepasst werden und das Gesetz bei Bedarf entsprechend rasch revidiert wird.

…aber auch steigende Schuldenlast


Der Schuldenstand der ALV wächst momentan an, liegt doch die Arbeitslosenzahl bereits deutlich über der Grenze von 100000, welche eine ausgeglichene Rechnung erlauben würde. Da die ALV zu Beginn der Krise bereits einen Schuldenstand von rund 4 Mrd. Franken aufwies, wird die Obergrenze, welche gemäss heutigem Gesetz eine Erhöhung der ALV-Beiträge sowie die Einführung des Solidaritätsprozents erfordert, im Jahr 2010 mit Sicherheit erreicht werden. Somit sind die Beiträge auf Anfang 2011 zu erhöhen. Gleiches ist dann vorgesehen, wenn die Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) wie geplant per Anfang 2011 in Kraft gesetzt werden könnte, wobei gleichzeitig Einsparungen auf Leistungsseite vorgenommen würden. Beide Effekte wirken fiskalpolitisch als negative Impulse. Sie sind dann konjunkturpolitisch vertretbar, wenn die Wirtschaftsentwicklung 2011 wieder deutlich an Fahrt aufgenommen hat.

Erwünschte Stabilisierungswirkung der Arbeitslosenversicherung


Die bevorstehende Arbeitsmarktkrise wird die Schweizer Arbeitsmarktpolitik also in vielerlei Hinsicht fordern. Unsere Aufgabe besteht heute darin, die bewährten Elemente dieses Systems gezielt zu stärken und – wo sinnvoll – punktuell zu ergänzen.

Gute Absicherung des Einkommensausfalls


Die Absicherung des Einkommensausfalls der ALV beläuft sich auf max. 70% resp. 80% des versicherten Verdienstes. Der maximal versicherte Jahreslohn ist in der Schweiz mit 126000 Franken vergleichsweise hoch angesetzt. Für die Mehrzahl der Versicherten ist die Bezugsdauer auf rund eineinhalb Jahre innerhalb einer Rahmenfrist von zwei Jahren begrenzt (400 Taggelder). Mit Zwischenverdiensten, während denen die ALV den Verdienstausfall kompensiert, kann die Bezugsdauer bis auf zwei Jahre verlängert werden. Beitragsbefreite Versicherte erhalten ein Jahr lang, Stellensuchende ab 55 Jahren mit einer Beitragszeit von 18 Monaten zwei Jahre lang Arbeitslosenentschädigung. Die RAV müssen dafür sorgen, dass die Stellensuchenden sich bewerben und zumutbare Stellen annehmen.

Prinzip der gegenseitigen Verpflichtung und der Aktivierung


Wer Leistungen von der ALV bezieht, muss sich an die «Spielregeln» des AVIG halten. So müssen Stellen, welche gemäss AVIG als zumutbar gelten, angenommen werden. Bemühungen zur Stellensuche sind nachzuweisen. Massnahmen wie Weiterbildungskurse oder Beschäftigungsprogramme, die vom RAV für geeignet erachtet werden, die Reintegration zu begünstigen, müssen von den Versicherten absolviert werden. Nur wer diese Regeln befolgt, hat einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Das Prinzip der gegenseitigen Verpflichtung soll gewährleisten, dass die Stellensuchenden alles unternehmen, um den «Schaden» für die ALV gering zu halten.

Rasche und dauerhafte Wiedereingliederung


Das AVIG verlangt eine möglichst rasche und dauerhafte Wiedereingliederung Stellensuchender in den Arbeitsmarkt. An dieser Zielsetzung orientiert sich der gesamte Vollzug des AVIG, welcher durch ein Benchmarking zwischen den RAV evaluiert und gesteuert wird. Zwar variiert die durchschnittliche Stellensuchdauer mit dem Konjunkturzyklus; die Vermittlungen sollen jedoch zu jedem Zeitpunkt möglichst rasch und dauerhaft sein. Dahinter steht das übergeordnete Ziel, eine Verhärtung der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Mit einer raschen Wiedereingliederung soll der Kontakt mit dem Arbeitsmarkt aufrechterhalten und Langzeitarbeitslosigkeit mit ihren negativen Folgen – etwa in Form einer Entwertung der vorhandenen Kompetenzen und einer Stigmatisierung der Stellensuchenden – verhindert werden.  Die ALV versteht ihren Beitrag zur Stellenvermittlung als subsidiär. Sie erwartet von den Erwerbslosen, dass sie sich aktiv um eine neue Stelle bemühen. Dieser Ansatz funktioniert – das hat die Erfahrung gezeigt – auch in der Krise. Trotz der in Krisenzeiten wachsenden Konkurrenz um offene Stellen auf dem Arbeitsmarkt werden nach wie vor laufend Arbeitskräfte eingestellt. Wie in Grafik 1 dargestellt, melden sich in einem Jahr mehr Personen von der Arbeitslosigkeit ab, als sich durchschnittlich im Bestand befinden. Dies verdeutlicht, dass die Fluktuation innerhalb des Arbeitslosenbestandes erheblich ist und der Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit auch in Krisenzeiten seine Bedeutung behält.

Hilfe zur Integration


Die ALV kann nicht verhindern, dass es in Rezessionszeiten zu wenige Stellen gibt, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage abnimmt. Massnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik können dieses Ungleichgewicht nicht aufheben. Allerdings muss die Arbeitsmarktpolitik alles daran setzen, Stellensuchende möglichst nahe am Arbeitsmarkt zu halten. Zum einen gelingt dies – wie oben beschrieben – durch gezielte Unterstützung bei der Vermittlung. Eine zweite Option besteht darin, finanzielle Anreize zur Einstellung von Stellensuchenden oder zur Schaffung künstlicher Arbeitsstellen zu schaffen. Beide Massnahmen bergen jedoch die Gefahr, dass reguläre, nicht subventionierte Tätigkeiten konkurrenziert werden (Substitutionseffekte) oder dass die Subventionen für Stellen ausgerichtet werden, welche auch ohne diese geschaffen oder erhalten worden wären (Mitnahmeeffekte). Grundsätzlich empfehlt es sich deshalb, mit Lohnzuschüssen oder künstlichen Arbeitsstellen sehr zurückhaltend zu sein.  Greift man dennoch zu diesen Instrumenten, gilt es, Missbrauchspotenziale und unerwünschte Verhaltensanreize möglichst gering zu halten. Finanzielle Zuschüsse sind gerechfertigt, wenn die Unternehmen eine Integrationsleistung zu Gunsten des Stellensuchenden erbringen. Zu diesem Zweck sind die Massnahmen auf spezifische Zielgruppen ausgerichtet und zeitlich befristet auszugestalten.  Um Mitnahme- und Substitutionseffekte zu vermeiden, wird bei Zwischenverdiensten verlangt, dass den Erwerbslosen vom Unternehmen die orts- und berufsüblichen Löhne bezahlt werden. Die ALV bezahlt den Verdienstausfall nur für die Differenz zwischen dem versicherten Lohn und dem orts- und berufsüblichen Lohn. Einarbeitungszuschüsse werden Personen gewährt, für welche die Beschäftigungsaufnahme erschwert und bei denen vom Unternehmen eine Integrationsleistung zu erbringen ist. Im Rahmen des vom Bundesrat vorgeschlagenen dritten Stabilisierungspakets ist vorgesehen, Unternehmen einen Beitrag an die Lohnkosten zu bezahlen, wenn sie Jugendliche ohne Berufserfahrung erstmals einstellen. Diese Zuschüsse sollen für Jugendliche gewährt werden, bei denen die Integration erschwert ist und die schon unüblich lange ohne Arbeit waren.

Abgrenzung vom Bildungssystem


Stellensuchende weisen häufig Defizite in ihren Qualifikationen auf, die einer nachhaltigen Reintegration im Wege stehen können. Die ALV kann mit ihren arbeitsmarktlichen Massnahmen helfen, solche Defizite zu beheben. Auf Grund der institutionellen Voraussetzungen, welche der ALV eine befristete Aufgabe zuteilen, ist die ALV aber nicht als eigentliche Bildungsinstitution aufzufassen. Bildung und Weiterbildung werden im Rahmen der ALV immer instrumental verstanden und nur zur Begünstigung einer raschen und/oder dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt eingesetzt. Auf dieser Grundlage werden die Massnahmen auch evaluiert.

Zusätzliche Massnahmen im Rahmen der Stabilisierungspolitik


Mit der gut ausgebauten ALV stehen eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung, welche in der Krise deutlich intensiver eingesetzt werden. Dazu werden die RAV mit den nötigen Mitteln ausgestattet und die Budgets der Kantone für arbeitsmarktliche Massnahmen ausgeweitet (vgl. Tabelle 1). Die Ausgaben für arbeitsmarktliche Massnahmen steigen voraussichtlich von 500 Mio. im Jahr 2008 auf 875 Mio. Franken im Jahr 2010. Die Ausgaben für Kurzarbeitsentschädigung dürften bereits in diesem Jahr auf 650 Mio. Franken hochschnellen. Die gesamten Ausgaben der ALV steigen in diesem und im nächsten Jahr um je rund 3 Mrd. Franken an.  Angesichts der ausserordentlichen Höhe der erwarteten Arbeitslosigkeit sollen im dritten Stabilisierungspaket zusätzlich Massnahmen bereit gestellt werden (vgl.

Kasten 2
Angesichts des steilen Anstiegs der Arbeitslosigkeit und der voraussichtlich ausserordentlichen Dauer der Krise auf dem Arbeitsmarkt wird das Instrumentarium der Arbeitslosenversicherung im Rahmen eines 3. Pakets von Stabilisierungsmassnahmen mit gezielten, zeitlich befristeten Massnahmen für besonders verletzliche Zielgruppen ergänzt. In erster Linie soll der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft und damit Aussteuerungen verhindert werden. Zudem werden Anreize gesetzt, damit die Zeit der Rezession für Weiterbildung verwendet werden kann.

Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit

– Befristete Anstellung in Stellennetzen für Einsätze in nicht profitorientierten Organisationen;

– befristete Anstellung für Sonderaufgaben, z.B. in den Bereichen Natur, Pflege, Tourismus und Jugendarbeit.

Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

– Finanzielle Beteiligung an Bildungsmassnahmen für arbeitslose Lehrabgänger;

– Förderung des ersten Einstiegs bei jungen Stellensuchenden mit mangelnder Berufserfahrung (Lohnzuschüsse an Arbeitgeber);

– Weiterbeschäftigung von Lehrabgängern und Erhöhung des Angebots von Praktikumsstellen;

– Angebote für Durchdiener in der Armee.

Qualifizierungsmassnahmen

– Unterstützung von Weiterbildungen während der Kurzarbeit;

– Aus- und Weiterbildungsoffensive im Energiebereich. ). Diese verfolgen in erster Linie das Ziel, die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen und punktuell die Rezessionszeit für gezielte Weiterbildungen zu nutzen. Aus zwei Gründen sollen diese Massnahmen ausserhalb des AVIG beschlossen und finanziert werden: Zum einen lassen die hohen (strukturellen) Schulden der ALV zusätzliche Ausgaben nicht zu. Zum anderen sieht das dritte Stabilisierungspaket auch Massnahmen vor, die sich nur vorübergehend in Rezessionszeiten rechtfertigen lassen. So werden staatlich finanzierte Stellen geschaffen, mit denen die Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft werden soll. Diese werden von Personen besetzt, die in normalen Konjunkturverhältnissen auf dem normalen Arbeitsmarkt ohne grössere Probleme Stellen finden würden. Gleichzeitig werden damit Tätigkeiten subventioniert, die auf dem freien Markt nicht bestehen würden und für die unter normalen Umständen auch keine Ressourcen verfügbar gemacht würden. Gleichzeitig sollen auch Weiterbildungen durch die öffentliche Hand mitfinanziert werden, die normalerweise durch die Begünstigten oder die Unternehmen finanziert würden. Eine Weiterführung dieser Massnahmen in Hochkonjunkturzeiten hätte zur Folge, dass Mitnahmeeffekte nicht zu verhindern wären.

Fazit


Ausgehend vom unterlegten Szenario zur Arbeitsmarktentwicklung lassen sich zwei Problembereiche identifizieren, wo die ALV mit ihren heutigen Instrumenten an Grenzen stossen wird. Erstens wird aufgrund der Schärfe und der voraussichtlichen Dauer der Krise auf dem Arbeitsmarkt die Zahl der Aussteuerungen im Verlauf des Jahres 2010 stark zunehmen. Zweitens ist erfahrungsgemäss mit einem starken Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit zu rechnen. Eine Verstärkung der Massnahmen in diesem Bereich ist notwendig, um negative Langfristfolgen für die betroffenen Jugendlichen zu vermeiden.  Beide Probleme sind auf das aussergewöhnliche Ausmass der bevorstehenden Krise zurückzuführen. Die zusätzlichen Massnahmen unterstützen die Wirkungsweise der Arbeitsmarktpolitik und passen gut in den Rahmen eines Stabilisierungspakets, da sie einerseits rasch, gezielt und befristet wirken und weil sie andererseits ein Potenzial haben, die sozialen Härten der Krise zu mindern.

Grafik 1 «Durchschnittliche Arbeitslosenzahlen und jährliche Anzahl Abmeldungen von der Arbeitslosigkeit, 1990-2008»

Tabelle 1 «Entwicklung der Ausgaben der ALV nach Kategorien gemäss Rechnung 2008, Budget 2009 und Finanzplan 2010»

Kasten 1: Zur Jugendarbeitslosigkeit
Konjunkturelle Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt wirken sich in besonderem Masse auf Jugendliche aus. Die Hauptursache dafür liegt darin, dass sich junge Leute häufig in Übergangssituationen zwischen dem Bildungssystem und dem Arbeitsmarkt befinden und daher von Einstellungsstopps besonders häufig betroffen sind. Zweitens haben sich nicht alle Jugendlichen im Arbeitsmarkt fest etablieren können; so ist z.B. ihr Anteil bei den Temporärarbeitskräften überproportional hoch. Entsprechend höher liegt auch das Risiko, in der Krise freigestellt zu werden. Drittens ist das Qualifikationsniveau von Jugendlichen unter 25 Jahren, die sich bereits auf dem Arbeitsmarkt befinden, unterdurchschnittlich. Dies hat damit zu tun, dass Personen, welche eine tertiäre Ausbildung verfolgen, oft erst mit mehr als 25 Jahren auf den Arbeitsmarkt treten. Die genannten Faktoren implizieren, dass der Anteil von Jugendlichen im Bestand der Stellensuchenden in diesem und im nächsten Jahr deutlich anwachsen wird. Spezifische Massnahmen für diese Gruppe – wie Motivationssemester für Lehrstellensuchende oder Berufspraktika für Absolventen von Berufsausbildungen – werden deutlich ausgebaut werden müssen. Ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewältigung der Problematik wird zudem erfahrungsgemäss in einer engen Zusammenarbeit zwischen Bildungs-, Berufsberatungs- und Arbeitsmarktinstitutionen liegen. Zwischen Juni 2008 und Juni 2009 stieg die Zahl der 15- bis 24-jährigen Arbeitslosen um 71%, während der Anstieg der Gesamtarbeitslosigkeit 53% betrug. Damit bestätigte sich die hohe Konjunktursensitivität der Jugendarbeitslosigkeit bereits. Für eine bessere Beurteilung der Situation sind allerdings die Sommermonate abzuwarten, in welchen die Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt treten und mit der aktuellen Krisensituation konfrontiert werden. Bezüglich der Lehrstellensituation gibt es bislang noch keine Anzeichen für eine Anspannung der Lage. Dies ist erfreulich und zeigt, dass das duale Bildungssystem einen wichtigen Erfolgsfaktor der Arbeitsmarktpolitik darstellt. Das Verhältnis zwischen dem Lehrstellenangebot (78 500) und der Anzahl Jugendlicher mit Interesse an einer Lehrstelle (79 000) war wie im Vorjahr in etwa ausgeglichen. Allerdings verhinderte die Wirtschaftskrise auch eine weitere Entspannung der Situation. Leider ist zu befürchten, dass die Lage im nächsten Jahr kritischer sein wird.

Kasten 2: Massnahmen im Bereich Arbeitsmarkt im 3. Stabilisierungspaket
Angesichts des steilen Anstiegs der Arbeitslosigkeit und der voraussichtlich ausserordentlichen Dauer der Krise auf dem Arbeitsmarkt wird das Instrumentarium der Arbeitslosenversicherung im Rahmen eines 3. Pakets von Stabilisierungsmassnahmen mit gezielten, zeitlich befristeten Massnahmen für besonders verletzliche Zielgruppen ergänzt. In erster Linie soll der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft und damit Aussteuerungen verhindert werden. Zudem werden Anreize gesetzt, damit die Zeit der Rezession für Weiterbildung verwendet werden kann.

Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit

– Befristete Anstellung in Stellennetzen für Einsätze in nicht profitorientierten Organisationen;

– befristete Anstellung für Sonderaufgaben, z.B. in den Bereichen Natur, Pflege, Tourismus und Jugendarbeit.

Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

– Finanzielle Beteiligung an Bildungsmassnahmen für arbeitslose Lehrabgänger;

– Förderung des ersten Einstiegs bei jungen Stellensuchenden mit mangelnder Berufserfahrung (Lohnzuschüsse an Arbeitgeber);

– Weiterbeschäftigung von Lehrabgängern und Erhöhung des Angebots von Praktikumsstellen;

– Angebote für Durchdiener in der Armee.

Qualifizierungsmassnahmen

– Unterstützung von Weiterbildungen während der Kurzarbeit;

– Aus- und Weiterbildungsoffensive im Energiebereich.

Zitiervorschlag: Serge Gaillard, Bernhard Weber, (2009). Mit zusätzlichen Massnahmen den Arbeitsmarkt gezielt stützen. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.