Suche

Abo

Hochpreis- und Hochkosteninsel schwächt Schweizer Tourismus

Hochpreis- und Hochkosteninsel schwächt Schweizer Tourismus

Dank qualitativ attraktiven Angeboten, günstiger Wirtschaftslage und mehrheitlich vorteilhaften Wechselkursen konnte die Schweizer Tourismuswirtschaft in den letzen Jahren bemerkenswerte Zuwachsraten erzielen. Die aktuelle Wirtschaftskrise führt nun aber allzu deutlich vor Augen: Für ein langfristiges Wachstum, das konjunkturelle Schwankungen verkraftet, muss die Schweizer Tourismusindustrie zwingend auch ihre preisliche Konkurrenzfähigkeit weiter ausbauen und ihre Strukturen noch weiter konsolidieren. Wo Hotellerie und Tourismus gegenüber ihren ausländischen Mitbewerbern die grössten Kosten- und Preisnachteile zu verkraften haben, zeigen die Studien von BAK Basel Economics (BAK) und BHP Hanser und Partner AG (BHP), die im Auftrag von Hotelleriesuisse erstellt wurden. Vgl. die Artikel von Natalia Held und Christian Hunziker (S. 49ff) sowie Maria Hug-Sutter, Jürg Kuster, Peder Plaz und Michael Rütimann (S. 54ff) im Dossier dieser Ausgabe.

Gemäss der BAK-Analyse konnte der hiesige Tourismus die Preisdifferenz zu seinen Nachbarländern in den letzten Jahren zwar verringern. Doch im Vergleich zu Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich sind die Schweizer Preise nach wie vor um 12% höher. Die Ursache der höheren Preise liegt in erster Linie in den hierzulande weitaus höheren Lohn- und Warenkosten. Während BAK die Tourismuswirtschaft als Ganzes betrachtet, legt BHP den Fokus auf die betriebliche Ebene. Die BHP-Studie ermittelt anhand von zwei Modellhotels im Drei- und im Vier-Sterne-Bereich die Kosten- und Preisunterschiede zum österreichischen und italienischen Alpenraum und vergleicht diese mit Zahlen aus dem Jahr 2000. Die Studie zeigt auf, dass die Preis- und Kostenunterschiede zwischen der Schweiz und dem Ausland seit 2000 tendenziell abnehmen. Diese erfreuliche Entwicklung gilt aber nicht für alle: So verzeichnen Schweizer Vier- und Fünf-Sterne-Häuser heute ähnliche Preise wie in den zwei Nachbarländern, während die Drei-Sterne-Hotellerie einen hohen Preisnachteil von bis zu 40% aufweist. Handlungsbedarf ortet BHP dementsprechend vor allem für traditionelle Drei-Sterne-Hotels, bei denen es sich tendenziell um klein strukturierte Betriebe ohne Expansionsoder Diversifikationsmöglichkeiten handelt.

Handlungsebenen zur nachhaltigen Strukturentwicklung


Hotelleriesuisse kämpft seit Jahren gegen die im internationalen Vergleich überhöhten Kosten in der Schweiz. Methodisch muss dabei auf drei Handlungsebenen gleichzeitig angesetzt werden: unternehmerische Eigenverantwortung, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie übergreifendes, (inter-)nationales Marketing.

Rahmenbedingungen auf betrieblicher Ebene


Als Unternehmerverband der Schweizer Hoteliers setzt sich Hotelleriesuisse für die Wahrung einer möglichst grossen unternehmerischen Freiheit ein. Die Hotelbetreiber sollen gäste- und marktorientiert handeln können und nicht von übermässigen gesetzlichen Regelungen in ihrem Spielraum eingeschränkt werden. Das grundsätzliche Rentabilitätsproblem der Schweizer Hotellerie muss zunächst auf betrieblicher Ebene angegangen werden – flankiert von einer Optimierung der Rahmenbedingungen. Für die Hotels bedeutet dies: Hohe Qualitätsstandards, flexibel einsetzbare und gut qualifizierte Mitarbeitende, eine klare Positionierung des Angebots, eine konsequente Ausrichtung auf die Gästebedürfnisse und ein effizientes Marketing sind zwingend für eine Steigerung der Rentabilität. Eine entscheidende Rolle spielen zudem neue und effizientere Formen der Zusammenarbeit unter den touristischen Leistungsträgern, welche zu Grössenersparnissen führen und zugleich dem Gast ein attraktives Gesamterlebnis bieten. Ansatzstellen für ein effizientes unternehmerisches Handeln hat Hotelleriesuisse bereits vor zwei Jahren für die besonders geforderten Betriebe im Drei-Sterne-Segment an einer Tagung erarbeitet. Vgl. Hotelleriesuisse, Ausbruch aus der Mitte: Strategievarianten für Schweizer Hotelbetriebe, 2007.

Mehr Produktivität und Professionalität


Im internationalen Vergleich weist die Schweizer Hotellerie deutlich höhere Lohnkosten auf. Gemäss der BAK-Analyse «Preise und Kosten der Schweizer Tourismuswirtschaft im internationalen Vergleich» liegen die Lohnstückkosten der Schweiz im Schnitt 26% über denjenigen von Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich. Das hohe Lohnniveau muss aber nicht nur ein Nachteil sein. Bei der Rekrutierung von qualifiziertem Personal im Ausland stellen die Schweizer Löhne sogar einen klaren Wettbewerbsvorteil dar. Nichtsdestotrotz steht die Schweizer Hotellerie vor der schwierigen Aufgabe, ihre Produktivität – und damit ihre Rentabilität – zu steigern.  Mit diesem Ziel vor Augen stieg Hotelleriesuisse vor zwei Jahren in die Verhandlungen für einen neuen Gesamtarbeitsver-trag für das Gastgewerbe ein. Dem Gesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes sind über 200000 Arbeitnehmer und rund 30000 Betriebe/Arbeitgeber angeschlossen. Der vollständige Vertragstext ist einsehbar unter www.l-gav.ch. Zusammen mit den anderen fünf Sozialpartnern – Gastrosuisse, Swiss Catering Association, Hotel&Gastro Union, Syna und Unia – wurde der Vertrag in zweijähriger Arbeit auf eine neue Basis gestellt. Per 1. Januar 2010 tritt dieser nun in Kraft, wobei das neue Lohnsystem erst ab 1. Januar 2012 gilt. Indem Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Fokus auf eine konsequente Förderung der Aus- und Weiterbildung legen, übernehmen sie gemeinsam die Verantwortung für ein attraktives Arbeitsumfeld, für Qualität und Professionalität in der Branche. Und vor allem machen sie einen wichtigen Schritt in Richtung Produktivitätssteigerung. Dies geschieht insbesondere über die massive finanzielle Unterstützung von Weiterbildungsmassnahmen, über die Arbeitszeitregelungen und das neue Lohnsystem. Letzteres sorgt gerade auch für marktgerechtere Verhältnisse: In den oberen Lohnklassen spielt der Markt, während sich die übrigen Minimallöhne konsequent an der Qualifikation der Mitarbeitenden orientieren. Der Gesamtarbeitsvertrag ist jedoch nur ein Element, das die Produktivität in der Branche steigern kann. Darüber hinaus sind griffige Massnahmen auf politischer Ebene, welche den Schweizer Arbeitsmarkt langfristig stärken, zentral. Essenziell ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU, sondern auch die Zulassung qualifizierter Erwerbstätiger aus dem Nicht-EU-Bereich.

Handlungsbedarf auf politischer Ebene


Die politischen Forderungen, die Hotelleriesuisse 2007 in ihrem wirtschafts- und tourismuspolitischen Leitbild formuliert hat, haben kaum etwas an ihrer Dringlichkeit verloren. So machen auch die aktuellen Resultate der BAK-Analyse klar, wie wichtig Schritte zur Deregulierung und Liberalisierung sowie eine konsequente Öffnungspolitik für die Tourismuswirtschaft sind. Orientierungsachse ist dabei insbesondere die Wachstumspolitik 2008-2011 des Bundes, welche mit aufeinander abgestimmten Massnahmen das hohe Kostenniveau senken, die Schweiz als Unternehmensstandort aufwerten und lohnende Erwerbstätigkeit gewährleisten will. Einige der jüngsten Parlamentsentscheide bezüglich Abbau von nicht tarifären Handelshemmnissen gehen dabei in die richtige Richtung: Die Zulassung von Parallelimporten und die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips werden sicherlich zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus beitragen. Nun gilt es jedoch, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen. Hotelleriesuisse setzt sich deshalb mit Nachdruck für ein Freihandelsabkommen mit der EU im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich ein. Denn ohne weitere Liberalisierungsschritte im internationalen Handel und den Druck von aussen wird es nicht gelingen, die Hochkosteninsel Schweiz dauerhaft zu bekämpfen. Darüber hinaus ist für Hotelleriesuisse die Sicherung eines attraktiven Steuerklimas absolut zentral. Der Verband begrüsst deshalb die Reform der Mehrwertsteuer und plädiert für einen möglichst tiefen Einheitssatz sowie die weitgehende Aufhebung der heute bestehenden Ausnahmen. Wichtige Impulse für den Tourismusstandort Schweiz wären zudem von der Aufhebung der Lex Koller in Verbindung mit einem massvollen Raumentwicklungsgesetz zu erwarten.

Kasten 1: Politische Rahmenbedingungen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten
Hotelleriesuisse erwartet den Wiederaufschwung der Hotel- und Tourismusbranche mit Verzögerung auf die allgemeine Konjunkturentwicklung, also mutmasslich erst im ersten Semester 2011. Ob ein weiteres Konjunkturförderungsprogramm geeignet sein könnte, den Rückgang an Übernachtungszahlen abzufedern und den Wiederaufschwung zu beschleunigen, muss in Frage gestellt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Hotelleriesuisse geeignete Massnahmen als Reaktion auf die Wirtschaftskrise ablehnen würde. So bejaht der Verband die Verschiebung der IV-Zusatzfinanzierung um ein Jahr ausdrücklich, ebenso wie die Stärkung automatischer Konjunkturstabilisatoren wie z.B. den jährlichen Ausgleich der kalten Progression und die Verlängerung der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate (wie in anderen europäischen Ländern!) in Verbindung mit der Arbeitslosenversicherung. Geeignet zur Exportförderung wäre hingegen ein zusätzliches Impulsprogramm zur Standort- und Tourismusförderung im 2010/2011, da sich ja der Konjunkturaufschwung nachweislich verzögert. Die entsprechenden Mittel könnten von Schweiz Tourismus im Einklang mit der Osec zielgerichtet für rasche produktive Impulse eingesetzt werden. Eine kurzfristige Ankurbelung der Konjunktur muss im Übrigen aber in jedem Fall subsidiär erfolgen sowie zeitgerecht, zielorientiert und zeitlich limitiert ausgestaltet sein. Kurzfristige staatliche Interventionen dürfen keinesfalls den aufgezeigten Kurs einer nachhaltigen Wachstumspolitik unterlaufen. Sonst ist die Gefahr gross, dass der politische Aktivismus zu hohen Kosten und wenig Wirkung führt und der nächsten Generation einen massiven Schuldenberg aufbürdet. Eine solche Hypothek würde mit Sicherheit auch einen Rückschlag im Kampf gegen die Hochpreis- und Hochkosteninsel Schweiz bedeuten.

Zitiervorschlag: Christoph Juen (2009). Hochpreis- und Hochkosteninsel schwächt Schweizer Tourismus. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.