Wirksame Massnahmen gegen die Krise – auch im Interesse künftiger Generationen
Die Prognosen zeigen, dass die vom Finanzsektor ausgelöste Weltwirtschaftskrise ausgehend von der Exportindustrie Schritt um Schritt auf die Schweizer Volkswirtschaft durchschlägt. Die Arbeitslosenzahlen werden 2010 eine Dimension erreichen, die es in der Schweiz überhaupt noch nie gab. Jetzt müsste ein Massnahmenpaket gegen die Krise beschlossen werden, das der Grösse der Herausforderung gerecht wird. So schreiben es die Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung vor. Die Behauptung, dass auf Konjunkturpakete im Interesse künftiger Generationen verzichtet werden müsse, ist schlicht falsch: Für die Zukunft unserer Wirtschaft und Gesellschaft ist nichts verheerender als eine Massenarbeitslosigkeit und die damit verbundenen fehlenden Perspektiven für die junge Generation.
Zwar hat der Bundesrat nach dem zweiten nun auch ein drittes Konjunkturpaket geschnürt. Dieses ist aber umfangmässig so bescheiden, dass es gegen den wirtschaftlichen Einbruch nichts Wirksames auszurichten vermag. Durchgesetzt hat sich vorläufig die Ansicht, dass die Schuldenbremse über allem stehe und keinesfalls geritzt werden dürfe. Das widerspricht nicht nur der Verfassung, sondern auch der gesetzlichen Konzeption der Schuldenbremse, welche bei schweren Rezessionen ausdrücklich nicht gelten soll. Wann, wenn nicht jetzt, ist dieser Fall eingetreten? Dass die Krise bis heute nicht noch stärker spürbar geworden ist, ist darauf zurückzuführen, dass die Kaufkraft der Bevölkerung Anfang 2009 dank guter und weitgehend genereller Lohnabschlüsse in den Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen gestärkt worden ist. Deshalb trägt der Binnensektor die schweizerische Volkswirtschaft. Dies wird sich in den nächsten Monaten schlagartig ändern, wenn allein schon die Krankenkassenprämien um durchschnittlich 15% aufschlagen werden. Das heisst, dass eine Familie 2010 rund 1500 Franken mehr an Prämien bezahlen muss als heute. Eine Kompensation durch die Prämienverbilligung, welche diese negativen Effekte auffangen würde, ist nicht in Sicht. Stattdessen will der Bundesrat über 1 Mrd. Franken in neue Steuererleichterungen investieren, die im Wesentlichen den höchsten 10% der Einkommen zugute kämen.
Staatlich verantwortete Politik verschärft die Krise
Wenn es so weiter geht, wird der Staat durch seine Politik die Krise nicht bekämpfen, sondern massiv verschärfen. Zur staatlich verantworteten Politik gehören nicht nur der Prämienschock bei den Krankenkassen, sondern auch die Ausgabensenkungen aufgrund des rezessionsbedingten Rückgangs bei den Fiskaleinnahmen. Ein Beispiel: Weil der Ertrag der LSVA sinkt, werden die durch den Finöv-Fond finanzierten ausführungsreifen Grossprojekte im kommenden Jahr um 150 Mio. Franken heruntergefahren. Der Bundesrat prognostiziert, dass der Staatskonsum 2010 um 1,3% sinken wird. Der Staat wird durch die prozyklische Ausgabenpolitik selber zum Arbeitsplatzvernichter in grossem Stil. Der negative Impuls in der Grössenordnung von 7 Mrd. Franken kann gegen 50000 Arbeitsplätze kosten. Dagegen vermögen auch die sogenannten automatischen Stabilisatoren (Sozialversicherungen) nichts Wirksames auszurichten; dies umso weniger, als der Bundesrat auch bei den Sozialversicherungen durchwegs Leistungsabbau vorschlägt. Dieser wird – wie die Heraufsetzung des Rentenalters der Frauen – den Arbeitsmarkt zusätzlich belasten. Dass nun die Schuldenbremse – entgegen Verfassung und Gesetz – einem wirksamen Konjunkturpaket entgegenstehen soll, ist umso stossender, als allein der Bund in den Aufschwungjahren rund 8,8 Mrd. Franken über die Schuldenbremse hinaus eingenommen hat. Die finanziellen Voraussetzungen für wirksame konjunkturstabilisierende Massnahmen sind da. Äusserst kurzsichtig – und mit Blick auf die Binnenwirtschaft verantwortungslos – ist die immer wieder zu hörende Meinung, dass die Schweiz, ohne einen eigenen Beitrag leisten zu müssen, früher oder später von den Stützungsmassnahmen anderer Länder profitieren werde.
Richtig geschnürte Konjunkturpakete wirken
Studien der KOF ETH zeigen, dass richtig geschnürte Konjunkturprogramme wirken. Geeignete Massnahmen müssen bei der Kaufkraft der Leute mit unteren und mittleren Einkommen, bei den öffentlichen Investitionen und bei Bildungsoffensiven ansetzen. Bei diesen Massnahmen sind sowohl die konjunkturellen Effekte wie auch die längerfristigen Resultate positiv. Indem es zu weniger Entlassungen kommt, wird die Vernichtung von Wissen, Qualifikation und Erfahrung vermieden. Das ist – abgesehen von den positiven unmittelbaren Folgen – wirtschaftlich auch mittel- und längerfristig wachstumsfördernd.
Zitiervorschlag: Rechsteiner, Paul (2009). Wirksame Massnahmen gegen die Krise – auch im Interesse künftiger Generationen. Die Volkswirtschaft, 01. Juli.