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Auf dem Weg zur Selbstfindung

Auf dem Weg zur Selbstfindung

Mitte der 1990er-Jahre führten Bund und Kantone individuell gewachsene Strukturen aus dem höheren Bildungsbereich zu Hochschulen zusammen, die gegenüber den Universitäten als «andersartig, aber gleichwertig» gelten sollten. Aus Schulen mit ganz unterschiedlichen Kulturen entstanden bis heute heterogene Gebilde, die ihre Position in der schweizerischen Hochschullandschaft noch nicht definitiv gefunden haben. Auf diesem Weg zeichnen sich für die Fachhochschulen Tendenzen ab, die den Dozierenden zur Sorge Anlass geben.

Es scheint für Bund und Kantone von Anfang an klar gewesen zu sein, dass die Andersartigkeit der neuen Hochschulen nicht zuletzt darin liegen sollte, dass sie ihnen die klassische Bottom-up-Struktur der Universitäten verwehren wollten. Im Entwurf der Berner Fachhochschule stand z.B. ursprünglich, dass die Berner Fachhochschule eine «geführte Unternehmung» sein sollte, was dem Hochschulanspruch gerade doppelt zuwider lief: Einerseits kann eine (öffentliche) Schule keine Unternehmung sein; andererseits passt der mit «Unternehmung» implizierte Begriff von Führung nicht in eine Schule.

Die Sorge um die Qualität der Lehre…


Es gibt keine Hochschule ohne Studierende. Eine Hochschule ohne Dozierende ist aber noch weniger denkbar. Ihre individuellen und fachlichen Qualitäten und ihr Arbeitsumfeld sind von entscheidender Bedeutung für den Ruf und den Erfolg ihrer Hochschule. Das beschränkt sich nicht einfach auf ihre Rolle als Unterrichtende (und Forschende), sondern auch auf ihre Partizipation an der Gestaltung ihres Arbeitsorts und – last, but not least – auf die Vertretung ihrer eigenen Interessen als Berufsstand.  Niemand bestreitet die Bedeutung der Forschung im Rahmen der Fachhochschulen. Ihr eigentliches Kerngeschäft ist aber nach wie vor die Lehre. Mit Genugtuung stellen die Dozierenden fest, dass sie im Bedürfnis, optimale Lehre zu ermöglichen, auf der gleichen Seite stehen wie die Studierenden. Der Verband der Fachhochschuldozierenden (FH-CH) plant zusammen mit dem Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS), im November eine Tagung zu diesem Thema durchzuführen.

…und um das Umfeld


Auf dem Weg zur Selbstfindung der Fachhochschulen zeichnet sich zudem eine Entwicklung ab, die viele Dozierende beunruhigt: In den meisten Fällen sind die Leitungsorgane der neuen Fachhochschulen von ihren Trägerschaften ohne echte Einbindung der Dozierenden bestellt worden – und zwar nicht für eine bestimmte Amtszeit, aus der sich eine gewisse Qualitätskontrolle ergeben könnte. Das hat den Effekt, dass diese Organe dem Bildungs- und Hochschulwesen fern stehen. Das ist nicht in sich falsch: Auch Hochschulen brauchen den Bezug zur Aussenwelt. Wesentlich ist jedoch, dass sich diese auch auf die Bedürfnisse der Hochschulen einlassen können.  Der FH-CH stellt mit Sorge fest, dass die administrative Last auf den einzelnen Dozierenden parallel zum administrativen Aufwand der Schulleitungen wächst und sich der finanzielle Aufwand der Schulen immer mehr von den Ausgaben für die Kernaufgabe Lehre hin zur Verwaltung verlagert. Deshalb hat der Verband an seiner Pressekonferenz vom 11. Mai 2009 die Forderung nach einem Benchmark für die Administration der Fachhochschulen gestellt. Die Administration sollte möglichst schlank sein und nicht eine Behinderung der Lehrtätigkeit darstellen, sondern ihrer Unterstützung dienen. Das kann sie nur, wenn sie den Bedürfnissen der Dozierenden entgegen kommt.  Ein zweiter Kernpunkt aktueller Besorgnis liegt darin, dass der Mitwirkung der Dozierenden am Geschick der Schulen als Ganzem, aber auch ihrer Departemente verschwindend klein ist. Gerade hier wären wesentliche Impulse nötig: Eine Schulleitung, die sich nur ein sehr allgemeines Bild von den eigentlichen Bedürfnissen der Schule machen kann, riskiert, über die Köpfe weg zu befinden und Entscheide zu treffen, deren schiere Nichtanwendbarkeit zu Änderungen und Widerrufen führen muss.

Eine Stimme in der neuen Hochschulkonferenz


Das Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich (HFKG) sieht zwar eine/n Vertreter/in der Studierenden in der eidgenössischen Hochschulkonferenz vor, nicht aber ein/e Vertreter/in der Dozierenden. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass sich die drei Dozierendenverbände (FH-CH, Schweizerische Gesellschaft für Lehrerinnen und Lehrerbildung SGL und Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden VSH-AEU) Ende Juni spontan zu einer Plattform zusammengefunden haben, um diesen Platz einzufordern.

Zitiervorschlag: Robert Ruprecht (2009). Auf dem Weg zur Selbstfindung. Die Volkswirtschaft, 01. September.