FH-Absolvierende – Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis
Absolvierende von Fachhochschulen (FH) schlagen die Brücke zwischen Theorie und Praxis. Ihr entsprechendes Profil ist geprägt von der anwendungsorientierten Ausrichtung ihres Ausbildungsweges über Berufslehre, Berufsmatura und FH-Studium. Dieses Profil garantiert nicht nur einen nahtlosen Eintritt und Verbleib in der Arbeitswelt, sondern stützt die Schweizer Volkswirtschaft in erheblichem Masse. Kernelement dieses gewinnenden Profils ist die hohe so genannte Employability (Beschäftigungsbefähigung) von FH-Absolvierenden. Sie wird nicht nur von der Bologna-Reform gefordert, sondern weist auf ein zeitgemässes Verständnis von Bildung hin.
«Ich fühle mich sehr gut vorbereitet.» Selbstbewusst blickt Martin Kurmann in die Zukunft. Der 25-Jährige hat soeben das Studium der Systeminformatik mit Vertiefung in Software-Entwicklung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) – Teilschule der Zürcher Fachhochschule – erfolgreich abgeschlossen. Für ihn beginnt in wenigen Wochen ein neuer Lebensabschnitt: Der Inhaber einer Berufsmaturität tritt seine erste Stelle als Absolvent einer Fachhochschule an. «Da ich vor dem Studium eine Lehre absolviert und während des Studiums immer wieder im Informatikbereich gearbeitet habe, ist es für mich eigentlich ein Wiedereintritt. Ich weiss, was es heisst, in einem Unternehmen zu arbeiten.» Bauen die universitären Hochschulen (UH) auf einer breiten Allgemeinbildung auf, verlangen die FH von ihren Studierenden in der Regel eine berufliche Grundausbildung mit Berufsmaturität. Dieser enge Bezug zur Arbeitswelt wird in den Aus- und Weiterbildungslehrgängen der FH gross geschrieben und bildet einen der wichtigsten Unterscheidungselemente zu den UH. Mit anderen Worten: Die Anwendungsorientierung der Lehrinhalte ist bei FH – im Gegensatz zu den UH – hoch; die entsprechenden Abschlüsse garantieren die für die Arbeitswelt sehr wichtige Berufsqualifizierung.
Hohe Employability sichern
Bildung ist ein viel diskutierter Begriff. Die einen verstehen darunter den Prozess, sich Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen; andere stellen womöglich den erreichten Zustand des Gebildetseins in den Vordergrund. Bis zum 19. Jahrhundert blieben die Bildungsinhalte gemeinhin losgelöst von möglicher Ausrichtung auf irgendwelche Berufe. Lehrinhalte folgten der Pflege überlieferter Ideale sowie Wertvorstellungen und unterwiesen den Einzelnen in seiner mehr oder weniger kritischen Begegnung mit der Welt. Heute sind die Erwartungen an die Bildung enorm gestiegen. Sie soll nicht nur die Teilnahme des Einzelnen an der Kultur beziehungsweise am Kulturerbe ermöglichen, sondern seine Chancen auf ein aktives Leben in Gesellschaft und Wirtschaft erhöhen sowie seine Existenz sichern. Gerade dieser letzte Aspekt spielt in unserer von der Wirtschaft stark geprägten Gesellschaft eine zentrale Rolle. Speziell auch im Bereich der Hochschulbildung. In diesem Kontext gewinnt die so genannte Employability (Beschäftigungsbefähigung) von Hochschulabsolvierenden an Gewicht. In der Regel wird sie so definiert, dass damit die Qualifikationen erfasst werden, welche die Absolvierenden in die Lage versetzen, einen Arbeitsplatz zu finden, im Arbeitsprozess unabhängig vom Arbeitgeber zu bleiben und hohe Arbeitsqualität verantwortungsvoll zu leisten. Dafür sind geeignete Kompetenzen und Arbeitswelterfahrung (Berufspraxis, Unternehmenspraxis) nötig – mithin Elemente, die gerade das Curriculum über Berufslehre, Berufsmaturität und FH-Studium auszeichnen. Dieses einmalige Profil von FH-Absolvierenden weist Vorteile auf, wie verschiedene Untersuchungen immer wieder belegen. Der vom Bundesamt für Statistik (BFS) im Februar 2009 herausgegebene Bericht «Von der Hochschule ins Berufsleben: Erste Ergebnisse der Absolventenbefragung 2007» betont beispielsweise, dass das Bruttojahreseinkommen ein Jahr nach Studienabschluss bei FH-Absolvierenden über demjenigen der Absolvierenden von UH liegt. Überdies wird festgehalten, dass die Erwerbslosenquote – ebenfalls ein Jahr nach Studienabschluss – bei FH-Absolvierenden bei 3% liegt, bei den UH-Absolvierenden bei 5%. Als wichtiger Indikator für die Bewertung einer Hochschulausbildung kann unter anderem der Verlauf des Einstiegs in die Arbeitswelt sowie der ersten Jahre der Erwerbstätigkeit herangezogen werden. Die Studie «Aufgestiegen und erfolgreich» der deutschen HIS Hochschul-Informations-System GmbH aus dem Jahr 2009 zeigt hierzu, dass FH-Absolvierende in Deutschland rascher (nach 20 Monaten) einer regulären Erwerbstätigkeit nachgehen können als ihre Kolleginnen und Kollegen der Universität (nach 40 Monaten). Zehn Jahre nach Studienabschluss sind in Deutschland 91% der Fachhochschul- und 89% der Universitätsabsolvierenden erwerbstätig.
Hohes Einkommen und hohe Zufriedenheit
Den Fokus auf die gegenwärtigen Lohn- und Anstellungsverhältnisse von FH-Absolvierenden in der Schweiz richtet die Ende Juni erschienene «FH-Lohnstudie 2009» der FH Schweiz. Befragt wurden zu diesem Zweck FH-Schweiz-Mitglieder der Studienbereiche Wirtschaft und Dienstleistung, Technik und Informationstechnologie, Architektur, Bau- und Planungswesen, Chemie und Life Science, Land- und Forstwirtschaft sowie Angewandte Psychologie. Im Schnitt verdienen FH-Absolvierende über alle Altersklassen betrachtet 120800 Franken im Jahr 2009. Knapp 20% der Absolvierenden arbeiten auf oberer Kaderstufe und verdienen im Jahr 2009 157400 Franken. Dies sind 64500 Franken mehr als der durchschnittliche Verdienst auf Stufe Sachbeziehungsweise Fachbearbeitung. Selbstständig erwerbende FH-Absolvierende – rund 4% – rechnen mit einem Durchschnittslohn von 120000 Franken. Im Schnitt darf ein FH-Absolvent unter 30 Jahren mit 90100 Franken für das 2009 rechnen. Wer zwischen 31 und 35 Jahre alt ist, geht von 114900 Franken aus. Die Altersgruppe zwischen 36 und 40 Jahren kommt auf 132400 Franken – ab dem 41. Lebensjahr verdient man im Schnitt 140800 Franken. 57% der FH-Absolvierenden sind in Unternehmen mit maximal 500 Mitarbeitenden tätig; der Grossteil dabei in Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden. Dies lässt den Schluss zu, dass FH-Absolvierenden eine zentrale Bedeutung für die hiesigen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zukommt. Nur 6% der FH-Absolvierenden arbeiten in Konzernen mit mehr als 50000 Mitarbeitenden.
Nahtloser Übergang in die Praxis
Nach Abschluss des Studiums bekunden FH-Absolvierende kaum Mühe, eine geeignete Anstellung zu finden. 89% der Absolvierenden der Studienrichtung Wirtschaft und Dienstleistungen fanden direkt beziehungsweise innerhalb von sechs Monaten nach Studienabschluss eine geeignete Anstellung, bei den Absolvierenden einer technischen Studienrichtung waren es sogar 94%. Im Studienbereich der Angewandten Psychologie liegt der entsprechende Wert leicht tiefer, nämlich bei 82%. Gegenwärtig gehen 11% der Absolvierenden einer technischen Studienrichtung einer Teilzeitarbeit nach; bei den Absolvierenden des Wirtschaftsbereichs sind es 10%. Ein anderes Bild zeigt sich bei den Psychologinnen und Psychologen: Hier arbeiten fast 80% teilzeitlich. Überdies gehört Weiter- und Fortbildung zum Berufsverständnis von FH-Absolvierenden. Sehr deutlich zeigt sich dies bei den Absolvierenden der Angewandten Psychologie: Dort besuchen gegenwärtig rund 75% der Antwortenden eine Weiterbildung – und 87% haben bereits eine Weiterbeziehungsweise Fortbildung abgeschlossen. Bei den Ingenieuren, Architekten und Informatikern bilden sich im Moment 45% weiter; 80% haben bereits eine Weiterbildung abgeschlossen. Ähnlich sieht die Situation bei den Absolvierenden des Studienbereichs Wirtschaft und Dienstleistungen aus: 40% bilden sich gegenwärtig weiter, 62% haben die Schulbank seit Studienabschluss wieder gedrückt. Sehr beliebt sind in diesem Zusammenhang Fach-, Führungssowie Sprachkurse. Auch das Interesse für Weiterbildungslehrgänge auf Hochschulniveau (exekutive Masterstufe) ist gross.
Zufrieden mit Lohn und Lebenssituation
77% der Wirtschaftssowie 79% der Technikabsolvierenden sind mit ihrem gegenwärtigen Verdienst zufrieden beziehungsweise sehr zufrieden. Leicht tiefer – und zwar bei 69% – liegt der entsprechende Wert bei den Psychologinnen und Psychologen. Darüber hinaus zeichnen sich FH-Absolvierende durch eine allgemeine Grundzufriedenheit aus. Dies zeigt sich deutlich beim «Sorgen-Barometer»: Jeder zweite Absolvierende – ungeachtet des Alters – ist zufrieden. Ungewissheit über mögliche Karriereaussichten bereiten vor allem jüngeren FH-Absolvierenden Sorgen; bei älteren FH-Absolvierenden werden Fragen rund um die Altersvorsorge wichtiger. Überraschend ist zudem, dass ein möglicher Stellenverlust oder Schwierigkeiten, eine Stelle zu finden, kaum Anlass zu Sorgen geben. Dies kann als Indiz gelesen werden, dass sich FH-Absolvierende ihrer hervorragenden Position auf dem Arbeitsmarkt bewusst sind. Befragt nach den Elementen, welche das Profil von FH-Absolvierenden auf dem Arbeitsmarkt bestimmen, stechen zwei Kernbegriffe hervor: Die Sozial- und die Fachkompetenz. In den Augen der FH-Absolvierenden ist zudem die einschlägige Berufserfahrung, die vor und während des Studiums gemacht wird, ein grosses Plus der FH-Absolvierenden im Rennen um gute Arbeitsstellen.
Gefahr der Angleichung
Der Hochschulbereich befindet sich derzeit in einem starken Veränderungsprozess. Zwei Grundelemente bestimmen Ausrichtung und Dynamik dieses Prozesses: – Erstens zwang die Bildung der Fachhochschulen auf Grund der Andersartigkeit dieses Hochschultypus dem Hochschulbereich eine Differenzierungstendenz auf. Gleichzeitig sehen sich Hochschulen gefordert, eine markante Profilierung herauszuarbeiten. Sie stehen untereinander im Wettbewerb und müssen sich über spezifische Vorzüge differenzieren. – Zweitens leitete die Umsetzung der Bologna-Reform eine Angleichungstendenz ein: Hochschulen weisen heute gleiche Studienstufen, Leistungsbeschreibungen und Titelstrukturen auf. In diesem Spannungsfeld zwischen Differenzierung und Angleichung besteht die begründete Gefahr, dass die FH von ihrer Ausrichtung auf anwendungsorientierte Lehre und Forschung abkommen und damit das starke Profil ihrer Absolvierenden unterwandert wird. Wohin eine solche Entwicklung führen kann, zeigen Beispiele aus dem Ausland. In Schweden waren im ersten Quartal 2009 rund 25% der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos. In Italien besitzen nur 41% der Hochschulabgehenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag, der Rest muss sich mit befristeten Erwerbstätigkeiten oder Praktika über Wasser halten. Als Grund für diese volkswirtschaftliche Fehlentwicklung wird in beiden Ländern unter anderem die zu wenig auf die Praxis bezogenen Ausbildungen angeführt. Es überrascht folglich kaum, dass die europäischen Bildungsminister anlässlich der 5. Bologna-Nachfolgekonferenz von Ende April die Betonung der Employability im Hinblick auf die Schwerpunktausrichtung ihrer Arbeit bis 2020 besonders hervorgehoben haben. Die Ausbildung an einer Fachhochschule stellt die Employability seit jeher mit in den Mittelpunkt. Ihre Absolvierenden prägen ein in die Zukunft weisendes und volkswirtschaftlich sinnvolles Profil. Ein junger Absolvent wie Martin Kurmann ist ein Beispiel dafür.
Grafik 1 «Employability von Fachhochschul- und Universitätsabsolvierenden – eine Übersicht»
Grafik 2 «Profil von Fachhochschul-Absolvierenden»
Kasten 1: Kernkompetenzen von FH-Absolvierenden Kompetenzen vor FH-Studium: – Kompetenzen im Hinblick auf gelernten Beruf sowie Studienbeginn an Fachhochschule; – Sozialkompetenz (Teamarbeit im Berufsalltag, Umgang mit Kritik, berufliche Beziehungen pflegen). Kompetenzen nach FH-Studium (Bachelor, Master): – Fachkompetenz (fachliches Know-how, Umsetzungsstärke, berufsbefähigende Ausrichtung); – Methodenkompetenz (Ausarbeitung von Lösungsansätzen, Umgang mit Komplexität, Methoden der angewandten Forschung); – Selbstkompetenz (Selbstständigkeit, Ziel- und Ergebnisorientierung, verantwortliches Handeln, Lernbereitschaft); – Sozialkompetenz (Teamarbeit, Kommunikation, interdisziplinäres Handeln).
Zitiervorschlag: Schmid, Toni (2009). FH-Absolvierende – Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis. Die Volkswirtschaft, 01. September.