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Erfolg zweier paralleler Bildungswege nicht gefährden

Erfolg zweier paralleler Bildungswege nicht gefährden

Bereits in der Vernehmlassung zum neuen Verfassungsartikel 2001 wies der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) auf die bildungs- und staatspolitischen Gefahren hin, die mit einer übersteuerten Koordination des schweizerischen Hochschulbereichs heraufbeschworen werden: Mit dem Hochschulgesetzesentwurf (HFKG) werden die je eigenen Aufgaben und Zielsetzungen der historisch unterschiedlich entstandenen, parallelen Bildungswege der Berufs- und der Allgemeinbildung auf Hochschulebene verwischt. Und ausgerechnet im Zeitalter der akzentuierten Globalisierung wird die Berufsbildung mit einer Stimme für jeden Kanton in der Schweizerischen Hochschulkonferenz rekantonalisiert.

Berufsbildung: Eine Bundes- und Verbundaufgabe


Zahlreiche Autorinnen und Autoren haben 2008 die 75-jährige, erprobte Bundeskompetenz der Berufsbildung bilanziert. Vgl. Bauder, Tibor und Fritz Osterwalder (Hrsg.): 75 Jahre eidgenössisches Berufsbildungsgesetz, Hep-Verlag 2008. Seit 1999 liegt auch die Verfassungskompetenz über die Berufsbildung beim Bund, einschliesslich der wichtigen Errungenschaft der Berufsmaturität (BM) als Königsweg in die Fachhochschulen (FH). Seit 2006 hat der Bund gar noch eine Förderkompetenz für die Berufsbildung auf der Verfassungsstufe. 1995 wurde das eidg. Fachhochschulgesetz (FHSG) erlassen und bereits 2005 für die Bologna-Reform revidiert. Bei allen Akteuren ist klar, was im Berufsbildungsgesetz (BBG) festgehalten ist: Die Berufsbildung ist eine Verbundaufgabe von Bund, Kantonen und den Organisationen der Arbeitswelt (OdA). Für den SGB ist das HFKG eine bildungs- und staatspolitische Fehlkonstruktion: – Bildungspolitische Ebene: Die Zukunft der Berufsbildung auf der tertiären Ebene wird mit dem Gesetzesentwurf gefährdet, weil die Zulassungsregelungen für die Fachhochschulen an den Hochschulrat delegiert werden. Der mit der tertiären Perspektive attraktiver gewordene Berufsbildungsweg wird damit geköpft, weil das Risiko besteht, dass damit die FH zu Universitäten zweiter Klasse werden und ihre Andersartigkeit als Teil der Berufsbildung verloren geht.  – Staatspolitische Ebene: Der Hochschulrat tritt für die FH an die Stelle des eidgenössischen Parlaments und der Verbundpartnerschaft. Das Parlament wird durch eine neue Ebene mit legislativer Kompetenz, aber ausschliesslicher exekutiver Zusammensetzung entmündigt.  Ein Teil unserer Kritik während der Vernehmlassung wurde aufgenommen. So wurde etwa das FH-Verhältnis zur höheren Berufsbildung in Art. 3 geregelt; in Art. 5 werden die Besonderheiten der Hochschulen aufgeführt; und in Art. 25 wird die Zulassung zu den FH über die BM festgehalten. Doch die Delegationskompetenz der Zulassungsregelung an den Hochschulrat (Art. 73) relativiert diese Punkte gleich wieder.

Vorschläge für ein schlankes HFKG


– Die Substanz des neuen und von den Verbundpartnern gemeinsam eben erst teilrevidierten FHSG (Zielsetzung, Zulassung) bleibt – wie das ETH-Gesetz – in seiner Substanz erhalten. Es enthält bereits einen Koordinationsauftrag (Art. 1a, 1), der dem neuen Verfassungsauftrag gerecht wird. – Das Universitätsförderungsgesetz (UFG) wird revidiert. Dabei werden die kostenintensiven Bereiche strategisch neu aufgegleist (hoher Nachholbedarf) und eine Portfoliobereinigung wird vorgenommen. – Der Hochschulrat ist das einzige Steuerungsorgan in einem neuen, schlanken Rahmen- und Koordinationsgesetz HFKG. Dieser Rat besteht etwa hälftig aus Vertretern des Bundes und der Kantone. Die Bundesvertretung wird – neben dem leitenden Bundesrat – auch nach den Gesichtspunkten der Steuerung der Berufsbildung sowie der Förderung des Berufsbildungssystems mit seiner berufspraktischen Orientierung zusammengesetzt, d.h. mit einer mehrköpfigen Vertretung der Sozialpartner. – Für die Akkreditierung einer Hochschule muss eine sozialpartnerschaftliche Regelung der Arbeitsverhältnisse verankert und die Mitbestimmung der Studierenden sowie des Personals verbindlich geregelt werden.  Die zukünftige internationale Herausforderung verlangt entschieden nach einer bundesdominierten Steuerung mit Blick auf transnationale Prozesse und nicht nach einer Rekantonalisierung. Die bewährte Verbundpartnerschaft in der Berufsbildung kann nicht mit einem «ständigen Ausschuss aus Vertreter/innen der OdA» (Art. 16), dessen Präsidium in der Schweiz. Hochschulkonferenz mit beratender Stimme teilnehmen kann (Art. 13), ernsthaft ersetzt werden. Fazit: Das HFKG ist zu einem echten Koordinations- und Rahmengesetz zu verschlanken, das als Rahmen für die bisherigen Hochschulerlasse und die neuen Koordinationsorgane massgeblich ist. Auf Verordnungsstufe sind Passerellen-Regelungen zwischen FH, Universitäten und ETH zu verankern.

Zitiervorschlag: Peter Sigerist (2009). Erfolg zweier paralleler Bildungswege nicht gefährden. Die Volkswirtschaft, 01. September.