Suche

Abo

Konjunkturindikatoren: Der Aussenhandel

Was geradezu typisch für kleinere Volkswirtschaften ist, gilt auch für die Schweiz: Der Aussenhandel erbringt einen wesentlichen Beitrag an die gesamtwirtschaftliche Leistung des Landes. Zugleich spielt der Aussenhandel eine bedeutende Rolle als gleichlaufender Konjunkturindikator. Damit lassen sich nicht nur Rückschlüsse über den Zustand der inländischen Konjunktur ziehen, sondern auch über die ausländische Konjunkturlage.

Die Aussenhandelsstatistik liefert Informationen über die Entwicklung und die Struktur des grenzüberschreitenden Warenverkehrs der Schweiz mit dem Ausland. Da jeder gewerbsmässig getätigte Import und Export von Waren anmeldepflichtig ist, kommt dies einer (aussenhandels-)statistischen Vollerhebung gleich. Die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) bereitet diese Daten auf und informiert mindestens einmal monatlich – namentlich mittels Medienmitteilung – über die Ergebnisse im schweizerischen Aussenhandel.  Die aussenhandelsstatistischen Daten fallen anlässlich der Zollanmeldung sozusagen als Kuppelprodukt an. Die Zollanmeldung enthält u.a. Angaben über die Ware selbst (codiert mit der entsprechenden achtstelligen Zolltarifnummer), den statistischen Warenwert (FOB/CIF FOB = Free On Board; CIF = Cost Insurance Freight (international Handelsklauseln).; exkl. Steuern), die Menge (kg, Liter, Stück, Paar etc.), das Bestimmungsbzw. Versendungsland und den benutzten Verkehrszweig. Pro Jahr werden fast 21 Mio. Import- und Exportanmeldungen verarbeitet und ausgewertet. Rund 95% aller Import-Zollanmeldungen erfolgen derzeit elektronisch; beim Export sind es rund 45%.

Sachliche Gliederung der Aussenhandelsergebnisse


Die EZV veröffentlicht dabei die neusten (im laufenden Jahr als provisorisch geltenden) Export- und Importergebnisse in absoluten Frankenwerten, aber auch Mengenangaben sowie die nominalen und realen Veränderungsraten, jeweils mit dem Vorjahresmonat als Vergleichsbasis. Als Deflator setzt die EZV den Mittelwertindex ein, der auf Basis der Durchschnittswerte je Warenposition approximativ die Preisentwicklung im Aussenhandel widerspiegelt. Für detaillierte Informationen siehe Das HS ist seit 1988 in Kraft und findet in mehr als 200 Ländern Anwendung (mehr Informationen unter Standard International Trade Classification. Diese Nomenklatur ist hauptsächlich nach wirtschaftsstatistischen Kriterien aufgebaut. Sie wurde inzwischen viermal revidiert. Die EZV bietet ebenfalls Auswertungen des schweizerischen Aussenhandels nach dieser Nomenklatur an.

Die Exporte als Beispiel


Die Exportergebnisse des 1. Halbjahrs 2009 nach Industriezweigen (siehe Tabelle 2) verdeutlichen, welche Branchen besonders unter dem derzeit weltweiten Nachfrageeinbruch zu leiden haben. Neben der Metall-, Maschinen- und Elektronikindustrie sind dies vor allem die Uhren- und die Textilindustrie. Grafik 1 stellt die Exportentwicklung über einen Zeitraum von insgesamt 22 Quartalen dar. Der saisonbereinigte Kettenindex bildet dabei den Verlauf des Exportniveaus – das Einsetzen des Wachstums im 4. Quartal 2004 und den Wendepunkt ab 3. Quartal 2008 – nach, der quasi mit der inländischen Konjunkturentwicklung einherging. Betrachtet man den Zeitraum von 20 Jahren, zeigt sich ein Phänomen in der schweizerischen Handelsbilanz (siehe Grafik 2): Das einstmalige Defizit (als ein Zeichen einer Hochkonjunkturphase wie z.B. 1988/1989) hat sich seit den 1990er-Jahren nach und nach in einen – ungeachtet der Konjunkturlage – permanenten Überschuss gewandelt. Die Exporte pro Einwohner und Kanton (siehe Grafik 3) lassen ebenfalls Rückschlüsse auf die regionale Konzentration gewisser wertschöpfungsintensiver Branchen zu, wie z.B. die Pharmaindustrie in Basel-Stadt oder die Uhrenindustrie in Neuenburg.

Die Statistiknutzer im Inland…


Die schweizerische Aussenhandelsstatistik wird von unterschiedlichen Kreisen der Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Politik genutzt, sei es als spezifische Grundlage oder als ergänzendes Informationsmittel für (künftige) wirtschaftliche Entscheidungen. Aus den zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten seien hier einige aufgeführt: – Die Aussenhandelsdaten dienen den Instituten für Konjunkturprognosen zur Schätzung der Komponenten des BIP.  – Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) liefern sie Angaben für die Erstellung der Zahlungsbilanz.  – Die Geschäftsbanken setzten sie u.a. für Marktstudien ein (z.B. für regionale und sektorale Potenzialanalysen).  – Den Unternehmen hilft die Aussenhandelsstatistik dabei, strategische Entscheidungen hinsichtlich ihrer Absatz- und Beschaffungsmärkte zu treffen, und die Wirtschaftsverbände verfügen damit über Zusatzinformationen zur aktuellen Branchenentwicklung.  – Sie wird auch von Verwaltungsstellen des Bundes und der Kantone genutzt. Dazu gehören insbesondere das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), welche die Aussenhandelsdaten im Rahmen ihres Aufgabengebiets – z.B. Export-/Importkontrolle oder für Freihandelsabkommen – auswerten und aufbereiten. – Auch die schweizerischen Botschaften im Ausland gehören zu den Nutzern der Statistik, u.a. damit sie sich ein detailliertes Bild über die bilateralen Handelsbeziehungen mit dem Gastland machen können. Dasselbe trifft natürlich auch auf die ausländischen Vertretungen in der Schweiz zu.  – Und nicht zuletzt nutzen in- und ausländische Behörden die Aussenhandelsstatistik, um grenzüberschreitende Wirtschaftskriminalität aufzudecken.

… und im Ausland


Die Nutzerkreise wie auch die Datenverbreitung (Dissemination) im Ausland sind in Form und Inhalt mit jener der Schweiz vergleichbar. Auch dort haben Statistiken über den Aussenhandel eine analog grosse Bedeutung für die einzelnen Länder – aber nicht nur. Internationale Organisationen sowie Staatengemeinschaften unterhalten eigene statistische Datenbanken zu den verschiedensten Sach- und Wirtschaftsgebieten, auch über den Aussenhandel. Die Schweiz (bzw. die EZV) liefert ihre aussenhandelsstatistischen Daten an das Eurostat, die OECD und die Welthandelsorganisation (WTO) zwecks Einbindung in deren Datenbanken. Letztgenannte veröffentlicht alljährlich den Welthandelsbericht, der nebst der Entwicklung des globalen Waren- und Dienstleistungshandels auch die Anteile der einzelnen Länder am weltweiten Import und Export festhält. Im Jahr 2008 lag die Schweiz weltweit auf dem 23. Rang bezüglich Importen und auf dem 20. Rang bezüglich Exporten. Ebenfalls Abnehmer der schweizerischen Aussenhandelsdaten ist der Internationale Währungsfonds (IWF).

Fazit und Ausblick


Die schweizerische Aussenhandelsstatistik ist national und international gut eingebettet. Ihr Beitrag zur Konjunkturdiagnose und -prognose ist offensichtlich und ihr Stellenwert innerhalb der Wirtschaftsstatistik unbestritten. Nichtsdestotrotz sind die Gräben auf Ebene der Verbindung zu anderen nationalen Wirtschaftsstatistiken – wie z.B. zu den Wirtschaftsaktivitäten (Noga) oder zur Güterklassifikation/Wirtschaftszweigen (CPA-CH) Classification of Products by Activity (CH). – gross; d.h., es liegen noch keine standardisierten, offiziellen Konkordanzen zwischen den verschiedenen statistischen Klassifikationen vor. Die Bemühungen zur Behebung dieses Mangels laufen aber.

Grafik 1 «Nominale Exportentwicklung nach Quartalen»

Grafik 2 «Saldo in der Handelsbilanz, 1988-2008»

Grafik 3 «Exporte pro Einwohner, 2008»

Tabelle 1 «Begriffserläuterungen»

Tabelle 2 «Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % Mio. CHF nominal Mittelwert realTotal 88 923 -15.6 1.8 -17.0»

Kasten 1: Ursprung der Aussenhandelsstatistik
Die systematische Erfassung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs blickt auf eine lange Tradition zurück. Eine erste aussenhandelstatistische Grundlage setzte die Einführung der «eidgenössischen Grenzzölle» im Jahr 1816. Die weitere Entwicklung der schweizerischen Aussenhandelstatistik war dabei eng mit jener des Zollwesens verbunden. In den Anfangsjahren beschränkten sich die Publikationen auf einfache Listen. Am 1.1.1885 nahm die heutige Aussenhandelsstatistik offiziell ihre Tätigkeit auf. Seit ihren Anfängen ist sie organisatorischer und administrativer Teil der Zollverwaltung.

Zitiervorschlag: Matthias Pfammatter (2009). Konjunkturindikatoren: Der Aussenhandel. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.