Suche

Abo

Freihandelsabkommen mit Kolumbien: Aussenwirtschaftspolitik und Entwicklungszusammenarbeit eng abgestimmt

Die Efta- Staaten und Kolumbien haben ein umfassendes Freihandelsabkommen (FHA) abgeschlossen, welches die Rahmenbedingungen der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen verbessert. Das Abkommen eröffnet insbesondere der Schweizer Exportwirtschaft einen Markt mit grossem Wachstumspotenzial und verschafft den Exporteuren einen stabilen, offenen und weitestgehend diskriminierungsfreien Zugang zum kolumbianischen Markt. Das FHA trägt auch zur wirtschaftlichen Stabilisierung und Entwicklung Kolumbiens bei, dies dank der Abstimmung der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik mit der Entwicklungszusammenarbeit.

Das FHA zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) und Kolumbien, das am 25. November 2008 in Genf unterzeichnet wurde, ist für die Efta-Staaten (Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island) das dritte Abkommen mit einem lateinamerikanischen Land nach Mexiko und Chile. Für Kolumbien ist es das erste mit europäischen Staaten.  Es handelt sich um ein umfassendes FHA, welches auf präferenzieller Basis – d.h. über die Standards der Welthandelsorganisation (WTO) hinaus – den Marktzugang und die Rechtssicherheit für Exporte (Waren und Dienstleistungen) verbessert, die Zulassung und Nutzung von Investitionen sichert sowie den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum garantiert. Das öffentliche Beschaffungswesen, der Wettbewerb und die technische Zusammenarbeit sind ebenfalls Teil des Abkommens.

Wirtschaftliche Bedeutung des Abkommens


Das Vertragswerk erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft, indem Diskriminierungen abgewendet werden, die aus bestehenden und künftigen Präferenzabkommen Kolumbiens mit anderen Partnerstaaten hervorgehen (siehe

Kasten 1
Kolumbien ist Mitglied der Andengemeinschaft CAN (Kolumbien, Bolivien, Ecuador und Peru). Im zwischenstaatlichen Handel wurden die Zölle eliminiert; ein gemeinsamer Aussenzoll fehlt jedoch. Die CAN ist neben der Nafta (Mexiko, USA und Kanada) und dem gemeinsamen Markt Südamerikas Mercosur (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) der drittgrösste Wirtschaftsblock Amerikas. Das FHA zwischen Kolumbien und Chile sieht vor, dass bis 2011 der zollfreie Handel bei allen Produkten (inkl. Agrargüter) verwirklicht sein wird. Gemäss dem Abkommen mit den Ländern des Mercosur sollen bis spätestens 2018 alle Zölle zwischen Kolumbien und den Mitgliedern des Mercosur auf null abgebaut sein (inkl. Agrargüter). Präferenzabkommen bestehen mit zwölf Ländern der karibischen Gemeinschaft Caricom (Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana, Haiti, Jamaika, Montserrat, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname und Trinidad und Tobago), Mexiko, Kuba und Panama. Zudem ist Kolumbien Mitglied von Aladi, dem lateinamerikanischen Integrationsraum, der sich zusammensetzt aus den Mitgliedern der CAN und des Mercosur plus Chile, Mexiko und Venezuela. Die Mitglieder gewähren sich Präferenzzölle. Kolumbien und die USA unterzeichneten im November 2006 ein umfassendes FHA. Ausstehend ist die Ratifikation durch den amerikanischen Kongress. Im November 2008 unterzeichnete Kolumbien mit Kanada ebenfalls ein umfassendes FHA. Der Ratifikationsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Mit der EU sind Verhandlungen über ein FHA im Gang. Unter dem Allgemeinen Präferenzensystem (APS) profitiert Kolumbien von präferenziellem Zugang zu den Märkten z.B. Kanadas, der EU, Japans, der Schweiz oder von den USA. Die APS der einzelnen Industrieländer gewähren für Waren aus Entwicklungsländer unilateral einen präferenziellen Zugang, um einen Beitrag zur Entwicklung dieser Länder zu leisten.). Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ergibt sich daraus, dass die Schweiz und die übrigen Efta-Staaten damit präferenziellen Zugang zum kolumbianischen Markt erhalten, ohne dass dies zurzeit für ihre Hauptkonkurrenten aus der EU, den USA und Japan der Fall ist.  Die Schweizer Exporte nach Kolumbien stiegen von 184,4 Mio. Franken im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2004 auf einen Höchstwert von 307,2 Mio. Franken im Jahr 2007 und blieben auch 2008 mit 305,2 Mio. Franken auf ähnlich hohem Niveau. Die wichtigsten Exportgüter sind Pharmaprodukte (24,3%), chemische Produkte (21,1%), Maschinen, elektrische und elektronische Anlagen (17,7%), Färbstoffe, Essenzen, Parfüme und Kosmetika (11,9%), Präzisionsinstrumente (11,6%) und Uhren (5,2%). Die Exportangaben beziehen sich auf den Durchschnitt der Jahre 2006-2008. Verarbeitete Nahrungsmittelerzeugnisse machten demgegenüber nur rund 0,7% der Exporte aus.  Die durchschnittlichen MFN-Zölle Der gemäss dem Meistbegünstigungsprinzip («Most Favored Nation») für alle WTO-Mitgliedstaaten geltende Zoll. Kolumbiens für Agrargüter betrugen 2007 16,6%, während Industriegüter durchschnittlich mit 11,8% bei der Einfuhr belastet wurden. Angaben WTO, 2009. Länder wie die Schweiz, die EU oder die USA zahlen den MFN-Tarif (siehe Tabelle 1), der vor allem bei Nahrungsmitteln deutlich höher ist als für Länder, die bereits einen präferenziellen Zugang haben. Die Importe der Schweiz betrugen im Durchschnitt der Jahre 2006-2008 383 Mio. Franken. Die kolumbianischen Statistiken weisen weit höhere Exportwerte auf, da dort auch Gold in Barren erfasst wird. Die Comtrade-Datenbank wird mit Import- und Exportdaten der jeweiligen Staaten gespeist. Kolumbien weist Exporte in die Schweiz auf von 560,6 Mio. US-$ für 2006, 884,9 Mio. US-$ für 2007 und 945,5 Mio. US-$ für 2008. Davon entfallen im Durchschnitt der Jahre 2006-08 62,1% auf Gold und Edelsteine, 25,9% auf fossile Energieträger, 5,7% auf Erze, Schlacken und Aschen, 4,7% auf Färbstoffe und Pigmente, 0,4% auf pharmazeutische Produkte, 0,3% auf Albuminoide, Stärken und Enzyme, 0,2% auf Kaffee, 0,2% auf Schnittblumen, 0,2% auf verschiedene Nahrungsmittelzubereitungen und 0,1% auf Früchte. Unterschiede in den Exportdaten Kolumbiens und den Importzahlen der Schweiz können sich auch ergeben, wenn kolumbianische Exporte nicht direkt in die Schweiz, sondern via ein Drittland versendet werden. Beim Import erfasst der Zoll jeweils das letzte Exportland als Erzeugerland, welches nicht immer mit dem Ursprungsland der Ware übereinstimmt. Für Kolumbien ist die Schweiz die fünftwichtigste Exportdestination im Warenhandel. Ausser Gold, Platin und Edelsteinen importiert die Schweiz aus Kolumbien vor allem Kaffee, Früchte, Zucker, Präzisionsinstrumente, Blumen, Albuminoide, Stärken und Enzyme.  Grafik 1 verdeutlicht die Verschiebungen bei den Herkunftsländern der Importe auf dem kolumbianischen Markt. Zwar konnte die Schweiz wertmässig ihre Exporte steigern, jedoch ergab sich im Vergleich der Jahre 2001/02 zu 2007/08 ein Rückgang des Marktanteils von 1,2% auf 1,0%, was einer Abnahme um 15,3% entspricht. Im Fall des Haupthandelspartners USA war der Importanteilsverslust ähnlich hoch (-15,2%), bei der EU sogar fast 30%. Die Importmarktanteile konnten v.a. China (+178,5%) und Indien (+125%) steigern. Aber auch Länder mit Freihandelsoder Präferenzabkommen – wie Peru (+50,2%), Mexiko (+75,9%) und der Mercosur (+29,8%) – konnten zulegen. Mit dem FHA werden die Kosten für Warenimporte aus der Schweiz fallen. Damit könnten Marktanteilsverluste wieder wettgemacht werden. Die weitere Entwicklung des bilateralen Handels Schweiz-Kolumbien nach Abschluss des FHA wird in

Kasten 2
Die amerikanischen Ökonomen Jeff Bergstrand und Scott Baier können zeigen, dass sich mit einem FHA nach 10-15 Jahren der bilaterale Handel typischerweise verdoppelt.a Das hängt u.a. damit zusammen, dass die meisten FHA schrittweise über mehrere Jahre hinweg implementiert werden. Zudem passen die Wirtschaftsakteure ihre Tätigkeiten nach und nach an die verbesserten Rahmenbedingungen an. Mit Hilfe des nicht-parametrischen Matching-Econometrics-Ansatzes können sie auch eine Vorhersage der Entwicklung der Handelsströme im Fall des Abkommens mit Kolumbien treffen. In der Analyse des FHA Schweiz-Kolumbien haben die Autoren für das Jahr 2005 Länderpaare gesucht, die ähnliche Charakteristika (v.a. Sprache, gemeinsame Grenze, Distanz) aufweisen und ein FHA hatten. Als Match für bilaterale Handelsbeziehungen, wo bereits ein FHA besteht, ergaben sich das FHA Chile-Schweiz und das FHA Chile-EU. Je nach Güte des Match sollte die Differenz in den Niveaus der Handelsflüsse nur noch den Effekt eines FHA wiedergeben. In der Ex-ante-Analyse schätzen die Autoren, dass mit dem FHA der Handel zwischen der Schweiz und Kolumbien pro Jahr um rund 6,5% steigen dürfte. Der bilaterale Handel würde sich somit in 15 Jahren verdoppeln. geschätzt.

Grosses Wirtschaftspotenzial Kolumbiens


Mit 6% des lateinamerikanischen Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2008 ist Kolumbien die fünftgrösste lateinamerikanische Volkswirtschaft. Punkto Einwohnerzahl liegt das Land mit 46,1 Mio. Einwohnern (2007) hinter Brasilien und Mexiko auf dem dritten Rang Lateinamerikas. Es verfügt somit über einen beachtlichen Binnenmarkt mit guten Wachstumsaussichten. Das BIP-Wachstum liegt seit 2003 über dem Durchschnitt Lateinamerikas: Es beträgt pro Jahr über 4%, mit einem Spitzenwert von 7,5% (2007). Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise verlangsamte sich das Wachstum im Jahr 2008 auf 2,5%. Für 2009 wird mit einem Nullwachstum und für 2010 mit einem erneuten Aufschwung gerechnet. IWF-Prognose, Mai 2009. Damit gehört Kolumbien zu den Ländern Lateinamerikas, die von dem weltweiten Konjunkturtief nur moderat betroffen sind.  Kolumbien ist eine offene Volkswirtschaft. Der internationale Handel trägt rund 40% zum BIP bei. Die Auslandverflechtung im Kapitalbereich ist jedoch gering. 2007 bis 2008 waren Kapitalkontrollen wirksam. Dadurch haben sich Unternehmen nur wenig im Ausland verschuldet und sind von der Finanzkrise nur mässig betroffen. Zudem sind noch kaum ausländische Banken in Kolumbien tätig. Der Dienstleistungsanteil am BIP ist in Kolumbien von 53% im Jahr 1995 auf 60,1% im Jahr 2007 gestiegen. Im umfassenden FHA sind Dienstleistungen inklusive Finanzdienstleistungen enthalten. So besteht beispielsweise im Bankensektor ein Potenzial für Schweizer Firmen. Der Sektor erholte sich von der Bankenkrise Ende der 1990er-Jahre, als sich die Anzahl der Finanzinstitute halbierte.  Die Wirtschaft Kolumbiens ist diversifiziert. Als drittgrösstes Agrarland Lateinamerikas exportiert es an Agrarprodukten hauptsächlich Kaffee (drittgrösster Exporteur), Schnittblumen (zweitgrösster Exporteur), Bananen und Zucker. Zudem ist Kolumbien reich an Bodenschätzen wie Gold, Kohle, Nickel, Erdöl oder Smaragden (grösster Produzent weltweit). Wichtige Industriegüterexporte sind Chemikalien, Halbfabrikate (z.B. Papier, Zement, Leder), Maschinen und Transportequipment, Textilien und Kleider. Primärgüterexporte machen immer noch gegen 60% der Güterexporte aus (19,5% Agrargüter, 38,6% Energieträger und Bergbauprodukte).  Mehr als die Hälfte der Direktinvestitionen (FDI) Foreign Direct Investment. sind in den letzten Jahren in die Rohstoffindustrie und die rohstoffbasierte Verarbeitungsindustrie geflossen, getrieben von den hohen Rohstoffpreisen. FDI-Zuflüsse stiegen 2007 um 90% und erreichten 3,4 Mrd. US-Dollar. Die wichtigsten ausländischen Investoren stammen aus den USA, Spanien und Panama. Nach Brasilien (34,7 Mrd. Fr.) und Mexiko (4,9 Mrd. Fr.) ist Kolumbien mit 1,2 Mrd. Franken (FDI-Bestände) die drittwichtigste Destination von Schweizer FDI in Lateinamerika. FDI in den Dienstleistungssektor (Banken, Versicherungen, Transporte, Qualitätssicherung usw.) haben neben den FDI in die Industrie (Lebensmittel, Maschinen, Bau, Bergbau, Pharma und Chemie) an Bedeutung gewonnen.  Zum Boom in den letzten Jahren haben nicht nur die hohe Nachfrage nach Rohstoffen und deren Preisanstieg beigetragen, sondern auch interne Faktoren wie die Sicherheitspolitik von Präsident Uribe. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen wurden dadurch markant verbessert, und entsprechend zogen auch die Investitionen wieder an. Im Doing Business Report 2009 der Weltbank hat sich Kolumbien zwischen 2007 und 2009 um 26 Positionen verbessert und liegt nun vor Mexiko (56) und Brasilien (125) – wenn auch noch hinter Chile (40) – auf Rang 53. Als Plus werden die qualifizierten Arbeitskräfte, die Glaubwürdigkeit der Manager und das Unternehmertum herausgestrichen. Die stabilitäts- und reformorientierte Wirtschaftspolitik trug ebenfalls zu einem besseren Wirtschaftsklima bei. Die Inflationsrate ist von 2000 bis 2007 von fast 26% auf 4,8% gesunken und weist seither einen einstelligen Wert auf.

Ablauf der Verhandlungen und Inhalt des Abkommens Internet: www.efta.int/content/free-trade/fta-countries/colombia.


Im Rahmen der Verhandlungen mussten unterschiedliche Interessen zwischen den Efta-Staaten und Kolumbien insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Dienstleistungen überwunden werden. Zusätzliche Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, dass das FHA das erste derartige Abkommen Kolumbiens mit europäischen Partnern war, und dass Kolumbien Mitglied der Cairns-Gruppe ist. Der Cairns-Gruppe gehören die folgenden Staaten an: Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Guatemala, Indonesien, Kanada, Kolumbien, Malaysia, Neuseeland, Paraguay, Philippinen, Südafrika, Thailand und Uruguay. Innerhalb der WTO verlangt diese Gruppe eine radikale Liberalisierung des Agrarsektors. Trotz dieses schwierigen Umfelds gelang es den Efta-Staaten und Kolumbien schliesslich, ihre jeweiligen Interessen in Einklang zu bringen.

Warenhandel


Im Bereich des Warenhandels sieht das Abkommen die vollständige, aber asymmetrische Abschaffung der Zölle auf Industrieprodukten vor (einschliesslich Fisch und andere Meeresprodukte). Das Abkommen berücksichtig somit das unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungsniveau der Efta-Staaten und Kolumbiens. Die Efta-Staaten heben beim Inkrafttreten des Abkommens alle Zölle auf, während Kolumbien vorerst 86% seiner Tariflinien auf null senken wird. Die restlichen Zölle wird Kolumbien während fünfbis maximal zehnjährigen Übergangsfristen, die abhängig sind vom Sensibilitätsgrad der Produkte, beseitigen.  Was die Landwirtschaftsprodukte anbelangt, gewährt Kolumbien der Schweiz Konzessionen in Bezug auf gewisse verarbeitete Erzeugnisse – wie Schokolade, Bonbons, Suppen, Saucen, Erzeugnisse auf Kaffeebasis und Fertigfondue – sowie bei bestimmten nicht verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten (wie Trockenfleisch, Käse, Apfelsaft, Traubenmost, Wein und Zigaretten). Für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte gewährt die Schweiz Kolumbien Konzessionen in Form einer präferenziellen Behandlung, die derjenigen für Produkte aus der EU per 1. Januar 2008 entspricht. Ausserdem räumt sie Konzessionen in Form einer Reduktion oder Beseitigung der Einfuhrzölle für Bananen, tropische Früchte und gewisse Blumen ein und konsolidiert im Abkommen den Grossteil der Zollkonzessionen, die sie Kolumbien bisher autonom im Rahmen ihres Allgemeinen Präferenzsystems (APS) gewährt hat.

Dienstleistungen und Investitionen


Da der Dienstleistungssektor für seine Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigte sich Kolumbien bei den Verhandlungen über diesen Bereich besonders engagiert. Die sehr umfassenden Bestimmungen im Bereich der gegenseitigen Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen orientieren sich im Wesentlichen am Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Gats) der WTO und gehen in mehreren Bereichen über dieses hinaus (Finanzdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen, Anerkennung der Qualifikationen der Dienstleistungserbringer und Grenzüberschreitung natürlicher Personen zur Dienstleistungserbringung). Im Vergleich zu seinen bestehenden sektoriellen Verpflichtungen im Rahmen des Gats erweitert Kolumbien seine Marktzugangsverpflichtungen bei einer ganzen Reihe von Bereichen, die für die Schweizer Dienstleistungsexportindustrie von Bedeutung sind, insbesondere bei den Finanzdienstleistungen (vor allem bezüglich der Eröffnung von Zweigstellen im Versicherungs- und Bankbereich sowie für grenzüberschreitende Vermögensverwaltungsgeschäfte), bei den Unternehmensdienstleistungen (beispielsweise Installation von Maschinen) sowie bei den Vertriebs- und Logistikdienstleistungen.  Das Abkommen enthält auch Bestimmungen im Bereich der Investitionen, die auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung beim Marktzugang beruhen. Damit wird der Marktzutritt für Schweizer FDI in Kolumbien und für kolumbianische FDI in der Schweiz gewährleistet (Phase des sog. «Pre-Establishment»). Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in nationalen Vorbehaltslisten aufgeführt. Die Bestimmungen des FHA ergänzen somit die Bestimmungen des bilateralen Abkommens über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (ISA), das im Jahr 2006 von der Schweiz und Kolumbien unterzeichnet wurde und demnächst in Kraft treten wird.

Geistiges Eigentum, öffentliches Beschaffungswesen und weitere Bereiche


Zum ersten Mal in einem Efta-FHA wurden Bestimmungen zu den geistigen Eigentumsrechten an genetischen Ressourcen und zum traditionellen Wissen vereinbart, um die Transparenz beim Zugang in diesen Bereichen zu erhöhen. Patentanmeldungen müssen daher eine Deklaration der Herkunft oder Quelle einer genetischen Ressource enthalten, zu welcher der Erfinder oder Patentanmelder Zugang hatte.  Was das öffentliche Beschaffungswesen anbelangt, übernimmt das Abkommen mit Kolumbien die Grundbestimmungen des revidierten plurilateralen WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA). Damit kann Kolumbien in einen fortgeschrittenen Liberalisierungsprozess integriert werden. Dies ist umso bedeutender, als Kolumbien im Gegensatz zu den Efta-Staaten noch nicht Mitglied des GPA ist.  Mit einer Reihe von speziellen Bestimmungen in den Bereichen Wettbewerb und Beilegung von Streitigkeiten soll im Weiteren verhindert werden, dass die Vorteile des Abkommens durch wettbewerbsbehindernde Praktiken beeinträchtigt werden. Und es soll gewährleistet werden, dass Streitigkeiten nach einem genau festgelegten Verfahren beigelegt werden. Schliesslich sieht das Abkommen auch gezielte Massnahmen zur technischen Unterstützung zu Gunsten von Kolumbien vor. Diese wird die Schweiz im Rahmen eines bilateralen Programms zur wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit umsetzen, das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) realisiert wird. Handelsförderungsmassnahmen wurden für folgende Bereiche vereinbart: Marktstudien für potenzielle kolumbianische Exportprodukte in den Efta-Raum, Stärkung unternehmerischer Exportnetze und Kapazitätsaufbau zur Einhaltung internationaler Standards im Export (z.B. Laborinfrastruktur und Zertifizierungssysteme). Kolumbien ist seit Januar 2009 ein Schwerpunktland der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit des Seco. Das Seco engagiert sich in den Bereichen dezentralisierte wirtschaftliche Entwicklung (z.B. Vereinfachung der Unternehmensregistrierung), nachhaltiger Handel (z.B. bei Tropenholz), Förderung der Wettbewerbsfähigkeit (z.B. gezielte Beratung und Kreditzugang für KMU) und Technologietransfer bezüglich Umwelt und Klimawandel (z.B. Recycling elektronischer Abfälle, Biogasnutzung).

Kritische Voten zum Abkommen mit Kolumbien im Parlament…


Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des FHA wurden im Parlament lange und engagierte Diskussionen geführt. Verschiedene Votanten sprachen sich mit dem Hinweis auf die unbefriedigende Menschenrechtslage in Kolumbien gegen die Ratifizierung des Abkommens aus. Es trifft zwar zu, dass die Situation im Bereich der Menschenrechte in diesem Land in bestimmter Hinsicht nach wie vor beunruhigend ist. Jedoch wurden unter der Regierung von Präsident Uribe bedeutende Fortschritte erzielt. In diesem Zusammenhang zeigen die Erfahrungen, dass wirtschaftliche Entwicklung und Fortschritte auf dem Gebiet der Menschenrechte vielfach Hand in Hand gehen.

… und die Argumente zu Gunsten des FHA


Das FHA fügt sich als ergänzendes Instrument in die bereits sehr intensiven Beziehungen ein, welche die Schweiz mit Kolumbien unterhält. Diese bestehen insbesondere im Rahmen des seit langem geführten Dialogs über die Menschenrechte, der Mediationstätigkeit und weiterer Massnahmen. So leistet die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Kolumbien humanitäre Hilfe und unterstützt Projekte von Nichtregierungs- und staatlichen Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte, den Zugang zum Rechtssystem, die Rechte von Minoritäten und Kindern und den Kampf gegen die Nichtverfolgung strafrechtlicher Delikte einsetzen. Aus der breiten Palette von Massnahmen, welche die Schweiz zu Gunsten von Kolumbien realisiert, geht klar hervor, dass sich die Politik gegenüber diesem Land keineswegs ausschliesslich an wirtschaftlichen und geschäftlichen Interessen orientiert. Mit einem Verzicht auf die Ratifizierung des Abkommens aufgrund der weiterhin problematischen Menschenrechtslage würde die Situation nicht verbessert. Mit dem Abkommen kann die Frage der Menschenrechte in Kolumbien nicht gelöst werden; dazu ist es nicht das geeignete Instrument. Aber es kann dazu beitragen, dass sich der Lebensstandard der kolumbianischen Bevölkerung – und damit auch die allgemeine Lage – verbessert. Im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) finanziert die Schweiz verschiedene Projekte, die auf einen Ausbau der grundlegenden Arbeitsnormen in Kolumbien ausgerichtet sind. Das FHA fügt sich somit vollständig in die schweizerische Aussenpolitik ein.  Das FHA wurde am 25. Mai 2009 vom Nationalrat und am 24. September 2009 vom Ständerat verabschiedet und sollte im Verlauf von 2010 in Kraft treten.

Ausblick


Mit dem FHA, dem Investitionsschutzabkommen und dem Doppelbesteuerungsabkommen Das Doppelbesteuerungsabkommen muss von Kolumbien noch ratifiziert werden. sowie dem grossen Potenzial des kolumbianischen Marktes mit seiner dynamischen Unternehmerschaft ergibt sich ein Zusammenspiel von sehr guten Rahmenbedingungen für Schweizer Firmen, die Güter und Dienstleistungen nach Kolumbien exportieren oder Direktinvestitionen tätigen. Auch Kolumbien profitiert vom verbesserten Zugang zu europäischen Märkten, Direktinvestitionen und zum öffentlichen Beschaffungswesen sowie geistigem Eigentum und Wettbewerb. Mit der Abstimmung der Aussenwirtschaftspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit leistet die Schweiz in Kolumbien einen Beitrag zu stabilem Wachstum, wodurch die Armut reduziert werden kann. Entwickelt sich Kolumbien positiv, könnte sich dies auch günstig auf Nachbarländer auswirken.

Grafik 1 «Importmarktanteile auf dem kolumbianischen Markt, 2001-2008»

Tabelle 1 «Zolltarife Kolumbiens, 2008 (in %)»

Kasten 1: Freihandelsnetz Kolumbiens und Präferenzzölle
Kolumbien ist Mitglied der Andengemeinschaft CAN (Kolumbien, Bolivien, Ecuador und Peru). Im zwischenstaatlichen Handel wurden die Zölle eliminiert; ein gemeinsamer Aussenzoll fehlt jedoch. Die CAN ist neben der Nafta (Mexiko, USA und Kanada) und dem gemeinsamen Markt Südamerikas Mercosur (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) der drittgrösste Wirtschaftsblock Amerikas. Das FHA zwischen Kolumbien und Chile sieht vor, dass bis 2011 der zollfreie Handel bei allen Produkten (inkl. Agrargüter) verwirklicht sein wird. Gemäss dem Abkommen mit den Ländern des Mercosur sollen bis spätestens 2018 alle Zölle zwischen Kolumbien und den Mitgliedern des Mercosur auf null abgebaut sein (inkl. Agrargüter). Präferenzabkommen bestehen mit zwölf Ländern der karibischen Gemeinschaft Caricom (Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana, Haiti, Jamaika, Montserrat, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname und Trinidad und Tobago), Mexiko, Kuba und Panama. Zudem ist Kolumbien Mitglied von Aladi, dem lateinamerikanischen Integrationsraum, der sich zusammensetzt aus den Mitgliedern der CAN und des Mercosur plus Chile, Mexiko und Venezuela. Die Mitglieder gewähren sich Präferenzzölle. Kolumbien und die USA unterzeichneten im November 2006 ein umfassendes FHA. Ausstehend ist die Ratifikation durch den amerikanischen Kongress. Im November 2008 unterzeichnete Kolumbien mit Kanada ebenfalls ein umfassendes FHA. Der Ratifikationsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Mit der EU sind Verhandlungen über ein FHA im Gang. Unter dem Allgemeinen Präferenzensystem (APS) profitiert Kolumbien von präferenziellem Zugang zu den Märkten z.B. Kanadas, der EU, Japans, der Schweiz oder von den USA. Die APS der einzelnen Industrieländer gewähren für Waren aus Entwicklungsländer unilateral einen präferenziellen Zugang, um einen Beitrag zur Entwicklung dieser Länder zu leisten.

Kasten 2: Entwicklung des bilateralen Handels Schweiz-Kolumbien mit einem Freihandelsabkommen
Die amerikanischen Ökonomen Jeff Bergstrand und Scott Baier können zeigen, dass sich mit einem FHA nach 10-15 Jahren der bilaterale Handel typischerweise verdoppelt.a Das hängt u.a. damit zusammen, dass die meisten FHA schrittweise über mehrere Jahre hinweg implementiert werden. Zudem passen die Wirtschaftsakteure ihre Tätigkeiten nach und nach an die verbesserten Rahmenbedingungen an. Mit Hilfe des nicht-parametrischen Matching-Econometrics-Ansatzes können sie auch eine Vorhersage der Entwicklung der Handelsströme im Fall des Abkommens mit Kolumbien treffen. In der Analyse des FHA Schweiz-Kolumbien haben die Autoren für das Jahr 2005 Länderpaare gesucht, die ähnliche Charakteristika (v.a. Sprache, gemeinsame Grenze, Distanz) aufweisen und ein FHA hatten. Als Match für bilaterale Handelsbeziehungen, wo bereits ein FHA besteht, ergaben sich das FHA Chile-Schweiz und das FHA Chile-EU. Je nach Güte des Match sollte die Differenz in den Niveaus der Handelsflüsse nur noch den Effekt eines FHA wiedergeben. In der Ex-ante-Analyse schätzen die Autoren, dass mit dem FHA der Handel zwischen der Schweiz und Kolumbien pro Jahr um rund 6,5% steigen dürfte. Der bilaterale Handel würde sich somit in 15 Jahren verdoppeln.

Zitiervorschlag: Philippe Etienne, Isabelle Schluep, (2009). Freihandelsabkommen mit Kolumbien: Aussenwirtschaftspolitik und Entwicklungszusammenarbeit eng abgestimmt. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.